Definition und Bedeutung des Begriffs „Inverkehrbringen“
Der Begriff Inverkehrbringen stellt einen wichtigen Begriff im deutschen und europäischen Recht dar. In zahlreichen Gesetzen und Verordnungen spielt seine Definition und korrekte Auslegung eine zentrale Rolle, insbesondere im Produktsicherheitsrecht, Lebensmittelrecht, Arzneimittelrecht, Chemikalienrecht und Baurecht. Inverkehrbringen bezeichnet im weitesten Sinne das erstmalige Bereitstellen oder Überlassen eines Produkts an Dritte auf dem Markt innerhalb eines bestimmten Wirtschaftsraumes, insbesondere der Europäischen Union oder Deutschlands.
Allgemeine Merkmale des Inverkehrbringens
Erstmaliges Bereitstellen auf dem Markt
Im Regelfall versteht man unter Inverkehrbringen die erstmalige Bereitstellung eines neuen oder gebrauchten Produktes innerhalb eines geordneten geschäftlichen Verkehrs auf dem Markt. Die bloße Herstellung, Lagerung oder interne Nutzung eines Produkts gilt somit rechtlich noch nicht als Inverkehrbringen.
Rechtsfolgen und Verantwortlichkeit
Das Inverkehrbringen zieht regelmäßig rechtliche Pflichten nach sich, darunter Anzeige-, Kennzeichnungs-, Register-, Dokumentations- und/oder Haftungspflichten. Verantwortlich für das Inverkehrbringen ist diejenige natürliche oder juristische Person, die das Produkt erstmalig dem Markt zur Verfügung stellt. Dies kann insbesondere der Hersteller, Importeur oder Händler sein.
Inverkehrbringen im Kontext verschiedener Rechtsgebiete
Produktsicherheitsrecht
Das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) definiert in § 2 Nr. 6 das Inverkehrbringen als „die erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Markt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit gegen Entgelt oder unentgeltlich“. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem ein Produkt erstmals in den Vertrieb gelangt und angeboten wird. Auch kostenlose Überlassung, etwa als Werbegeschenk, fällt darunter.
Lebensmittelrecht
Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 wird als Inverkehrbringen im Lebensmittelrecht „das Halten von Lebensmitteln für den Verkauf, einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Art der Abgabe, ob unentgeltlich oder entgeltlich, sowie der tatsächliche Verkauf“ verstanden. Damit wird deutlich, dass nicht nur der Verkauf, sondern bereits das Anbieten oder Lagern zum Zweck des Verkaufs als Inverkehrbringen gilt.
Arzneimittelrecht
Im Arzneimittelgesetz (§ 4 Abs. 17 AMG) bedeutet Inverkehrbringen „das Vorrätighalten zum Verkauf oder sonstigen Abgabe, das Feilhalten und jede Abgabe an andere“. Die Vorschrift stellt also die Möglichkeit der tatsächlichen Weitergabe in den Mittelpunkt, nicht zwingend einen vollendeten Verkaufsvorgang.
Chemikalienrecht
Gemäß der Europäischen Chemikalienverordnung (REACH-Verordnung, VO (EG) Nr. 1907/2006) bezeichnet das Inverkehrbringen das Bereitstellen von Stoffen oder Gemischen auf dem Markt. Hierzu zählt das Liefern oder Bereitstellen von Stoffen als solche oder in Gemischen, einschließlich des Imports.
Baurecht und Bauproduktrecht
Im Bauproduktrecht ist das Inverkehrbringen in Art. 2 Nr. 17 der Bauproduktenverordnung (EU) Nr. 305/2011 definiert. Diese Verordnung stellt auf das erstmalige Bereitstellen eines Bauprodukts auf dem Unionsmarkt ab, unabhängig davon, ob der Vorgang entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt.
Abgrenzung: Inverkehrbringen, Bereitstellung und Verwendung
Bereitstellen auf dem Markt
Der Begriff des „Bereitstellens auf dem Markt“ ist dem des Inverkehrbringens verwandt, aber nicht identisch. Während das Bereitstellen auch jede nachfolgende Überlassung (z.B. Weiterverkauf, Vermietung) erfasst, ist das Inverkehrbringen auf die erstmalige Markteinführung begrenzt.
Eigennutzung und innerbetriebliche Verwendung
Die innerbetriebliche Nutzung eines Produkts durch den Hersteller selbst gilt rechtlich nicht als Inverkehrbringen. Erst mit der externen Überlassung (etwa an den Handel oder einen Dritten) greift der Begriff.
Rechtsfolge: Pflichten und Verantwortung beim Inverkehrbringen
Registrierung und Kennzeichnung
Viele Produkte unterliegen vor dem Inverkehrbringen einer Registrierungspflicht (z.B. Chemikalien melden an die ECHA), besonderen Kennzeichnungspflichten (Warnhinweise, Chargennummern) oder müssen Konformitätsbewertungen (CE-Kennzeichnung) durchlaufen.
Produktbeobachtungspflichten
Das Inverkehrbringen begründet fortlaufende Überwachungs- und Rückrufpflichten. Hersteller und Inverkehrbringer sind gehalten, ihre Produkte während der gesamten Lebensdauer zu beobachten und mögliche Gefahren zu beseitigen.
Haftung für Schäden
Sobald ein Produkt im Sinne der relevanten Normen in Verkehr gebracht wurde, haftet der Inverkehrbringer für Schäden, die durch fehlerhafte Produkte entstehen können. Die Haftung kann sich aus Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG), Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) oder Spezialgesetzen ergeben.
Inverkehrbringen von Waren beim Import und Export
Import in die Europäische Union
Beim Import in die EU gilt als Inverkehrbringen bereits das erstmalige Freistellen einer Ware für den Unionsmarkt, unabhängig davon, ob bereits ein Verkauf erfolgt ist. Der Importeur gilt als Inverkehrbringer und ist für die Einhaltung aller anwendbaren Vorschriften verantwortlich.
Export in Drittstaaten
Beim Export von Waren stellt einzig das Bereitstellen auf dem Drittlandsmarkt ein Inverkehrbringen im Zielland dar, nicht jedoch innerhalb der EU. Die europäischen Vorschriften finden dann nur eingeschränkt Anwendung.
Straf- und Bußgeldbewährte Tatbestände
Das unerlaubte oder fehlerhafte Inverkehrbringen von Produkten, etwa bei Sicherheitsverstößen oder fehlender Zulassung, ist vielfach mit Sanktionen bewehrt. Diese reichen von Bußgeldern bis hin zu Freiheitsstrafen, etwa im Arzneimittel- oder Chemikalienrecht.
Zusammenfassung
Das Inverkehrbringen ist ein zentraler Rechtsbegriff zum Schutz von Verbrauchern, Nutzern und Umwelt in zahlreichen Rechtsgebieten. Seine korrekte Definition, Abgrenzung und Anwendung sind Voraussetzung für die Einhaltung umfangreicher Verpflichtungen, insbesondere in Bezug auf Produktsicherheit, Informationspflichten und Haftung. Durch die vielfältigen Anwendungsbereiche und die mit ihm verbundenen weitreichenden Rechtsfolgen nimmt das Inverkehrbringen eine zentrale Rolle im modernen Wirtschaftsrecht ein.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Anforderungen müssen beim Inverkehrbringen von Produkten beachtet werden?
Beim Inverkehrbringen von Produkten innerhalb der Europäischen Union und Deutschlands gelten strenge rechtliche Anforderungen, die je nach Produktart unterschiedlich ausfallen können. Grundlegend ist zu beachten, dass das Inverkehrbringen nur zulässig ist, wenn das Produkt alle einschlägigen gesetzlichen Vorschriften erfüllt. Dazu zählen insbesondere die Vorgaben an Sicherheit, Umweltverträglichkeit und Verbraucherschutz. Die jeweils anzuwendenden Rechtsakte können sich beispielsweise aus EU-Verordnungen, dem Produktsicherheitsgesetz (ProdSG), der Maschinenrichtlinie, dem Medizinprodukterecht oder branchenspezifischen Regelungen wie der REACH-Verordnung ergeben. Unternehmen müssen sicherstellen, dass die erforderlichen Konformitätsbewertungen durchgeführt, technische Unterlagen erstellt und erforderliche Kennzeichnungen, wie z.B. das CE-Kennzeichen, angebracht wurden. Zudem ist oft zu dokumentieren, welche verantwortliche Person für die Einhaltung der Vorschriften bürgt, und es müssen bei bestimmten Produktgruppen Warnhinweise oder Gebrauchsanweisungen beigelegt werden. Ein Versäumnis kann zu sofortigen Vertriebsstopps, straf- und bußgeldrechtlichen Sanktionen sowie Rückrufmaßnahmen führen.
Wer trägt die rechtliche Verantwortung beim Inverkehrbringen eines Produkts?
Die rechtliche Verantwortung für das Inverkehrbringen eines Produkts trägt grundsätzlich der Hersteller. Ist der Hersteller außerhalb der EU ansässig, so geht die Verantwortung auf den Importeur oder, in bestimmten Fällen, auf den Bevollmächtigten über, sofern dieser entsprechend benannt wird. Der Händler oder Vertreiber kann ebenfalls in die Pflicht genommen werden, wenn er das Produkt unter seinem Namen oder seiner Marke weiterverkauft oder die Konformitätspflichten nicht prüft. Die Verantwortlichen müssen gewährleisten, dass die Produkte den geltenden Rechtsvorschriften entsprechen und, falls verlangt, eine technische Dokumentation sowie die Konformitätsbewertung vorgenommen wurden. Die jeweilige Verantwortlichkeit ergibt sich aus den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen, wie etwa dem Produktsicherheitsgesetz, der EU-Verordnung (EG) Nr. 765/2008 oder branchenspezifischen Richtlinien.
Welche Dokumentationspflichten bestehen beim Inverkehrbringen?
Beim Inverkehrbringen sind je nach Produktart umfassende Dokumentationspflichten zu erfüllen. Dazu gehören vor allem die technische Dokumentation, die Konformitätserklärung und die CE-Kennzeichnung (sofern vorgeschrieben). Die technische Dokumentation muss alle Nachweise enthalten, die die Konformität des Produkts mit den anwendbaren Rechtsvorschriften belegen, dazu zählen Prüfberichte, Risikobewertungen, Konstruktionszeichnungen und Gebrauchsanweisungen. Die Dokumente müssen während eines gesetzlich festgelegten Zeitraums – häufig mindestens zehn Jahre ab dem Inverkehrbringen – aufbewahrt und den zuständigen Marktüberwachungsbehörden auf Verlangen vorgelegt werden können. Verstöße gegen diese Pflichten können zu Bußgeldern, Rückrufen oder Vertriebsuntersagungen führen.
Welche Rolle spielt die CE-Kennzeichnung im Rahmen des Inverkehrbringens?
Die CE-Kennzeichnung ist für zahlreiche Produktgruppen das sichtbare Zeichen dafür, dass das jeweilige Produkt den geltenden EU-Richtlinien und Verordnungen entspricht. Sie ist insbesondere bei Produkten wie Maschinen, Spielzeugen, Elektrogeräten oder Bauprodukten zwingend vorgeschrieben. Durch das Anbringen der CE-Kennzeichnung erklärt der Hersteller (oder sein Bevollmächtigter), dass das Produkt die Anforderungen aller einschlägigen europäischen Richtlinien und Verordnungen erfüllt und ein entsprechendes Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt wurde. Die Kennzeichnung muss gut sichtbar, lesbar und dauerhaft am Produkt angebracht werden, und dem Produkt müssen ggf. eine EU-Konformitätserklärung sowie die vorgeschriebenen Betriebsanleitungen beiliegen. Eine unberechtigte oder missbräuchliche Anbringung der CE-Kennzeichnung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann zum Verkaufsverbot führen.
Wann gilt ein Produkt als „in Verkehr gebracht“ im rechtlichen Sinn?
Im rechtlichen Kontext gilt ein Produkt als „in Verkehr gebracht“, sobald es erstmals – das heißt neu oder gebraucht – auf dem EU-Binnenmarkt bereitgestellt wird. Maßgeblich ist dabei jegliche entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produkts zum Vertrieb, zur Nutzung oder zur Verwendung. Der Import aus einem Drittland wird dabei ebenso als Inverkehrbringen angesehen wie die erstmalige Bereitstellung durch den Hersteller innerhalb der EU. Demgegenüber fallen rein firmeninterne Vorgänge wie die Lagerung oder der Transport innerhalb eines Unternehmens nicht unter das Inverkehrbringen, solange das Produkt nicht an einen Dritten weitergegeben wird. Diese Abgrenzung ist essenziell für die Beantwortung der Frage, ab wann die rechtlichen Pflichten für das Produkt greifen.
Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen die Pflichten zum Inverkehrbringen?
Verstöße gegen die rechtlichen Verpflichtungen beim Inverkehrbringen können schwerwiegende Sanktionen nach sich ziehen. Zu den möglichen Maßnahmen zählen produktrechtliche Anordnungen, wie Vertriebsverbote, Rückrufpflichten oder das Entfernen von Produkten aus dem Markt. Zudem können empfindliche Bußgelder verhängt werden, die je nach Schwere des Verstoßes und betroffener Rechtsvorschrift mehrere tausend bis zu mehreren Millionen Euro betragen können. In besonderen Fällen, wie etwa grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Handlungen mit Gefährdung von Leib und Leben, können auch strafrechtliche Sanktionen nach dem Produktsicherheitsgesetz oder aus dem Strafgesetzbuch (z. B. Körperverletzung, Betrug) greifen. Zusätzlich besteht die Gefahr zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche durch geschädigte Nutzer oder Wettbewerber.
Bestehen besondere Regelungen für das Inverkehrbringen von Produkten, die aus Drittländern importiert werden?
Beim Inverkehrbringen von Produkten aus Drittländern bestehen zusätzliche rechtliche Anforderungen. Der Importeur übernimmt die Funktion des Herstellers und ist für die Einhaltung aller europäischen und nationalen Vorschriften verantwortlich. Er muss sicherstellen, dass das jeweilige Produkt die notwendigen Konformitätsbewertungen durchlaufen hat, die technische Dokumentation vorliegt und die korrekten Kennzeichnungen angebracht wurden. Außerdem ist er verpflichtet, auf Nachfrage der Marktüberwachungsbehörden sämtliche Informationen und Unterlagen bereitzustellen und im Bedarfsfall auch Rückrufmaßnahmen zu veranlassen. Werden diese Pflichten nicht eingehalten, haftet der Importeur wie ein Hersteller für alle daraus resultierenden Schäden und Rechtsverletzungen.