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Jugendliche und Heranwachsende


Begriffserklärung: Jugendliche und Heranwachsende

Der Begriff Jugendliche und Heranwachsende wird im deutschen Recht verwendet, um bestimmte Altersgruppen unterhalb des 21. Lebensjahres zu differenzieren und spezifische Rechtsfolgen zuzuordnen. Die exakte Unterscheidung ist insbesondere im Strafrecht, im Jugendschutzrecht sowie im Familien- und Sozialrecht relevant. Da sich je nach Rechtsgebiet unterschiedliche Definitionen und Rechtsfolgen ergeben, ist eine umfassende Darstellung der einzelnen Alterskategorien und deren rechtliche Bedeutung erforderlich.


1. Definition und Altersabgrenzung

1.1 Jugendliche

Nach § 1 Absatz 2 Jugendgerichtsgesetz (JGG) sind Jugendliche Personen, die das 14., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben. Dieser Altersabschnitt ist rechtlich besonders geschützt und unterliegt besonderen Regelungen, die Handlungsspielräume und Verantwortlichkeiten differenziert behandeln.

1.2 Heranwachsende

Heranwachsende sind gemäß § 1 Absatz 2 JGG junge Menschen, die bei Begehung einer Straftat das 18., aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet haben. Diese Zwischenkategorie besitzt besondere Bedeutung im Bereich des Jugendstrafrechts, da hier in Abwägung zum Einzelfall entschieden wird, ob das Jugend- oder das Erwachsenenstrafrecht Anwendung findet.


2. Gesetzliche Regelungen im Jugend- und Strafrecht

2.1 Jugendgerichtsgesetz (JGG)

Das JGG ist das zentrale Gesetz für strafrechtliche Sanktionen gegenüber Jugendlichen und Heranwachsenden. Es definiert nicht nur die Altersstufen, sondern regelt auch die jeweils geltenden Rechtsfolgen.

  • Jugendliche (14-17 Jahre): Das Jugendstrafrecht ist zwingend anzuwenden. Strafmündigkeit besteht grundsätzlich ab dem vollendeten 14. Lebensjahr.
  • Heranwachsende (18-20 Jahre): Hier entscheidet das Gericht, ob Jugendstrafrecht wegen Reifeverzögerung oder Besonderheiten der Tat zur Anwendung kommt (§ 105 JGG), oder ob nach Erwachsenenstrafrecht geurteilt wird.

2.2 Strafmündigkeit

Die Strafmündigkeit beginnt mit Vollendung des 14. Lebensjahres (§ 19 StGB, § 1 JGG). Kinder unter 14 Jahren sind nicht strafmündig und können strafrechtlich nicht verfolgt werden.

2.3 Sanktionen und Maßnahmen

Je nach Alter kommen verschiedene Sanktionen in Betracht, die auf den Erziehungsgedanken abstellen. Dazu zählen Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel (z. B. Verwarnung, Jugendarrest) und Jugendstrafe.

  • Jugendliche: Vorrang für erzieherische Maßnahmen.
  • Heranwachsende: Je nach persönlicher und tatbezogener Reife entweder Anwendung des Jugendstrafrechts (mit erwähnten Maßnahmen) oder des allgemeinen Strafrechts, wobei die Entwicklungslage des Täters ausschlaggebend ist.

3. Öffentlich-rechtliche Vorschriften

3.1 Jugendschutzgesetz (JuSchG)

Das Jugendschutzgesetz regelt Schutzmaßnahmen für Minderjährige in der Öffentlichkeit und im Bereich der Medien.

  • Kind: bis einschließlich 13 Jahre
  • Jugendlicher: 14 bis einschließlich 17 Jahre

Das JuSchG umfasst u. a. Regelungen zum Aufenthalt an verschiedenen Orten (Gaststätten, öffentliche Tanzveranstaltungen, Diskotheken), Tabak- und Alkoholkonsum sowie zum Zugang zu Filmen, Computerspielen und sonstigen Medien.

3.2 Gesetz zum Schutz der arbeitenden Jugend (JArbSchG)

Das Jugendarbeitsschutzgesetz legt für Kinder und Jugendliche besondere Schutzvorschriften für die Beschäftigung fest. Als Jugendliche gelten hier Personen, die 15, aber noch nicht 18 Jahre alt sind.


4. Zivilrechtliche Aspekte

4.1 Geschäftsfähigkeit

Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gelten folgende Regelungen:

  • Kinder unter 7 Jahren: Geschäftsunfähig (§ 104 BGB)
  • Minderjährige von 7 bis 18 Jahren: Beschränkt geschäftsfähig (§ 106 BGB)
  • Volljährige ab 18 Jahren: Voll geschäftsfähig

Auch wenn Heranwachsende strafrechtlich als Zwischenkategorie gelten, sind sie zivilrechtlich ab dem 18. Geburtstag voll geschäftsfähig.

4.2 Einwilligungsfähigkeit und Deliktsfähigkeit

Im Deliktsrecht (Haftung bei Schaden) und hinsichtlich Einwilligungsfähigkeit spielen die Altersgrenzen aus dem BGB ebenfalls eine zentrale Rolle. Jugendliche ab 14 Jahren sind im Grundsatz deliktsfähig (§ 828 Abs. 3 BGB).


5. Sozial- und Familienrecht

5.1 SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe

Das Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII) differenziert wie folgt:

  • Kinder: bis einschließlich 13 Jahre
  • Jugendliche: 14 bis einschließlich 17 Jahre
  • Junge Volljährige: 18 bis einschließlich 20 Jahre

Erstere beide Gruppen erhalten vorrangig Leistungen zur Förderung, Erziehung und zum Schutz. Für junge Volljährige können bis zum 21. Geburtstag Hilfen zu Erziehung und Verselbstständigung gewährt werden, wenn sie erforderlich erscheinen.

5.2 Unterhaltsrecht

Im Unterhaltsrecht sind Begriffe wie „minderjähriges Kind“ oder „volljähriges Kind“ entscheidend, wobei der Status als volljährig (ab 18 Jahren) maßgeblich für den Unterhaltsanspruch ist.


6. Besonderheiten im Verwaltungs- und Ordnungsrecht

6.1 Polizei- und Ordnungsrecht

Im Polizei- und Ordnungsrecht bestehen ebenfalls Differenzierungen, beispielsweise im Bereich der Verantwortlichkeit bei Ordnungswidrigkeiten (OWiG) oder bei Maßnahmen wie Jugendarrest.

6.2 Führerscheinwesen

Im Fahrerlaubnisrecht sind für Jugendliche und Heranwachsende besondere Vorschriften bezüglich Mindestalter (z. B. Führerschein mit 17) oder Probezeit (2 Jahre ab Ersterteilung) festgelegt.


7. Zusammenfassung

Die Begriffe Jugendliche und Heranwachsende sind zentrale Kategorien im deutschen Rechtssystem, die sowohl im Strafrecht als auch im Zivil-, Verwaltungs- und Sozialrecht eigene Regelungsbereiche und Rechtsfolgen begründen. Die präzise Abgrenzung und rechtliche Behandlung dieser Altersgruppen trägt dazu bei, einerseits Schutzbedürftigkeit angemessen zu berücksichtigen und andererseits den Grundsatz der individuellen Verantwortlichkeit zu sichern. Die jeweiligen gesetzlichen Vorschriften differenzieren insbesondere nach Alter und Reife, um sowohl Entwicklungsbedarf als auch Eigenverantwortung gerecht zu werden.


Schlagworte: Jugendliche, Heranwachsende, Jugendstrafrecht, Jugendgerichtsgesetz, Jugendschutzgesetz, Jugendhilfe, Deliktsfähigkeit, Geschäftsfähigkeit, Strafmündigkeit, Unterhaltsrecht, SGB VIII, Minderjährige, Rechtssystem Deutschland.

Häufig gestellte Fragen

Wie werden Jugendliche und Heranwachsende im Strafrecht behandelt?

Im deutschen Strafrecht bestehen klare Unterschiede zwischen Jugendlichen (14 bis 17 Jahre) und Heranwachsenden (18 bis 20 Jahre). Jugendliche unterliegen grundsätzlich dem Jugendgerichtsgesetz (JGG), das auf Erziehung und Besserung ausgerichtet ist. Bei Heranwachsenden prüft das Gericht, ob ihre sittliche und geistige Entwicklung eher der eines Jugendlichen oder Erwachsenen entspricht. Falls die Reifeentwicklung einer jugendlichen entspricht oder die Tat eine typische Jugendverfehlung darstellt, kann das Gericht nach Jugendstrafrecht urteilen. Ansonsten findet das Erwachsenenstrafrecht Anwendung. Das Jugendstrafrecht sieht mildere Sanktionen wie Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder Jugendstrafe vor, während das Erwachsenenstrafrecht verstärkt auf Strafe setzt.

Welche Strafen oder Maßnahmen drohen Jugendlichen bei Straftaten?

Jugendlichen drohen im Rahmen des Jugendgerichtsgesetzes keine klassischen Strafen wie bei Erwachsenen, sondern sogenannte „Maßnahmen“. Dazu zählen Erziehungsmaßregeln (z. B. Weisungen, Betreuung durch Jugendhelfer), Zuchtmittel (Verwarnungen, Auflagen, Jugendarrest) und als härteste Sanktion die Jugendstrafe, welche eine Freiheitsentziehung im Jugendvollzug bedeutet und erst ab schwereren Delikten oder bei erheblicher Rückfallgefahr verhängt wird. Das Ziel dieser Maßnahmen ist in erster Linie die Erziehung und nicht Vergeltung oder Abschreckung, um die Integration in die Gesellschaft zu ermöglichen.

Besteht für Jugendliche Haftungsfähigkeit bei zivilrechtlichen Schäden?

Im Zivilrecht sind Jugendliche ab dem vollendeten 7. Lebensjahr beschränkt deliktsfähig. Das bedeutet, sie haften für Schäden grundsätzlich nur, wenn ihnen die nötige Einsicht über das Unrecht der Handlung und deren Folgen zugemutet werden kann (§ 828 BGB). Bei Heranwachsenden ab dem 18. Lebensjahr liegt vollständige Deliktsfähigkeit vor. Im Einzelfall können Gerichte prüfen, ob bei jüngeren Jugendlichen trotz Alters die nötige Einsichtsfähigkeit vorhanden war – dann kann dennoch eine Haftung bestehen.

Haben Jugendliche oder Heranwachsende ein besonderes Aussageverweigerungsrecht vor Gericht?

Ja, Jugendlichen und Heranwachsenden wird im Strafverfahren ein besonderer Schutz gewährt. Sie sind im Rahmen der Vernehmung über die Bedeutung und Tragweite ihrer Aussage besonders aufzuklären. Sie dürfen sich der Aussage verweigern, vor allem, wenn sie selbst oder nahe Angehörige belastet werden könnten. Zudem kann das Jugendgericht gewährleisten, dass ein Vertreter der Jugendgerichtshilfe oder ein Erziehungsberechtigter bei der Vernehmung anwesend ist, sofern dies im Interesse des Jugendlichen liegt.

Welche Rechte haben Eltern im Strafverfahren gegen ihre jugendlichen Kinder?

Erziehungsberechtigte haben weitreichende Mitwirkungsrechte im Jugendstrafverfahren. Sie sind über die Einleitung und den Fortgang des Verfahrens zu informieren und können an der Hauptverhandlung teilnehmen. Das Gericht kann sie im Einzelfall jedoch auch ausschließen, etwa zur Wahrung des Kindeswohls. Eltern dürfen ebenfalls Stellungnahmen abgeben und Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen, sofern sie das Sorgerecht innehaben.

Können Straftaten von Jugendlichen und Heranwachsenden dauerhaft ins Führungszeugnis eingetragen werden?

Eintragungen von Jugendstrafen ins Führungszeugnis richten sich nach den Vorschriften des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG). Jugendstrafen erscheinen nur in besonderen Fällen, etwa wenn eine Freiheitsstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder mehr als sechs Monaten verhängt wurde. Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel wie Jugendarrest werden in der Regel nicht eingetragen. Für Heranwachsende entscheidet es sich danach, ob das Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht angewendet wurde.

Wann wird gegen Jugendliche Untersuchungshaft angeordnet?

Untersuchungshaft gegen Jugendliche ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig und darf nur verhängt werden, wenn sie unerlässlich ist, um z. B. Flucht- oder Verdunklungsgefahr abzuwenden. Grundsätzlich ist bei Jugendlichen stets zu prüfen, ob weniger einschneidende Maßnahmen ausreichen (z. B. strenge Auflagen, Wohnungsauflagen, Meldepflicht). Zudem muss das Jugendgericht das besondere Entwicklungsstadium des Betroffenen würdigen – eine Verhältnismäßigkeitsprüfung ist zwingend. Das Ziel bleibt immer vorrangig der Erziehungsgedanke.