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Küstenschifffahrt


Begriff und Abgrenzung der Küstenschifffahrt

Die Küstenschifffahrt bezeichnet im rechtlichen Sinne die Beförderung von Gütern oder Personen mit Seeschiffen entlang der Küsten eines Staates beziehungsweise zwischen Häfen desselben Staates, die innerhalb der so genannten Küstengewässer oder im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) liegen. Charakteristisch für die Küstenschifffahrt ist das Fehlen einer Auslandsberührung. Sie grenzt sich damit klar von der internationalen Seeschifffahrt ab.

Definition nach deutschem Recht

Nach deutschem Seehandelsrecht (§ 522 HGB) wird als Küstenschifffahrt die Schifffahrt zwischen Häfen desselben Staates begriffen. Die Begriffsbestimmung ist in verschiedenen nationale und internationale Regelungswerken verankert, wobei sich die konkrete Einordnung zwischen Küstenschifffahrt und Seeschifffahrt an Kriterien wie Fahrtgebiet, Schiffsgröße und Art der Transportleistung orientieren kann.

Abgrenzung zu anderen Rechtsbegriffen

Im Gegensatz zur Binnen- oder Binnenschifffahrt, die sich auf die Beförderung auf schiffbaren Binnengewässern (Flüsse, Kanäle und Seen) bezieht, umfasst die Küstenschifffahrt ausdrücklich den maritimen Bereich, ist jedoch nicht Bestandteil der Hochseeschifffahrt. Auch die sogenannte Cabotage ist abzugrenzen: Sie liegt vor, wenn der Transport ausschließlich zwischen zwei Punkten desselben Staates erfolgt, häufig im Kontext nationaler Schutzrechte gegenüber ausländischen Reedereien.

Rechtliche Rahmenbedingungen der Küstenschifffahrt

Die Küstenschifffahrt unterliegt einem umfassenden rechtlichen Regelungsregime. Die maßgeblichen Vorschriften finden sich sowohl im nationalen Recht (z. B. Handelsgesetzbuch, Seeaufgabengesetz, Seesicherheitsrecht) als auch im internationalen Recht und europäischen Gemeinschaftsrecht.

Nationale Regelungen

Handelsgesetzbuch (HGB)

Das Handelsgesetzbuch (HGB) regelt grundlegende Aspekte der Küstenschifffahrt insbesondere im Rahmen des Seehandelsrechts. Die §§ 522 ff. HGB regeln dabei unter anderem Fragen der Haftung, Verträge über Seetransporte sowie Besonderheiten für den Verkehr zwischen deutschen Häfen.

Seesicherheitsrecht

Die Sicherheit von Schiffen in der Küstenschifffahrt ist durch eine Vielzahl von Vorschriften gewährleistet, insbesondere durch das Seeaufgabengesetz, die Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung sowie diverse Verordnungen zur Schiffssicherheit und Umweltschutz. Diese Normen regeln Anforderungen an die Ausrüstung, Führung und Sicherheit der Schiffe.

Kabotage-Regelungen

Die so genannte Kabotage ist im Küstenschifffahrtsgesetz und weiteren damit verbundenen Regelwerken geregelt. Die Vorschriften bestimmen, inwieweit inländische und ausländische Reedereien berechtigt sind, Küstenschifffahrt durchzuführen. In Deutschland ist die Kabotage grundsätzlich liberalisiert, unterliegt jedoch bestimmten Melde- und Zulassungspflichten.

Europarechtliche Vorgaben

Mit dem Binnenmarkt der Europäischen Union gilt auch für die Küstenschifffahrt eine weitgehende Marktöffnung. Die Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates vom 7. Dezember 1992 über die Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr innerhalb der Mitgliedstaaten (sogenannte EU-Kabotage-Verordnung) regelt den Zugang von Reedereien aus anderen EU-Mitgliedstaaten zur Küstenschifffahrt.

Internationale Regelungen

Zu den internationalen Rechtsgrundlagen der Küstenschifffahrt zählen insbesondere das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ, UNCLOS), internationale Abkommen über den Schutz der Meeresumwelt sowie zahlreiche technische Standards der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO).

Rechtsfolgen und Besonderheiten der Zulassung zur Küstenschifffahrt

Zulassungsvoraussetzungen

Für die Teilnahme an der Küstenschifffahrt sind verschiedene Voraussetzungen zu erfüllen. Hierzu zählen insbesondere Zulassungen und Eintragungen der Schiffe, Nachweise der Befehlstauglichkeit der Besatzung sowie Angaben zu Ladungssicherheit und Umweltschutz.

Haftungsfragen

Im Gegensatz zur internationalen Seeschifffahrt sind Haftungsregelungen für Küstenschifffahrt in bestimmten Fällen abweichend geregelt. So finden teilweise andere Haftungsbeschränkungen und Versicherungsanforderungen Anwendung, insbesondere sofern Beförderungsverträge ausschließlich innerhalb nationaler Gewässer durchgeführt werden.

Umweltschutz und Sicherheitsbestimmungen

Die Küstenschifffahrt unterliegt besonders strengen umwelt- und sicherheitsrechtlichen Auflagen. Nationale und internationale Regeln, etwa zur Verhinderung von Ölverschmutzungen oder zur Schadstoffemission, sind umzusetzen und laufend zu überwachen. Hierzu gehören beispielsweise die Anforderungen des MARPOL-Übereinkommens sowie Vorschriften zur Ballastwasserbehandlung.

Praxisbeispiele und aktuelle Entwicklungen

Öffnung der Küstenschifffahrt für ausländische Unternehmen

Hinsichtlich des Marktzugangs für ausländische Reedereien ist ein anhaltender Liberalisierungsprozess in Kraft. Durch die Umsetzung europarechtlicher Vorgaben wurde die nationalstaatliche Küstenschifffahrt weitgehend für Unternehmen innerhalb des EU-Binnenmarktes geöffnet.

Digitalisierung und Modernisierung

Die fortschreitende Digitalisierung prägt zunehmend auch die rechtlichen Rahmenbedingungen der Küstenschifffahrt. Elektronische Dokumente, digitale Hafenprozesse und automatisierte Meldeverfahren sind bestimmende Faktoren des Rechtsrahmens geworden. Sie stellen neue Anforderungen an Datenschutz, IT-Sicherheit und Nachweisführung.

Zusammenfassung

Die Küstenschifffahrt stellt einen eigenständigen Bereich des Seetransportrechts dar, der durch zahlreiche nationale, europäische und internationale Rechtsvorschriften geprägt ist. Besonderheiten der Zulassung, Haftung und Sicherheit, spezifische Vorgaben im Umweltschutz sowie das Zusammenspiel von nationalem und europäischem Recht machen sie zu einem komplexen und vielschichtigen Regelungsbereich. Die fortlaufende Entwicklung der Technologie und die Integration in den europäischen Binnenmarkt führen zu einer kontinuierlichen Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Genehmigungen sind für die Durchführung von Küstenschifffahrt erforderlich?

Für die Durchführung von Küstenschifffahrt bedarf es unterschiedlicher Genehmigungen, die sowohl den Vorgaben des Seeaufgabengesetzes (§ 10 SeeAufgG) als auch weiteren spezialgesetzlichen Regelungen unterliegen können. In Deutschland ist maßgeblich eine sogenannte Küstenschifffahrtsgenehmigung erforderlich, sofern die Schifffahrt gewerbsmäßig durchgeführt und die deutsche Hoheitsgewässerlinie (3-Seemeilen-Zone) in Anspruch genommen wird. Diese Genehmigung wird auf Antrag von der zuständigen Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (in der Regel das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, BSH) erteilt. Der Antragsteller muss dabei insbesondere Nachweise über die Eignung und Betriebssicherheit der eingesetzten Schiffe, den Nachweis der Einhaltung arbeitsrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Vorgaben sowie gegebenenfalls eine wirtschaftliche Zuverlässigkeit und eine ausreichende Haftpflichtversicherung einreichen. Für ausländische Schiffe gelten außerdem Bestimmungen nach dem Flaggenstaatsprinzip und die Einhaltung internationaler Abkommen wie MARPOL oder SOLAS.

Inwieweit sind bei der Küstenschifffahrt besondere arbeitsrechtliche Vorschriften zu beachten?

In der Küstenschifffahrt sind auf Grundlage des Seearbeitsgesetzes (SeeArbG) sowie spezifischer Verordnungen wie der Küstenschifffahrtspersonalverordnung besondere arbeitsrechtliche Bedingungen zu erfüllen. Hierzu zählen unter anderem Vorschriften zur Höchstarbeitszeit, zwingende Ruhezeiten, Unterbringungsstandards für die Crew sowie Anforderungen an Musterung und Heuer. Darüber hinaus müssen sowohl auf deutschen als auch auf ausländischen Schiffen mit Fahrstrecken zwischen deutschen Küstenhäfen die besonderen Schutzvorschriften für Seeleute im Küstendienst angewendet werden. Dies betrifft auch die zwingende Beteiligung von Sozialversicherungsträgern und Kassenärztlichem Dienst sowie die Einhaltung von Mindestlohnvorschriften nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG), soweit anwendbar.

Welche Einschränkungen gibt es bezüglich der nationalen Kontrolle und des Flaggenrechts?

Nach § 7 Abs. 1 Flaggenrechtsgesetz (FlaggRG) dürfen Schiffe, die in der Küstenschifffahrt eingesetzt werden, grundsätzlich nur unter deutscher Flagge verkehren. Ausnahmen bestehen jedoch im Rahmen der EU-Vorschriften zur Dienstleistungsfreiheit, sodass unter bestimmten Voraussetzungen auch Schiffe anderer EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der Küstenschifffahrt verkehren dürfen. Allerdings sind sie dann den gleichen technischen, arbeits- und sozialrechtlichen Anforderungen wie deutsche Schiffe zu unterwerfen (Inländergleichbehandlung). Die Bundesbehörden sind befugt, jederzeit Kontrollen hinsichtlich der Einhaltung dieser Vorschriften an Bord durchzuführen und gegebenenfalls die Weiterfahrt zu untersagen.

Welche Haftungsregelungen gelten in der Küstenschifffahrt im Schadensfall?

Im Bereich der Küstenschifffahrt sind insbesondere das Seehandelsrecht, das im Fünften Buch des Handelsgesetzbuches (HGB) geregelt ist, sowie internationale Übereinkommen (z. B. das Internationale Übereinkommen über Haftung und Entschädigung für Ölverschmutzungsschäden, CLC) einschlägig. Für Schäden an Personen, Sachen oder der Umwelt besteht eine verschuldensabhängige und zum Teil auch verschuldensunabhängige Haftung des Schiffseigners, wobei für bestimmte Fälle – etwa im Zusammenhang mit Umweltschäden – Haftungsgrenzen gelten. Zudem sind Betreiber verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung zu unterhalten, welche Schadensersatzansprüche Dritter absichert, ansonsten droht ein Betriebsausschluss.

Gibt es spezielle Umweltauflagen für die Küstenschifffahrt?

Ja, Küstenschiffe unterliegen sowohl nationalen als auch internationalen Umweltstandards. Insbesondere sind die Vorschriften des MARPOL-Übereinkommens (z. B. MARPOL Annexes I bis VI) maßgeblich, die durch das deutsche Seeumweltrecht und ergänzende Umweltverordnungen verschärft werden können. Hierzu zählen Regelungen zu Abfallentsorgung, Emissionsreduzierung (SOx- und NOx-Grenzwerte) sowie zur Ballastwasserbehandlung. Verstöße können empfindliche Verwaltungsstrafen nach sich ziehen, bis hin zum behördlichen Fahrverbot.

Wie wird die Sicherheit der Küstenschifffahrt rechtlich gewährleistet?

Die Sicherheit der Küstenschifffahrt wird durch ein Bündel an Regelungen nationaler wie internationaler Herkunft abgesichert. Maßgeblich sind das Seesicherheits-Untersuchungsgesetz (SUG), das internationale SOLAS-Übereinkommen, das Schiffssicherheitsgesetz und zahlreiche technische Verordnungen zu Ausrüstung und Betrieb (Schiffsbetriebsverordnung, Crewbesetzungsverordnung). Vor Fahrtantritt sind regelmäßig Inspektionen nach den Vorgaben der zuständigen Flaggen- oder Hafenstaatkontrollen durchzuführen. Nationale Behörden wie das BSH oder das Havariekommando nehmen Überwachungs- und Interventionsrechte wahr.

Welche Besonderheiten gelten für die Beförderung gefährlicher Güter in der Küstenschifffahrt?

Für die Beförderung gefährlicher Güter zur See innerhalb von Küstengewässern gelten die Vorschriften des International Maritime Dangerous Goods Code (IMDG-Code), welcher durch nationale Gefahrgutverordnungen See ergänzt wird. Jeder Transport gefährlicher Güter bedarf einer gesonderten Meldung und Genehmigung bei der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung und unterliegt strengen Kennzeichnungs- und Dokumentationspflichten. Die Crew muss entsprechend geschult sein, und das Schiff muss bauliche sowie ausrüstungstechnische Mindestanforderungen erfüllen – inklusive Notfallplänen und Ausrüstungen gemäß GGVSee und den SOLAS-Vorschriften. Verstöße können zu empfindlichen Bußgeldern und einem Widerruf der Fahrterlaubnis führen.