Definition und rechtlicher Rahmen von übertragbaren Krankheiten
Übertragbare Krankheiten, auch infektiöse Krankheiten genannt, sind Erkrankungen, die durch die Übertragung von Krankheitserregern wie Bakterien, Viren, Pilzen oder Parasiten von einem Menschen auf einen anderen oder von Tieren auf Menschen ausgelöst werden. Rechtlich werden sie oft als meldepflichtige Krankheiten geführt und sind zentraler Gegenstand zahlreicher gesundheitspolitischer und öffentlich-rechtlicher Regelungen.
Gesetzliche Definition
Im deutschen Recht regelt insbesondere das Infektionsschutzgesetz (IfSG) den Umgang mit übertragbaren Krankheiten. Nach § 2 IfSG versteht man unter einer „übertragbaren Krankheit“ eine durch Krankheitserreger verursachte Erkrankung, die von Mensch zu Mensch, von Tier zu Mensch oder auf andere Weise übertragen werden kann.
Arten von übertragbaren Krankheiten
Zu den rechtlich relevanten übertragbaren Krankheiten zählen unter anderem:
- Meldepflichtige Infektionskrankheiten (z. B. Masern, Tuberkulose, Influenza)
- Sexuell übertragbare Infektionen (z. B. HIV, Syphilis, Gonorrhö)
- Zoonosen, also von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten (z. B. Tollwut, Borreliose)
Meldepflicht und behördliche Maßnahmen
Meldepflicht nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG)
Das IfSG legt umfassend fest, welche Krankheiten und Erreger meldepflichtig sind (§§ 6-9 IfSG). Die Meldepflicht betrifft sowohl behandelnde Ärztinnen und Ärzte als auch Laboratorien. Die Übermittlung erfolgt an das zuständige Gesundheitsamt, das die Daten – unter Wahrung des Datenschutzes – an das Robert Koch-Institut weiterleitet.
Zweck der Meldepflicht
Die Meldepflicht dient:
- der schnellen Identifikation und Eindämmung von Infektionsketten,
- der Umsetzung von Schutzmaßnahmen (Absonderung, Desinfektion, Tätigkeitsverbote etc.),
- der epidemiologischen Überwachung und Berichterstattung.
Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung
Bei Auftreten oder Verdacht einer übertragbaren Krankheit können Gesundheitsämter nach §§ 16 ff. IfSG verschiedene Schutzmaßnahmen anordnen:
- Beobachtung und Überwachung von Kontaktpersonen
- Quarantäne oder Isolation erkrankter oder ansteckungsverdächtiger Personen
- Tätigkeits- und Betretungsverbote in bestimmten Berufsgruppen (z. B. Lebensmittelgewerbe, medizinische Berufe)
- Zwangsuntersuchungen und Schutzimpfungen in besonderen Fällen
Berufliche Schutzpflichten
Bestimmte Berufsgruppen unterliegen besonderen Anforderungen. Nach § 42 IfSG dürfen Personen mit bestimmten übertragbaren Krankheiten keine Lebensmittel gewerbsmäßig herstellen oder in Verkehr bringen. Arbeitgeber haben darüber hinaus Pflichten zur Gefährdungsbeurteilung und Einhaltung von Hygienevorschriften, geregelt z. B. im Arbeitsschutzrecht.
Datenschutz und Persönlichkeitsrechte
Schutz sensibler Daten
Die Meldung übertragbarer Krankheiten berührt regelmäßig das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das IfSG gewährt daher spezielle Regelungen zum Datenschutz (§§ 8-10a IfSG). Übermittlungen dürfen nur zweckgebunden erfolgen, und nach Wegfall des Meldezwecks sind Daten zu löschen oder zu anonymisieren (§ 16 Abs. 6 IfSG).
Abwägung individueller und öffentlicher Interessen
Im Spannungsfeld zwischen Individualrechten und öffentlichem Gesundheitsschutz nimmt das IfSG die Verhältnismäßigkeit bei behördlichen Maßnahmen ausdrücklich in den Blick (§ 16 Abs. 3 IfSG). Insbesondere bei Freiheitsentziehungen (z. B. Quarantäne) ist eine richterliche Anordnung erforderlich (§ 30 IfSG).
Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht im Zusammenhang mit übertragbaren Krankheiten
Strafrechtliche Bestimmungen
Das Strafgesetzbuch (StGB) enthält mehrere Tatbestände, die den Schutz vor der Ausbreitung übertragbarer Krankheiten bezwecken. Relevant sind insbesondere:
- § 222 StGB (fahrlässige Tötung) bei der Verbreitung einer Krankheit mit tödlichem Ausgang
- § 224 StGB (gefährliche Körperverletzung) bei bewusst herbeigeführter Infektion
- § 287 StGB (Verbreitung menschlicher Krankheiten), der vorsätzliche Handlungen zur Verbreitung und Inkaufnahme der Weiterverbreitung unter Strafe stellt
Ordnungswidrigkeiten
Verstöße gegen Anordnungen des Gesundheitsamts oder gegen die Meldepflichten können nach § 73 IfSG als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet werden.
Impfpflicht und weitere Präventionsmaßnahmen
Gesetzliche Grundlage der Impfpflicht
Mit dem Gesetz für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) wurde eine selektive Impfpflicht für bestimmte Personengruppen in Gemeinschaftseinrichtungen eingeführt (§ 20 IfSG). Darüber hinaus bestehen Verpflichtungen zur Information über empfohlene Schutzimpfungen.
Maßnahmen betrieblichen und öffentlichen Gesundheitsschutzes
Der Gesetzgeber verpflichtet durch weitergehende Regelwerke, wie die Biostoffverordnung (BioStoffV) oder arbeitsrechtliche Vorschriften, zur Umsetzung von Präventions- und Hygienekonzepten in Betrieben, Schulen, Einrichtungen des Gesundheitswesens und bei Veranstaltungen.
Übertragbare Krankheiten im internationalen Recht
Auch im internationalen Kontext bestehen verbindliche Regelungen, die die Verbreitung übertragbarer Krankheiten verhindern sollen. Die Internationalen Gesundheitsvorschriften (IHR) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verpflichten die Vertragsstaaten, Infektionskrankheiten zu melden, und regeln das internationale Krisenmanagement bei Ausbrüchen grenzüberschreitender Relevanz.
Fazit
Übertragbare Krankheiten sind umfassend rechtlich geregelt. Kernbereich ist das Infektionsschutzgesetz mit Verpflichtungen zur Meldung, Prävention und Eingriffsmaßnahmen zugunsten des öffentlichen Gesundheitsschutzes. Der Gesetzgeber balanciert hierbei die Grundrechte der Einzelnen mit dem Schutz der gesamten Bevölkerung. Verstöße können empfindliche Sanktionen nach sich ziehen. Die rechtliche Steuerung bleibt angesichts neuer Krankheitserreger und globaler Mobilität ein dynamisches Regelungsfeld.
Häufig gestellte Fragen
Welche Meldepflichten bestehen nach deutschem Recht bei übertragbaren Krankheiten?
Nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) sind bestimmte übertragbare Krankheiten meldepflichtig. Wer die Meldepflicht hat, ergibt sich aus § 6 und § 8 IfSG: Dies sind insbesondere Ärzte, Leiter von medizinischen Laboren sowie Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen und Kindergärten. Die Meldepflicht umfasst eine Vielzahl definierter Krankheiten (z. B. Masern, Tuberkulose, COVID-19, Hepatitis B und C), die namentlich an das zuständige Gesundheitsamt zu melden sind. Die Meldung muss in der Regel unverzüglich, spätestens binnen 24 Stunden erfolgen. Bei Ausbruch einer meldepflichtigen Erkrankung kann das Gesundheitsamt zusätzliche Maßnahmen anordnen, wie Quarantäne oder die Schließung von Einrichtungen. Verstöße gegen die Meldepflicht werden als Ordnungswidrigkeit behandelt und können mit Bußgeld geahndet werden. Zudem beinhaltet die Übermittlung der Meldedaten detaillierte Angaben zur betroffenen Person und zur Art der Erkrankung, wobei der Datenschutz nach den gesetzlichen Vorgaben gewährleistet sein muss.
Welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen ergeben sich bei einem positiven Befund einer übertragbaren Krankheit?
Stellt ein Arbeitnehmer fest, dass er an einer übertragbaren Krankheit leidet, ist er verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Bei bestimmten ansteckenden Krankheiten ist die betroffene Person darüber hinaus nach § 31 IfSG verpflichtet, der Ausübung bestimmter Tätigkeiten fernzubleiben, insbesondere im Lebensmittelbereich, Gesundheitswesen oder in Gemeinschaftseinrichtungen. Das Gesundheitsamt kann zudem per Anordnung ein Tätigkeitsverbot aussprechen. Die Lohnfortzahlung richtet sich nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Im Falle eines behördlichen Tätigkeitsverbots kann der Arbeitnehmer eine Entschädigung nach § 56 IfSG beantragen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, entsprechende Schutzmaßnahmen gemäß Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) zu treffen und ggf. den Betriebsrat einzubinden, etwa bei pandemiebedingten Maßnahmen.
Dürfen personenbezogene Daten übertragener Krankheiten an Dritte weitergegeben werden?
Die Weitergabe personenbezogener Gesundheitsdaten ist durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) streng geregelt. Eine Weitergabe darf nur erfolgen, wenn eine gesetzliche Erlaubnisnorm dies vorsieht, zum Beispiel durch das IfSG im Rahmen der gesetzlichen Meldepflichten an das Gesundheitsamt. Die Übermittlung an Dritte, etwa Vorgesetzte oder Kollegen, ist in der Regel nicht zulässig. Die betroffene Person muss grundsätzlich informiert werden, sofern keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegenstehen. Die Dokumentation und Speicherung solcher Daten unterliegt besonderen Schutzvorschriften und muss nachvollziehbar und sicher erfolgen.
Welche präventiven Maßnahmen sind rechtlich in Einrichtungen mit erhöhtem Ansteckungsrisiko vorgeschrieben?
In Einrichtungen wie Krankenhäusern, Pflegeheimen, Kindergärten oder Schulen sind nach IfSG und weiteren Schutzgesetzen wie dem Medizinproduktegesetz sowie der Arbeitsstättenverordnung umfassende Präventionsmaßnahmen verpflichtend. Dazu zählen regelmäßige Hygieneschulungen des Personals, Erstellung und Umsetzung von Hygieneplänen, Pflicht zur Dokumentation von Schutzmaßnahmen sowie Meldung von Ausbrüchen übertragbarer Krankheiten an das Gesundheitsamt. Bei erhöhtem Infektionsgeschehen kann das Gesundheitsamt zusätzliche Maßnahmen wie Quarantäneanordnungen, Besuchsverbote oder Schließungen erlassen. Die Träger der Einrichtungen sind für die Umsetzung und Überwachung der Maßnahmen verantwortlich und können im Fall von Versäumnissen haftungsrechtlich belangt werden.
Welche Rechte und Pflichten treffen Patienten bei einer bestätigten Infektion mit einer meldepflichtigen Krankheit?
Patienten mit einer bestätigten meldepflichtigen Infektion unterliegen gemäß IfSG Mitwirkungs- und Duldungspflichten. Sie müssen sich ggf. medizinischen Untersuchungen und behördlich angeordneten Maßnahmen (z. B. Quarantäne, Isolation) unterziehen. Weiterhin besteht ein Verbot der beruflichen Tätigkeit in bestimmten Bereichen (Lebensmittel, medizinische Berufe u. a.), wenn eine erhebliche Ansteckungsgefahr besteht. Patienten haben das Recht auf Information über die getroffenen Maßnahmen, das Recht auf Widerspruch gegen behördliche Anordnungen (gegebenenfalls vor dem Verwaltungsgericht) sowie Anspruch auf Datenschutz hinsichtlich ihrer Gesundheitsdaten. Im Falle von Quarantäne oder Tätigkeitsverbot können ebenfalls Entschädigungsleistungen nach § 56 IfSG beantragt werden.
Welche Haftungsfragen ergeben sich bei der Übertragung einer Krankheit?
Die zivil- und strafrechtliche Haftung bei der Übertragung einer Krankheit ist komplex. Wer wissentlich oder fahrlässig eine ansteckende Krankheit überträgt (zum Beispiel durch Missachtung behördlicher Anordnungen), kann nach §§ 823 ff. BGB auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Im Strafrecht können Tatbestände wie Körperverletzung (§ 223 StGB) oder fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) einschlägig sein. Besonders schwerwiegend sind Fälle, in denen trotz Kenntnis einer Infektion Schutzmaßnahmen unterlassen werden. Hinzu kommen arbeitsrechtliche Konsequenzen, etwa Abmahnung oder Kündigung, wenn eine Infektion verschwiegen und dadurch eine Gefährdung Dritter bewusst in Kauf genommen wurde. In medizinischen und pflegerischen Berufen können berufsrechtliche Maßnahmen bis hin zum Berufsverbot folgen.
Welche besonderen Regelungen gelten für Reiserückkehrer aus Gebieten mit erhöhtem Infektionsrisiko?
Für Reiserückkehrer aus vom Robert-Koch-Institut definierten Risikogebieten gelten nach § 36 IfSG und speziellen Einreiseverordnungen besondere Melde- und Testpflichten. Nach der Rückkehr besteht grundsätzlich die Pflicht zur Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Gesundheitsamt und ggf. zur Vorlage eines negativen Testergebnisses. In bestimmten Fällen kann eine häusliche Quarantäne angeordnet werden. Verstöße gegen Test- oder Quarantänepflichten werden als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeldern geahndet. Für Arbeitnehmer gelten zudem arbeitsrechtliche Bestimmungen bezüglich Arbeitsunfähigkeit und Lohnfortzahlung. Auch hier greifen Entschädigungsregelungen nach § 56 IfSG bei Verdienstausfall infolge von behördlichen Maßnahmen.