Kündigungsschutz in der Corona-Krise
Die Corona-Krise hat das deutsche Arbeitsrecht und insbesondere den Kündigungsschutz vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Aufgrund der pandemiebedingten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen wurden zahlreiche gesetzliche Anpassungen und neue Regelungen eingeführt, um Beschäftigte in besonderem Maße vor dem Verlust des Arbeitsplatzes zu schützen. Der nachfolgende Artikel befasst sich umfassend mit den rechtlichen Aspekten des Kündigungsschutzes während der Corona-Krise und beleuchtet sowohl die gesetzlichen Grundlagen als auch die spezifischen Auswirkungen der Pandemie auf bestehende und neu erlassene Vorschriften.
Allgemeine Grundlagen des Kündigungsschutzes
Gesetzlicher Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
Der Kündigungsschutz im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) schützt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen. Eine Kündigung ist insbesondere dann sozial ungerechtfertigt, wenn sie weder durch Gründe in der Person noch durch Gründe im Verhalten des Beschäftigten oder durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 KSchG).
Sonderkündigungsschutz
Bestimmte Personengruppen genießen einen besonderen Kündigungsschutz, etwa Schwangere, Eltern während der Elternzeit, Schwerbehinderte oder Betriebsratsmitglieder. Diese Schutzmechanismen bestehen unabhängig von Krisenzeiten, wurden in der Pandemie jedoch im Einzelfall besonders relevant.
Kündigungsschutz und Auswirkungen der Corona-Pandemie
Kurzarbeit und Kündigungsschutz
Ein zentrales arbeitsrechtliches Instrument während der Pandemie war die Einführung und Ausweitung der Kurzarbeit. Der Bezug von Kurzarbeitergeld schützt Beschäftigte jedoch nicht grundsätzlich vor Kündigungen. Allerdings gilt im Rahmen von Sozialplänen und Betriebsvereinbarungen häufig ein ergänzender Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen während der Kurzarbeit.
Besonderheiten während der Corona-Krise
Während der Pandemie wurden Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen vielfach diskutiert. Die Anforderungen an die Darlegung und Begründung betriebsbedingter Kündigungen blieben trotz der wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise unverändert. Arbeitgeber mussten weiterhin darlegen, dass der Wegfall des Arbeitsplatzes dauerhaft und nicht nur vorübergehend ist.
Gesetzliche und befristete Sonderregelungen
Die Bundesregierung hat im Rahmen verschiedener COVID-19-Gesetze – wie dem Sozialschutz-Paket – neue Regelungen zur Stärkung der Beschäftigungssicherung geschaffen. Ein generelles Kündigungsverbot gab es jedoch nicht. Vielmehr wurden ergänzende Regelungen eingeführt, um die Sozialverträglichkeit von Kündigungen zu erhöhen und Erleichterungen bei Kurzarbeitergeld sowie bei der Anrechnung von Nebeneinkünften geschaffen.
Rechtliche Verfahren und Herausforderungen bei Kündigungen während der Pandemie
Zugang der Kündigung und Homeoffice
Ein Sonderproblem stellte der Zugang von Kündigungen dar, insbesondere bei vermehrtem Homeoffice oder Betriebsschließungen. Kündigungen gelten rechtlich erst als zugegangen, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Lage sind, das Kündigungsschreiben zur Kenntnis zu nehmen. Der Zugang kann verzögert sein, wenn Beschäftigte nicht regelmäßig im Betrieb anwesend sind.
Kündigungsschutzklage in der Corona-Krise
Die Fristen zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage gemäß § 4 KSchG lagen weiterhin bei drei Wochen nach Zugang der Kündigung. Die Gerichte haben den Einwand wirtschaftlicher Notlage geprüft, jedoch die Anforderungen an betriebsbedingte Kündigungen grundsätzlich nicht abgesenkt.
Besondere Schutzmaßnahmen für bestimmte Personengruppen in der Pandemie
Arbeitnehmer in Quarantäne und während der Erkrankung
Wer sich wegen einer behördlich angeordneten Quarantäne oder infolge einer COVID-19-Erkrankung im Krankenstand befand, genoss den allgemeinen und gegebenenfalls den besonderen Kündigungsschutz. Arbeitgeber durften rechtswidrige Kündigungen aus Anlass einer Quarantäne oder Erkrankung grundsätzlich nicht aussprechen.
Eltern während der Schul- und Kitaschließungen
Auch für Eltern, die aufgrund von Schul- und Kitaschließungen einer Betreuungspflicht nachkommen mussten, wurden befristete Regelungen im Infektionsschutzgesetz (§ 56 Abs. 1a IfSG) eingeführt. Arbeitgeber durften während des Bezugs von Entschädigungsleistungen regelmäßig keine Kündigung allein wegen der Betreuungssituation aussprechen.
Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung und Alternativen zur Kündigung
Förderinstrumente und Subventionen
Neben dem Kurzarbeitergeld wurden zahlreiche staatliche Fördermaßnahmen (wie Überbrückungshilfen, Soforthilfen etc.) eingeführt, um Arbeitgeber zu entlasten und Entlassungen möglichst zu vermeiden. Dies führte dazu, dass betriebsbedingte Kündigungen mit einer erhöhten Begründungslast einhergingen, weil Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung zunächst sämtliche milderen Mittel zur Arbeitsplatzsicherung ausschöpfen mussten.
Anpassung von Arbeitsverträgen und Betriebsvereinbarungen
In vielen Fällen wurde versucht, durch einvernehmliche Anpassungen der Arbeitszeit oder durch Vereinbarungen zur vorübergehenden Reduktion des Arbeitsentgelts Arbeitsplätze zu erhalten. Solche Vereinbarungen konnten den Kündigungsschutz stärken, da sie als milderes Mittel im Vergleich zur Kündigung einzuordnen sind.
Besonderheiten im internationalen Kontext
Beschäftigte in Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen oder mit Arbeitsverträgen, die international ausgestaltet sind, waren von den nationalen Sonderregelungen teilweise nicht erfasst. Die Anwendung deutschen Kündigungsschutzrechts war auch während der Pandemie an bestimmte Voraussetzungen gebunden, etwa die regelmäßige Arbeitsleistung im Inland und die Anwendbarkeit deutschen Arbeitsrechts.
Zusammenfassung
Der Kündigungsschutz in der Corona-Krise zeichnete sich durch eine Kombination aus bestehenden gesetzlichen Regelungen und zusätzlichen pandemiebedingten Anpassungen aus. Ein generelles Kündigungsverbot in der Pandemie gab es in Deutschland nicht. Arbeitgeber mussten jedoch verstärkt nachweisen, dass eine Kündigung notwendig ist und sämtliche anderen Möglichkeiten der Beschäftigungssicherung ausgeschöpft wurden. Kurzarbeit, behördliche Anordnungen und Sonderregelungen im Infektionsschutzrecht wirkten sich indirekt verstärkend auf den Kündigungsschutz aus. Die Corona-Krise hat damit verdeutlicht, dass die bestehenden Instrumente des deutschen Arbeitsrechts flexibel auf außergewöhnliche Situationen reagieren und Beschäftigte umfassend vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes schützen können.
Dieser Artikel stellt eine umfassende Darstellung der rechtlichen Situation rund um den Kündigungsschutz in der Corona-Krise dar und basiert auf Gesetzesstand und veröffentlichten Informationen im Juni 2024.
Häufig gestellte Fragen
Gilt der allgemeine Kündigungsschutz auch während der Corona-Krise uneingeschränkt weiter?
Der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) bleibt auch während der Corona-Krise uneingeschränkt bestehen. Das bedeutet, dass Arbeitgeber weiterhin die gesetzlichen Hürden beachten müssen, wenn sie kündigen wollen. Eine Kündigung ist nur wirksam, wenn sie sozial gerechtfertigt ist, also entweder auf personenbedingten, verhaltensbedingten oder betriebsbedingten Gründen basiert. Die durch die Corona-Pandemie verursachten wirtschaftlichen Schwierigkeiten können zwar grundsätzlich einen betriebsbedingten Kündigungsgrund darstellen, jedoch reicht ein allgemeiner Hinweis auf die Corona-Krise nicht aus. Der Arbeitgeber muss konkret darlegen, welche wirtschaftlichen Auswirkungen die Pandemie auf den Betrieb hat und warum dadurch bestimmte Arbeitsplätze dauerhaft wegfallen. Kurzarbeit oder staatliche Unterstützungsleistungen sind in der Regel vorrangig zu prüfen, bevor eine Kündigung sozial gerechtfertigt und damit wirksam sein kann.
Können Arbeitnehmer während der Kurzarbeit gekündigt werden?
Arbeitnehmer können auch während der Kurzarbeit grundsätzlich gekündigt werden. Die Einführung von Kurzarbeit schützt nicht automatisch vor einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Entscheidet sich der Arbeitgeber dazu, während der Kurzarbeit eine Kündigung auszusprechen, gelten die regulären Kündigungsfristen und Schutzvorschriften wie nach dem KSchG. Zudem muss die Kündigung weiterhin sozial gerechtfertigt sein. Ist die Kündigung betriebsbedingt, sind die spezifischen Anforderungen – beispielsweise die korrekte Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten (Sozialauswahl) – weiterhin zu beachten. Der Anspruch auf Kurzarbeitergeld endet im Regelfall mit dem Ablauf der Kündigungsfrist, sodass ab diesem Zeitpunkt keine staatlichen Leistungen mehr bezogen werden können.
Welche Besonderheiten gelten für Kündigungen schwerbehinderter Menschen in der Corona-Krise?
Für schwerbehinderte Menschen gelten auch während der Corona-Krise die besonderen Schutzmechanismen des § 168 SGB IX. Eine Kündigung bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes, ansonsten ist sie unwirksam. Das gilt für alle Arten der Kündigung – betriebs-, personen- und verhaltensbedingt. Die pandemiebedingten Einschränkungen modifizieren diese Schutzrechte nicht; das Integrationsamt prüft weiterhin streng, ob die Kündigung aufgrund der Behinderung erfolgt oder sozial gerechtfertigt ist. Die gesetzlichen Fristen und Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrats sind ebenfalls einzuhalten.
Welche Fristen müssen Arbeitgeber bei Kündigungen in der Corona-Krise beachten?
Auch während der Corona-Krise gelten die arbeitsrechtlichen Kündigungsfristen unverändert weiter. Die gesetzlichen Fristen nach § 622 BGB sowie vertraglich vereinbarte oder tarifliche Kündigungsfristen sind strikt einzuhalten. Ein Verstoß hiergegen führt zur Unwirksamkeit der Kündigung. Für den Ausspruch einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung bleibt es beim Zwei-Wochen-Zeitraum ab Kenntnis des Kündigungsgrundes (§ 626 Abs. 2 BGB). Auch diese Fristen wurden durch die Pandemie nicht angepasst oder verlängert.
Haben Betriebsräte und Personalräte in der Corona-Krise ein besonderes Mitbestimmungsrecht bei Kündigungen?
Das Mitbestimmungsrecht von Betriebsrat und Personalrat bleibt auch während der Corona-Krise vollumfänglich bestehen. Vor jeder ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber den Betriebs- oder Personalrat fristgerecht und unter Angabe der Kündigungsgründe anhören (§ 102 BetrVG; § 79 BPersVG). Ohne Anhörung ist die Kündigung unwirksam. Zu beachten ist außerdem, dass bei Betriebsänderungen, wie sie aufgrund der Pandemie häufiger vorkommen können (z.B. Massenentlassungen), weitere Beteiligungsrechte greifen, insbesondere nach §§ 111 ff. BetrVG. Die Mitbestimmung kann aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen auch digital erfolgen, sofern die Voraussetzungen gewahrt werden.
Besteht während der Pandemie ein Kündigungsverbot für bestimmte Berufsgruppen oder Sektoren?
Ein allgemeines Kündigungsverbot wurde in Deutschland während der Corona-Pandemie nicht eingeführt. Für systemrelevante Berufsgruppen oder bestimmte Sektoren wie das Gesundheitswesen gelten keine generellen gesetzlichen Kündigungsverbote; einzelne tarifliche oder arbeitsvertragliche Vereinbarungen können jedoch ergänzende Regelungen enthalten. In Sonderfällen, etwa bei Mutterschutz oder Elternzeit, greifen weiterhin die bekannten gesetzlichen Sonderkündigungsschutzbestimmungen (z.B. § 17 MuSchG, § 18 BEEG), die unabhängig von der Pandemie gelten.
Können Arbeitnehmer gegen eine pandemiebedingte Kündigung rechtlich vorgehen?
Arbeitnehmer haben auch während der Corona-Krise das Recht, gegen eine angeblich pandemiebedingte Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage vorzugehen. Die Klagefrist beträgt drei Wochen ab Zugang der schriftlichen Kündigung (§ 4 KSchG). Im Klageverfahren prüft das Arbeitsgericht insbesondere, ob ein ausreichender Kündigungsgrund vorliegt und ob der Arbeitgeber alle sozialen Auswahlkriterien und Schutzvorschriften beachtet hat. Die bloße Berufung auf wirtschaftliche Schwierigkeiten durch Corona reicht in der Regel für eine soziale Rechtfertigung nicht aus, wenn der Arbeitgeber keine substanzielle betriebswirtschaftliche Darlegung erbringt. Auch die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung auf freien Arbeitsplätzen im Unternehmen muss geprüft werden.