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Internetkriminalität


Definition und Begriffsabgrenzung der Internetkriminalität

Internetkriminalität (auch Cyberkriminalität oder Computerkriminalität genannt) bezeichnet sämtliche strafrechtlich relevanten Handlungen, bei denen das Internet als Tatmittel, Tatobjekt oder Tatort genutzt wird. Die Bandbreite reicht von klassischen Betrugsdelikten über Ausspähen von Daten bis hin zu schweren Straftaten wie Erpressung, Verleumdung oder Angriffe auf kritische Infrastrukturen. Die besondere Charakteristik der Internetkriminalität liegt in der Nutzung informationstechnologischer Systeme als Werkzeug und Kommunikationsplattform zur Begehung von Straftaten.

Der Begriff ist nicht als eigenständiger Straftatbestand im Strafgesetzbuch (StGB) verankert, sondern umfasst eine Vielzahl von Einzelstraftaten, die auf die digitale Welt übertragen oder speziell für das Internet geschaffen wurden. In der rechtlichen Literatur wird meist zwischen klassischen Delikten mit neuer Tatmodalität und genuiner Cyberkriminalität differenziert. Erstere sind konventionelle Straftaten wie Betrug oder Beleidigung, die mithilfe des Internets begangen werden, während letztere wie das Hacking ausschließlich im digitalen Raum existieren.

Grundlegende Rechtsgrundlagen der Internetkriminalität

Strafgesetzbuch (StGB)

Das zentrale Regelwerk zur Bekämpfung von Internetkriminalität bildet das Strafgesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland. Es enthält zahlreiche Vorschriften, die als Reaktion auf die technische Entwicklung angepasst oder neu eingeführt wurden. Wichtige einschlägige Vorschriften sind beispielsweise § 202a StGB (Ausspähen von Daten), § 263a StGB (Computerbetrug) sowie § 303a und § 303b StGB (Datenveränderung und Computersabotage).

Nebengesetze und besondere Vorschriften

Neben dem StGB existieren spezielle Gesetze, die internetbezogene Straftaten sanktionieren. Hierzu zählen unter anderem:

  • Telekommunikationsgesetz (TKG)
  • Telemediengesetz (TMG)
  • Urheberrechtsgesetz (UrhG)
  • Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (NetzDG)
  • Gesetz über den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien (TTDSG)

Diese Gesetze regeln beispielsweise den Datenschutz, die Pflichten von Diensteanbietern sowie Sanktionen bei Verstößen.

Internationale Rechtsrahmen

Internetkriminalität ist grenzüberschreitend und erfordert daher internationale Zusammenarbeit. Der zentrale völkerrechtliche Rahmen ist die Budapester Konvention (Übereinkommen über Computerkriminalität), die von zahlreichen Staaten unterzeichnet wurde und Mindeststandards zur Strafverfolgung, Kooperation sowie Rechtshilfe vorgibt.

Typische Erscheinungsformen der Internetkriminalität

Computer- und Datendelikte

  • Ausspähen und Abfangen von Daten (§§ 202a, 202b StGB): Unerlaubtes Verschaffen und Abhören von Daten.
  • Datenveränderung und Computersabotage (§§ 303a, 303b StGB): Unerlaubte Manipulierung, Löschung oder Beeinträchtigung von Daten und IT-Systemen.

Vermögensdelikte

  • Phishing und Identitätsdiebstahl: Täuschung von Personen zur Erlangung sensibler Daten.
  • Computerbetrug (§ 263a StGB): Manipulation von Programmläufen zur Erlangung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils.
  • Online-Betrug: Betrügerische Handlungen mittels Online-Verkaufsplattformen, Fake-Shops oder Social Engineering.

Delikte gegen Persönlichkeitsrechte

  • Beleidigung und üble Nachrede im Internet (§§ 185 ff. StGB): Verbreitung ehrverletzender Inhalte über soziale Netzwerke.
  • Cybermobbing und Cyberstalking (§ 238 StGB): Ständige Belästigung, Nachstellung und Rufschädigung über digitale Kommunikationskanäle.
  • Verletzung von Urheberrechten (§ 106 UrhG): Unerlaubte Vervielfältigung und Verbreitung von Werken im Internet.

Weitere Delikte

  • Verbreitung kinderpornographischer Inhalte (§ 184b StGB)
  • Verherrlichung von Gewalt und Volksverhetzung (§§ 131, 130 StGB)
  • Verletzung von Geschäftsgeheimnissen (§§ 17 ff. UWG / § 23 GeschGehG)

Strafverfolgung und Beweisproblematik bei Internetkriminalität

Ermittlungsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden

Polizei und Staatsanwaltschaft sind zur Aufklärung von Internetkriminalität auf umfangreiche technische und rechtliche Maßnahmen angewiesen. Zentrale Ermittlungsinstrumente sind:

  • Telekommunikationsüberwachung
  • Online-Durchsuchung
  • Beschlagnahme von Speichermedien
  • Forensische Auswertung digitaler Spuren

Hier bestehen jedoch strenge gesetzliche Grenzen zum Schutz der Grundrechte, insbesondere aus dem Grundgesetz (Art. 10 GG – Fernmeldegeheimnis, Art. 13 GG – Unverletzlichkeit der Wohnung).

Probleme der Strafverfolgung

Internetkriminalität ist geprägt von Anonymität, international verteilten Serverstrukturen und der Möglichkeit, Spuren zu verschleiern. Die Ermittlung gestaltet sich insbesondere wegen

  • fehlender persönlicher Nähe zum Tatort,
  • schneller Beweismittelveränderung,
  • und uneinheitlicher Gesetzeslagen in verschiedenen Staaten

als besonders herausfordernd. Rechtshilfeabkommen und internationale Kooperation sind daher unerlässlich.

Digitale Beweismittel und deren Sicherung

Digitale Spuren sind flüchtig und leicht veränderbar. Für die Beweissicherung gelten die allgemeinen Regeln der Strafprozessordnung (StPO), insbesondere hinsichtlich Durchsuchung, Beschlagnahme und Sicherstellung. Es ist sicherzustellen, dass die Integrität und Authentizität von digitalen Beweismitteln gewahrt bleibt, um einen möglichen Beweiswert im Strafverfahren zu sichern.

Prävention und rechtliche Schutzmechanismen

Gesetzliche Schutzvorschriften

Der Gesetzgeber hat zahlreiche präventive Normen erlassen, um Internetkriminalität vorzubeugen. Provider und Plattformbetreiber unterliegen verschiedenen Pflichten, wie beispielsweise der Datenaufbewahrung, der Meldepflichten bei Verdacht auf Straftaten sowie zur Einhaltung technischer und organisatorischer Maßnahmen für die IT-Sicherheit (vgl. IT-Sicherheitsgesetz).

Ziviles Anspruchssystem

Betroffene von Internetkriminalität haben darüber hinaus zahlreiche zivilrechtliche Ansprüche, darunter:

  • Unterlassungsanspruch (§ 1004 BGB analog)
  • Schadensersatzanspruch (§§ 823 ff. BGB)
  • Anspruch auf Löschung oder Berichtigung personenbezogener Daten (Art. 17 DSGVO)

Diese Ansprüche können parallel zu strafrechtlichen Maßnahmen geltend gemacht werden.

Bedeutung der IT-Sicherheitsmaßnahmen

Neben den gesetzlichen Regelungen ist die eigenverantwortliche IT-Sicherheit von essentieller Bedeutung. Unternehmen und Privatpersonen sind gehalten, ihre Systeme und Daten durch aktuelle technologische Standards, etwa Firewalls, Verschlüsselungen und Authentifizierungssysteme, zu schützen.

Ausblick und Entwicklung der Rechtslage

Internetkriminalität entwickelt sich angesichts des rasanten technologischen Fortschritts stetig weiter. Die Rechtslage ist in permanentem Wandel, um aktuellen Bedrohungen und Tatbegehungsformen effektiv begegnen zu können. Die Harmonisierung internationaler Regelwerke, die Anpassung nationaler Gesetze und der Ausbau technischer Ermittlungsbefugnisse werden die rechtliche Entwicklung in den kommenden Jahren maßgeblich prägen.

Literaturhinweise

  • Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, aktuelle Auflage
  • Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch Kommentar
  • Sieber, Computerkriminalität und strafrechtlicher Datenschutz
  • LK-StGB, Kommentar zum Strafgesetzbuch

Dieser Beitrag bietet eine umfassende und strukturierte Übersicht zum Begriff der Internetkriminalität und deckt alle rechtlichen Seiten detailliert ab. Die fortlaufende technische Entwicklung erfordert weiterhin eine stetige Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen.

Häufig gestellte Fragen

Wie sollte ich vorgehen, wenn ich Opfer von Internetkriminalität geworden bin?

Wenn Sie Opfer von Internetkriminalität geworden sind, ist es rechtlich zunächst essenziell, Beweise zu sichern. Dazu zählen etwa E-Mails, Chatverläufe, Screenshots, Zahlungsbelege oder andere relevante Daten. Anschließend sollten Sie unverzüglich Anzeige bei der Polizei erstatten, idealerweise bei einer spezialisierten Dienststelle für Cyberkriminalität. Rechtlich gesehen ist die Anzeige einer Straftat nicht nur Ihr gutes Recht, sondern in bestimmten Fällen, beispielsweise wenn es um besonders schützenswerte Rechtsgüter geht (wie Minderjährige), auch eine Bürgerpflicht. Die Polizei nimmt Ihre Anzeige auf und leitet Ermittlungsverfahren ein. In schwerwiegenden oder komplexen Fällen kann es sinnvoll sein, einen Anwalt für IT-Recht oder Strafrecht hinzuzuziehen, um Ihre zivilrechtlichen Ansprüche wie Schadensersatz oder Unterlassung durchzusetzen. Parallel dazu sollten Sie sich auch an Ihre Bank oder Ihren Zahlungsdienstleister wenden, um etwaige Transaktionen zu stoppen oder rückgängig zu machen, sofern dies möglich ist. Es empfiehlt sich außerdem, Passwörter zu ändern und Sicherheitsmaßnahmen wie Zwei-Faktor-Authentifizierung zu aktivieren.

Welche gesetzlichen Grundlagen regeln Internetkriminalität in Deutschland?

Internetkriminalität wird in Deutschland vor allem durch das Strafgesetzbuch (StGB) sowie das Telemediengesetz (TMG) und weitere spezialgesetzliche Normen geregelt. Zentral sind §§ 202a ff. StGB (Ausspähen und Abfangen von Daten), § 263a StGB (Computerbetrug), § 303a ff. StGB (Datenveränderung und Computersabotage) sowie § 184b StGB (Verbreitung kinder- oder jugendpornographischer Inhalte). Daneben greifen Datenschutzgesetze wie die DSGVO und das BDSG, soweit personenbezogene Daten unberechtigt verarbeitet oder ausgespäht werden. Für die Strafverfolgung bestimmter Delikte gibt es zudem Neuregelungen durch das IT-Sicherheitsgesetz und den § 100g StPO, welcher die Speicherung und Herausgabe von Verkehrsdaten regelt. Die internationale Zusammenarbeit wird maßgeblich durch das Übereinkommen über Computerkriminalität (Budapester Übereinkommen) sowie die Richtlinien der Europäischen Union beeinflusst.

Welche Möglichkeiten habe ich, zivilrechtliche Ansprüche gegen den Täter durchzusetzen?

Neben der strafrechtlichen Verfolgung bestehen im Rahmen des Zivilrechts verschiedene Ansprüche gegen den Täter. Dazu zählen vor allem der Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 823 ff. BGB, wenn durch die Tat ein Vermögens- oder immaterieller Schaden entstanden ist. Ebenso können Unterlassungsansprüche (§ 1004 BGB analog) geltend gemacht werden, um zukünftig weitere rechtswidrige Eingriffe zu verhindern. Für die Geltendmachung dieser Ansprüche ist in der Regel eine anwaltliche Unterstützung empfehlenswert, da die Anschrift des Täters vielfach unbekannt und dessen Identität oft schwer feststellbar ist. Erfolgreich durchgesetzt werden können diese Ansprüche meist erst dann, wenn im Rahmen eines Strafverfahrens die Identität des Täters ermittelt werden konnte und entsprechende Beweise gesichert wurden. Die Vollstreckung zivilrechtlicher Ansprüche kann sich insbesondere bei Tätern im Ausland schwierig gestalten und erfordert häufig internationale Rechtshilfe.

Muss der Betreiber einer Webseite für rechtswidrige Handlungen von Nutzern haften?

Die Haftung eines Webseitenbetreibers für rechtswidrige Handlungen von Nutzern richtet sich nach dem sogenannten Providerprivileg gemäß §§ 7-10 TMG. Grundsätzlich haften Provider und Webseitenbetreiber nicht für fremde Informationen, solange sie keine positive Kenntnis von der Rechtswidrigkeit haben und bei Kenntniserlangung unverzüglich handeln (Notice-and-Takedown-Verfahren). Dies gilt insbesondere für Forenbetreiber oder soziale Netzwerke. Allerdings kann eine Prüfungspflicht entstehen, sobald konkrete Anhaltspunkte für eine Rechtsverletzung vorliegen. Werden zum Beispiel strafbare Inhalte nachweislich nicht entfernt, obwohl der Betreiber darauf hingewiesen wurde, kann eine zivil- und strafrechtliche Mitverantwortung bestehen. Die konkrete Haftung hängt von der jeweiligen Rolle des Betreibers (Access-, Host- oder Content-Provider) und vom Einzelfall ab.

Welche Rolle spielt die internationale Zusammenarbeit bei der Verfolgung von Internetstraftaten?

Da Internetkriminalität grenzüberschreitend agiert, ist internationale Kooperation von zentraler Bedeutung. In Deutschland erfolgt die Zusammenarbeit auf Basis von Rechtshilfeabkommen, etwa dem Budapester Übereinkommen (Cybercrime Convention) und der Europäischen Ermittlungsanordnung. Diese Regelwerke ermöglichen es, Daten von Anbietern aus dem Ausland zu erhalten, Zeugen zu befragen oder Vermögenswerte einzufrieren. Europäische Institutionen wie Europol, das Europäische Zentrum für Cyberkriminalität (EC3) und Interpol unterstützen die nationale Strafverfolgung durch die Koordination und Analyse von Sachverhalten. Die internationale Rechtsdurchsetzung bleibt aber trotz bestehender Übereinkommen eine Herausforderung, da unterschiedliche nationale Rechtslagen und Datenschutzbestimmungen zu beachten sind und Ermittlungen erheblich verzögern können.

Welche Beweisprobleme treten bei der Verfolgung von Internetkriminalität häufig auf?

Im strafrechtlichen Kontext bestehen zahlreiche Beweisprobleme bei der Verfolgung von Internetkriminalität. Zu den größten Herausforderungen zählt die Identifizierung des Täters, da dieser häufig Anonymisierungstechniken oder VPN-Dienste verwendet. Digitale Spuren (Logfiles, IP-Adressen, E-Mail-Verläufe) können schnell gelöscht oder manipuliert werden. Zudem unterliegen Telemediendienste in Deutschland vergleichsweise hohen Datenschutzvorgaben, die eine dauerhafte Speicherung und Herausgabe von Nutzerinformationen einschränken. Die gerichtsfeste Sicherung und Dokumentation von Beweisen erfordert oft spezielle IT-Forensik. Nicht selten ergeben sich auch komplexe Fragen zur Zuständigkeit der Ermittlungsbehörden, wenn Daten oder Täter im Ausland sitzen. Für die Verwertbarkeit im Strafprozess müssen zudem alle Schritte der Beweissicherung dokumentiert und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen.

Welche Meldepflichten bestehen für Unternehmen bei Vorfällen von Internetkriminalität?

Unternehmen unterliegen bei bestimmten Vorfällen von Internetkriminalität gesetzlich abgesicherten Meldepflichten. Das IT-Sicherheitsgesetz verpflichtet Betreiber Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) dazu, erhebliche IT-Sicherheitsvorfälle unverzüglich an das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zu melden. Verstöße gegen die Meldepflichten können mit Bußgeldern geahndet werden. Darüber hinaus sehen Art. 33 ff. der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) für Unternehmen vor, Datenschutzverletzungen, die ein Risiko für die Rechte und Freiheiten von Betroffenen bedeuten, innerhalb von 72 Stunden der zuständigen Aufsichtsbehörde zu melden. Werden Betroffene durch die Datenschutzverletzung gefährdet, müssen diese ebenfalls informiert werden. Die internen Abläufe zur Erfüllung dieser Pflichten sollten in Notfallplänen und Prozessen dokumentiert und regelmäßig geübt werden.