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Insolvenzforderung


Begriff der Insolvenzforderung

Eine Insolvenzforderung ist ein zentrales Element des Insolvenzrechts und bezeichnet einen vermögensrechtlichen Anspruch eines Gläubigers gegen den Schuldner, der bereits zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtlich begründet war (§ 38 Insolvenzordnung – InsO). Die Rechtsnatur, Entstehung, Anmeldung und Behandlung von Insolvenzforderungen sind gesetzlich geregelt und für die Abwicklung des Insolvenzverfahrens maßgeblich.


Rechtliche Grundlagen

Entstehung und Abgrenzung

Insolvenzforderungen entstehen, wenn ein Anliegen auf Geldzahlung besteht und dieses auf einer rechtlichen Beziehung fußt, die vor der Verfahrenseröffnung entstanden ist. Hierzu zählen sowohl fällige als auch noch nicht fällige, betingte oder bestrittene Forderungen. Insolvenzforderungen sind abzugrenzen von Masseforderungen (§ 55 InsO) und nachrangigen Forderungen (§ 39 InsO).

Abgrenzung zu Masseforderungen

Masseforderungen entstehen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, beispielsweise aufgrund von Handlungen des Insolvenzverwalters. Beispielsweise zählen Aufwendungen für die Verfahrensdurchführung oder neu begründete Verträge im Interesse der Masse dazu.

Abgrenzung zu nachrangigen Forderungen

Nachrangige Forderungen, etwa aus Zinsen nach Verfahrenseröffnung oder Geldstrafen, werden nach der Zuteilung der Insolvenzmasse an bevorrechtigte Gläubiger bedacht.


Arten von Insolvenzforderungen

Hauptforderungen

Die klassischen Insolvenzforderungen umfassen unter anderem Ansprüche aus Kreditverträgen, Lieferungen und Leistungen, Werklohnforderungen, Schadensersatzansprüche sowie rückständige Lohn- oder Gehaltsforderungen aus dem Arbeitsverhältnis.

Nebenforderungen

Nebenforderungen sind Ansprüche auf Zinsen und Kosten, die bis zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung entstanden sind. Diese werden gemeinsam mit der Hauptforderung als Insolvenzforderung behandelt.

Aussonderungs- und Absonderungsrechte

Insolvenzforderungen sind von Aussonderungsrechten (§§ 47 ff. InsO), also Rechten an Sachen, die nicht zur Masse gehören, und Absonderungsrechten (§§ 49 ff. InsO), wie Sicherungsrechten, abzugrenzen. Gläubiger mit Aussonderungs- oder Absonderungsrechten nehmen in anderer Rangfolge am Verfahren teil.


Anmeldung von Insolvenzforderungen

Fristen und Verfahren

Gläubiger müssen ihre Forderungen innerhalb einer vom Insolvenzgericht festgesetzten Frist zur Insolvenztabelle anmelden (§ 174 InsO). Die Anmeldung hat schriftlich beim Insolvenzverwalter zu erfolgen und die Forderungshöhe sowie den Rechtsgrund genau auszuweisen. Verspätete Anmeldungen können nachträglich berücksichtigt werden, jedoch unterliegen sie Nachteilen im Verteilungsverfahren (§ 177 InsO).

Prüfungsverfahren

Angemeldete Forderungen werden im sogenannten Prüfungstermin vom Insolvenzverwalter sowie den übrigen Beteiligten auf Bestand und Rang geprüft (§§ 176, 178 InsO). Anerkannte Forderungen werden in die Tabelle eingetragen. Im Streitfall entscheidet das Insolvenzgericht.


Rechtsfolgen der Insolvenzforderung

Wirkung der Forderungsanmeldung

Mit Anmeldung und Eintragung in die Insolvenztabelle entsteht ein vollstreckbarer Titel gegenüber dem Schuldner für den anerkannten Betrag. Forderungen, die nicht angemeldet oder bestritten werden, können im Insolvenzverfahren nicht berücksichtigt werden.

Befriedigung der Insolvenzgläubiger

Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger erfolgt grundsätzlich nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung (par conditio creditorum). Nach Abzug der Masseforderungen wird die verbleibende Masse anteilig (quoteweise) verteilt (§ 189 InsO). Eine vollständige Befriedigung der Insolvenzforderungen ist meist nicht zu erwarten.

Restschuldbefreiung bei natürlichen Personen

Im Verfahren über das Vermögen einer natürlichen Person führt die Einbeziehung der Insolvenzforderungen zu deren Erfassung in der Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO). Forderungen, die im Verfahren nicht angemeldet werden oder unter Ausnahmen vom Verfahren fallen, sind hiervon ausgenommen.


Besondere Insolvenzforderungen

Bedingte und strittige Forderungen

Auch bedingte, befristete oder strittige Forderungen können als Insolvenzforderung angemeldet werden (§ 41 InsO). Der Wert und Rang solcher Forderungen wird durch das Gericht im Prüfungsverfahren bestimmt.

Forderungen aus unerlaubter Handlung

Forderungen, die auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung (§ 302 InsO) beruhen, unterliegen besonderen Regeln. Sie werden zwar als Insolvenzforderung im Verfahren behandelt, sind von der Restschuldbefreiung jedoch ausgeschlossen.


Internationale Aspekte

Insolvenzforderungen in grenzüberschreitenden Verfahren

Nach der Europäischen Insolvenzverordnung (EuInsVO) sind auch ausländische Forderungen im deutschen Insolvenzverfahren anzumelden, sofern die Verbindlichkeit im Europäischen Wirtschaftsraum entstanden ist. Für die Anmeldung gelten Sprach-, Form- und Fristerfordernisse.


Fazit

Die Insolvenzforderung ist ein zentrales Rechtsinstitut zur Bündelung von Gläubigerrechten im Insolvenzverfahren. Ihre rechtliche Behandlung sowie korrekte Anmeldung und Durchsetzung sind maßgeblich für die quotale Befriedigung der Gläubiger. Die gesetzliche Ausgestaltung in der Insolvenzordnung und ihre Abgrenzung zu Masse- und nachrangigen Forderungen stellen sicher, dass die Verteilung der Insolvenzmasse nach festen und transparenten Regeln abläuft.

Häufig gestellte Fragen

Wie muss eine Insolvenzforderung beim Insolvenzverwalter angemeldet werden?

Um eine Insolvenzforderung ordnungsgemäß im Insolvenzverfahren zu berücksichtigen, ist eine schriftliche Anmeldung beim zuständigen Insolvenzverwalter erforderlich. Diese Anmeldung muss gem. § 174 Abs. 1 InsO die Forderungssumme, den Grund der Forderung sowie gegebenenfalls die behaupteten Vorrechte oder Sicherheiten vollständig und genau angeben. Belege wie Verträge, Rechnungen oder Mahnungen sollten als Nachweise beigefügt werden, um die Glaubhaftmachung der Forderung zu unterstützen. Die Anmeldung muss innerhalb der vom Insolvenzgericht festgesetzten Frist, der sogenannten Anmeldefrist, erfolgen. Wird diese Frist versäumt, ist eine nachträgliche Anmeldung zwar noch möglich, jedoch können hierdurch zusätzliche Kosten entstehen und die Forderung wird unter Umständen nicht gleichermaßen im Prüfungstermin berücksichtigt. Von besonderer Bedeutung ist es, die Forderung klar zu differenzieren, etwa ob es sich um eine einfache Insolvenzforderung, eine nachrangige Forderung oder eine Forderung mit Aussonderungs- bzw. Absonderungsrechten handelt. Nur bei ordnungsgemäßer Anmeldung kann die Forderung zur Insolvenztabelle festgestellt und an der Verteilung der Insolvenzmasse partizipieren.

Welche Rechte hat ein Gläubiger nach der Anmeldung seiner Insolvenzforderung?

Nach der wirksamen Anmeldung der Insolvenzforderung erhält der Gläubiger das Recht, im Prüfungstermin, der vom Insolvenzgericht anberaumt wird, an der Feststellung der Forderung mitzuwirken. Er kann beobachten, ob und in welcher Höhe der Insolvenzverwalter, der Schuldner oder andere Gläubiger der Forderungsanmeldung widersprechen. Bei einem Widerspruch muss der Gläubiger anschließend seine Forderung im sogenannten Feststellungsprozess vor dem zuständigen Gericht durchsetzen. Solange seine Forderung als festgestellt gilt, nimmt er am Verteilungsverfahren teil, das heißt, er erhält anteilige Zahlungen aus der Insolvenzmasse entsprechend der sogenannten Insolvenzquote. Zusätzlich steht dem Gläubiger das Recht zu, Einsicht in die Insolvenztabelle und die Verteilungsunterlagen zu nehmen, um sich über den Stand der Abwicklung und die Berücksichtigung seiner Forderung zu informieren. Weiterführend kann der Gläubiger auch Gläubigerversammlungen beiwohnen und unter bestimmten Voraussetzungen Einfluss auf den Ablauf des Verfahrens nehmen, etwa durch Anträge auf Abberufung des Insolvenzverwalters oder Beschlussfassungen zu Verwertungsmaßnahmen.

Was passiert, wenn die Insolvenzforderung vom Insolvenzverwalter oder einem anderen Gläubiger bestritten wird?

Wird die angemeldete Insolvenzforderung vom Insolvenzverwalter, vom Schuldner oder von einem anderen Gläubiger bestritten, ist die Forderung nicht automatisch zur Insolvenztabelle festgestellt. Im Regelfall wird der Widerspruch im Prüfungstermin protokolliert. Der Gläubiger muss dann, um seine Forderung weiterzuverfolgen, den sogenannten Feststellungsprozess gem. § 179 InsO vor dem ordentlichen Zivilgericht einleiten. Er trägt dabei die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen und die Höhe der angemeldeten Forderung. Wird die Klage erfolgreich geführt, erfolgt die Feststellung der Forderung zur Tabelle, woraufhin der Gläubiger gleichberechtigt mit den übrigen Insolvenzgläubigern am weiteren Verfahren partizipiert. Bleibt er untätig oder verliert den Prozess, scheidet seine Forderung aus dem Verfahren aus und er verliert alle Rechte auf eine Befriedigung aus der Insolvenzmasse.

Welche Rangklassen gibt es bei Insolvenzforderungen und warum sind sie relevant?

Insolvenzforderungen sind nach der Insolvenzordnung in unterschiedliche Rangklassen unterteilt, die bestimmen, in welcher Reihenfolge die Gläubiger aus der Insolvenzmasse befriedigt werden. Die Hauptgruppen sind:

  • Insolvenzforderungen (§ 38 InsO), also einfache Konkursforderungen, die vor Insolvenzeröffnung entstanden sind,
  • nachrangige Insolvenzforderungen (§ 39 InsO), z. B. Zinsforderungen nach Verfahrenseröffnung oder Forderungen aus unentgeltlichen Leistungen,
  • Masseforderungen (§ 53 InsO), die nach Insolvenzeröffnung aufgrund der Verwaltung oder Verwertung der Insolvenzmasse entstehen.

Die Unterscheidung ist deshalb wichtig, weil die Masseforderungen stets vor den Insolvenzforderungen, und diese wiederum vor den nachrangigen Forderungen befriedigt werden. Die Quote, die ein Gläubiger erhält, hängt maßgeblich von der Anzahl und Rangfolge der angemeldeten und festgestellten Forderungen ab. Sogenannte absonderungsberechtigte oder aussonderungsberechtigte Gläubiger haben noch vorrangigere Rechte, da sie aus bestimmten Sicherheiten oder durch Ausschluss der Masse bedient werden.

Welche Unterlagen sind für die Anmeldung einer Insolvenzforderung erforderlich?

Für die ordnungsgemäße Anmeldung einer Insolvenzforderung sind Unterlagen vorzulegen, die die Entstehung, die Fälligkeit und die Höhe der Forderung belegen. Typische Dokumente sind Forderungsaufstellungen, Verträge, Lieferscheine, Rechnungen, Zahlungsbelege, Mahnungen oder rechtskräftige Urteile. Auch Vereinbarungen über Sicherheiten oder Bürgschaften können relevant sein. Sollten Zinsen oder Kosten geltend gemacht werden, empfiehlt sich eine detaillierte Zinsberechnung und die Vorlage entsprechender Berechnungsgrundlagen. Fehlen Nachweise oder sind diese lückenhaft, kann dies zur Ablehnung oder zum Bestreiten der Forderung führen.

Wie kann sich ein Gläubiger gegen die Ablehnung seiner Forderung durch den Insolvenzverwalter wehren?

Nach dem Widerspruch des Verwalters gegen eine Forderung steht dem Gläubiger der Weg des Feststellungsprozesses offen. Hierbei ist binnen eines Monats nach Ablehnung der Forderung eine Feststellungsklage beim zuständigen Zivilgericht zu erheben. Im Klageverfahren muss der Gläubiger den Rechtsgrund und die Höhe der Forderung beweisen. Zieht der Gläubiger diesen Weg nicht innerhalb der gesetzlichen Frist, bleibt die Forderung endgültig von der Insolvenztabelle ausgeschlossen und der Gläubiger verliert das Recht auf Befriedigung aus der Insolvenzmasse. Darüber hinaus können, wenn der Bestreitungsgrund formelle Aspekte betrifft, fehlende oder nachgereichte Unterlagen dazu führen, dass der Verwalter die Forderung-nachträglich doch noch anerkennt. Es empfiehlt sich daher, vor dem gerichtlichen Weg zunächst eine Klärung mit dem Insolvenzverwalter zu suchen und die fehlenden Unterlagen gegebenenfalls nachzureichen.

Ist eine nachträgliche Anmeldung der Insolvenzforderung möglich, wenn die Einreichungsfrist verstrichen ist?

Auch nach Ablauf der Anmeldefrist ist gem. § 177 InsO eine sogenannte „nachträgliche Forderungsanmeldung“ möglich. Der Gläubiger kann seine Forderung weiterhin zur Tabelle anmelden, wobei die Forderung grundsätzlich nicht mehr im zentralen Prüfungstermin behandelt wird. Die verspätete Anmeldung verursacht oft zusätzliche Kosten, die vom Gläubiger zu tragen sind. Die Forderung wird dann in einem nachfolgenden besonderen Prüfungstermin behandelt und bei Bestätigung in die Tabelle aufgenommen. Es ist jedoch zu beachten, dass bereits erfolgte Verteilungen aus der Insolvenzmasse, die vor der verspäteten Forderungsfeststellung erfolgten, für die nachträglich angemeldete Forderung nicht mehr nachträglich berücksichtigt werden. Die Forderung nimmt also nur an den künftigen, noch nicht erfolgten Verteilungen teil. Eine begründete Verzögerung kann das Gericht im Einzelfall bei der Kostenentscheidung berücksichtigen.