Begriff und rechtliche Einordnung der Kohlestiftung
Eine Kohlestiftung bezeichnet eine rechtsfähige Stiftung, die im Kontext des Strukturwandels in den ehemals kohlefördernden Regionen Deutschlands gegründet wurde. Die zentralen Aufgaben dieser Stiftungen liegen in der Verwaltung, Abwicklung und Finanzierung von Verpflichtungen und sozialen Folgelasten aus dem Steinkohlebergbau sowie – in Einzelfällen – der Sicherung des Grubenwassermanagements und der Altlastenbewältigung. Rechtliche Grundlage und Ausgangspunkt bildet in Deutschland insbesondere das Steinkohlefinanzierungsgesetz (SteinkohlefingG). Bedeutende Beispiele sind die RAG-Stiftung und die Gemeinnützige Stiftung zur Bewältigung der Folgen des Braunkohlebergbaus.
Rechtsgrundlagen der Kohlestiftung
Gesetzliche Basis
Kohlestiftungen stützen sich auf verschiedene rechtliche Normierungen:
- Stiftungsrecht gemäß §§ 80 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch)
Die Stiftungsgründung erfolgt durch Stiftungsgeschäft und Anerkennung durch die zuständige Stiftungsaufsichtsbehörde.
- Steinkohlefinanzierungsgesetz (SteinkohlefingG)
Regelt spezifische Aspekte der Finanzierung und die Übernahme von Verpflichtungen durch hierfür eingerichtete Stiftungen.
- Landesspezifische Regelungen
Insbesondere Landesstiftungsgesetze und Zuständigkeiten der jeweiligen Bundesländer.
- Stiftungssatzung
Interne Satzungen regeln Zwecke, Struktur und Vertretung der Stiftung.
Gemeinnützigkeit
Kohlestiftungen verfolgen häufig gemeinnützige Zwecke im Sinne von § 52 AO (Abgabenordnung), etwa die Förderung von Bildung, Wissenschaft, Umwelt- und Naturschutz. Dies ist Voraussetzung für bestimmte steuerliche Privilegien, etwa die Befreiung von Körperschaft- und Gewerbesteuer.
Zweck und Aufgaben der Kohlestiftung
Soziale Folgelasten
Zentraler Stiftungszweck ist die nachhaltige Absicherung von sogenannten sozialen Folgelasten. Hierunter fallen:
- Finanzierung betrieblicher Altersversorgung ehemaliger Bergbauangehöriger
- Ausgleich und Kompensation gesundheitlicher oder sozialer Härtefälle
Grubenwassermanagement und Altlasten
Mit der Beendigung des aktiven Bergbaus entstehen dauerhafte Aufgabenfelder:
- Pflege und Überwachung von Grubenwasserständen zur Verhinderung schadensverursachender Hebungs- oder Senkungsprozesse
- Sanierung und Überwachung von Altlasten aus Bergbautätigkeiten
Strukturförderung und Verantwortung für die Region
Viele Kohlestiftungen wurden mit dem Ziel gegründet, den Strukturwandel in den Bergbauregionen zu begleiten und zu fördern. Dazu gehören:
- Förderung von Projekten in Wissenschaft, Bildung und Innovation
- Investitionen in Zukunftsbranchen zur Schaffung alternativer Erwerbsmöglichkeiten
Organisation und Kontrolle der Kohlestiftung
Stiftungsvorstand und Stiftungsrat
Die Organe der Kohlestiftung entsprechen den Anforderungen des Stiftungsrechts:
- Stiftungsvorstand: Geschäftsführungsorgan, vertritt die Stiftung nach außen, führt die laufenden Geschäfte und entscheidet über die Mittelverwendung.
- Stiftungsrat/Aufsichtsrat: Kontrollorgan, überwacht die Geschäftsführung des Vorstands, kann Initiativrechte besitzen.
Stiftungsaufsicht
Die Stiftungsaufsicht wird je nach Sitz der Stiftung durch die zuständigen Landesbehörden ausgeübt. Ihre Aufgaben umfassen:
- Überprüfung der Einhaltung des Stifterwillens und der gesetzlichen Vorgaben
- Kontrolle der Mittelverwendung im Einklang mit dem Stiftungszweck
- Genehmigung von Satzungsänderungen und ggf. der Auflösung der Stiftung
Finanzierung und Vermögensverwaltung einer Kohlestiftung
Grundausstattung und Zustiftungen
Das Vermögen einer Kohlestiftung stammt meist aus Einlagen, Zustiftungen (vor allem durch ehemalige Bergbauunternehmen oder den Staat) sowie Erträgen aus der Stiftungstätigkeit. Die Grundausstattung bildet das sogenannte Stiftungsvermögen, das in seinem Bestand grundsätzlich zu erhalten ist.
Mittelverwendung und Vermögensmanagement
Die Stiftung darf Erträge, d. h. Zinsen, Dividenden und sonstige Einnahmen, ausschließlich für den satzungsgemäßen Stiftungszweck verwenden. Investitionen erfolgen oft in Form eines breit gestreuten Portfolios (z. B. Wertpapiere, Immobilienbeteiligungen), um dauerhaft die Erfüllung der Verpflichtungen zu sichern.
Sonderregelungen
In besonderen Fällen bestehen gesetzlich abgesicherte Verpflichtungserklärungen des Staates zugunsten der Stiftung, etwa in Form von Patronatserklärungen zur Sicherstellung der Erfüllung von Pensionsverpflichtungen.
Haftung und Rechtspersönlichkeit der Kohlestiftung
Rechtsfähigkeit
Durch staatliche Anerkennung ist die Kohlestiftung rechtsfähig, verfügt über eigenes Vermögen und handelt selbstständig im Rechtsverkehr.
Haftung
Für die Erfüllung der übernommenen Aufgaben haftet die Kohlestiftung mit ihrem gesamten Vermögen. Eine persönliche Haftung der Stiftungsorgane besteht nur im Falle gesetzes- oder satzungswidrigen Handelns (z. B. bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz).
Aufsicht, Transparenz und Compliance
Berichtspflichten
Kohlestiftungen sind verpflichtet, jährlich einen Bericht über die Erfüllung ihres Zwecks, ihre wirtschaftliche Lage und die Verwendung der Stiftungsmittel zu erstellen. Dieser Bericht ist der Stiftungsaufsicht vorzulegen.
Nachvollziehbarkeit und Veröffentlichungspflichten
Zur Wahrung der Transparenz besteht häufig eine Veröffentlichungspflicht von Jahresabschlüssen und Berichten, insbesondere, wenn öffentliche Gelder verwaltet werden.
Praxisrelevante Beispiele
RAG-Stiftung
Eine der bekanntesten Kohlestiftungen ist die RAG-Stiftung. Sie wurde gegründet, um die dauerhaften Verpflichtungen aus dem deutschen Steinkohlebergbau ab dem Jahr 2019 zu finanzieren und zugleich Projekte zur Förderung von Bildung, Wissenschaft und Zukunftsbranchen im Ruhrgebiet zu ermöglichen.
Stiftung zur Bewältigung der Folgelasten aus der Braunkohle
Auch im Braunkohlebereich gibt es Stiftungen, die sich aus Mitteln der Energieunternehmen und der öffentlichen Hand speisen und deren Aufgabe insbesondere in der Sicherung und Rekultivierung ehemaliger Tagebauflächen besteht.
Bedeutung der Kohlestiftung im Kontext deutscher Rechtsentwicklung
Die Kohlestiftung ist ein wesentliches Steuerungsinstrument zur Bewältigung des Strukturwandels in den vom Kohlebergbau geprägten Regionen. Sie verbindet privatrechtliche Strukturen mit der Übernahme öffentlicher Aufgaben und unterliegt dabei dem deutschen Stiftungs- und (gegebenenfalls) öffentlichen Recht. Die Stiftungsform bietet die Möglichkeit einer langfristigen, zweckgebundenen Vermögensverwaltung und stellt sicher, dass generationenübergreifende Verpflichtungen dauerhaft erfüllt werden können.
Literatur und weiterführende Quellen
- Steinkohlefinanzierungsgesetz (SteinkohlefingG)
- §§ 80 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch)
- Abgabenordnung (AO)
- Stiftungssatzungen der RAG-Stiftung und vergleichbarer Einrichtungen
- Veröffentlichungen der Landesstiftungsaufsichtsbehörden
Hinweis: Dieser Artikel bietet eine ausführliche, sachlich fundierte Beschreibung des Begriffs Kohlestiftung und stellt die wichtigsten rechtlichen Aspekte zur Funktionsweise, Organisation und Bedeutung dieser Stiftungsform dar.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Gründung einer Kohlestiftung erfüllt sein?
Für die Gründung einer Kohlestiftung müssen zahlreiche rechtliche Voraussetzungen berücksichtigt werden. Zentral ist die Beantragung der Anerkennung als rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts bei der zuständigen Stiftungsbehörde des jeweiligen Bundeslandes. Dazu ist eine schriftliche Stiftungssatzung erforderlich, in der Stiftungszweck, Organisation, Vermögensausstattung sowie die Vertretung und Verwaltung der Stiftung präzise geregelt sind. Das Stiftungsvermögen muss ausreichen, die Erfüllung des Stiftungszwecks nachhaltig zu gewährleisten, wobei genaue Mindestanforderungen je nach Bundesland variieren können. Die Unabhängigkeit der Stiftung, die dauerhafte Zweckverfolgung und die Gemeinnützigkeit (bei steuerlichen Vergünstigungen) sind rechtlich zwingend sicherzustellen. Zudem müssen die datenschutzrechtlichen, haushaltsrechtlichen und ggf. beihilferechtlichen Vorgaben beachtet werden. Bei der Kohlestiftung als Instrument des Strukturwandels müssen speziell die gesetzlich vorgesehenen Ziele, etwa im Sinne des Strukturstärkungsgesetzes Kohleregionen, in der Satzung ausreichend detailliert verankert sein.
Wer haftet für Verpflichtungen einer Kohlestiftung?
Nach den allgemeinen Regelungen des Stiftungsrechts ist die Kohlestiftung als juristische Person grundsätzlich selbst Trägerin von Rechten und Pflichten. Verbindlichkeiten werden von der Stiftung mit ihrem eigenen Vermögen erfüllt. Dabei sind allerdings die Mitglieder der Stiftungsorgane – insbesondere der Stiftungsvorstand – verpflichtet, ihre Aufgaben gewissenhaft und im Rahmen der geltenden rechtlichen Vorgaben zu erfüllen (§§ 84 ff. BGB). Eine persönliche Haftung der Organmitglieder kann dann eintreten, wenn sie ihre Pflichten verletzen, etwa durch grobe Fahrlässigkeit, Vorsatz oder Untreue. In diesem Fall haften die handelnden Personen gesamtschuldnerisch mit ihrem Privatvermögen. Bei Einhaltung der Sorgfaltspflicht und ordnungsgemäßer Geschäftsführung besteht hingegen keine persönliche Haftung. Auch die Stifter selbst haften in aller Regel nicht, sofern die Stiftung rechtsfähig ist und das Stiftungsgeschäft wirksam vollzogen wurde.
Wie wird die Gemeinnützigkeit einer Kohlestiftung festgestellt und welche rechtlichen Konsequenzen hat sie?
Die Gemeinnützigkeit einer Kohlestiftung wird gemäß den Vorgaben der Abgabenordnung (insbesondere §§ 51 ff. AO) von den zuständigen Finanzbehörden festgestellt. Hierfür ist maßgeblich, dass der Stiftungszweck auf die selbstlose Förderung der Allgemeinheit – etwa auf wirtschaftlichem, sozialem oder ökologischem Gebiet – ausgerichtet ist. Die Stiftung darf keine eigenwirtschaftlichen Zwecke verfolgen und Mittel ausschließlich für den in der Satzung festgelegten gemeinnützigen Zweck verwenden. Nach positiver Prüfung erteilt das Finanzamt einen Freistellungsbescheid, der zu steuerlichen Vergünstigungen (Körperschaft- und Gewerbesteuerbefreiung, reduzierte Umsatzsteuer, Spendenabzugsfähigkeit) führt. Die Gemeinnützigkeit ist an fortlaufende Nachweispflichten gekoppelt und wird regelmäßig überprüft. Ein Verstoß gegen die gemeinnützigkeitsrechtlichen Voraussetzungen kann zur Aberkennung des Status und gegebenenfalls zu Steuernachforderungen führen.
Wie unterliegt die Kohlestiftung der staatlichen Aufsicht?
Kohlestiftungen unterliegen der sogenannten Stiftungsaufsicht, die auf Landesebene geregelt ist und von den jeweiligen Stiftungsbehörden wahrgenommen wird. Ziel dieser Aufsicht ist es, die dauerhafte und zweckgerechte Erfüllung des in der Satzung festgelegten Stiftungszwecks sicherzustellen und Rechtmäßigkeit sowie Wirtschaftlichkeit der Stiftungsverwaltung zu überwachen. Die Stiftung ist verpflichtet, der Aufsichtsbehörde regelmäßig Berichte und Nachweise, insbesondere die Jahresrechnung und Tätigkeitsberichte, vorzulegen. Darüber hinaus hat die Stiftungsaufsicht das Recht, in die Geschäftsführung einzugreifen, zum Beispiel bei Pflichtverletzungen der Stiftungsorgane oder Gefährdung des Stiftungsvermögens. Im Extremfall kann die Stiftungsaufsicht Maßnahmen bis hin zur Abberufung von Organmitgliedern und zur Anordnung einer neuen Stiftungsführung treffen.
Welche Besonderheiten gelten beim Stiftungsvermögen einer Kohlestiftung?
Das Stiftungsvermögen einer Kohlestiftung muss nach gesetzlichen Vorgaben erhalten bleiben und zur dauerhaften Erfüllung des Stiftungszwecks eingesetzt werden. Es ist grundsätzlich in seinem Bestand zu erhalten (sog. Prinzip der Vermögenserhaltung, §§ 83, 80, 82 BGB). Nur die Erträge – also beispielsweise Zinsen oder Dividenden – dürfen zur Zweckerfüllung verwendet werden, sofern die Satzung nichts anderes vorsieht. Überdies unterliegt die Verwaltung des Vermögens besonderen Sorgfalts- und Umsichtspflichten (§§ 84 ff. BGB), etwa hinsichtlich Anlagestrategie, Risikostreuung und Werterhalt. Änderungen in der Zusammensetzung des Vermögens sowie außergewöhnliche Verfügungen müssen der Stiftungsaufsicht angezeigt werden. Bei der Kohlestiftung als Trägerin von Ausgleichs- und Strukturfördermitteln ist zusätzlich das Haushalts- und Vergaberecht des öffentlichen Sektors einzuhalten.
Welche Mitwirkungsrechte haben Arbeitnehmer und andere Beteiligte in einer Kohlestiftung?
Die spezifische Ausgestaltung der Mitwirkungsrechte in einer Kohlestiftung richtet sich nach deren Satzung sowie nach allgemein geltenden gesetzlichen Vorschriften. Arbeitnehmerrechte gemäß Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) greifen regelmäßig nur in den betrieblichen Einheiten der Stiftung, nicht jedoch auf Ebene der Stiftungsorgane. In besonderen Fällen – etwa bei Stiftungen öffentlichen Rechts oder bei Beteiligung öffentlicher Mittel – können Beteiligungsgremien, Beiräte oder Kuratorien eingerichtet werden, in denen Sozialpartner, Vertreter von Kommunen, Verbänden oder weiteren Interessengruppen vertreten sind. Das Mitwirkungsrecht umfasst Kontroll- und Beratungsfunktionen, jedoch keine unmittelbare Geschäftsführungs- oder Entscheidungsgewalt. Sämtliche Mitwirkungsrechte sind in der Stiftungssatzung detailliert festzulegen und können Gegenstand ergänzender Rechts- oder verwaltungsbehördlicher Anordnungen sein.
Welche rechtlichen Vorgaben gibt es zur Änderung des Stiftungszwecks bei einer Kohlestiftung?
Die Änderung des Stiftungszwecks ist nach deutschem Stiftungsrecht nur unter sehr engen gesetzlichen Voraussetzungen zulässig. Gemäß § 87 BGB kann eine Änderung erfolgen, wenn die Erfüllung des bisherigen Zwecks unmöglich geworden oder dessen Erfüllung das Gemeinwohl gefährden würde. Die Änderung bedarf der Genehmigung durch die Stiftungsaufsicht und in der Regel eines entsprechenden Beschlusses der Stiftungsorgane im vorgeschriebenen Verfahren. Die Satzung kann Abweichendes regeln, jedoch dürfen Kernvorgaben des Stiftungsrechts nicht ausgehebelt werden. Insbesondere sind die Bindungen an die im Stiftungsgeschäft und der Satzung festgelegten Ziele und Prinzipien grundsätzlich zu wahren. Die Transparenz- und Dokumentationspflichten gelten weiterhin, um eine missbräuchliche Zweckabänderung auszuschließen.