Begriff und Stellung der Kassenärztlichen Vereinigung
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) ist die regionale Selbstverwaltung der Vertragsärztinnen und -ärzte sowie der Vertragspsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten in Deutschland. Sie organisiert die ambulante Versorgung für gesetzlich Versicherte, verhandelt die Vergütung mit den Krankenkassen und verteilt die Honorare. Zugleich sorgt sie für eine flächendeckende Versorgung, koordiniert den ärztlichen Bereitschaftsdienst und überwacht die Einhaltung von Qualitäts- und Abrechnungsstandards. In jedem Bundesland besteht mindestens eine KV; in Nordrhein-Westfalen sind es zwei. Auf Bundesebene vertritt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) die gemeinsamen Interessen der regionalen KVen.
Aufgaben und Funktionen
Kern der Tätigkeit ist der Sicherstellungsauftrag: Die KV sorgt dafür, dass gesetzlich Versicherte im vertragsärztlichen System angemessen und wohnortnah versorgt werden. Sie schließt mit den Krankenkassen kollektive Vereinbarungen über Leistungsumfänge und Vergütungen, organisiert die Terminservicestellen, betreibt die Rufnummer 116117 für den Bereitschaftsdienst, setzt Qualitätsvorgaben um und führt Prüfungen durch. Darüber hinaus ist sie an der Bedarfsplanung beteiligt und gestaltet die regionale Versorgungsstruktur aktiv mit.
Rechtsnatur und Organisation
Die KV ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltungsaufgaben. Sie verfügt über Satzungsautonomie innerhalb der gesetzlichen Grenzen und unterliegt der staatlichen Rechtsaufsicht. Organe sind insbesondere die Vertreterversammlung (als gewähltes Parlament der Mitglieder) und der Vorstand (als geschäftsführendes Organ). Gremien mit paritätischer Besetzung durch KV und Krankenkassen, etwa Zulassungs- und Beschwerdeausschüsse, übernehmen Entscheidungen in bestimmten Verwaltungsverfahren.
Mitgliedschaft und Pflichten
Mitglieder sind die zur Teilnahme an der Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung berechtigten Ärztinnen, Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Die Mitgliedschaft ist für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung erforderlich. Mit der Mitgliedschaft verbunden sind Rechte auf Vertretung und Mitwirkung sowie Pflichten, etwa zur Einhaltung der Abrechnungs-, Dokumentations- und Qualitätsvorgaben, zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst nach den jeweils geltenden Regelungen und zur Tragung von Umlagen für die Selbstverwaltung.
Beziehungen zu Patientinnen, Patienten und Krankenkassen
Zwischen der KV und den Versicherten besteht kein Behandlungsvertrag. Versicherte erhalten Leistungen nach dem Sachleistungsprinzip: Die Krankenkasse trägt die Kosten, die Abrechnung der erbrachten Leistungen erfolgt über die KV. Diese bündelt die Honorare und verteilt sie nach festgelegten Regeln an die Leistungserbringer. Gegenüber den Krankenkassen vertritt die KV die kollektiven Interessen der Vertragsärzteschaft und sorgt für eine einheitliche Abwicklung der Versorgung.
Bedarfsplanung und Teilnahme an der Versorgung
Bedarfsplanung
Die Bedarfsplanung bestimmt, wie viele Praxissitze in einem Planungsbereich angeboten werden können. Sie dient einer ausgewogenen regionalen Verteilung der Versorgung. Die KV wirkt an der Ermittlung des Bedarfs und an der Umsetzung der Planung mit und veröffentlicht regelmäßig Informationen zur Versorgungslage.
Zulassung und Teilnahmeformen
Über die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung entscheiden Zulassungsausschüsse, die mit KV- und Krankenkassenvertretern besetzt sind. Entscheidend sind Qualifikation, Versorgungsbedarf und die jeweilige Planungs- und Zulassungslage. Neben der Niederlassung als Vertragsärztin oder Vertragsarzt sind angestellte Tätigkeiten in Praxen oder Medizinischen Versorgungszentren möglich. Die KV führt Verzeichnisse der teilnehmenden Leistungserbringer und begleitet Statusänderungen, etwa Praxisübernahmen, Anstellungen oder Schwerpunktverlagerungen.
Vergütung, Honorarverteilung und Prüfungen
Vergütungsstrukturen
Die Vergütung besteht im Wesentlichen aus einer kollektiv vereinbarten Gesamtvergütung, die die Krankenkassen an die KVen zahlen, sowie aus zusätzlich vergüteten Leistungen. Die KV verteilt die Mittel nach einem Honorarverteilungsmaßstab, der Transparenz und Gleichbehandlung sicherstellen soll. Regionale Besonderheiten können sich aus der Versorgungslage und aus speziellen Versorgungsformen ergeben.
Honorarverteilung
Die Honorarverteilung erfolgt auf Grundlage von Abrechnungsdaten, Leistungsanforderungen und den in der KV geltenden Verteilungsregeln. Dabei wird zwischen budgetierten und extrabudgetären Leistungen unterschieden. Verwaltungskostenanteile für die Aufgaben der Selbstverwaltung werden im Rahmen der Abrechnung einbehalten.
Wirtschaftlichkeits- und Plausibilitätsprüfungen
Die KV führt Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Plausibilitätskontrollen durch. Ziel ist es, die sachgerechte Verordnungs- und Leistungserbringung sicherzustellen und Unregelmäßigkeiten zu erkennen. Ergibt sich ein ungerechtfertigter Mehraufwand, können Erstattungen und Regressforderungen gegenüber Leistungserbringern festgesetzt werden. Rechtsbehelfe gegen belastende Entscheidungen sind in der Regel vorgesehen.
Qualitätssicherung und Richtlinienumsetzung
Qualitätsanforderungen
Die KV setzt bundes- und landesweit geltende Qualitätsvorgaben in der ambulanten Versorgung um, informiert über Fortbildungsanforderungen und führt Qualitätssicherungsverfahren. Dazu gehören Nachweise über strukturelle, prozessuale und ergebnisbezogene Qualitätskriterien sowie Stichprobenprüfungen.
Terminservicestellen und Bereitschaftsdienst
Die KV betreibt Terminservicestellen zur Vermittlung medizinisch notwendiger Termine und organisiert den ärztlichen Bereitschaftsdienst außerhalb regulärer Sprechstunden. Die zentrale Rufnummer 116117 führt zu den regionalen Anlaufstellen, die je nach Bedarf eine Praxis, eine Bereitschaftsdienstpraxis oder einen Hausbesuch vermitteln.
Digitale Infrastruktur und Datenschutz
Telematikinfrastruktur und Anwendungen
Die KV unterstützt die Einführung und Nutzung digitaler Anwendungen in Praxen, etwa elektronische Verordnungen, digitale Bescheinigungen und sichere Kommunikationswege. Sie koordiniert regionale Umsetzungsschritte, begleitet Testphasen und informiert über technische Anforderungen.
Datenverarbeitung und Schutz
Für die Abrechnung und Qualitätssicherung verarbeitet die KV personenbezogene und pseudonymisierte Daten, soweit dies rechtlich zulässig ist. Dabei gelten strenge Vorgaben zum Schutz von Sozial- und Gesundheitsdaten. Zugriffe sind nur befugten Stellen erlaubt, und Aufbewahrungs- sowie Löschfristen sind einzuhalten.
Einbindung in das Gesundheitssystem
Verhältnis zur Kassenärztlichen Bundesvereinigung
Die KBV koordiniert bundesweite Vorgaben, verhandelt Rahmenbedingungen und vertritt die KVen auf überregionaler Ebene. Die KVen setzen diese Vorgaben regional um und gestalten die Versorgung entsprechend der jeweiligen Landesgegebenheiten.
Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren
Die KV arbeitet mit Krankenkassen, Landesbehörden, Berufsvertretungen, Patientenvertretungen und medizinischen Institutionen zusammen. In gemeinsamen Gremien werden Versorgungsstandards, Qualitätssicherungsmaßnahmen und Rahmenbedingungen festgelegt und fortentwickelt.
Abgrenzung zu Kassenzahnärztlichen Vereinigungen
Für den zahnärztlichen Bereich bestehen eigenständige Kassenzahnärztliche Vereinigungen. Diese übernehmen analoge Aufgaben für die ambulante zahnärztliche Versorgung. Ärztliche und zahnärztliche Selbstverwaltung sind organisatorisch getrennt.
Rechtsaufsicht und Rechtsschutz
Aufsicht
Die KV unterliegt der Rechtsaufsicht der zuständigen Landesbehörde. Diese prüft die Rechtmäßigkeit des Handelns der KV, ohne die eigenständige Aufgabenwahrnehmung zu ersetzen. Satzungen, Haushalte und wichtige Strukturentscheidungen werden überwacht.
Rechtsmittel und interne Gremien
Gegen belastende Entscheidungen der KV oder der gemeinsamen Ausschüsse stehen interne und externe Rechtsbehelfe zur Verfügung. Hierzu zählen insbesondere Überprüfungen durch Beschwerdegremien sowie der gerichtliche Rechtsschutz. Fristen und Verfahren richten sich nach den einschlägigen Vorgaben des Sozial- und Verwaltungsverfahrens.
Häufig gestellte Fragen (rechtlicher Kontext)
Was ist die rechtliche Stellung einer Kassenärztlichen Vereinigung?
Die Kassenärztliche Vereinigung ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltungsaufgaben. Sie handelt im Rahmen gesetzlich übertragener Zuständigkeiten eigenverantwortlich, verfügt über Satzungsautonomie und unterliegt der staatlichen Rechtsaufsicht.
Wer ist Mitglied und ist die Mitgliedschaft verpflichtend?
Mitglieder sind Ärztinnen, Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die an der Versorgung gesetzlich Versicherter teilnehmen. Die Mitgliedschaft ist für die Teilnahme am vertragsärztlichen System erforderlich und umfasst Rechte der Mitwirkung sowie Pflichten zur Einhaltung der geltenden Vorgaben.
Welche Aufgaben ergeben sich aus dem Sicherstellungsauftrag?
Der Sicherstellungsauftrag umfasst die Organisation einer ausreichenden, zweckmäßigen und erreichbaren ambulanten Versorgung, die Verhandlung und Umsetzung der Vergütung, die Einrichtung von Terminservicestellen, den Betrieb des Bereitschaftsdienstes und die Sicherung von Qualität und Wirtschaftlichkeit.
Wie erfolgt die Vergütung und wie wird sie verteilt?
Die Krankenkassen zahlen eine kollektiv vereinbarte Gesamtvergütung an die KVen. Diese verteilen die Mittel nach einem Honorarverteilungsmaßstab und zahlen sie an die Leistungserbringer aus. Zusätzlich existieren gesondert vergütete Leistungen. Verwaltungskostenanteile werden im Abrechnungsverfahren berücksichtigt.
Welche Rolle spielt die Kassenärztliche Vereinigung bei der Zulassung?
Über die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung entscheiden paritätisch besetzte Zulassungsausschüsse. Die KV wirkt dabei organisatorisch mit, führt Verzeichnisse der teilnehmenden Leistungserbringer und begleitet Änderungen in Status und Struktur der Praxen im Rahmen der Bedarfsplanung.
Welche Kontroll- und Sanktionsbefugnisse hat die Kassenärztliche Vereinigung?
Die KV führt Wirtschaftlichkeits- und Plausibilitätsprüfungen durch, überwacht Qualitätsanforderungen und kann bei Verstößen Maßnahmen ergreifen, darunter die Festsetzung von Erstattungen oder Regressen. Gegen belastende Entscheidungen sind Rechtsbehelfe vorgesehen.
Wie ist die Kassenärztliche Vereinigung beaufsichtigt und wie werden Entscheidungen überprüft?
Die zuständige Landesbehörde übt Rechtsaufsicht aus. Entscheidungen der KV und ihrer Ausschüsse können in internen Beschwerdeverfahren überprüft werden; zudem steht gerichtlicher Rechtsschutz offen. Verfahren und Fristen richten sich nach den einschlägigen Verfahrensregeln.