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Jugendstaatsanwalt


Begriff und rechtliche Einordnung des Jugendstaatsanwalts

Der Jugendstaatsanwalt ist eine Funktion innerhalb der Staatsanwaltschaft, die sich auf die Verfolgung und Ahndung von strafrechtlichen Verfehlungen Jugendlicher und Heranwachsender im Alter zwischen 14 und unter 21 Jahren spezialisiert. Der Begriff hat seinen Ursprung im Jugendgerichtsgesetz (JGG) und beschreibt die Aufgabe der Staatsanwaltschaft im Rahmen des Jugendstrafrechts in Deutschland. Die Rechtsstellung, Aufgabe und Befugnisse des Jugendstaatsanwalts sind spezifisch auf das Jugendstrafverfahren zugeschnitten, das grundsätzlich von den allgemeinen Regeln des Erwachsenenstrafrechts abweicht.


Gesetzliche Grundlagen

Zuständigkeit nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG)

Die Aufgaben und Befugnisse des Jugendstaatsanwalts sind im Wesentlichen im Jugendgerichtsgesetz (JGG) geregelt. Nach § 37 JGG werden innerhalb der Staatsanwaltschaft für die Bearbeitung von Jugendstrafsachen besondere Dezernate gebildet, in denen die Jugendstaatsanwälte tätig sind. Die Übertragung erfolgt durch den Behördenleiter der jeweiligen Staatsanwaltschaft.

Übertragene Aufgaben und Funktion

Dem Jugendstaatsanwalt obliegt die Leitung und Durchführung von Ermittlungsverfahren gegen Jugendliche (zwischen 14 und 18 Jahren) und Heranwachsende (zwischen 18 und unter 21 Jahren), sofern das Jugendstrafrecht Anwendung findet. Der Jugendstaatsanwalt entscheidet über

  • die Einleitung und Durchführung von Ermittlungsverfahren
  • Maßnahmen der Untersuchungshaft
  • Einstellung des Verfahrens gemäß opportunitätsrechtlicher Vorschriften
  • Anklageerhebung und Mitwirkung in der Hauptverhandlung vor dem Jugendgericht

Aufgaben und Befugnisse des Jugendstaatsanwalts

Besondere Aufgaben im Jugendstrafverfahren

Im Jugendstrafverfahren ist der Jugendstaatsanwalt mit zusätzlichen Bestimmungen konfrontiert, die sich wesentlich vom Erwachsenenstrafrecht unterscheiden. Zu den Kernaufgaben gehören:

  • Beachtung des Erziehungsgedankens (§ 2 JGG)
  • Prüfung der Anwendung von Diversionsmaßnahmen (Einstellung unter Auflagen gemäß § 45, § 47 JGG)
  • Zusammenarbeit mit Jugendgerichtshilfe, Polizei, Schulen und Jugendämtern
  • Entscheidung über Akteneinsicht und Verfahrensbeteiligung der Eltern/Erziehungsberechtigten
  • Anregung und Beaufsichtigung erzieherischer Maßnahmen und Sanktionen
  • Beantragung von jugendgerichtlichen Maßnahmen (z. B. Jugendarrest, Jugendstrafe, Weisungen)

Mitwirkung in der Hauptverhandlung

Der Jugendstaatsanwalt ist in der Hauptverhandlung verpflichtet, besonders zu berücksichtigen, dass Maßnahmen im Vordergrund stehen, die geeignet sind, auf die Entwicklung und Erziehung des jungen Täters einzuwirken. Er wirkt auch bei der Auswahl der gerichtlichen Maßnahmen beratend mit.


Besondere rechtliche Rahmenbedingungen

Ermittlung und Verfahrensgestaltung im Jugendstrafrecht

Das Ermittlungsverfahren unter Führung des Jugendstaatsanwalts muss stets dem sogenannten Erziehungsgedanken Rechnung tragen. Das bedeutet, dass nicht allein Strafzwecke, sondern insbesondere die positive Entwicklung des Beschuldigten verfolgt wird. Aus diesem Grund sind zahlreiche Vorschriften im JGG dahingehend ausgestaltet, dass statt der Strafverfolgung Alternativmaßnahmen (wie Einstellungen oder Diversion) bevorzugt werden können.

Zusammenarbeit mit weiteren Institutionen

Dem Jugendstaatsanwalt obliegt nach § 38 JGG eine intensive Zusammenarbeit mit Behörden und Einrichtungen, die Einfluss auf die Erziehung des jungen Menschen nehmen können. Dazu zählen vor allem:

  • Jugendgerichtshilfe
  • Bewährungshilfe
  • Jugendämter
  • Schulen
  • Psychologische und psychiatrische Sachverständige

Die Kooperation dient insbesondere der Erkenntnisgewinnung über Persönlichkeit, Entwicklung, Umfeld und Erziehungsbedürfnisse des Betroffenen.


Spezifika und Besonderheiten im Jugendstrafverfahren

Diversion und Verfahrenseinstellungen

Ein wesentliches Merkmal des Jugendstrafrechts ist die Möglichkeit der Diversion, worunter Maßnahmen verstanden werden, durch die das Verfahren wegen geringer Schuld oder erfolgreicher erzieherischer Einwirkung eingestellt werden kann. Der Jugendstaatsanwalt entscheidet eigenverantwortlich über die Voraussetzungen und Gestaltung solcher Maßnahmen, meist in Absprache mit der Jugendgerichtshilfe.

Unterschiede zum allgemeinen Strafverfahren

Der Jugendstaatsanwalt arbeitet im Rahmen eines Verfahrens, das von zahlreichen Verfahrensbesonderheiten geprägt ist. Dazu zählen:

  • Ausschluss der Öffentlichkeit (§ 48 JGG)
  • Anwesenheitspflicht von Erziehungsberechtigten
  • Erleichterte Vorschriften zur Einstellung des Verfahrens
  • Vorrangigkeit von Erziehungsmaßnahmen statt Freiheitsstrafe

Stellung innerhalb der Staatsanwaltschaft

Jugendstaatsanwälte sind reguläre Angehörige der Staatsanwaltschaft mit einer besonderen Zuweisung. Sie verfügen über die gleichen Befugnisse und Pflichten wie andere Mitglieder der Staatsanwaltschaft, sind jedoch für Verfahren mit jugendlichen und heranwachsenden Beschuldigten zuständig. Zur optimalen Wahrnehmung ihrer Aufgaben erhalten sie regelmäßig Fortbildungen im Bereich Jugendstrafrecht und erzieherischer Maßnahmen.


Zielsetzung und Bedeutung

Der Jugendstaatsanwalt nimmt eine Schlüsselrolle im Jugendstrafrecht ein, indem er dafür sorgt, dass der Zweck des Jugendstrafverfahrens – also die Unterstützung der individuellen Entwicklung und die Vermeidung schädlicher Einflüsse – im gesamten Verlauf des Ermittlungs- und Hauptverfahrens gewahrt bleibt. Die Tätigkeit dient damit nicht nur der Rechtsdurchsetzung, sondern insbesondere dem Schutz und der Förderung junger Menschen im Rahmen eines spezialisierten Strafrechts.


Literatur und weiterführende Quellen

  • Jugendgerichtsgesetz (JGG)
  • Strafprozessordnung (StPO)
  • Kommentare zum Jugendgerichtsgesetz (verschiedene Verlage)
  • Justizministerien der Bundesländer – Leitfäden zum Jugendstrafrecht

Der Jugendstaatsanwalt nimmt somit eine eigenständige und wichtige Funktion in der deutschen Strafjustiz ein, indem er die Ziele und Prinzipien des Jugendstrafrechts wirkungsvoll umsetzt und die Zusammenarbeit mit weiteren Institutionen zum Wohle jugendlicher Beschuldigter fördert.

Häufig gestellte Fragen

Welche besonderen Aufgaben hat ein Jugendstaatsanwalt im Vergleich zu einem Staatsanwalt im Erwachsenenstrafrecht?

Ein Jugendstaatsanwalt ist innerhalb der Staatsanwaltschaft auf Verfahren spezialisiert, die nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) gegen Jugendliche (Alter: 14 bis unter 18 Jahre) und in Teilen Heranwachsende (Alter: 18 bis unter 21 Jahre) geführt werden. Seine zentrale Aufgabe besteht nicht nur in der strafrechtlichen Verfolgung, sondern insbesondere auch in einer erzieherisch geprägten Interessenabwägung. Der Jugendstaatsanwalt muss im Rahmen der Ermittlung und Anklageerhebung stets berücksichtigen, ob neben der Schuld auch Entwicklungsdefizite, das soziale Umfeld, der Erziehungsbedarf und erzieherische Maßnahmen im Vordergrund stehen. Hierzu gehört die enge Zusammenarbeit mit Jugendgerichtshilfe, Familienangehörigen, Schulen und anderen Institutionen. Im Ermittlungsverfahren prüft er intensiv alle Umstände, die für oder gegen die Anwendung von Jugendstrafrecht sprechen und ist verpflichtet, auf spezialpräventive und weniger auf generalpräventive Strafzwecke abzustellen. Zudem kann der Jugendstaatsanwalt Verfahren nach § 45, 47 JGG einstellen, beispielsweise bei geringfügiger Schuld oder wenn Jugendliche Maßnahmen außerhalb des Strafverfahrens wahrnehmen. Für die Ausgestaltung von Sanktionen hat er somit ebenfalls einen großen Einfluss.

Wie wird ein Jugendstaatsanwalt bestellt und braucht es dafür besondere Qualifikationen?

Die Bestellung zum Jugendstaatsanwalt erfolgt durch eine entsprechende Geschäftsverteilung innerhalb der jeweiligen Staatsanwaltschaft. In der Regel werden besonders erfahrene und für Jugendstrafsachen geeignete Staatsanwälte mit dieser Aufgabe betraut, da die Bearbeitung von Jugendstrafverfahren vertiefte Kenntnisse im Jugendstrafrecht und eine besondere Sensibilität für erzieherische Maßnahmen erfordert. Eine formale Zusatzqualifikation ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, jedoch werden Fort- und Weiterbildungen im Jugendstrafrecht sowie sozialpädagogische Grundlagen häufig vorausgesetzt oder gefördert. Praktische Erfahrung im Umgang mit jugendtypischen Delikten und der Kooperation mit jugendspezifischen Institutionen wird vorausgesetzt. Die Eignung und Zuordnung obliegt letztlich dem Behördenleiter (Leitender Oberstaatsanwalt).

Welche Mitwirkungspflichten und Befugnisse hat der Jugendstaatsanwalt im Ermittlungsverfahren?

Im Jugendstrafverfahren hat der Jugendstaatsanwalt weiter gehende Mitwirkungspflichten als im allgemeinen Strafverfahren. Schon im Ermittlungsverfahren ist er gehalten, persönliche Anhörungen der Beschuldigten bereits im Beisein der Jugendgerichtshilfe durchzuführen (§ 38 JGG), um ein umfassendes Bild der Persönlichkeit und der Lebensumstände des/der Jugendlichen zu erlangen. Der Jugendstaatsanwalt führt die Ermittlungen selbständig oder durch die Polizei und entscheidet über die Einstellung nach §§ 45, 47 JGG im opportunistischen Ermessen, sofern ein öffentliches Interesse an der Verfolgung verneint werden kann. Er hat das Recht, Sachverständigengutachten einzuholen, insbesondere hinsichtlich der Schuldfähigkeit und Reifemängel. Zudem kann er anregen, den Beschuldigten psychosoziale Hilfen oder therapeutische Maßnahmen zuzuführen. Im weiteren Verfahren ist der Jugendstaatsanwalt stets mit der Jugendgerichtshilfe im Austausch und bringt deren Stellungnahmen in die Erwägungen mit ein.

Inwieweit unterscheidet sich das Anklageverhalten eines Jugendstaatsanwalts vomjenigen im Erwachsenenstrafrecht?

Das Anklageverhalten des Jugendstaatsanwalts unterscheidet sich wesentlich durch den Vorrang des Erziehungsgedankens vor jeder Sanktionsfreude. Der Jugendstaatsanwalt wägt sorgfältiger die Anklageerhebung gegen Alternativen wie Verfahrenseinstellungen ab, wenn weniger eingreifende Maßnahmen sinnvoll erscheinen. Während bei Erwachsenen die Strafe im Vordergrund steht, prüft der Jugendstaatsanwalt intensiv, ob die Anklage überhaupt dem Erziehungsziel nützt, oder ob gegebenenfalls Erziehungsmaßregeln im Vordergrund stehen sollten. Er wird bei Jugendlichen zudem grundsätzlich keine Strafbefehle beantragen, da das JGG das summarische Verfahren ausschließt und stets das Hauptverfahren mit persönlicher Anhörung vorsieht (§ 50 JGG). Im Falle einer Anklage legt er besonderen Wert auf einen umfassenden Sachbericht, der nicht nur die Tat, sondern vor allem die Persönlichkeit, das Umfeld und die Entwicklungsperspektive beschreibt.

Welche Rolle spielt der Jugendstaatsanwalt im Hauptverfahren vor dem Jugendgericht?

Im Hauptverfahren nimmt der Jugendstaatsanwalt eine zentrale Funktion als Sitzungsvertreter der Anklagebehörde ein, bringt jedoch auch Vorschläge im Hinblick auf erzieherische Maßnahmen ein und steht in engem Kontakt mit der Jugendgerichtshilfe. Er muss im Rahmen der Hauptverhandlung stets das Wohl des jungen Menschen im Blick behalten. Zu den Aufgaben gehört die Befragung von Zeugen, das Einbringen von Beweisanträgen und das Stellen von Anträgen zum Verfahren. Besonderheit ist, dass der Jugendstaatsanwalt das Gericht auch auf etwaige soziale Defizite, notwendige Hilfsmaßnahmen oder Förderbedarf hinweisen kann. Oftmals sind Jugendstaatsanwälte weniger fordernd im Antrag auf Strafe, sondern stellen eher Anträge auf Erziehungsmaßregeln (z. B. Arbeitsauflagen, Betreuungsweisungen, Sozialstunden). Bei Heranwachsenden prüft er stets, ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung kommt und legt dem Gericht hierzu eine eigene Einschätzung dar.

Welche Besonderheiten bestehen bei der Kommunikation und Kooperation zwischen Jugendstaatsanwalt und Jugendgerichtshilfe?

Die Zusammenarbeit und Kommunikation mit der Jugendgerichtshilfe ist eine tragende Säule im Jugendstrafverfahren. Der Jugendstaatsanwalt ist verpflichtet, die erzieherischen und sozialen Aspekte gemeinsam mit der Jugendgerichtshilfe zu erörtern, deren Stellungnahmen einzuholen und diese in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Die Jugendgerichtshilfe berichtet dem Jugendstaatsanwalt über die Lebensumstände, die Persönlichkeit, familiäre Hintergründe und mögliche Hilfebedarfe des jungen Beschuldigten. Der Jugendstaatsanwalt kann Rücksprache zu möglichen Auflagen, ambulanten Maßnahmen und notwendigen Unterstützungsleistungen halten. Gemeinsam werden Lösungen entwickelt, wie zum Beispiel die Vermittlung in gemeinnützige Arbeit, familienunterstützende Maßnahmen oder therapeutische Interventionen. Dies erfolgt alles unter strenger Beachtung des Datenschutzes und des Grundsatzes der Vertraulichkeit.

Nach welchen Maßstäben entscheidet der Jugendstaatsanwalt über den Antrag auf Untersuchungshaft?

Ein Antrag auf Untersuchungshaft gegen Jugendliche erfordert besonders strenge Maßstäbe. Der Jugendstaatsanwalt darf diesen nur stellen, wenn die Voraussetzungen der §§ 112, 112a StPO vorliegen und keine milderen Mittel in Betracht kommen. Aufgrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der erzieherischen Zielsetzung im Jugendstrafrecht ist Untersuchungshaft an strenge Voraussetzungen gebunden. Für Jugendliche gelten besondere Vorschriften (§ 72 JGG): Die Anordnung ist nur zulässig, wenn sie unerlässlich ist und andere Maßnahmen, zum Beispiel Betreuung durch die Jugendgerichtshilfe oder einstweilige Unterbringung, nicht ausreichen. Der Jugendstaatsanwalt muss ferner darlegen, dass die U-Haft pädagogisch verantwortbar ist und alles versucht wurde, um den Beschuldigten auf freiem Fuß zu belassen. Die Haftgründe (Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr, Wiederholungsgefahr) sind besonders kritisch zu prüfen und stets mit der Jugendgerichtshilfe abzustimmen.