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Jugendstraftat


Begriff und rechtliche Grundlagen der Jugendstraftat

Eine Jugendstraftat bezeichnet eine Straftat, die von einer Person im Alter zwischen 14 und 17 Jahren begangen wurde. Sie ist in Deutschland ein zentraler Begriff im Jugendstrafrecht, das im Jugendgerichtsgesetz (JGG) geregelt ist. Das Jugendstrafrecht verfolgt vorrangig den Erziehungsgedanken und unterscheidet sich in seinen rechtlichen Rahmenbedingungen, Sanktionsmöglichkeiten und Zielen maßgeblich vom Erwachsenenstrafrecht.

Definition und Abgrenzung

Unter einer Jugendstraftat versteht man jede rechtswidrige Handlung, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt und von einem Jugendlichen im Strafmündigkeitsalter begangen wurde. Jugendliche sind laut § 1 JGG Personen, die zur Zeit der Tat 14, aber noch nicht 18 Jahre alt sind. Damit unterscheidet sich die Jugendstraftat von Kindern strafbarer Handlungen (unter 14 Jahren, strafunmündig) und von Heranwachsenden (18 bis unter 21 Jahre, für die unter bestimmten Voraussetzungen noch das Jugendstrafrecht Anwendung finden kann).

Rechtliche Voraussetzungen

Strafmündigkeit

Erforderlich für die Ahndung einer Jugendstraftat ist die so genannte Strafmündigkeit. Jugendliche unter 14 Jahren sind aufgrund von § 19 des Strafgesetzbuches (StGB) strafunmündig. Für Jugendliche ab Vollendung des 14. und bis zum vollendeten 18. Lebensjahr gilt die Vermutung strafrechtlicher Verantwortlichkeit. Allerdings prüft das Jugendgericht, ob der Jugendliche bei Begehung der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung fähig war, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (§ 3 JGG).

Tatbestandsmerkmale

Die für eine Jugendstraftat vorausgesetzten Tatbestandsmerkmale entsprechen im Wesentlichen denen des allgemeinen Strafrechts. Es muss eine vorsätzliche oder fahrlässige Handlung vorliegen, die gegen ein Strafgesetz verstößt, rechtswidrig und schuldhaft ist. Die Beurteilung der Schuld bei Jugendlichen bezieht die persönliche Entwicklung, das soziale Umfeld und das Maß der individuellen Einsicht ein.

Zielsetzung des Jugendstrafrechts

Das Jugendstrafrecht verfolgt nach § 2 Abs. 1 JGG insbesondere den Erziehungsgedanken. Ziel ist es, durch individuell angepasste Maßnahmen straffällige Jugendliche zu einem künftig gesetzestreuen Verhalten zu erziehen und die erneute Begehung von Straftaten zu verhindern. Die Schuldfähigkeit und die besondere Erziehungsbedürftigkeit stehen im Mittelpunkt der Betrachtung.

Sanktionen und Rechtsfolgen bei Jugendstraftaten

Erziehungsmaßregeln (§§ 9-12 JGG)

Im Jugendstrafrecht stehen erzieherische Maßnahmen an erster Stelle. Das Gericht kann Erziehungsmaßregeln wie die Weisung, bestimmte Auflagen zu erfüllen (beispielsweise Teilnahme an Programmen oder Anti-Gewalt-Trainings), oder die Zuweisung eines Betreuers anordnen.

Zuchtmittel (§§ 13-16 JGG)

Zuchtmittel sind mildere Sanktionen, die zwischen Erziehungsmaßregeln und Jugendstrafe liegen. Hierzu zählen die Verwarnung, die Erteilung von Auflagen (wie Schadenswiedergutmachung oder Arbeitsleistungen) sowie der Jugendarrest, der als Freizeitarrest, Kurzarrest oder Dauerarrest vollstreckt werden kann.

Jugendstrafe (§§ 17-18 JGG)

Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer Jugendstrafanstalt und stellt die schwerste Sanktion dar. Sie wird nur verhängt, wenn Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nicht ausreichen oder bei schweren Verfehlungen wie schweren Gewalttaten oder Wiederholungstäterschaft. Die Dauer beträgt mindestens sechs Monate und höchstens fünf Jahre, bei schweren Straftaten (zum Beispiel Mord) bis zu zehn Jahre.

Ablauf des Jugendstrafverfahrens

Ermittlungsverfahren und Besonderheiten

Das Jugendstrafverfahren beginnt mit der Ermittlung durch die Polizei und die Staatsanwaltschaft. Besondere Regelungen bestehen insbesondere bezüglich des Vorrangs der Erziehungsmaßnahme und der Beteiligung von Jugendgerichtshilfe, die zur sozialen und persönlichen Entwicklung des Jugendlichen Stellung nimmt.

Hauptverfahren und Jugendstrafgerichtsbarkeit

Über die Jugendstraftat entscheidet das zuständige Jugendgericht, bestehend aus dem Jugendrichter, dem Jugendschöffengericht oder der Jugendkammer am Landgericht. Der Ablauf orientiert sich mit einigen Verfahrensmodifikationen am allgemeinen Strafprozess, berücksichtigt jedoch verstärkt den Erziehungsgedanken. Neben dem Jugendlichen werden Eltern und gegebenenfalls die Jugendgerichtshilfe am Verfahren beteiligt.

Einstellungs- und Diversionsmöglichkeiten

Das JGG eröffnet weitreichende Möglichkeiten, das Verfahren vorzeitig und ohne gerichtliches Urteil zu beenden, sofern Maßnahmen im Sinne des Opferschutzes, der Schadenswiedergutmachung oder der Wiedereingliederung ausreichend sind (sogenannte Diversion, §§ 45, 47 JGG).

Strafregister und Pflichten

Eintragungen im Bundeszentralregister

Verurteilungen wegen Jugendstraftaten werden im Bundeszentralregister vermerkt, aber mit geringeren Rechtsfolgen als bei Erwachsenenstrafen. Unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere bei weniger schweren Sanktionen, ist eine Entfernung der Eintragung nach einer gewissen Zeit vorgesehen.

Restschuldbefreiung und Folgen für das weitere Leben

Jugendstrafen erscheinen nur unter engen Voraussetzungen im Führungszeugnis und haben bei leichten Maßnahmen in der Regel keine dauerhaften Auswirkungen auf das weitere Leben – Ziel ist die Wiedereingliederung und Vermeidung einer Stigmatisierung.

Besonderheiten und Abgrenzungen

Heranwachsende (§ 105 JGG)

Bei so genannten Heranwachsenden (18 bis unter 21 Jahre) kann das Jugendstrafrecht Anwendung finden, wenn die Person nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung einem Jugendlichen gleichstand oder die Art, Umstände und Motive der Tat jugendtypisch sind.

Unterscheidung zu Erwachsenenstraftaten

Das Erwachsenenstrafrecht legt einen besonderen Schwerpunkt auf die individuelle Schuld des Täters sowie den Sühneaspekt. Das Jugendstrafrecht hingegen sieht in der Regel von klassischen Schuldsanktionen ab und stellt den pädagogischen Auftrag nach vorne.

Statistik und gesellschaftliche Bedeutung

Jugendstraftaten machen einen signifikanten Teil der polizeilich registrierten Kriminalität aus, zeigen jedoch seit Jahren in vielen Deliktsbereichen einen rückläufigen Trend. Der Gesetzgeber räumt der Prävention und Wiedereingliederung straffälliger Jugendlicher höchste Bedeutung ein, um gesellschaftliche Integration und Rechtsfrieden zu gewährleisten.

Fazit

Die Jugendstraftat ist ein rechtlich komplexer Begriff, der durch das Jugendgerichtsgesetz umfassend geregelt wird. Die besondere Zielrichtung auf Erziehung, die Vielfalt der anwendbaren Maßnahmen und die individuellen Voraussetzungen erfordern eine differenzierte Betrachtung. Im Zentrum steht stets die Überzeugung, dass Jugendliche durch gezielte Maßnahmen vor einer kriminellen Karriere bewahrt und bestmöglich resozialisiert werden sollen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Konsequenzen können sich aus einer Jugendstraftat ergeben?

Wird einem Jugendlichen eine Straftat zur Last gelegt, können verschiedenste rechtliche Folgen eintreten. Anders als im Erwachsenenstrafrecht steht im Jugendstrafrecht gemäß Jugendgerichtsgesetz (JGG) in erster Linie der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Dies bedeutet, dass Sanktionen darauf abzielen, den Jugendlichen von weiteren Straftaten abzuhalten und ihn in seiner Entwicklung zu unterstützen. Zu den möglichen Rechtsfolgen zählen Erziehungsmaßregeln wie die Erteilung von Weisungen (z.B. Teilnahme an einem sozialen Training), die Anordnung von Betreuungshelfern, die Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit oder die Auferlegung eines Anti-Gewalt-Trainings. Des Weiteren kann das Gericht Zuchtmittel verhängen, beispielsweise Verwarnungen, die Auferlegung von Jugendarrest (Freizeit-, Kurz- oder Dauerarrest) oder Geldauflagen. Für besonders schwere Fälle bleibt als ultima ratio die Jugendstrafe, die in einer Jugendstrafanstalt vollzogen wird und in der Regel sechs Monate bis zu fünf Jahren, in schweren Fällen bis zu zehn Jahren betragen kann. Dabei werden neben der Schwere der Tat auch die Persönlichkeit und das Vorleben des Jugendlichen berücksichtigt. Darüber hinaus kann eine Jugendstraftat Auswirkungen auf das Führungszeugnis, Ausbildungsverhältnisse oder das Studium haben. Auch familienrechtliche Konsequenzen, wie die Überprüfung der elterlichen Sorge, können unter Umständen folgen.

Wann kann ein Jugendlicher strafrechtlich verantwortlich gemacht werden?

Ein Jugendlicher ist gemäß § 1 JGG im Alter zwischen 14 und 17 Jahren grundsätzlich strafmündig, sofern er die erforderliche Einsichtsfähigkeit besitzt. Kinder unter 14 Jahren sind strafrechtlich nicht verantwortlich und können daher nicht im Sinne des Strafgesetzbuchs oder des Jugendgerichtsgesetzes belangt werden. Bei Jugendlichen wird im Einzelfall geprüft, ob die notwendige Reife vorliegt, das Unrecht der Tat einzusehen und entsprechend zu handeln. Sollten Zweifel an der Einsichtsfähigkeit oder dem Steuerungsvermögen bestehen, wird ein Sachverständigengutachten eingeholt. Heranwachsende zwischen 18 und 20 Jahren können in Ausnahmefällen nach Jugendstrafrecht zur Verantwortung gezogen werden, falls das Gericht eine jugendtypische Reifeverzögerung oder eine jugendtypische Tatmotivation feststellt. Maßgeblich ist somit das Alter sowie die individuelle Verantwortungs- und Einsichtsfähigkeit im Tatzeitpunkt.

Was unterscheidet das Jugendstrafrecht vom Erwachsenenstrafrecht?

Das Jugendstrafrecht unterscheidet sich in mehreren wesentlichen Punkten vom Erwachsenenstrafrecht. Im Mittelpunkt steht der Erziehungsgedanke anstatt einer reinen Bestrafung. Die Sanktionen sind darauf ausgerichtet, positiv auf den Jugendlichen einzuwirken und zukünftige Straftaten zu verhindern. Dementsprechend sind die Strafrahmen und Sanktionsarten im JGG anders ausgestaltet und bieten vielfältigere Möglichkeiten wie Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel und Jugendstrafe. Ein weiteres Charakteristikum ist das Strafverfahren selbst: Es ist weniger formalisiert, die Hauptverhandlung findet regelmäßig unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt (§ 48 JGG), und das Gericht verfügt über einen großen Ermessensspielraum. Zudem werden Verurteilungen von Jugendlichen länger nicht ins Führungszeugnis aufgenommen oder gar nicht vermerkt (§ 32 BZRG). Die Entscheidung, ob das Jugendstrafrecht oder das allgemeine Strafrecht Anwendung findet, hängt vom Alter, der Reife und der Umstände der Tat ab.

Kann eine Jugendstrafe im Erwachsenenalter noch Konsequenzen haben?

Jugendstrafe und andere Maßnahmen nach dem Jugendgerichtsgesetz können auch später noch Auswirkungen haben. Grundsätzlich werden Verurteilungen im Jugendstrafregister eingetragen, aber nicht zwingend ins polizeiliche Führungszeugnis übernommen, sofern keine weiteren gravierenden Straftaten hinzukommen (§ 32 BZRG). In bestimmten Situationen, etwa bei Bewerbungen im öffentlichen Dienst oder für bestimmte Berufsgruppen, kann ein erweitertes Führungszeugnis gefordert und frühere Verurteilungen sichtbar werden. Auch im Rahmen späterer Strafverfahren im Erwachsenenalter kann die Vorverurteilung eine Rolle spielen, etwa bei der Strafzumessung oder bei der Beurteilung von Rückfalltaten. Außerdem kann eine Jugendstrafe Auswirkungen auf laufende Ausbildungen, Studienplätze oder den Erwerb eines Führerscheins haben, wenn Behörden auf die Eintragungen aufmerksam werden. Die konkreten Konsequenzen hängen jedoch stets vom Einzelfall und der Art der verhängten Sanktion ab.

Welche Prozessrechte haben Jugendliche im Jugendstrafverfahren?

Jugendliche haben im Jugendstrafverfahren umfassende prozessuale Rechte, um eine faire und rechtsstaatliche Behandlung sicherzustellen. Bereits ab dem Ermittlungsverfahren besteht das Recht auf anwaltlichen Beistand; unter bestimmten Voraussetzungen ist ein Pflichtverteidiger beizuordnen (§ 68 JGG, § 140 StPO), etwa bei schwerwiegenden Tatvorwürfen oder bei Einweisung in eine Jugendstrafanstalt. Jugendliche haben das Recht, über die gegen sie erhobenen Vorwürfe informiert zu werden und sich zu äußern. Sie können Anträge stellen, Beweismittel benennen und Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen einlegen. Erziehungsberechtigte und gesetzliche Vertreter sind grundsätzlich am Verfahren zu beteiligen und zur Hauptverhandlung zu laden (§ 67 JGG). Das Verfahren ist darauf ausgerichtet, Überforderungen zu vermeiden; daher finden die Verhandlungen zumeist unter Ausschluss der Öffentlichkeit und in einer jugendgerechten Atmosphäre statt. Zudem haben Jugendliche Anspruch auf Dolmetscherleistungen, wenn sie der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sind.

Können Eltern für eine Jugendstraftat haftbar gemacht werden?

Rechtlich können Eltern für eine Jugendstraftat ihres Kindes nicht direkt strafrechtlich verantwortlich gemacht werden. Jeder Mensch ist für seine eigenen Straftaten verantwortlich, was im Jugendstrafrecht jedoch erst ab Vollendung des 14. Lebensjahres gilt. Gleichwohl besteht in bestimmten Fällen eine zivilrechtliche Haftung der Eltern, etwa wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben und daraus ein Schaden Dritter resultiert (§ 832 BGB). Wird etwa nachgewiesen, dass Eltern ihre Aufsichtspflichten über ihr Kind in einer Weise verletzt haben, die zur Begehung einer Straftat geführt hat, können sie schadensersatzpflichtig gemacht werden. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit bleibt jedoch auf das Kind beziehungsweise den Jugendlichen beschränkt. In sehr seltenen Ausnahmefällen kann das Familiengericht im Rahmen des Schutzauftrags (§ 1666 BGB) Maßnahmen gegen die Eltern ergreifen, wenn das Kindeswohl durch ihr Verhalten oder Unterlassen gefährdet ist.

Unter welchen Voraussetzungen kommt es zur Einstellung eines Jugendstrafverfahrens?

Ein Jugendstrafverfahren kann unter verschiedenen Voraussetzungen eingestellt werden, insbesondere wenn die Schuld als gering anzusehen ist oder das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung entfällt (§§ 45, 47 JGG). Die Staatsanwaltschaft hat die Möglichkeit, das Verfahren bereits im Ermittlungsstadium einzustellen, insbesondere bei erstmaligen oder geringfügigen Straftaten. Häufig wird dies mit der Erfüllung bestimmter Auflagen verbunden, beispielsweise einer Entschuldigung, Schadenswiedergutmachung, Absolvieren von Sozialstunden oder Teilnahme an erzieherischen Maßnahmen. Auch nach Anklageerhebung, aber noch vor Beginn der Hauptverhandlung, kann das Verfahren eingestellt werden, sofern Erziehung, Ermahnung oder Auflagen als ausreichend angesehen werden. Voraussetzung ist hierbei regelmäßig, dass der Jugendliche geständig ist, Reue zeigt und keine schwerwiegende Straftat (wie etwa ein schweres Gewalt- oder Sexualdelikt) vorliegt. Das Prinzip der Verfahrenseinstellung dient dazu, frühzeitig und ohne stigmatisierende Hauptverhandlung auf Fehlverhalten einzuwirken und eine kriminelle Karriere möglichst zu verhindern.