Begriff und Bedeutung der Kreisordnung
Die Kreisordnung bezeichnet im deutschen Recht das zentrale Regelwerk für die Organisation, Aufgaben und die Selbstverwaltung der Landkreise als kommunale Gebietskörperschaften. Sie bildet die rechtliche Grundlage für die Bildung, Verwaltung und das Handeln von Landkreisen und regelt umfassend deren innere und äußere Verfasstheit. Je nach Bundesland bestehen unterschiedliche landesrechtliche Kreisordnungen, die auf die jeweiligen föderalen Strukturen und Bedürfnisse zugeschnitten sind. Die Kreisordnung ist wesentlicher Bestandteil des Kommunalrechts und definiert unter anderem die Aufgabenverteilung zwischen Kreis und kreisangehörigen Gemeinden sowie die Organe, Finanzordnung und Verwaltungsverfahren des Landkreises.
Historische Entwicklung der Kreisordnung
Die Ursprünge der Kreisordnung lassen sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Bereits mit den preußischen Kreisordnungen von 1872 für die östlichen und von 1888 für die westlichen Provinzen wurden grundlegende Prinzipien der Kreisverfassung normiert. In Folge der Reichsgründung und weiterer Verwaltungsreformen entwickelten sich unterschiedlich ausgestaltete Kreisordnungen in den deutschen Ländern. In der Bundesrepublik Deutschland regeln seit 1949 die Länder eigenständig die Organisation ihrer Landkreise mittels landesspezifischer Kreisordnungen oder kommunaler Hauptsatzungen.
Gesetzliche Grundlagen
föderale Struktur und landesspezifische Unterschiede
Die Kreisordnungen finden sich als eigenständiges Gesetz oder als Teil des Kommunalverfassungsrechts der Länder. Bekannte Beispiele sind:
- Baden-Württemberg: Landkreisordnung für Baden-Württemberg (LKrO BW)
- Bayern: Landkreisordnung für den Freistaat Bayern (LKrO BY)
- Hessen: Hessische Landkreisordnung (HKO)
- Brandenburg: Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf)
- Nordrhein-Westfalen: Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (KrO NRW)
Im föderalen System existieren inhaltliche Unterschiede hinsichtlich Struktur, Zuständigkeiten und Verfahren.
Kreisordnung versus Gemeindeordnung
Die Kreisordnung steht im System des Kommunalrechts neben der Gemeindeordnung. Während die Gemeindeordnung die Verfassung und Verwaltung der Gemeinden regelt, bezieht sich die Kreisordnung explizit auf die administrative Ebene der Landkreise.
Organisatorische Grundlagen
Kreis als Gebietskörperschaft
Ein Landkreis ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Gebietsbezug. Die Kreisordnung regelt dessen Mitgliedschaft (kreisangehörige Städte und Gemeinden), Zuständigkeiten sowie die Rechtsstellung des Landkreises als Selbstverwaltungskörperschaft.
Organe des Kreises
Gemäß den Kreisordnungen verfügt jeder Landkreis über folgende Hauptorgane:
- Kreistag: Das Hauptorgan der Willensbildung mit Beschlusskompetenz.
- Landrat / Landrätin: Hauptverwaltungsbeamter, oftmals zugleich Vorsitzender des Kreistags und Leiter der Verwaltung.
- Kreisausschuss oder Kreisausschüsse: Beratende bzw. entscheidende Ausschüsse, denen Aufgaben übertragen werden können.
Die genaue Zusammensetzung, Wahlverfahren, Amtszeiten und Kompetenzen dieser Organe unterliegen den Vorgaben der jeweiligen Landesgesetzgebung.
Aufgaben und Zuständigkeiten der Landkreise
Übertragene und eigene Aufgaben
Die Kreisordnung differenziert zwischen:
- Pflichtaufgaben: Gesetzlich vorgeschriebene Aufgaben (z. B. Schulträgerschaft, Abfallwirtschaft, Gesundheitswesen).
- Freiwillige Aufgaben: Aufgaben, die die Landkreise im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten wahrnehmen können (z. B. Kulturförderung, Sport).
Aufsichtliche Funktion gegenüber Gemeinden
Die Landkreise nehmen häufig Aufgaben der kommunalen Aufsicht über kreisangehörige Gemeinden wahr, soweit dies durch Landesrecht vorgesehen ist.
Verwaltung, Verfahren und Rechtsstellung
Verwaltungsstruktur
Die Verwaltung des Landkreises untersteht dem Landrat bzw. der Landrätin und untergliedert sich in verschiedenen Fachdienste, Ämter und Dezernate.
Rechtmäßigkeit und Kontrollen
Die Ausübung der Aufgaben unterliegt der Rechtsaufsicht sowie teilweise der Fachaufsicht der zuständigen Landesbehörden. Die Kreisordnungen legen die entsprechenden Verfahren und Rechtsmittel bei Streitigkeiten fest.
Finanzierung und Haushalt
Die Kreisordnung normiert die finanzielle Grundlage der Landkreise. Wesentliche Einnahmequellen sind:
- Kreisumlagen: Von den kreisangehörigen Gemeinden erhoben.
- Zuweisungen des Landes.
- Gebühren und Beiträge.
Die Haushaltsführung unterliegt rechtlichen Vorgaben, insbesondere dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit.
Wahlrecht und Bürgerbeteiligung
In den Kreisordnungen finden sich auch Regelungen zu Wahlen (z. B. Kreistagswahl), zur Beteiligung der Bevölkerung (u. a. Bürgerbegehren, Bürgerentscheid) und zu Transparenzpflichten der Organe.
Bedeutung im föderalen System
Die Kreisordnung sichert eine effiziente Verwaltung auf mittlerer kommunaler Ebene. Sie gewährleistet die Erfüllung übergemeindlicher Aufgaben, fördert bürgernahe Verwaltung und sichert demokratische Strukturen abseits größerer Städte.
Reformen und aktuelle Entwicklungen
Die Kreisordnungen unterliegen kontinuierlicher Anpassung, etwa im Bereich der Digitalisierung, Jugend- und Sozialarbeit, Umweltschutz oder angesichts veränderter demographischer Bedürfnisse und Aufgabenverlagerungen durch Bund oder Land.
Zusammenfassung:
Die Kreisordnung ist das grundlegende Regelwerk für Organisation, Aufgaben und Verwaltung der Landkreise in Deutschland. Mit ihrer klaren Einbindung in das Landesrecht, der Definition von Organstrukturen und Verwaltungsprozessen sowie der Sicherung finanzieller und demokratischer Grundlagen bildet sie ein zentrales Element des deutschen Kommunalverfassungsrechts.
Häufig gestellte Fragen
Wie erfolgt die Bildung und Zusammensetzung des Kreistages nach der Kreisordnung?
Die Bildung und Zusammensetzung des Kreistages regelt die Kreisordnung im jeweiligen Bundesland umfassend. Der Kreistag ist das zentrale Beschlussorgan eines Landkreises und wird in der Regel alle fünf Jahre im Wege der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl gewählt. Die Zahl der Kreistagsmitglieder hängt dabei von der Einwohnerzahl des jeweiligen Landkreises ab und ist in der Kreisordnung oder in spezialgesetzlichen Regelungen präzise festgelegt. Neben den gewählten Mitgliedern gehört in den meisten Landesgesetzen auch der Landrat dem Kreistag als stimmberechtigtes oder beratendes Mitglied an. In einigen Bundesländern besteht zudem die Möglichkeit, sachkundige Einwohner ohne Stimmrecht in Ausschüsse zu entsenden. Die Wahlmodalitäten sowie das Verfahren zur Mandatszuteilung richten sich in der Regel nach den Kommunalwahlgesetzen der Länder. Dies stellt sicher, dass der Kreistag die demokratisch legitimierte Vertretung der Bevölkerung innerhalb des Landkreises bildet.
Welche Aufgaben und Zuständigkeiten sind dem Kreistag durch die Kreisordnung zugewiesen?
Die Kreisordnung weist dem Kreistag alle grundlegenden Angelegenheiten des Landkreises zur Beschlussfassung zu. Hierzu gehören insbesondere die Festsetzung des Haushaltsplans, die Erhebung von Kreisumlagen, der Erlass von Satzungen, die Kontrolle der Verwaltung sowie die Entscheidung über bedeutende Investitionen und Einrichtungen. Der Kreistag überwacht die Tätigkeit des Landrats und der Kreisverwaltung, beschließt über die Übertragung von Aufgaben auf Ausschüsse oder den Landrat und legt in vielen Fällen auch die Grundsätze für die Aufgabenerledigung fest. Er bestimmt die Richtlinien der Kreispolitik, trifft Personalentscheidungen auf höherer Ebene (z. B. Bestellung von Dezernenten) und entscheidet über Verträge oder Mitgliedschaften in Zweckverbänden. Die Kreisordnung listet diese Aufgaben katalogartig auf und kann durch weitere Aufgaben ergänzt werden, sofern diese nicht kraft Gesetzes anderen Organen zugewiesen sind.
In welchem Umfang können Ausschüsse in einem Landkreis nach der Kreisordnung gebildet werden?
Die Kreisordnung sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, dass der Kreistag für bestimmte Bereiche oder Aufgaben ständige oder zeitweilige Ausschüsse bildet. Die Anzahl, Benennung und Kompetenzen der Ausschüsse sind meist in der Geschäftsordnung des Kreistages geregelt, deren Erlass durch die Kreisordnung verpflichtend vorgeschrieben ist. Die Mitglieder der Ausschüsse werden vom Kreistag gewählt und sollen möglichst die Zusammensetzung des Kreistages widerspiegeln. Es gibt Pflichtausschüsse, wie beispielsweise den Rechnungsprüfungsausschuss, der in der Regel durch die Kreisordnung vorgeschrieben wird. Ausschüsse haben die Aufgabe, bestimmte Sachverhalte vorab fachlich zu beraten und Empfehlungen an den Kreistag auszusprechen. Teilweise können ihnen durch Beschluss des Kreistages auch Entscheidungsbefugnisse übertragen werden, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt. Sachkundige Einwohner dürfen je nach Landesrecht als beratende Mitglieder mitwirken.
Welche Bedeutung hat die Landrätin oder der Landrat innerhalb der Kreisordnung?
Gemäß der Kreisordnung ist die Landrätin beziehungsweise der Landrat die hauptamtliche Leitung der Kreisverwaltung und in diesem Amt die oberste Dienstbehörde der Kreisbediensteten. Sie oder er vertritt den Landkreis nach außen, führt die Beschlüsse des Kreistages aus und ist gesetzlicher Vertreter des Landkreises. Die Landrätin bzw. der Landrat nimmt an den Sitzungen des Kreistages und der Ausschüsse teil und hat das Recht, jederzeit das Wort zu ergreifen. In zahlreichen Angelegenheiten ist sie oder er für die laufende Verwaltung zuständig und entscheidet selbstständig über alle Angelegenheiten, die nicht ausdrücklich dem Kreistag vorbehalten sind. In einigen Bundesländern fungiert die Landrätin oder der Landrat auch als Vorsitzende*r des Kreistages, in anderen ist diese Aufgabe einem oder einer Vorsitzenden aus der Mitte des Kreistages vorbehalten. Die Kreisordnung regelt auch Vertretungsregelungen im Fall der Verhinderung sowie die Voraussetzungen der Wahl und Abwahl.
Wie ist das Verhältnis zwischen Kreisordnung und kommunalen Satzungen geregelt?
Die Kreisordnung enthält die grundlegenden Bestimmungen über die Verfassung des Landkreises als kommunale Gebietskörperschaft und hat dabei Vorrang gegenüber den durch den Landkreis erlassenen Satzungen. Kommunale Satzungen, wie etwa die Hauptsatzung oder die Geschäftsordnung des Kreistages, müssen sich im Rahmen der Vorgaben der Kreisordnung halten und dürfen diesen nicht widersprechen. Soweit die Kreisordnung Handlungsspielräume oder Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet, kann der Landkreis diese im Wege der Satzung nutzen und konkretisieren. Die Aufsicht über die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben obliegt der Kommunalaufsichtsbehörde, die einschreiten kann, wenn Satzungen oder Beschlüsse gegen die Kreisordnung verstoßen.
Welche Vorschriften der Kreisordnung regeln die Bürgerbeteiligung und Transparenz?
Die Kreisordnung verpflichtet die Kreise zur Transparenz und zur Information der Öffentlichkeit über die Arbeit der Kreisorgane. Dies beinhaltet im Regelfall die öffentliche Bekanntmachung von Tagesordnungen, Beschlussvorlagen und Sitzungsprotokollen. Die Sitzungen des Kreistages finden grundsätzlich öffentlich statt, wobei für bestimmte Angelegenheiten (z. B. Personal- oder Vertragsangelegenheiten) ein nichtöffentlicher Teil vorgesehen werden kann. Die Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, an öffentlichen Sitzungen teilzunehmen und gegebenenfalls Anfragen oder Anträge einzubringen, soweit dies die Landesgesetzgebung vorsieht. Die Einzelheiten und Verfahren, beispielsweise für Einwohnerfragestunden oder Bürgerbegehren, sind entweder ebenfalls in der Kreisordnung geregelt oder ergeben sich ergänzend aus länderspezifischen Kommunalverfassungen oder Satzungen.
Wie erfolgt die Kontrolle der Kreisverwaltung und des Landrats nach der Kreisordnung?
Die Kontrollrechte des Kreistages und seiner Ausschüsse ergeben sich unmittelbar aus der Kreisordnung. Der Kreistag ist berechtigt und verpflichtet, die gesamte Verwaltungstätigkeit, insbesondere auch die Amtsführung des Landrats, zu überwachen. Neben Berichts- und Auskunftspflichten der Verwaltung gegenüber dem Kreistag sieht die Kreisordnung vielfach die Möglichkeit von Akteneinsicht oder Aktenvorlagen vor. Für den Bereich der finanziellen Kontrolle ist der Rechnungsprüfungsausschuss zuständig, der die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landkreises prüft und dem Kreistag jährlich Bericht erstattet. Zudem besteht eine externe Kontrolle durch die Kommunalaufsicht, die in verschiedenen Formen tätig werden kann, etwa auf Antrag des Kreistages oder von Amts wegen bei Rechtsverstößen.