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Kapitalersetzendes Darlehen


Begriff und Grundlagen des Kapitalersetzenden Darlehens

Das kapitalersetzende Darlehen ist ein zentraler Begriff im deutschen Gesellschaftsrecht, insbesondere im Kontext von Kapitalgesellschaften wie der GmbH. Es beschreibt ein Darlehen, das ein Gesellschafter seiner Gesellschaft gewährt und das unter bestimmten Bedingungen gesellschaftsrechtlich wie Eigenkapital behandelt wird. Ziel dieser rechtlichen Einordnung ist es, eine Umgehung der Mindestkapitalanforderungen durch die Aufnahme von Fremdkapital zu verhindern und im Insolvenzfall die Gläubiger der Gesellschaft zu schützen.

Historische Entwicklung und Zweck

Die Figur des kapitalersetzenden Darlehens entstand aus der Rechtsprechung zur sogenannten „Eigenkapitalersatzrechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs (BGH) und wurde zunächst richterrechtlich entwickelt. Hintergrund war die Problematik, dass Gesellschafter in der Krise ihrer Gesellschaft anstelle von Einzahlungen auf das Gesellschaftskapital Darlehen gewähren konnten, um ihre Rückzahlungsansprüche in einem Insolvenzverfahren besser zu stellen als die Haftung für Eigenkapital.

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) im Jahr 2008 wurde das Eigenkapitalersatzrecht weitgehend abgeschafft und durch neue insolvenzrechtliche Regelungen ersetzt. Seither regeln insbesondere die Vorschriften der Insolvenzordnung (InsO), hier speziell § 39 InsO, die Behandlung von Gesellschafterdarlehen im Insolvenzverfahren.

Rechtsgrundlagen

Vor dem MoMiG

Vor Inkrafttreten des MoMiG war maßgeblich die Eigenkapitalersatzrechtsprechung des BGH sowie das daraus abgeleitete Eigenkapitalersatzgesetz (Kapitalersatzgesetz – KapErzG) einschlägig. Dieses Gesetz definierte, wann ein Darlehen als quasi Eigenkapital zu behandeln war.

Nach dem MoMiG – Insolvenzordnung (§ 39 InsO)

Mit dem MoMiG wurden die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften zum Eigenkapitalersatz aufgehoben und die insolvenzrechtliche Nachrangigkeit entsprechender Forderungen erstmals gesetzlich in § 39 InsO geregelt. Danach sind Gesellschafterdarlehen im Insolvenzfall nachrangig zu behandeln. Ein Darlehen eines Gesellschafters gilt also nicht mehr per se als Eigenkapital, sondern wird insolvenzrechtlich nachrangig behandelt.

§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO: Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus rechtlich gleichgestellten Rechtsgeschäften sind erst nach Befriedigung aller sonstigen Insolvenzgläubiger zu erfüllen.

Gesellschaftsrechtlicher Kontext

Im Gesellschaftsrecht spielte das kapitalersetzende Darlehen ursprünglich eine Rolle bei der sogenannten Kapitalerhaltungsvorschrift (§ 30 GmbHG a.F.), wurde aber mit MoMiG weitgehend verdrängt. Relevant bleibt die Problematik im Rahmen der §§ 32a/b GmbHG a.F., die jedoch mit MoMiG aufgehoben und durch die insolvenzrechtlichen Regelungen ersetzt wurden.

Voraussetzungen für ein Kapitalersetzendes Darlehen

Zeitlicher Kontext: Krise der Gesellschaft

Zentral für die Qualifikation als kapitalersetzendes Darlehen war das Vorliegen einer Krise der Gesellschaft. Darunter wurde der Zeitraum verstanden, in dem das Unternehmen ohne Zuführung von Eigenkapital insolvenzreif gewesen wäre (Liquiditätskrise, Überschuldung oder drohende Zahlungsunfähigkeit).

Darlehensgeber und Darlehensnehmer

Erfasst wurden vorrangig Darlehen, die von Gesellschaftern oder ihnen nahe stehenden Personen (zum Beispiel Ehegatten, verbundenen Unternehmen) gewährt wurden. Ausschlaggebend war die Nähebeziehung zum Unternehmen.

Art des Finanzierungsinstruments

Neben klassischen Darlehen konnten auch andere Finanzierungsformen (wie Genussrechte, stille Beteiligungen, wirtschaftlich vergleichbare Rechtsgeschäfte) unter den Eigenkapitalersatz fallen, wenn sie wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen entsprachen.

Rechtsfolgen im Insolvenzfall

Nachrangigkeit der Rückzahlungsansprüche

Ansprüche auf die Rückzahlung kapitalersetzender Darlehen werden nach dem geltenden Recht gegenüber den Ansprüchen anderer Insolvenzgläubiger nachrangig behandelt (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Dies bedeutet:

  • Sie werden erst nach vollständiger Befriedigung der übrigen Insolvenzgläubiger berücksichtigt.
  • Meist bleiben sie im Insolvenzverfahren vollständig unberücksichtigt, da die Insolvenzmasse regelmäßig nicht ausreicht.

Insolvenzanfechtung und Rückgewähr

Leistungen auf kapitalersetzende Darlehen, die vor Stellung des Insolvenzantrags an Gesellschafter ausgezahlt wurden, können unter bestimmten Voraussetzungen gemäß §§ 129 ff. InsO angefochten und zurückgefordert werden. Dies dient dem Schutz der Gläubigergemeinschaft und verhindert eine Besserstellung der Gesellschafter in der Krise.

Praxisrelevanz und Abgrenzungen

Abgrenzung zu sonstigen Gesellschafterleistungen

Ein kapitalersetzendes Darlehen muss von anderen Gesellschafterleistungen wie Einlagen oder echten Nachrangdarlehen abgegrenzt werden. Maßgeblich ist, ob die Rückzahlung insolvenzabhängig und gesellschaftsvertraglich geregelt war oder rein schuldrechtlich. Ein echtes Nachrangdarlehen im Sinne des § 10 Abs. 2 KWG stellt eine gesonderte Kategorie dar.

Bedeutung in der Unternehmensfinanzierung

Das kapitalersetzende Darlehen hat in der Praxis an Bedeutung verloren. Nach der gesetzlichen Neuregelung müssen Gesellschafter beachten, dass Darlehen in der Krise regelmäßig nicht privilegiert sind und im Insolvenzfall typischerweise wertlos werden. Dies beeinflusst die Finanzierungsstruktur von Gesellschaften und erfordert sorgfältige vertragliche Gestaltung von Finanzierungsmaßnahmen.

Literatur und Weiterführendes

Für detaillierte Analysen und die aktuelle Auslegung des Gesetzes empfehlen sich die einschlägige Fachliteratur zum Insolvenz- und Gesellschaftsrecht sowie die Kommentierung zu § 39 InsO.


Mit dem Begriff „kapitalersetzendes Darlehen“ wird ein wesentliches Instrument des Gläubigerschutzes in Kapitalgesellschaften beschrieben. Die rechtliche Behandlung folgt heute primär insolvenzrechtlichen Grundsätzen und setzt detaillierte Kenntnisse der jüngeren gesetzlichen Historie und aktueller insolvenzrechtlicher Praxis voraus.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Annahme eines kapitalersetzenden Darlehens vorliegen?

Für die Annahme eines kapitalersetzenden Darlehens im rechtlichen Sinne, insbesondere nach den Vorschriften des GmbH-Rechts (§ 30, § 32a, § 32b GmbHG a.F.) und der neueren Rechtsprechung, müssen bestimmte Voraussetzungen beachtet werden. Zunächst muss das Darlehen von einem Gesellschafter oder einer diesem gleichgestellten Person (z. B. nahestehende Dritte im Sinne von § 138 InsO) gewährt werden. Des Weiteren ist maßgeblich, ob zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung oder der Stehenlassung einer bestehenden Forderung die Gesellschaft eine wirtschaftliche Krise durchläuft. Dies liegt vor, wenn sich die Gesellschaft in einer Situation befindet, in der ein ordentlicher Kaufmann kein weiteres Fremdkapital mehr zur Verfügung gestellt hätte, sondern nur noch Eigenkapital zufließen würde. Die Krise kann sich insbesondere durch Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung manifestieren. Wesentlich ist neben der objektiven Krisensituation auch das subjektive Bewusstsein des Gesellschafters darüber, dass er dem Unternehmen in der Krise Mittel zuführt beziehungsweise belässt. Das Gesetz fingiert unter diesen Umständen eine Gleichstellung des Darlehens mit Eigenkapital, was zu einer Sonderstellung bei Rückzahlung und Insolvenz führt.

Welche rechtlichen Folgen ergeben sich für den Gesellschafter im Falle der Insolvenz der Gesellschaft?

Im Insolvenzfall führen kapitalersetzende Darlehen dazu, dass die Rückzahlungsansprüche des Gesellschafters nachrangig behandelt werden. Sie stehen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO im Rang hinter den Forderungen der übrigen Gläubiger. Demnach kann der Gesellschafter seine Forderung erst nach der Befriedigung aller übrigen Gläubiger geltend machen, was in der Regel bedeutet, dass eine Rückzahlung faktisch ausgeschlossen ist. Darüber hinaus ist jede während der Krise oder danach erfolgte Rückzahlung des Darlehens gemäß § 135 Abs. 1 InsO grundsätzlich insolvenzanfechtbar, sofern sie innerhalb der gesetzlichen Fristen erfolgt ist. Die Rechtsfolge ist die Rückgewähr des erhaltenen Betrages an die Insolvenzmasse. Damit soll verhindert werden, dass Gesellschafter in Krisensituationen vorrangig gegenüber anderen Gläubigern ihre Mittel abziehen.

Inwiefern sind kapitalersetzende Darlehen bei der bilanziellen Behandlung zu berücksichtigen?

Im handelsrechtlichen Jahresabschluss einer GmbH sind kapitalersetzende Darlehen im Regelfall weiterhin als Verbindlichkeiten auszuweisen, sie erhalten jedoch durch die gesellschaftsrechtlichen und insolvenzrechtlichen Regelungen eine Sonderstellung bezüglich ihrer Rückzahlungsmodalitäten. Besondere Bedeutung erlangt die Behandlung soweit, als Rückzahlungen derartiger Darlehen in der Krise (je nach Rechtslage und Zeitpunkt) gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG durch das Gesellschaftsvermögen unzulässig sein können oder nachträglich anfechtbar sind. In Lageberichten und Anhängen muss regelmäßig auf das Vorliegen solcher Darlehen und die sich daraus ergebenden Risiken für die Gesellschaft wie für die Gläubiger hingewiesen werden, sofern diese für die Beurteilung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage wesentlich sind. Hinzu kommen steuerliche Auswirkungen insbesondere im Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung und der Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen.

Welche Auswirkungen hat die Novelle des GmbH-Rechts durch das MoMiG auf kapitalersetzende Darlehen?

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) im Jahr 2008 wurde das traditionelle Kapitalersatzrecht weitgehend abgeschafft und durch die vorrangige Anwendung insolvenzrechtlicher Nachrangregeln (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) ersetzt. Vor dem MoMiG gab es umfangreiche kapitalersatzrechtliche Regelungen in §§ 32a, 32b GmbHG a.F., die eine sehr differenzierte Behandlung von Darlehen und wirtschaftlich gleichgestellten Leistungen durch Gesellschafter vorsahen. Nach der Reform steht nunmehr der Gläubigerschutz im Insolvenzverfahren im Vordergrund, indem Gesellschafterdarlehen bei einer Insolvenz der Gesellschaft grundsätzlich kraft Gesetzes nachrangig behandelt werden. Die zivilrechtlichen Rückzahlungsverbote außerhalb der Insolvenz wurden abgeschafft. Gleichwohl bleiben einige Sonderfälle, wie die Behandlung von Sicherheiten oder wirtschaftlich gleichgestellten Leistungen, die weiterhin differenziert betrachtet werden müssen.

Wie unterscheiden sich kapitalersetzende Darlehen von gewöhnlichen Gesellschafterdarlehen aus rechtlicher Sicht?

Der maßgebliche rechtliche Unterschied besteht darin, dass ein gewöhnliches Gesellschafterdarlehen – außerhalb der Krise – wie ein normales Fremdfinanzierungsinstrument rechtswirksam und jederzeit rückzahlbar ist. Sobald jedoch ein Darlehen in der Krise oder durch deren Belassen im Unternehmen die Voraussetzungen eines kapitalersetzenden Darlehens erfüllt, greifen spezielle gesellschafts- und insolvenzrechtliche Vorschriften. Die Ansprüche des Gesellschafters auf Rückzahlung und Zinsen werden nachrangig behandelt, die Rückzahldurchsetzung kann untersagt sein oder gezahlte Beträge sind ggf. wieder herauszugeben. Ziel ist es, zu verhindern, dass Gesellschafter in der Unternehmenskrise ihre Forderungen gegenüber anderen Gläubigern bevorzugt behandeln und somit den Gläubigerschutz umgehen.

Welche Arten von Gesellschafterleistungen können rechtlich als kapitalersetzend qualifiziert werden?

Neben klassischen Darlehen können auch andere Finanzierungsinstrumente rechtlich als kapitalersetzend eingeordnet werden, wenn sie die typischen Merkmale erfüllen. Dazu zählen insbesondere die Übernahme von Bürgschaften, Sicherheiten oder Patronatserklärungen für Drittverbindlichkeiten der Gesellschaft zugunsten des Gesellschafters, die Bestellung von Sicherheiten zugunsten eines Gesellschafters sowie die Stundung fälliger Forderungen durch einen Gesellschafter. Entscheidend ist stets, dass die Leistung in einer Krisensituation erfolgt bzw. in der Krise stehen gelassen wird und damit Eigenkapitalcharakter erhält. Die Gleichstellung erfolgt unabhängig von der konkreten vertraglichen Ausgestaltung, maßgeblich ist der wirtschaftliche Gehalt und die Funktion der Leistung in der Unternehmenskrise.