Begriff und rechtliche Grundlagen der Krankenkassen
Krankenkassen sind Körperschaften oder Anstalten, die im Rahmen der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung die Aufgabe übernehmen, im Versicherungsfall eine medizinische Versorgung sicherzustellen und die anfallenden Kosten zu erstatten oder direkt zu begleichen. Sie bilden einen fundamentalen Bestandteil der Sozial- und Gesundheitssysteme in Deutschland sowie in vielen weiteren Staaten. Die rechtlichen Grundlagen und Anforderungen an Krankenkassen in Deutschland werden im Wesentlichen durch das Sozialgesetzbuch geregelt.
Übersicht der rechtlichen Einordnung
Gesetzliche und private Krankenkassen
Krankenkassen werden in Deutschland entsprechend ihrer Rechtsform und Tätigkeitsbereiche primär in zwei große Gruppen eingeteilt:
- Gesetzliche Krankenkassen (GKV): Hierzu zählen die sogenannten Ersatzkassen, Betriebskrankenkassen, Innungskrankenkassen und Allgemeine Ortskrankenkassen. Sie sind nach dem deutschen Recht überwiegend als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert (§ 4 SGB V).
- Private Krankenversicherungen (PKV): Diese agieren auf privatrechtlicher Grundlage nach dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG).
Rechtsquellen
Die wichtigsten rechtlichen Regelungswerke im Zusammenhang mit Krankenkassen sind:
- Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) – Gesetzliche Krankenversicherung
- Versicherungsvertragsgesetz (VVG)
- Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG)
- Weitere Vorschriften, etwa in Bezug auf Datenschutz, Beitragswesen oder Leistungserbringung
Aufgaben, Struktur und Aufsicht der Krankenkassen
Aufgaben und Pflichten der Krankenkassen
Kernaufgabe der Krankenkassen ist die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung ihrer Versicherten (§ 1 SGB V). Dies umfasst:
- Gewährung medizinisch notwendiger Leistungen zur Behandlung von Krankheiten
- Präventionsleistungen
- Mutterschafts- und Rehabilitationsleistungen
- Krankengeld und andere finanzielle Leistungen
Die Kassen handeln im Rahmen des Sachleistungsprinzips, das heißt, Versicherte erhalten in der Regel Leistungen ohne direkte Vorleistung, die Abrechnung erfolgt zwischen Leistungserbringern (z.B. Ärzten, Krankenhäusern) und der Kasse.
Organisation und Rechtsstellung
Gesetzliche Krankenkassen sind eigenverwaltete Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Pflichtmitgliedschaft und Selbstverwaltung (§ 4, §§ 31 ff. SGB IV). Die Selbstverwaltung wird durch Gremien (Verwaltungsrat und Vorstand) wahrgenommen, die die Belange der Versicherten repräsentieren. Die Mitgliedschaft in der GKV ist für abhängig Beschäftigte in der Regel verpflichtend, Ausnahmen bestehen beispielsweise für gutverdienende Arbeitnehmer, Selbständige und Beamte.
Private Krankenversicherungen sind privatrechtliche Unternehmen, häufig in der Rechtsform der Aktiengesellschaft oder des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit. Sie unterliegen der Versicherungsaufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
Aufsicht und Kontrolle
Die Aufsicht über die gesetzlichen Krankenkassen führen verschiedene Behörden:
- Bundesversicherungsamt: Zuständig für bundesunmittelbare Kassen.
- Landesbehörden: Für landesunmittelbare Krankenkassen.
Die Aufsicht beinhaltet unter anderem die Überprüfung der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben, der Finanzgebarung und der ordnungsgemäßen Geschäftsführung (§§ 87 ff. SGB IV).
Mitgliedschaft, Beitragswesen und Leistungsansprüche
Mitgliedschaft und Versicherungszwang
Die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung ist durch den Grundsatz der Versicherungspflicht geprägt. Sie gilt für Arbeitnehmer, Auszubildende, Arbeitsuchende, Rentner sowie bestimmte Gruppen von Selbständigen und anderen Personen (§ 5 SGB V). Für Privatversicherte gilt im Unterschied dazu ein Beitrittsrecht und keine Versicherungspflicht, es besteht jedoch seit 2009 eine allgemeine Krankenversicherungspflicht in Deutschland.
Beitragserhebung und Beitragsbemessung
Das Beitragswesen der gesetzlichen Krankenkassen ist sozialrechtlich normiert. Die Beiträge bemessen sich am Bruttoeinkommen des Mitglieds bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Der allgemeine Beitragssatz wird gesetzlich festgelegt und durch einkommensabhängige Zusatzbeiträge ergänzt (§§ 241, 242 SGB V).
In der privaten Krankenversicherung werden die Beiträge risikoorientiert auf Grundlage der individuellen Merkmale, dem Eintrittsalter sowie dem gewünschten Leistungsumfang kalkuliert.
Leistungsumfang
Gesetzliche Krankenkassen erbringen Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben. Dies umfasst insbesondere die medizinische Behandlung, den Arznei- und Heilmittelanspruch, Rehabilitationsleistungen, Präventionsmaßnahmen sowie das Krankengeld. Die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen sind abschließend im SGB V geregelt. Private Krankenversicherungen bieten je nach Tarif einen differenzierten Leistungsumfang, wobei Mindeststandards durch das VVG und das VAG bestimmt werden.
Rechtsverhältnis zwischen Versicherten und Krankenkassen
Versicherungsvertrag und Rechtsbeziehungen
Zwischen Versicherten und gesetzlichen Krankenkassen besteht ein öffentlich-rechtliches Versicherungsverhältnis kraft Gesetzes. Grundlage dieses Verhältnisses sind die allgemeinen Vorschriften des SGB V sowie die jeweiligen Satzungen der Krankenkassen. Versicherten steht bei Streitigkeiten der Verwaltungsrechtsweg offen (§ 51 SGG).
Im privaten Versicherungswesen besteht ein zivilrechtlicher Vertrag zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer, der dem Zivilprozessrecht unterliegt.
Rechte und Pflichten der Versicherten
Versicherte haben Anspruch auf die gesetzlich festgelegten Leistungen, unterliegen aber auch Mitwirkungspflichten, beispielsweise Auskunftspflichten zur Feststellung der Mitgliedschaft oder für die Leistungsgewährung (§§ 60, 61 SGB I).
Datenschutz, Schweigepflicht und Datenverarbeitung
Die Krankenkassen sind zur Wahrung des Sozialdatenschutzes verpflichtet. Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch die Krankenkassen dürfen ausschließlich zweckgebunden erfolgen und unterliegen strengen gesetzlichen Vorgaben, insbesondere aus dem SGB I und SGB X und der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
Reformen und aktuelle Entwicklungen
Krankenkassen sind regelmäßig von gesetzgeberischen Reformen betroffen, etwa im Zusammenhang mit Finanzierung, Leistungsumfang, Digitalisierung und der Verbesserung der Versorgungssicherheit. Die rechtlichen Rahmenbedingungen werden entsprechend regelmäßig angepasst, um die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems zu sichern und soziale Schieflagen zu vermeiden.
Fazit
Krankenkassen sind zentraler Bestandteil des sozialstaatlichen Schutzsystems in Deutschland und unterliegen einer weitreichenden rechtlichen Regulierung. Durch ihre gesetzlichen Aufgaben, die Organisation, die Beitrags- und Leistungsregulierung sowie die strengen Aufsichtsmechanismen gewährleisten sie die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung und die Erfüllung hoheitlicher Pflichten im Sozialstaat. Die rechtlichen Anforderungen an die Tätigkeit der Krankenkassen resultieren in einem komplexen Zusammenspiel unterschiedlicher Rechtsnormen, die sowohl den individuellen Anspruch der Versicherten als auch die Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems sichern.
Häufig gestellte Fragen
Wie funktioniert der Wechsel der Krankenkasse rechtlich?
Ein Wechsel der gesetzlichen Krankenkasse unterliegt klaren gesetzlichen Regelungen gemäß Sozialgesetzbuch (SGB) V. Grundsätzlich besteht eine Mindestbindungsfrist von 12 Monaten nach dem letzten Krankenkassenwechsel. Nach Ablauf dieser Bindungsfrist kann das Mitglied die Krankenkasse mit einer Frist von zwei vollen Kalendermonaten zum Monatsende kündigen. Die Kündigung hat schriftlich zu erfolgen, wobei seit 2021 auch digitale Kündigungswege zulässig sind. Die Krankenkasse ist nach Eingang der Kündigung verpflichtet, dem Versicherten innerhalb von zwei Wochen eine Kündigungsbestätigung auszustellen. Die Vorlage dieser Bestätigung bei der neuen Kasse ist Voraussetzung für die Mitgliedschaft dort. Bei Eintritt einer Versicherungspflicht, zum Beispiel durch einen neuen Arbeitgeber, besteht ein sofortiges Sonderkündigungsrecht. Darüber hinaus führt eine Beitragserhöhung der bisherigen Kasse zu einem weiteren Sonderkündigungsrecht. Der Wechsel zwischen gesetzlichen und privaten Krankenkassen richtet sich jedoch nach gesonderten Vorschriften, insbesondere hinsichtlich Voraussetzungen und Fristen.
Welche Rechte habe ich bei der Ablehnung einer Leistung durch die Krankenkasse?
Lehnt eine gesetzliche Krankenkasse die Übernahme bestimmter Leistungen ab, ist sie gemäß § 33 des Sozialgesetzbuches X verpflichtet, dies schriftlich mitzuteilen und zu begründen. Das Ablehnungsschreiben muss zudem eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, welche die Versicherten über ihr Widerspruchsrecht aufklärt. Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats nach Zugang des Ablehnungsbescheids schriftlich oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse einzureichen. Im Widerspruchsverfahren prüft die Kasse den Vorgang erneut. Wird auch der Widerspruch abgelehnt, erhält das Mitglied einen sogenannten Widerspruchsbescheid, gegen den Klage vor dem Sozialgericht erhoben werden kann. Auch im Klageverfahren entstehen dem Versicherten in der ersten Instanz keine Gerichtskosten.
Unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen ist eine Familienversicherung möglich?
Die Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung regelt § 10 SGB V. Danach sind Ehegatten, eingetragene Lebenspartner und Kinder beitragsfrei mitversichert, sofern diese ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, nicht selbst versicherungspflichtig sind und bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschreiten. Für Kinder gilt die Altersgrenze grundsätzlich bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs, bei Schulbesuch, Ausbildung oder Studium bis zum 25. Lebensjahr. Für behinderte Kinder, deren Erwerbsfähigkeit dauerhaft gemindert ist, kann die Familienversicherung zeitlich unbegrenzt bestehen. Das Gesamteinkommen des Angehörigen darf im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nicht übersteigen (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V).
Wie werden Zusatzbeiträge rechtlich festgelegt und angepasst?
Zusatzbeiträge dienen Krankenkassen dazu, den Finanzbedarf, der über die Zuweisungen des Gesundheitsfonds hinausgeht, zu decken. Die Festlegung und Anpassung des Zusatzbeitrags richten sich nach §§ 242 und 242a SGB V. Der Verwaltungsrat der jeweiligen Krankenkasse beschließt die Höhe des Zusatzbeitrags, welcher einkommensabhängig von den Mitgliedern zu zahlen ist. Die Kassen sind verpflichtet, jede Änderung des Zusatzbeitrags mindestens einen Monat vorab schriftlich bekanntzugeben. Steigt der Zusatzbeitrag, entsteht zum Zeitpunkt der Änderung ein Sonderkündigungsrecht für die Mitglieder, unabhängig von der normalen Bindungsfrist.
Was sind die rechtlichen Unterschiede zwischen freiwilliger und Pflichtmitgliedschaft?
In der gesetzlichen Krankenversicherung unterscheidet das SGB V zwischen Pflicht- und freiwilliger Mitgliedschaft (§§ 5 und 9 SGB V). Die Pflichtmitgliedschaft besteht kraft Gesetzes für bestimmte Personengruppen, soweit deren Einkommen die Versicherungspflichtgrenze nicht überschreitet. Bei Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze endet die Pflichtmitgliedschaft und Betroffene können sich freiwillig weiterversichern. Die freiwillige Versicherung erfordert einen entsprechenden Antrag und ist an Fristen gebunden, etwa innerhalb von drei Monaten nach Ende der Pflichtmitgliedschaft. Die Beitragsbemessung erfolgt bei freiwillig Versicherten nach den gesamten Einnahmen, während für Pflichtmitglieder nur Arbeitseinkommen zählt. Die freiwillige Mitgliedschaft steht auch Selbstständigen, Freiberuflern oder Arbeitnehmern im Ausland offen, sofern ein Vorversicherungszeitraum erfüllt ist.
Welche Rechte bestehen bei einem Krankenhausaufenthalt gegenüber der Krankenkasse?
Versicherte haben gemäß §§ 39 ff. SGB V Anspruch auf Krankenhausbehandlung, wenn eine ambulante Behandlung nicht ausreicht. Die Krankenkasse prüft die medizinische Notwendigkeit und die Zulassung der gewählten Klinik durch die gesetzlichen Krankenkassen. Im Rahmen der Kostentragung ist die Krankenkasse verpflichtet, die sogenannten „Regelleistungen“ und die Unterbringung im Mehrbettzimmer zu gewährleisten. Wahlleistungen, wie zum Beispiel Chefarztbehandlung oder Einzelzimmer, sind gesetzlich nicht abgedeckt und müssen privat getragen werden. Bei medizinisch nicht begründeten Eigenwünschen kann die Kasse die Kostenübernahme ablehnen. Zur Sicherstellung einer lückenlosen Versorgung ist auch eine Krankenhausbehandlung im EU-Ausland grundsätzlich möglich, sofern eine vorherige Genehmigung (SGB V, § 13 Abs. 4) eingeholt wurde.
Welche Meldepflichten bestehen gegenüber der Krankenkasse?
Versicherte sind gemäß § 10 SGB V und §§ 199 ff. SGB V verpflichtet, Änderungen relevanter persönlicher oder versicherungsrechtlicher Fakten unverzüglich der Krankenkasse mitzuteilen. Dazu zählen unter anderem Namens- und Adressänderungen, Veränderungen im Beschäftigungsverhältnis, Einkommensänderungen, Familienstand, Beginn oder Ende einer selbstständigen Tätigkeit, Wechsel der Steuerklasse sowie der Erwerb einer weiteren Versicherung. Die rechtzeitige Meldung schützt vor Beitragsnacherhebungen, Leistungsausschlüssen oder Bußgeldern. Arbeitgeber sind ebenfalls verpflichtet, Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses der Krankenkasse zu melden, damit nahtlose Versicherung und Beitragspflicht sichergestellt werden können.