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Kassenwahl


Begriff und rechtlicher Rahmen der Kassenwahl

Die Kassenwahl bezeichnet im deutschen Sozialversicherungsrecht das Recht von Versicherten, im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) unter den zugelassenen Krankenkassen frei zu wählen. Der Begriff bezieht sich auf die Möglichkeit, zu Beginn einer Versicherungspflicht oder im laufenden Versicherungsverhältnis die Krankenkasse zu wechseln. Die Kassenwahl steht im Zentrum der gesetzlichen Regelungen zur freien Kassenwahl und ist in verschiedenen Sozialgesetzbüchern geregelt, insbesondere im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Rechtliche Grundlagen der Kassenwahl

Allgemeiner Rahmen

Die rechtlichen Grundlagen der Kassenwahl sind insbesondere in den §§ 173 bis 175 SGB V festgelegt. Die Vorschriften geben detailliert vor, in welchem Umfang und unter welchen Bedingungen ein Wechsel der Krankenkasse innerhalb der GKV möglich ist. Die Kassenwahl ist demnach ein gesetzlich verankertes Wahlrecht, das einen wichtigen Bestandteil der Versichertenautonomie im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung darstellt.

Wahlrecht für Pflichtversicherte

Pflichtversicherte Personen, also solche, die aufgrund einer Versicherungspflicht Mitglied in der GKV sind, können nach § 173 Abs. 1 SGB V unter allen Krankenkassen, die in ihrem Wohn- oder Beschäftigungsort geöffnet sind, frei wählen. Eine Beschränkung besteht lediglich für die Mitgliedschaft in Betriebskrankenkassen und Ersatzkassen, sofern diese nicht für alle Versicherten geöffnet sind.

Wahlrecht für freiwillig Versicherte

Auch freiwillig Versicherte, die nicht der Versicherungspflicht unterliegen, können gemäß § 173 Abs. 4 SGB V ihre Krankenkasse wählen, sofern sie die allgemeinen Voraussetzungen für die Wahl erfüllen.

Kassenwechsel und Bindungsfristen

Bindungsfrist

Nach einem Beitritt zu einer Krankenkasse sind Versicherte grundsätzlich an die gewählte Kasse für mindestens zwölf Monate gebunden (§ 175 Abs. 4 SGB V). Erst nach Ablauf dieser Bindungsfrist ist ein erneuter Wechsel der Krankenkasse möglich. Eine Ausnahme von dieser Bindungsfrist besteht, wenn beispielsweise ein Anspruch auf Familienversicherung entsteht oder die Krankenkasse ihren Zusatzbeitrag erhöht.

Sonderkündigungsrecht

Bei einer Erhöhung des Zusatzbeitrags haben Versicherte ein Sonderkündigungsrecht (§ 175 Abs. 4 S. 5 SGB V). In diesem Fall können Mitglieder vor Ablauf der Mindestbindungsfrist wechseln, wobei die Kündigung bis zum Ende des Monats, in dem die Erhöhung wirksam wird, erklärt werden muss.

Kündigungsmodalitäten

Die Kündigung der bisherigen Krankenkasse bedarf keiner besonderen Form und wird nach dem Eingang bei der Krankenkasse zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats wirksam (§ 175 Abs. 4 S. 1 SGB V). Die neue Krankenkasse kann zu diesem Zeitpunkt gewählt werden, sofern keine neue Bindungsfrist entgegensteht.

Beschränkungen und Ausschluss des Wahlrechts

Geschlossene Krankenkassen

Nicht alle Krankenkassen stehen uneingeschränkt zur Wahl. Betriebskrankenkassen und bestimmte Ersatzkassen nehmen ausschließlich bestimmte Personengruppen auf oder sind nur regional geöffnet.

Doppelte Versicherung

Durch die Kassenwahl darf keine gleichzeitige Mitgliedschaft in mehreren Krankenkassen entstehen. Während eines Versicherungsverhältnisses ist das Wahlrecht daher nur einmal auszuüben, solange die gesetzlich vorgegebene Bindungsfrist nicht verstrichen ist.

Kassenwahl und europarechtliche Bezüge

Die europarechtlichen Vorgaben sind ebenfalls zu beachten, da sie im Rahmen der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit einen Einfluss auf den Zugang zu den Krankenkassen sowie auf die Mobilität von Versicherten innerhalb der Europäischen Union haben. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit bei der Aufnahme in eine Krankenkasse unzulässig.

Rechtsfolgen und Wirkungen der Kassenwahl

Übertragung der Mitgliedschaft

Mit dem Wechsel der Krankenkasse gehen sämtliche Ansprüche und Pflichten aus dem Versicherungsverhältnis auf die neue Krankenkasse über. Dies gilt insbesondere für den Leistungsanspruch gegenüber der GKV, die Beitragspflicht und die Versicherungspflicht.

Informationspflichten der Krankenkassen

Krankenkassen sind verpflichtet, Mitglieder bei einer Wahlentscheidung umfassend über Leistungen, Zusatzbeiträge und eventuelle Besonderheiten zu informieren (§ 173 Abs. 4 SGB V). So wird sichergestellt, dass die Kassenwahl auf einer informierten, sachlichen Grundlage erfolgt.

Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers

Arbeitgeber sind gemäß § 175 Abs. 2 SGB V verpflichtet, den Arbeitnehmer beim Wechsel der Krankenkasse zu unterstützen, insbesondere indem sie der neuen Kasse die für die Beitragsberechnung erforderlichen Daten bereitstellen.

Folgen unwirksamer Kassenwahl

Ein Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften zur Kassenwahl, etwa eine Kassenwahl außerhalb der zulässigen Fristen oder Mehrfachversicherungen, hat zur Folge, dass das Versicherungsverhältnis mit der neuen Krankenkasse nicht wirksam wird und das alte fortbesteht. Auch können leistungsrechtliche Konsequenzen drohen, wenn sich Verzögerungen oder Unterbrechungen im Versicherungsschutz ergeben.

Zusammenfassung

Die Kassenwahl ist ein zentrales Versichertenschutzrecht im deutschen Sozialversicherungsrecht. Sie wird durch zahlreiche gesetzliche Vorschriften geregelt und unterliegt bestimmten Bindungs- und Fristenregelungen. Mit dem Wahlrecht soll die Wettbewerbssituation zwischen den gesetzlichen Krankenkassen gestärkt und die Autonomie der Versicherten gefördert werden. Zugleich findet die freie Kassenwahl ihre Grenzen in gesetzlichen Beschränkungen und europarechtlichen Vorschriften. Die umfassende Informationspflicht der Krankenkassen stellt sicher, dass die Wahlentscheidung auf einer fundierten Basis vorgenommen werden kann. Dadurch trägt die Kassenwahl maßgeblich zur Funktionsfähigkeit und zur Transparenz des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland bei.

Häufig gestellte Fragen

Welche Fristen müssen bei einem Wechsel der gesetzlichen Krankenkasse beachtet werden?

Beim Wechsel zu einer anderen gesetzlichen Krankenkasse gilt grundsätzlich eine Mindestbindungsfrist von 12 Monaten nach dem Beitritt zu einer Krankenkasse. Dies ist in § 175 Abs. 4 SGB V geregelt. Nach Ablauf dieser Bindungsfrist kann ein Versicherter mit einer Frist von zwei vollen Kalendermonaten zum Monatsende die Mitgliedschaft kündigen und zu einer anderen Kasse wechseln. Bei einem Arbeitgeberwechsel besteht ein sofortiges Wahlrecht, unabhängig von der Bindungsfrist. Eine Sonderkündigungsfrist gilt auch, wenn die bisherige Krankenkasse den Zusatzbeitragssatz erhöht; hier kann der Versicherte innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Erhöhung außerordentlich kündigen. Die Kündigung erfolgt schriftlich gegenüber der bisherigen Krankenkasse und ist von dieser binnen zwei Wochen zu bestätigen. Die neue Krankenkasse prüft den rechtmäßigen Wechsel und meldet diesen gegebenenfalls dem Arbeitgeber.

Besteht für alle Versicherten ein uneingeschränktes Wahlrecht bei der gesetzlichen Krankenkasse?

Das Wahlrecht gemäß § 175 SGB V steht grundsätzlich allen Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zu, jedoch gibt es Ausnahmen. Personen, die als Familienangehörige beitragsfrei mitversichert sind, üben ihr Wahlrecht nur im Rahmen der Familienversicherung über das Mitglied aus. Pflichtversicherte (z. B. Arbeitnehmer, Auszubildende) und freiwillig Versicherte können ihr Wahlrecht selbstständig ausüben. Für bestimmte Berufsgruppen, wie Soldaten oder Strafgefangene, können Sonderregelungen hinsichtlich des Wahlrechts bestehen. Unabhängig davon müssen sich alle Kassenmitglieder an die gesetzlichen Kündigungs- und Bindungsfristen halten.

Was passiert, wenn der Versicherte keine neue Krankenkasse wählt?

Wählt eine bisher pflichtversicherte Person bei einem Arbeitgeberwechsel oder -beginn keine neue Krankenkasse, wird sie gemäß §§ 5 Abs. 1 Nr. 13, 173 SGB V weiterhin Mitglied ihrer bisherigen Krankenkasse. Im Fall einer erstmaligen Versicherungspflicht ohne vorherige Mitgliedschaft (z. B. erstmaliger Berufseintritt) weist der Arbeitgeber den Versicherten auf das Wahlrecht hin; bei keiner Wahl wird er der vom Arbeitgeber gewählten Kasse zugeordnet. Freiwillig Versicherte müssen ebenfalls aktiv wählen, da sonst keine automatische Einbeziehung in ein Versicherungsverhältnis erfolgt. Dies kann im Falle einer Unterlassung zu einer Unterbrechung des Versicherungsschutzes führen.

Wie beeinflusst eine Beitragssatzerhöhung das Sonderkündigungsrecht bei der Krankenkasse?

Gemäß § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V räumt eine Erhöhung des Zusatzbeitrags ein Sonderkündigungsrecht ein. Die Krankenkasse ist verpflichtet, ihre Mitglieder rechtzeitig vor der Anhebung schriftlich über das Sonderkündigungsrecht und den neuen Beitragssatz zu informieren. Mitglieder können dann innerhalb von einem Monat nach Zugang der Mitteilung schriftlich kündigen, unabhängig von der laufenden Bindungsfrist. Die reguläre Kündigungsfrist beträgt auch hier zwei volle Kalendermonate zum Monatsende. Das Sonderkündigungsrecht entfällt, wenn die Erhöhung ausschließlich auf gesetzlichen Änderungen basiert, wie einer generellen Beitragserhöhung durch den Gesetzgeber.

Können bei einem Wechsel zur privaten Krankenversicherung Nachteile für das Wahlrecht entstehen?

Das Wahlrecht nach § 175 SGB V bezieht sich ausschließlich auf den Wechsel zwischen gesetzlichen Krankenkassen. Ein Wechsel in die private Krankenversicherung (PKV) hebt die Pflicht- oder bisherige freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung auf. Mit dem Austritt aus der gesetzlichen Krankenversicherung erlischt folglich das Wahlrecht zwischen gesetzlichen Kassen. Auch eine spätere Rückkehr in die GKV ist rechtlich nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, wie sie in § 5 SGB V (z. B. durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung) geregelt sind.

Welche rechtlichen Pflichten treffen Arbeitgeber bei der Kassenwahl ihrer Beschäftigten?

Arbeitgeber sind verpflichtet, neue Arbeitnehmer bei Beginn des Arbeitsverhältnisses über das Wahlrecht bei der gesetzlichen Krankenkasse (§ 175 SGB V) aufzuklären. Die Information muss rechtzeitig erfolgen, sodass der Arbeitnehmer vor Arbeitsbeginn eine fundierte Entscheidung treffen kann. Der Arbeitgeber muss im Anschluss die vom Arbeitnehmer gewählte Krankenkasse innerhalb von zwei Wochen, spätestens jedoch mit der nächsten Entgeltabrechnung, an die Einzugsstelle melden. Wird keine Auswahl getroffen, meldet der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei der Krankenkasse, bei der er zuletzt versichert war. Die Einhaltung dieser Pflichten hat arbeits- bzw. sozialversicherungsrechtliche Relevanz, da bei Fehlverhalten Bußgelder und Nachforderungen drohen.

Gibt es Einschränkungen beim Wechsel zu bestimmten Krankenkassen?

Nicht jede gesetzliche Krankenkasse steht allen Versicherten offen. Regionale Krankenkassen (z. B. AOK regional, Betriebskrankenkassen mit regionaler Begrenzung) nehmen nur Versicherte mit Wohnsitz oder Beschäftigungsort innerhalb ihres Tätigkeitsbereichs auf. Überregionale Kassen (z. B. viele Ersatzkassen, einige Betriebskrankenkassen) sind bundesweit offen. Die genauen Zuständigkeiten und Zulassungsbereiche ergeben sich aus jeweiligen Satzungen der Krankenkassen und den Bestimmungen von § 173 SGB V. Ein Antrag auf Mitgliedschaft ist nur erfolgreich, wenn der Versicherte die Zugangsvoraussetzungen der jeweiligen Kasse erfüllt.