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Internationales Strafrecht


Definition und Grundlagen des Internationalen Strafrechts

Das Internationale Strafrecht ist ein eigenständiges Rechtsgebiet, das sich mit der Verfolgung und Ahndung von Straftaten mit grenzüberschreitendem Bezug sowie mit besonders schweren Verbrechen befasst, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes betreffen. Es verbindet Elemente des internationalen und des nationalen Strafrechts und umfasst sowohl materielle Strafnormen als auch verfahrensrechtliche Bestimmungen, welche die Strafverfolgung und Strafvollstreckung regeln.

Das Internationale Strafrecht gliedert sich in mehrere Teilbereiche:

  • Das Völkerstrafrecht (internationale Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen)
  • Das internationale Strafanwendungsrecht (Bestimmung der Geltung nationalen Strafrechts auf grenzüberschreitende Sachverhalte)
  • Die internationale justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen

Ziel des Internationalen Strafrechts ist es, eine effektive Strafverfolgung über Staatsgrenzen hinweg zu ermöglichen, internationale Straflosigkeit zu verhindern und internationale Rechtsgüter zu schützen.


Völkerstrafrecht

Begriff und Gegenstand

Das Völkerstrafrecht regelt die strafrechtliche Verantwortlichkeit natürlicher Personen für bestimmte schwerste Verbrechen nach Völkerrecht. Die wichtigsten Delikte sind:

  • Völkermord (Genozid)
  • Verbrechen gegen die Menschlichkeit
  • Kriegsverbrechen
  • Verbrechen der Aggression

Rechtsquellen des Völkerstrafrechts

Die maßgeblichen Rechtsquellen sind:

  • Internationale Verträge und Konventionen, wie das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH)
  • Gewohnheitsvölkerrecht
  • Allgemeine Rechtsgrundsätze der Staaten

Besonderes Gewicht kommt internationalen Gerichtsstatuten (wie etwa für die Straftribunale zu Jugoslawien und Ruanda) sowie UN-Resolutionen zu.

Internationale Strafgerichte

Internationaler Strafgerichtshof (IStGH)

Der IStGH in Den Haag ist ein ständiges internationales Strafgericht, das seit 2002 für die Verfolgung der oben genannten Völkerstraftaten zuständig ist.

Ad-hoc-Straftribunale

Hierzu zählen das Internationale Straftribunal für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) und das für Ruanda (ICTR), die nach spezifischen Konflikten eingerichtet wurden und inzwischen ihre Arbeit beendet haben.

Weitere Sondergerichte und Hybridgerichte

Beispielhaft zu nennen sind das Sondergericht für Sierra Leone oder die Sonderkammern für die Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen in Kambodscha.


Internationales Strafanwendungsrecht

Tatbestand und Zielsetzung

Das internationale Strafanwendungsrecht regelt, unter welchen Voraussetzungen ein Staat sein eigenes Strafrecht auf Auslandssachverhalte oder auf im Ausland begangene Taten anwendet.

Grundsätze der Strafanwendung

Die maßgeblichen Anknüpfungspunkte sind:

  • Territorialitätsprinzip: Anwendung des Strafrechts am Ort der Tatbegehung
  • Personalitätsprinzip: Anwendung des Strafrechts auf eigene Staatsangehörige, die im Ausland straffällig werden (aktives und passives Prinzip)
  • Schutzprinzip: Schutz besonderer nationaler Interessen
  • Weltrechtsprinzip (Universalitätsprinzip): Verfolgung bestimmter Delikte unabhängig von Tatort und Nationalität (z. B. bei Völkerrechtsverbrechen)

Beispiel: Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts

§§ 3 ff. Strafgesetzbuch (StGB) regeln die Geltung deutschen Strafrechts für Auslandstaten durch die genannten Prinzipien.


Internationale justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen

Ziele und Instrumente

Die Zusammenarbeit der Staaten im Bereich der Strafrechtspflege dient der effektiven Strafverfolgung bei grenzüberschreitender Kriminalität. Wichtige Instrumente sind:

  • Auslieferung (Überstellung von Beschuldigten zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung)
  • Rechtshilfe (z. B. Beweiserhebung im Ausland)
  • Vollstreckungshilfe (Vollstreckung von ausländischen Strafurteilen)
  • Internationale Fahndungsmaßnahmen (z. B. durch Interpol)

Multilaterale und bilaterale Abkommen

Die internationale Zusammenarbeit erfolgt auf der Grundlage von völkerrechtlichen Übereinkommen, darunter:

  • Europäisches Auslieferungsübereinkommen
  • Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (UNTOC)
  • Internationale Rechtshilfeverträge

Im europäischen Raum sorgt der Rahmenbeschluss zum Europäischen Haftbefehl für eine vereinfachte und beschleunigte Übergabe von Personen.


Abgrenzung und Verhältnis zu anderen Rechtsgebieten

Das Internationale Strafrecht ist vom Internationalen öffentlichen Recht sowie vom nationalen Strafrecht abzugrenzen. Es steht im engen Zusammenhang mit dem Menschenrechtsschutz, dem humanitären Völkerrecht und dem Auslieferungsrecht.


Entwicklung und Bedeutung

Das Internationale Strafrecht hat in den vergangenen Jahrzehnten erheblich an Bedeutung gewonnen, insbesondere durch die Gründung internationaler Strafgerichte und die internationale Ächtung schwerster Verbrechen. Es trägt wesentlich zur Bekämpfung von Straflosigkeit und zur Durchsetzung globaler Rechtsstandards bei.


Literatur und weiterführende Informationen

  • Cassese, Antonio: International Criminal Law (Standardwerk zur Dogmatik des Völkerstrafrechts)
  • Ambos, Kai: Internationales Strafrecht, Handbuch
  • Internationales Komitee vom Roten Kreuz (IKRK): Übersicht über das humanitäre Völkerrecht und das Völkerstrafrecht
  • Internetauftritt des Internationalen Strafgerichtshofs: www.icc-cpi.int

Zusammenfassung

Das Internationale Strafrecht regelt die Verfolgung und Ahndung von grenzüberschreitenden und internationalen Straftaten. Es umfasst das Völkerstrafrecht, das internationale Strafanwendungsrecht sowie die internationale Straftatenverfolgung und Zusammenarbeit. In einer globalisierten Welt ist seine Bedeutung für die internationale Rechtsdurchsetzung und für den Schutz fundamentaler Rechtsgüter stetig gewachsen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rolle spielt der Grundsatz der Universalität im Internationalen Strafrecht?

Der Universalitätsgrundsatz ist ein zentrales Konzept des Internationalen Strafrechts. Er besagt, dass bestimmte besonders schwerwiegende Straftaten, wie Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Folter, von jedem Staat verfolgt und bestraft werden können, unabhängig davon, wo sie begangen wurden, von wem oder gegen wen sie gerichtet sind und ob eine unmittelbare Verbindung zum verfolgenden Staat besteht. Damit stellt der Universalitätsgrundsatz eine Ausnahme zum sonst im Völkerrecht geltenden Territorialitäts- und Personalitätsprinzip dar. Die praktische Umsetzung variiert stark von Staat zu Staat; häufig ist seine Anwendung an weitere Voraussetzungen geknüpft, etwa das Vorliegen des Täters im eigenen Staatsgebiet oder das Fehlen der Strafverfolgung im Tatstaat. Trotzdem fördert der Grundsatz die weltweite Straflosigkeit schwerster Menschenrechtsverletzungen und trägt zur Umsetzung des internationalen Rechts bei. Internationale Abkommen, wie etwa das Übereinkommen gegen Folter, verpflichten die Vertragsstaaten sogar ausdrücklich zur Ausübung von Universaljurisdiktion im Falle schwerer internationaler Delikte.

Wie ist das Verhältnis zwischen nationalen Strafverfahren und dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH)?

Das Verhältnis zwischen nationalen Strafverfahren und dem Internationalen Strafgerichtshof ist durch das Prinzip der Komplementarität geprägt. Demnach ist in erster Linie jeder Staat selbst verantwortlich, internationale Verbrechen zu verfolgen und zu bestrafen. Der IStGH wird nur tätig, wenn ein Staat offensichtlich nicht willens oder nicht in der Lage ist, die Strafverfolgung ernsthaft durchzuführen. Praktisch bedeutet dies, dass nationale Strafverfolgungsbehörden Vorrang haben und internationale Strafverfolgung subsidiär bleibt. Ein direktes Einschreiten des IStGH setzt voraus, dass nationale Ermittlungen und Verfahren entweder nicht stattfinden, unzureichend sind oder bewusst dazu dienen, die Täter vor Strafverfolgung zu schützen. Dies wird durch eine umfassende Überprüfung („admissibility test“) festgestellt. Das System der Komplementarität soll einerseits staatliche Souveränität wahren und andererseits internationale Straflosigkeit verhindern.

Wie erfolgt die Durchsetzung internationaler Haftbefehle in Deutschland?

Internationale Haftbefehle, insbesondere solche des Internationalen Strafgerichtshofs, können in Deutschland durch Auslieferungs- und Rechtshilfeverfahren umgesetzt werden. Die rechtlichen Grundlagen hierfür ergeben sich aus dem Völkerrecht (etwa dem Römischen Statut) sowie nationalen Umsetzungsgesetzen wie dem IStGH-Gesetz. Der Vollzug eines internationalen Haftbefehls erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen deutschen Strafverfolgungsbehörden, dem Auswärtigen Amt und dem Bundesamt für Justiz. Nach Eingang eines Ersuchens wird überprüft, ob rechtliche Hindernisse, etwa das Vorliegen politischer Straftaten oder die Gefahr der Todesstrafe, bestehen. Grundrechte der betroffenen Person und Verfahrensgarantien sind zu wahren. In der Praxis erfolgt eine richterliche Überprüfung der Voraussetzungen. Der Vollzug der Haft oder Auslieferung erfolgt meist durch Justizbehörden der Länder. Internationale Rechtshilfe nimmt damit eine zentrale Rolle bei der Effektivität internationaler Strafverfolgung in Deutschland ein.

Welche Bedeutung haben Immunitäten im Internationalen Strafrecht?

Immunitäten, insbesondere von Staatsoberhäuptern, Regierungsmitgliedern und Diplomaten, stellen eine wesentliche Besonderheit im Internationalen Strafrecht dar. Sie sollen gewährleisten, dass die Ausübung staatlicher Funktionen nicht rechtswidrig behindert wird. Unterschieden wird zwischen funktioneller Immunität für Amtshandlungen (immunity ratione materiae) und persönlicher Immunität während des Mandats (immunity ratione personae). Während die funktionelle Immunität auch nach Amtsverlust fortgilt, endet die persönliche Immunität mit dem Ausscheiden aus dem Amt. Problematisch ist, dass internationale Strafgerichte, wie der IStGH, Immunitäten ausdrücklich ausschließen können, um die Verfolgung schwerster Verbrechen sicherzustellen (Art. 27 IStGH-Statut). Im Gegensatz dazu sind nationale Gerichte grundsätzlich an völkerrechtliche Immunitäten gebunden, insbesondere gegenüber amtierenden ausländischen Staatsoberhäuptern. Das Spannungsverhältnis zwischen strafrechtlicher Aufarbeitung schwerster Verbrechen und dem Bedürfnis nach internationaler Stabilität bleibt eine Kernfrage des Internationalen Strafrechts.

Wer ist im internationalen Strafverfahren zur Strafverfolgung berechtigt?

Zur Strafverfolgung im internationalen Kontext sind unterschiedliche Akteure berechtigt. An erster Stelle steht der Staat, der entweder durch eigene Gerichte oder spezialgesetzliche Einrichtungen tätig wird. Neben Staaten haben auch internationale Strafgerichte, etwa der Internationale Strafgerichtshof (IStGH), Ad-hoc-Tribunale (wie das ehemalige Jugoslawientribunal) sowie in Sonderfällen hybride Gerichte (mit nationaler und internationaler Beteiligung) Strafverfolgungskompetenzen. Die Zuständigkeit internationaler Gerichte ist entweder durch völkerrechtliche Verträge (z. B. das Römische Statut) oder durch Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen begründet. Nationale Strafverfolgungsbehörden bleiben aber grundsätzlich primär zuständig, sofern das Komplementaritätsprinzip nicht eingreift. Grundsätzlich ausgeschlossen ist ein individuelles Verfolgungsrecht einzelner Privatpersonen – sie können lediglich Anzeigen erstatten oder als Nebenbeteiligte auftreten.

Welche Verfahrensgarantien gelten für Angeklagte im Internationalen Strafrecht?

Auch im Internationalen Strafrecht unterliegen Angeklagte zahlreichen, international anerkannten Verfahrensgarantien, die der Sicherung eines fairen Prozesses dienen. Dazu zählen insbesondere das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren, das Recht auf anwaltliche Vertretung, das Recht auf Übersetzung, das Recht, über die Vorwürfe unterrichtet zu werden, das Recht auf Schweigen sowie das Recht auf Verteidigung und das Recht auf Berufung gegen eine Verurteilung. Diese Garantien leiten sich teils aus internationalen Menschenrechtsverträgen (wie der EMRK), teils aus den Statuten der internationalen Gerichte selbst ab (z. B. Art. 67 IStGH-Statut). Besonderheiten im internationalen Kontext ergeben sich durch erschwerte Ermittlungsbedingungen, Zeugenbefragung im Ausland oder ggf. komplexe rechtliche Erfordernisse im Bereich der Amtssprache und Übersetzung. Die Einhaltung dieser Rechte wird von internationalen Gerichten in der Regel streng kontrolliert.