Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Strafrecht»Jugendstrafe

Jugendstrafe


Begriff und Rechtsgrundlagen der Jugendstrafe

Die Jugendstrafe ist eine spezielle Form der strafrechtlichen Sanktion, die nach deutschem Recht ausschließlich an Jugendliche (zwischen 14 und 17 Jahren) und in bestimmten Fällen an Heranwachsende (zwischen 18 und 20 Jahren) verhängt werden kann. Sie ist im Jugendgerichtsgesetz (JGG) normiert und stellt die schwerste Rechtsfolge dar, die im Jugendstrafrecht verhängt werden kann. Die Jugendstrafe unterscheidet sich in ihrer Zielsetzung, ihrer Ausgestaltung und ihrer Vollstreckung wesentlich von der Freiheitsstrafe im Erwachsenenstrafrecht.


Anwendungsbereich der Jugendstrafe

Altersspezifische Anwendung

Die Jugendstrafe ist ausschließlich auf Jugendliche (§ 1 JGG) und in besonderen Fällen auf Heranwachsende (§ 105 JGG) anwendbar. Während bei Jugendlichen zwingend das Jugendstrafrecht heranzuziehen ist, kommt bei Heranwachsenden eine Anwendung in Betracht, wenn bei der Begehung der Tat die Entwicklung einem Jugendlichen entsprach oder auf Grund der Tat eine Jugendstrafe angezeigt erscheint.

Abgrenzung zu anderen Sanktionen

Neben der Jugendstrafe kennt das JGG auch andere Sanktionen wie Erziehungsmaßregeln (z. B. Weisungen, Hilfe zur Erziehung) und Zuchtmittel (Verwarnung, Auflagen, Jugendarrest). Die Jugendstrafe stellt jedoch die einschneidendste Maßnahme dar und ist nur dann zulässig, wenn diese milderen Reaktionen nicht ausreichen, um auf den jungen Straftäter angemessen einzuwirken.


Tatbestandliche Voraussetzungen

Schwere der Schuld und Gesamtwürdigung

Nach § 17 Abs. 2 JGG ist eine Jugendstrafe nur dann zu verhängen, wenn schädliche Neigungen festgestellt werden oder die Tat wegen ihrer Schwere eine Jugendstrafe erfordert. Voraussetzung ist somit entweder die Feststellung wiederholter schwerer Straftaten, die auf dauerhafte gefährliche Charakterzüge schließen lassen, oder eine besonders schwere Einzelstraftat. Maßgeblich sind eine Gesamtwürdigung der Tat, der Persönlichkeit des Täters und seines sozialen Umfelds.

Mindest- und Höchstdauer

Die Jugendstrafe beträgt mindestens sechs Monate und höchstens fünf Jahre, kann aber auf bis zu zehn Jahre ausgedehnt werden, wenn es sich um ein Verbrechen mit schwerer Folge handelt (§ 18 Abs. 1, 2 JGG).


Ablauf des Verfahrens

Ermittlungs- und Hauptverfahren

Das Verfahren richtet sich grundsätzlich nach den Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO), jedoch mit zahlreichen Besonderheiten zugunsten des jugendlichen Beschuldigten. Beispielsweise sind öffentliche Verhandlungen vielfach ausgeschlossen, die Beteiligung von Jugendgerichten und Jugendgerichtshilfen verpflichtend.

Rechtsmittel

Auch gegen Urteile, bei denen eine Jugendstrafe verhängt wird, stehen die regulären Rechtsmittel (Berufung, Revision) offen. Die Rechtsmittel richten sich nach den allgemeinen Vorschriften des StPO, mit Ausnahmen im Sinne des Jugendschutzes.


Zielsetzung und Besonderheiten

Erziehungsgedanke

Die Jugendstrafe dient primär dem Erziehungszweck (§ 2 Abs. 1 JGG). Anders als im Erwachsenenstrafrecht steht nicht die Vergeltung oder Sühne im Mittelpunkt, sondern die Förderung der zukünftigen Rechtsverbundenheit des jungen Täters. Die Strafe soll dabei zur positiven Entwicklung beitragen und zukünftige Straftaten verhindern.

Besonderheiten im Vollzug

Der Vollzug der Jugendstrafe erfolgt nach dem Jugendstrafvollzugsgesetz des jeweiligen Bundeslandes. Die vollzugsrechtliche Unterbringung findet grundsätzlich in besonderen Jugendstrafanstalten statt, die auf die Bedürfnisse junger Menschen zugeschnitten sind. Hier stehen erzieherische Maßnahmen, Bildung und Resozialisierungsangebote im Vordergrund.


Rechtsfolgen und Nebenwirkungen

Vorzeitige Entlassung und Aussetzung

Ein zentrales Element der Jugendstrafe ist die Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung. Nach Verbüßung der Hälfte, spätestens jedoch nach zwei Dritteln der Strafe, kann diese zur Bewährung ausgesetzt werden (§ 88 JGG), sofern das Vollzugsziel erreicht scheint und keine weitere Gefahr ausgeht.

Rechtsfolgen für das Führungszeugnis

Jugendstrafen über zwei Jahre werden im Führungszeugnis eingetragen. Bei geringeren Strafen können Eintragungen unter bestimmten Voraussetzungen entfallen, um die Resozialisierung nicht zu gefährden (§ 32 BZRG).


Abgrenzung zur Freiheitsstrafe im Erwachsenenstrafrecht

Während die Freiheitsstrafe nach dem Erwachsenenstrafrecht primär der allgemeinen und spezialpräventiven Abschreckung sowie der Sühne dient, liegt der Fokus der Jugendstrafe auf individueller Erziehung und Entwicklung. Auch im Hinblick auf Auswahl und Gestaltung der Sanktionen sind die Unterschiede erheblich: Während das Erwachsenenstrafrecht gesetzlich starre Strafen vorsieht, ermöglicht das Jugendstrafrecht eine flexible Anpassung an den Einzelfall.


Internationaler Vergleich

Im europäischen und internationalen Kontext bestehen unterschiedlich ausgestaltete Regelungen für jugendliche Straftäter. Der Erziehungsgedanke ist jedoch in vielen Rechtsordnungen, insbesondere in Mitgliedstaaten der EU, als maßgebendes Prinzip anerkannt. Die deutsche Jugendstrafe gilt – auch im internationalen Vergleich – als wegweisendes Modell besonders im Bereich der Resozialisierung.


Bedeutung und Kritik der Jugendstrafe

Die Jugendstrafe wird in der rechtswissenschaftlichen Diskussion ambivalent bewertet. Einerseits gilt sie aufgrund ihres Erziehungs- und Resozialisierungsauftrags als fortschrittlich. Andererseits wird kritisiert, dass in der Praxis die Implementierung erzieherischer Maßnahmen durch personelle und strukturelle Defizite häufig nicht vollständig gewährleistet werden kann. Gleichwohl bildet die Jugendstrafe ein zentrales Instrument der deutschen Strafrechtspflege zur Sanktionierung und Resozialisierung junger Straftäter.


Literaturverweise und Quellen

  • Jugendgerichtsgesetz (JGG)
  • Bundeszentralregistergesetz (BZRG)
  • Landesgesetze über den Jugendstrafvollzug
  • Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Jugendstrafe
  • Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), Art. 5 und 6 (Kinder und Jugendliche)

Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über den Begriff und die rechtlichen Grundlagen der Jugendstrafe im deutschen Rechtssystem, betont deren Besonderheiten und Zielsetzung und vergleicht sie mit entsprechenden Regelungen auf internationaler Ebene.

Häufig gestellte Fragen

Wann kommt es im deutschen Jugendstrafrecht zur Anordnung einer Jugendstrafe?

Im deutschen Jugendstrafrecht gemäß Jugendgerichtsgesetz (JGG) wird eine Jugendstrafe grundsätzlich nur als ultima ratio verhängt, wenn andere erzieherische Maßnahmen (z. B. Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel wie die Verwarnung, der Jugendarrest oder Auflagen) nicht zur Verfügung stehen oder nicht ausreichend erscheinen. Nach § 17 Abs. 2 JGG ist die Jugendstrafe Freiheitsentzug und wird grundsätzlich erst dann ausgesprochen, wenn entweder die Schwere der Schuld des Jugendlichen dies erfordert oder der jugendliche oder heranwachsende Täter wegen schädlicher Neigungen einer längerfristigen erzieherischen Einwirkung bedarf. Das Gericht prüft im Einzelfall eingehend alle Umstände, insbesondere die Persönlichkeit des Täters, seine Entwicklung, sein soziales Umfeld, die Schwere und Art der Tat sowie etwaige Vorstrafen und bereits erfolgte Maßnahmen. Ein wichtiges Kriterium ist auch, ob etwaige schädliche Neigungen eine solche Maßnahme notwendig machen. Die Jugendstrafe soll vorrangig erzieherischen Zwecken dienen und nicht nur repressiv Bestrafung bedeuten.

Wie lange kann eine Jugendstrafe nach dem JGG dauern?

Die Dauer der Jugendstrafe wird durch § 18 JGG geregelt. Die Mindestdauer beträgt sechs Monate. In Fällen gewöhnlicher Kriminalität darf die Jugendstrafe maximal fünf Jahre betragen. Bei Verbrechen, für die nach allgemeinem Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren vorgesehen ist (z. B. Mord), kann die Jugendstrafe bis zu zehn Jahre verhängt werden. Maßgeblich ist dabei stets die individuelle Schuld des Täters und das Erziehungserfordernis, wobei das Gericht auch die künftige Entwicklung und Resozialisierungschancen des Jugendlichen berücksichtigen muss. Verlängerungen, Verkürzungen sowie vollständiger oder teilweiser Erlass der Strafe sind unter engen gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere beim Nachweis positiver Entwicklungen während des Strafvollzugs, ebenfalls möglich.

Wird die Jugendstrafe im Jugendvollzug oder im Erwachsenenvollzug verbüßt?

Nach § 90 JGG ist die Jugendstrafe grundsätzlich im Jugendvollzug zu verbüßen. Das bedeutet, dass Jugendliche und Heranwachsende, die zu einer Jugendstrafe verurteilt wurden, in speziellen Justizvollzugsanstalten untergebracht werden, die auf die Bedürfnisse junger Straftäter ausgerichtet sind. Ziel der besonderen Vollzugsform ist die Erziehung und Resozialisierung unter Berücksichtigung jugendlicher Entwicklungsbesonderheiten. Nur in Ausnahmefällen, wenn es aufgrund des Alters oder besonderer Umstände notwendig erscheint, kann ein Wechsel in den Erwachsenenvollzug erfolgen. Ein gemischter Vollzug kommt nur bei Heranwachsenden (18 bis 20 Jahre alt) unter besonderen Voraussetzungen in Betracht.

Welche Rechte und Pflichten haben Jugendliche im Rahmen einer verhängten Jugendstrafe?

Jugendliche, die eine Jugendstrafe verbüßen, haben grundsätzlich dieselben Grundrechte wie andere Bürger, soweit sie nicht durch die Vollzugsbedingungen eingeschränkt werden (z. B. Freiheitsentzug, Postkontrolle). Daneben bestehen spezifische Rechte, die auf Resozialisierung und Erziehung abzielen: Anspruch auf schulische und berufliche Bildung, Freizeitgestaltung, medizinische und psychologische Betreuung sowie Betreuung durch Sozialarbeiter. Es besteht die Pflicht zur Teilnahme an Arbeits-, Beschäftigungs- oder Bildungsmaßnahmen, zur Einhaltung der Hausordnung sowie zum respektvollen Umgang mit Personal und Mitgefangenen. Verstöße gegen die Anstaltsordnung können Disziplinarmaßnahmen nach sich ziehen.

Welche Möglichkeiten der Aussetzung zur Bewährung gibt es bei einer Jugendstrafe?

Die Möglichkeit einer Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung ist in § 21 JGG geregelt. Das Gericht kann eine Jugendstrafe von bis zu zwei Jahren zur Bewährung aussetzen, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon durch die Verurteilung und unter Einwirkung der Bewährungsaufsicht bewähren wird. Das Gericht berücksichtigt dabei insbesondere Persönlichkeit, Lebensverhältnisse, Entwicklung des Jugendlichen und Wirkung der Tat sowie auch die Haltung gegenüber dem Tatgeschehen. In der Bewährungszeit, die zwischen zwei und drei Jahren dauert, steht der Jugendliche unter sogenannter Führungsaufsicht. Es können zusätzlich Weisungen oder Auflagen erteilt werden, z. B. Teilnahme an antikriminellen Trainings, Ableistung von Sozialstunden, Schadenswiedergutmachung oder regelmäßige Meldungen bei einem Bewährungshelfer. Ein Verstoß gegen die Bewährungsauflagen kann zum Widerruf der Bewährung und damit zum Vollzug der Strafe führen.

Welche Besonderheiten gelten für Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren im Zusammenhang mit der Jugendstrafe?

Für Heranwachsende im Alter von 18 bis 21 Jahren gilt gemäß § 105 JGG ein besonderer Prüfungsmaßstab: Das Gericht entscheidet nach eigenem Ermessen, ob auf diese Personengruppe Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht anzuwenden ist. Die Anwendung des Jugendstrafrechts – und somit auch die Verhängung der Jugendstrafe nach dem JGG – erfolgt dann, wenn entweder eine jugendtypische Tat vorliegt (z. B. durch Reifeverzögerung, Gruppendynamik) oder der Entwicklungsstand des Täters noch dem eines Jugendlichen entspricht. In der Praxis prüft das Gericht stets individuell, ob erzieherische Zwecke und jugendspezifische Besonderheiten im Vordergrund stehen, um die bestmögliche Resozialisierung und Prävention weiterer Straftaten zu erreichen. Auch bei Heranwachsenden soll die Jugendstrafe möglichst die letzte, aber angemessene Reaktion darstellen.