Insolvenzforderung: Bedeutung, Einordnung und Rechtsfolgen
Eine Insolvenzforderung ist ein auf Geld gerichteter Anspruch eines Gläubigers gegen einen Schuldner, dessen rechtlicher Grund bereits vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gelegt wurde. Sie ist auf gleichmäßige Befriedigung im Rahmen des Verfahrens angelegt und unterliegt dem kollektiven Verteilungsmechanismus. Auch nicht auf Geld gerichtete Ansprüche werden für das Verfahren regelmäßig in einen Geldwert umgerechnet.
Abgrenzung zu anderen Forderungsarten
Masseverbindlichkeiten
Masseverbindlichkeiten entstehen erst nach Eröffnung des Verfahrens oder stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse. Sie werden vorrangig aus der Masse erfüllt und sind keine Insolvenzforderungen.
Nachrangige Forderungen
Bestimmte Forderungen sind nachrangig und werden erst berücksichtigt, nachdem alle übrigen Insolvenzforderungen bedient wurden. Hierzu zählen insbesondere Forderungen, die erst aufgrund der Beteiligung am Verfahren entstehen, sowie Zinsen und vergleichbare Nebenleistungen, soweit sie erst nach Verfahrenseröffnung anfallen.
Aus- und Absonderungsrechte
Gehört eine Sache nicht zur Insolvenzmasse, weil ein Gläubiger daran ein Aussonderungsrecht hat, liegt keine Insolvenzforderung vor. Gläubiger mit Absonderungsrechten (Sicherheiten an Vermögensgegenständen) nehmen vorrangig aus dem Sicherungsgut Befriedigung. Ein verbleibender ungedeckter Teil ist dann eine Insolvenzforderung.
Entstehungszeitpunkt und Umfang
Zeitliche Anknüpfung
Maßgeblich ist, ob der Anspruchsgrund schon vor Eröffnung des Verfahrens gesetzt war. Das gilt auch für Ansprüche aus Dauerrechtsverhältnissen und aus unerlaubter Handlung, wenn der auslösende Sachverhalt vor der Eröffnung liegt. Später entstandene Ansprüche sind regelmäßig keine Insolvenzforderungen.
Haupt- und Nebenforderungen
Zur Insolvenzforderung gehören neben der Hauptforderung auch Nebenforderungen, etwa vor der Eröffnung aufgelaufene Zinsen und Kosten, soweit sie rechtlich mit der Hauptforderung verknüpft sind. Zinsen und vergleichbare Nebenleistungen, die erst nach der Eröffnung entstehen, sind in der Regel nachrangig.
Bedingte und betagte Forderungen
Auch aufschiebend bedingte oder betagte Forderungen sind Insolvenzforderungen. Sie werden mit ihrem voraussichtlichen Wert behandelt und können im Verfahren mit dem Hinweis auf die Bedingung oder Fälligkeit berücksichtigt werden.
Anmeldung und Prüfung im Verfahren
Insolvenzforderungen werden in eine besondere Tabelle eingetragen. Dazu werden die Forderungen inhaltlich und der Höhe nach erläutert und durch geeignete Unterlagen belegbar gemacht. Der Verwalter prüft die Forderungen und vermerkt, ob sie ganz, teilweise oder gar nicht anerkannt werden. In einem gesonderten Prüfungstermin können Gläubiger und der Verwalter Forderungen bestreiten. Wird eine Forderung bestritten, erhält sie den Status einer streitigen Forderung; die Klärung der Feststellung erfolgt dann in einem separaten Verfahren. Nicht angemeldete Forderungen nehmen grundsätzlich nicht an Ausschüttungen teil.
Fristen für die Anmeldung werden bekannt gemacht. Verspätete Anmeldungen sind möglich, werden jedoch gesondert geprüft und können die Verteilung beeinflussen.
Wirkung der Feststellung zur Tabelle
Wird eine Forderung festgestellt, nimmt sie anteilig an der Verteilung der Masse teil. Die Eintragung in die Tabelle hat gegenüber dem Schuldner und allen Gläubigern besondere Bindungswirkung. Soweit keine Restschuldbefreiung eintritt, wirkt die Feststellung über das Verfahren hinaus als verlässlicher Nachweis für Bestand und Umfang der Forderung.
Sicherheiten und Aufrechnung
Gläubiger mit Sicherheiten (etwa Pfandrechten) werden bevorzugt aus dem Sicherungsgut befriedigt. Soweit die Sicherheit nicht ausreicht, bleibt der Ausfall als Insolvenzforderung. Eine Aufrechnung ist im Insolvenzverfahren unter engen Voraussetzungen möglich, insbesondere wenn die Aufrechnungslage schon vor der Verfahrenseröffnung angelegt war. Aufrechnungen, deren Voraussetzungen erst nach der Eröffnung geschaffen werden, sind regelmäßig eingeschränkt.
Besonderheiten bei Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung
In Verfahren natürlicher Personen kann am Ende die Restschuldbefreiung stehen. Sie erfasst typischerweise Insolvenzforderungen und bewirkt, dass sie nach Abschluss nicht mehr gegenüber dem Schuldner durchgesetzt werden können. Bestimmte Forderungskategorien sind hiervon ausgenommen, etwa Ansprüche aus vorsätzlichen unerlaubten Handlungen oder Geldstrafen und vergleichbare Sanktionen. Die Einordnung einer Forderung in diese Ausnahmen hat erhebliche Bedeutung für ihre Behandlung nach Verfahrensende.
Internationaler Bezug
Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten richtet sich die internationale Zuständigkeit und die Anerkennung eines Insolvenzverfahrens nach unionsrechtlichen und nationalen Regeln. Grundsätzlich gilt das Recht des Staates, in dem das Hauptverfahren eröffnet wurde. Für Sicherungsrechte kann das Recht des Belegenheitsortes des Vermögensgegenstands maßgeblich sein.
Verjährung und Hemmung
Die Verjährung einer Insolvenzforderung kann durch die Anmeldung in der Insolvenztabelle gehemmt werden. Während der Dauer des Verfahrens läuft die Verjährungsfrist nicht weiter, sodass die Anspruchsdurchsetzung im Rahmen des Verfahrens nicht durch Fristablauf vereitelt wird. Nach Abschluss leben die Fristen weiter auf, soweit nicht eine Restschuldbefreiung die Durchsetzbarkeit ausschließt.
Beendigung des Verfahrens und Quote
Die Insolvenzquote gibt das Verhältnis der tatsächlich ausgeschütteten Masse zur Summe der festgestellten Forderungen an. Sie wird üblicherweise in Prozent ausgedrückt und ist für alle gleichrangigen Insolvenzforderungen gleich. Nachrangige Forderungen nehmen erst teil, wenn vorrangige Forderungen vollständig befriedigt wurden, was in der Praxis selten der Fall ist.
Häufig gestellte Fragen zur Insolvenzforderung
Was ist eine Insolvenzforderung?
Eine Insolvenzforderung ist ein auf Geld gerichteter Anspruch, dessen rechtlicher Grund vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelegt wurde. Sie wird in der Insolvenztabelle berücksichtigt und nimmt anteilig an der Verteilung der Masse teil.
Wodurch unterscheidet sich eine Insolvenzforderung von einer Masseverbindlichkeit?
Insolvenzforderungen beruhen auf Sachverhalten vor der Verfahrenseröffnung und werden quotal aus der Masse bedient. Masseverbindlichkeiten entstehen erst durch die Verwaltung und Verwertung der Masse nach Eröffnung und werden vorrangig erfüllt.
Müssen gesicherte Gläubiger ihre Forderung anmelden?
Gesicherte Gläubiger verwerten ihre Sicherheiten bevorzugt. Soweit nach Verwertung ein Ausfall bleibt, handelt es sich um eine Insolvenzforderung. Dieser Ausfallanteil wird regelmäßig zur Tabelle angemeldet, um an der Quote teilzunehmen.
Welche Zinsen gehören zur Insolvenzforderung?
Zinsen, die bis zur Verfahrenseröffnung entstanden sind, zählen in der Regel zur Insolvenzforderung. Zinsen, die erst nach der Eröffnung anfallen, sind typischerweise nachrangig und werden erst nach vollständiger Befriedigung der übrigen Insolvenzforderungen berücksichtigt.
Was passiert, wenn eine Forderung bestritten wird?
Wird eine angemeldete Forderung vom Verwalter oder von Gläubigern bestritten, gilt sie als streitig. Die Feststellung erfolgt dann in einem gesonderten Verfahren. Bis zur Klärung nimmt die Forderung nicht wie eine festgestellte Forderung an Verteilungen teil.
Welche Wirkung hat die Feststellung zur Tabelle?
Die Feststellung bindet Schuldner und Gläubiger hinsichtlich Bestand und Höhe der Forderung für das Verfahren. Soweit keine Restschuldbefreiung eintritt, entfaltet die Feststellung auch darüber hinaus besondere Nachweiswirkung.
Ist eine Aufrechnung mit Insolvenzforderungen möglich?
Eine Aufrechnung ist möglich, wenn die Voraussetzungen bereits vor der Verfahrenseröffnung angelegt waren. Aufrechnungen, die erst nach der Eröffnung geschaffen werden, sind regelmäßig beschränkt.
Was bedeutet Restschuldbefreiung für Insolvenzforderungen?
Mit der Restschuldbefreiung werden die meisten Insolvenzforderungen gegenüber dem Schuldner undurchsetzbar. Ausgenommen bleiben insbesondere Forderungen aus vorsätzlichen unerlaubten Handlungen sowie Geldstrafen und vergleichbare Sanktionen.