Legal Lexikon

JVEG


Rechtslexikon: JVEG – Das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz

Das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) ist das zentrale Gesetz in Deutschland, das die Vergütung und Entschädigung von Zeugen, Sachverständigen, Übersetzern und Dolmetschern im Rahmen gerichtlicher Verfahren regelt. Es stellt sicher, dass für die Inanspruchnahme dieser Leistungen im gerichtlichen Kontext klare und bundeseinheitliche Vergütungs- und Entschädigungsgrundlagen geschaffen werden.


Historische Entwicklung und Zielsetzung des JVEG

Das JVEG wurde am 1. Juli 2004 eingeführt und löste damit das zuvor geltende Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) sowie das Gesetz über die Vergütung von Sprachsachverständigen (SVÜG) ab. Die Einführung zielte darauf ab, ein modernes, transparentes und zeitgemäßes Vergütungssystem zu etablieren, das allen Beteiligten Rechtssicherheit bietet und dem erhöhten Aufwand sowie der gewachsenen Bedeutung von Gutachten und Sprachmittlungsleistungen Rechnung trägt.


Anwendungsbereich des JVEG

Geltungsbereich

Das JVEG gilt für zivil-, straf-, verwaltungs-, sozial-, und finanzgerichtliche Verfahren in Deutschland. Das Gesetz findet außerdem Anwendung auf Schiedsgerichte, sofern auf seine Regelungen Bezug genommen wird.

Regelungen zu Sachverständigen, Dolmetschern, Übersetzern und Zeugen

Das JVEG adressiert im Wesentlichen folgende Personengruppen:

  • Sachverständige: Personen, die aufgrund ihrer besonderen Sachkunde zur Begutachtung von Tatsachenstellungen durch ein Gericht beauftragt werden.
  • Zeugen: Personen, die im Rahmen ihrer Aussage im gerichtlichen Verfahren Ansprüche auf Entschädigung und Ersatz von Aufwendungen geltend machen können.
  • Dolmetscher und Übersetzer: Sprachexperten, die in gerichtlichen Verfahren zur sprachlichen Verständigung beitragen oder für die beglaubigte Übersetzung von Urkunden herangezogen werden.

Vergütung und Entschädigung nach dem JVEG

Grundsätze der Vergütung

Im JVEG werden die Voraussetzungen, Umfang und Höhe der Vergütung für jede in Anspruch genommene Leistung differenziert dargestellt. Die Vergütung der genannten Personengruppen erfolgt grundsätzlich nach festen Gebühren- und Vergütungstabellen, die im Gesetz aufgeführt sind. Maßgeblich ist der im jeweiligen Zeitpunkt der Leistungserbringung gültige Vergütungssatz.

Sachverständigenvergütung

Die Höhe der Vergütung von Sachverständigen richtet sich nach § 9 JVEG ff. und basiert auf:

  • Stundensätzen abhängig vom jeweiligen Fachgebiet sowie Schwierigkeitsgrad des Gutachtens
  • Erstattung von Aufwendungen, wie z. B. notwendige Reise-, Material- und Versandkosten
Vergütung für Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen

Die Vergütung von Dolmetschern und Übersetzern ist in § 8a bis § 14 JVEG geregelt und differenziert nach:

  • Dolmetschleistungen (z. B. simultan, konsekutiv, telefonische Verdolmetschung)
  • Schriftlichen Übersetzungen (Zeilensätze nach Umfang und Schwierigkeitsgrad)
Entschädigung für Zeugen

Zeugen erhalten gemäß §§ 19-22 JVEG eine Entschädigung, welche umfasst:

  • Verdienstausfall: Nachweisbare Einbußen werden ersetzt
  • Zeitaufwand
  • Aufwendungsersatz: Z. B. Reisekosten, Übernachtungskosten, sowie Kosten für notwendige Kinderbetreuung

Verfahren zur Geltendmachung und Festsetzung der Vergütung

Die Vergütung und Entschädigung nach dem JVEG wird grundsätzlich auf Antrag festgesetzt. Die Antragstellung hat innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Beendigung der jeweiligen Tätigkeit zu erfolgen (§ 2 Abs. 1 JVEG).

Zuständigkeiten und Verfahrensablauf

  • Festsetzung durch die Verwaltungsbehörde oder das Gericht
  • Rechtsmittel: Gegen die Festsetzung kann nach § 4 JVEG Erinnerung eingelegt werden, über die erneut entschieden wird

Besondere Regelungen, Sonderfälle und Einschränkungen des JVEG

Pauschalvergütung und Sondervereinbarungen

Das JVEG sieht in besonderen Fällen nach § 15 JVEG die Möglichkeit von Pauschalvergütungen vor, soweit dies für einen zügigen und unkomplizierten Ablauf angezeigt ist. Eine hiervon abweichende vertragliche Vereinbarung mit den Vergütungsberechtigten ist jedoch nach § 7 JVEG grundlegend ausgeschlossen, soweit dies nicht explizit durch gesetzliche Regelungen gestattet ist.

Mehrere Tätigkeiten und Kombinationen

Erbringt eine Person mehrere Leistungen, wie beispielsweise die Übersetzung und das Gutachtenerstellen, ist jeweils gesondert nach den einschlägigen Regelungen des JVEG abzurechnen.


Steuerrechtliche Behandlung der Leistungen nach JVEG

Vergütungen und Entschädigungen, die nach dem JVEG gezahlt werden, zählen als Einkommen und sind daher grundsätzlich steuerpflichtig. Die steuerliche Behandlung der Zahlungen ist nicht Bestandteil des JVEG, sondern richtet sich nach den allgemeinen steuerrechtlichen Vorschriften.


Grenzen, Kritik und Reformbestrebungen

Seit Inkrafttreten des JVEG wurden regelmäßig Anpassungen an den Gebührensätzen sowie an der Ausgestaltung der Leistungsbereiche vorgenommen, wobei insbesondere eine Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung sowie an die gestiegenen Anforderungen an Gutachter- und Sprachmittlungsleistungen im Vordergrund stehen. Gegenstand öffentlicher Diskussionen ist häufig die Angemessenheit der Vergütung insbesondere im Hinblick auf hochspezialisierte Tätigkeiten.


Zusammenfassung

Das JVEG bildet die zentrale gesetzliche Grundlage für die Vergütungs- und Entschädigungsansprüche im Rahmen gerichtlicher Verfahren in Deutschland. Es gewährleistet durch detaillierte und bundeseinheitliche Regelungen Rechtssicherheit für alle Beteiligten und sorgt für eine angemessene Entschädigung, wobei sowohl die Komplexität als auch die Bedeutung der jeweiligen Tätigkeit berücksichtigt werden. Eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung an aktuelle Entwicklungen stellt die Funktionsfähigkeit und Akzeptanz des JVEG sicher und leistet einen wichtigen Beitrag zur Effizienz und Fairness gerichtlicher Verfahren.

Häufig gestellte Fragen

Welche Personengruppen sind nach dem JVEG berechtigt, Kostenerstattungen zu beanspruchen?

Das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) regelt detailliert, welche Personengruppen im Rahmen gerichtlicher Verfahren Anspruch auf Vergütungen und Entschädigungen haben. Hierzu zählen insbesondere Sachverständige, Dolmetscher, Übersetzer sowie Zeugen und ehrenamtliche Richter. Für Sachverständige und Dolmetscher ist relevant, dass ihre Heranziehung im gerichtlichen Verfahren durch eine förmliche Beauftragung (Beweisbeschluss, gerichtliche Anordnung) erfolgt sein muss. Übersetzer werden insbesondere dann berücksichtigt, wenn ihnen die Übersetzung schriftlicher Dokumente ausdrücklich übertragen wurde. Zeugen und ehrenamtliche Richter erhalten ihre Entschädigungen für Zeitversäumnis und Auslagen entsprechend der gesetzlichen Vorgaben. Im Einzelnen sind auch Sachverständige und Dolmetscher zu nennen, die in einem Ermittlungsverfahren oder zur Unterstützung der Rechtspflege außerhalb von Verfahren beigezogen werden. Privatgutachter oder für außergerichtliche Tätigkeiten eingesetzte Personen sind hingegen nicht anspruchsberechtigt nach JVEG. Entscheidend ist stets, dass die jeweilige Tätigkeit in einem Zusammenhang mit einer gerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen Anordnung steht und im Rahmen eines konkret benannten Verfahrens erfolgt.

Welche Arten von Vergütungen und Entschädigungen unterscheidet das JVEG und wie werden diese berechnet?

Das JVEG unterscheidet verschiedene Vergütungsarten und Entschädigungen, die jeweils nach Tätigkeit und Funktion differenziert sind. Maßgeblich sind insbesondere die Vergütung für Sachverständige, die Vergütung für Dolmetscher und Übersetzer sowie die Entschädigung von Zeugen und ehrenamtlichen Richtern. Die Vergütung für Sachverständige erfolgt nach Stundensätzen, die im JVEG festgelegt sind, wobei einzelne Sachgebiete unterschiedliche Sätze aufweisen (z.B. höhere Sätze für medizinische Gutachten). Reisekosten und Auslagen werden zusätzlich erstattet. Dolmetscher erhalten eine Vergütung für die tatsächliche Dolmetschleistung (nach Stunden), Übersetzer für die Wortzahl bzw. den Umfang des übersetzten Textes. Zeugen und ehrenamtliche Richter erhalten Entschädigungen für Zeitversäumnis, Verdienstausfall, Fahrtkosten und sonstige Auslagen. Die konkrete Berechnung erfolgt anhand der im JVEG vorgeschriebenen Sätze und Tabellen, die regelmäßig angepasst werden. Es ist Aufgabe der jeweiligen Justizbehörde, die Abrechnung zu prüfen und zu bewilligen. Kriterien wie der tatsächliche Aufwand, besondere Qualifikationen oder außergewöhnliche Umstände können im Einzelfall zu Abweichungen führen.

Welche Verfahrensvoraussetzungen sind für die Geltendmachung von Ansprüchen nach dem JVEG zu beachten?

Für die erfolgreiche Geltendmachung von Vergütungs- und Entschädigungsansprüchen nach dem JVEG sind bestimmte formale und inhaltliche Voraussetzungen zu erfüllen. Zunächst muss die beauftragte Tätigkeit durch das Gericht oder eine Ermittlungsbehörde angeordnet worden sein; ein selbstinitiierter Einsatz führt nicht zu einem Anspruch nach JVEG. Zudem sind Fristen einzuhalten, innerhalb derer die Geltendmachung erfolgen muss (§ 2 JVEG), in der Regel spätestens binnen drei Monaten nach Abschluss der Tätigkeit oder nach Zugang der gerichtlichen Entscheidung. Die Anspruchstellung hat schriftlich zu erfolgen und muss alle relevanten Nachweise (z.B. Zeitaufstellungen, Quittungen, Fahrkarten) beinhalten. Bei Sachverständigen- oder Dolmetscherdiensten ist eine detaillierte und prüffähige Abrechnung erforderlich. Auch ist zu beachten, dass die Entscheidung über die Vergütung oder Entschädigung in der Regel durch Beschluss ergeht, gegen den Rechtsmittel zulässig sind.

Wie verhält sich das JVEG zu anderen Kostengesetzen und vorrangigem Recht?

Das JVEG ist gegenüber anderen Kostengesetzen einzelfallbezogen vorrangig für die Entschädigung und Vergütung von im gerichtlichen Auftrag tätigen Personen. Neben den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO), Strafprozessordnung (StPO), Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) u.a. ist das JVEG als spezielles Entschädigungsrecht zu beachten, soweit es um die Vergütung gerichtlich bestellter Sachverständiger, Übersetzer, Dolmetscher, Zeugen und ehrenamtlicher Richter geht. In Fällen, in denen das Gericht bestimmte Leistungen nach besonderen gebührenrechtlichen Vorschriften oder nach privatrechtlichen Verträgen vergütet, kann eine Prüfung erforderlich sein, welches Kostenrecht Vorrang genießt. Soweit Spezialregelungen etwa für bestimmte medizinische Leistungen oder Aufwendungen im Steuerrecht bestehen, gelten diese primär, sofern sie den Anwendungsbereich des JVEG ausdrücklich ausschließen oder ergänzen. Ergänzend ist auf die Subsidiaritätsklauseln im JVEG zu achten.

Welche Rolle spielt das JVEG im Rahmen von grenzüberschreitenden Verfahren und europäischen Normen?

Im internationalen Kontext und bei grenzüberschreitenden Rechtshilfeverfahren ist das JVEG grundsätzlich dann anzuwenden, wenn die gerichtliche Maßnahme von einer deutschen Justizbehörde ausgeht und die beauftragten Personen ihren Sitz innerhalb Deutschlands oder, im Falle einer Tätigkeit im Ausland, die Tätigkeit auf Initiative deutscher Behörden erfolgt. Für die Anwendung europäischer Verordnungen (z.B. im Rahmen gegenseitiger Anerkennung von Gerichtsbeschlüssen) bestimmt das JVEG die Modalitäten der Kostenerstattung, sofern nicht spezifische europäische Normen Abweichungen enthalten. Bei der Beauftragung ausländischer Sachverständiger oder Dolmetscher können besondere Kostenregeln der Verbringungsstaaten zur Anwendung kommen, wobei das JVEG subsidiär zur Anwendung kommt, solange keine zwingenden EU-Rechtsvorschriften entgegenstehen. Bei Pflicht zur Übernahme von Kosten für ausländische Zeugen in deutschen Verfahren regelt das JVEG ebenso die Kostenerstattung, es sei denn, Gegenseitigkeitsabkommen treffen spezielle Festlegungen.

Wie gestaltet sich das Rechtsmittelverfahren gegen Entscheidungen nach dem JVEG?

Entscheidungen über Vergütungen und Entschädigungen nach dem JVEG ergehen in der Regel durch Beschluss des beauftragenden Gerichts oder der zuständigen Justizbehörde. Gegen solche Beschlüsse kann gemäß § 4 JVEG ein Rechtsmittel eingelegt werden, namentlich die sofortige Beschwerde. Die Frist zur Einlegung beträgt zwei Wochen ab Bekanntgabe der Entscheidung. Das Beschwerdeverfahren ist auf den Prüfungsgegenstand der Vergütung oder Entschädigung beschränkt, eine umfassende Überprüfung des zugrundeliegenden Auftrags erfolgt nicht. Das Beschwerdegericht überprüft die Angemessenheit, Schlüssigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Abrechnung sowie die Kompatibilität mit den gesetzlichen Sätzen des JVEG. Eine weitere Anfechtung ist nur unter engen Voraussetzungen, etwa bei Gesetzesverletzung oder grundsätzlicher Bedeutung, zulässig. In der Praxis kommt dem Beschwerdeverfahren eine große Bedeutung zu, da es letztinstanzlich die Klärung streitiger Abrechnungspositionen herbeiführen kann.