Begriff und Bedeutung der Insolvenzfähigkeit
Insolvenzfähigkeit bezeichnet die rechtliche Fähigkeit einer Person, Organisation oder einer abgegrenzten Vermögensmasse, als Schuldner Gegenstand eines Insolvenzverfahrens zu sein. Sie ist Voraussetzung dafür, dass ein Gericht ein Insolvenzverfahren eröffnet. Die Insolvenzfähigkeit betrifft ausschließlich die Frage, wer überhaupt in ein geordnetes, gerichtliches Verfahren zur kollektiven Befriedigung von Gläubigern einbezogen werden kann. Sie ist von den Gründen, die zur Eröffnung führen (etwa Zahlungsunfähigkeit), strikt zu unterscheiden.
Abgrenzung zu anderen Begriffen
Die Insolvenzfähigkeit ist nicht identisch mit Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung sind mögliche Eröffnungsgründe, während die Insolvenzfähigkeit den Kreis der potenziellen Schuldner bestimmt. Ebenfalls abzugrenzen ist sie von der allgemeinen Geschäftsfähigkeit oder Prozessfähigkeit: Auch wer in anderen Bereichen beschränkt handlungsfähig ist, kann insolvenzfähig sein, sofern die Rechtsordnung dies vorsieht.
Wer ist insolvenzfähig?
Natürliche Personen
Alle natürlichen Personen sind insolvenzfähig. Das gilt unabhängig von Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder beruflicher Stellung. Die Insolvenzfähigkeit erfasst sowohl Verbraucher als auch Personen mit unternehmerischer oder selbstständiger Tätigkeit.
Selbstständige und ehemals Selbstständige
Selbstständige, Freiberufler und ehemals Selbstständige sind als natürliche Personen insolvenzfähig. Ihre unternehmerische Tätigkeit ändert nichts daran, dass das Verfahren sie als Person erfasst; ein Einzelunternehmen ist kein eigenständiger Rechtsträger.
Unternehmen und Verbände des Privatrechts
Gesellschaften und Verbände des Privatrechts sind insolvenzfähig. Dazu zählen insbesondere Kapitalgesellschaften (z. B. in der Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder Aktiengesellschaft), eingetragene Vereine, rechtsfähige Stiftungen und Genossenschaften. Auch europäische Gesellschaftsformen, die als eigenständige Rechtsträger organisiert sind, fallen darunter.
Personengesellschaften
Personengesellschaften sind als eigenständige Schuldner insolvenzfähig, obwohl sie keine klassische eigene Rechtspersönlichkeit wie Kapitalgesellschaften besitzen. Hierzu zählen insbesondere offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften (einschließlich Formen mit einer haftungsbeschränkten Komplementärgesellschaft) sowie Partnerschaftsgesellschaften. Auch die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist inzwischen als eigenständiger Verband in weitem Umfang anerkannt und insolvenzfähig, sofern sie am Rechtsverkehr teilnimmt.
Nachlass als Vermögensmasse
Der Nachlass einer verstorbenen Person kann Gegenstand eines besonderen Insolvenzverfahrens sein. In diesem Rahmen wird ausschließlich das Vermögen des Nachlasses betrachtet, getrennt vom persönlichen Vermögen der Erbinnen und Erben. Ziel ist die geordnete Abarbeitung der Nachlassverbindlichkeiten.
Sonderfälle
Bestimmte wirtschaftlich tätige Zusammenschlüsse können je nach Ausgestaltung insolvenzfähig sein, wenn sie als eigenständiger Vermögensträger auftreten. Maßgeblich ist, ob sie im Rechtsverkehr selbstständig Träger von Rechten und Pflichten sind. Fehlt eine eigene Trägerschaft, greift regelmäßig keine Insolvenzfähigkeit, sofern nicht besondere Verfahren vorgesehen sind.
Wer ist nicht insolvenzfähig?
Nicht insolvenzfähig sind insbesondere der Staat und die Gebietskörperschaften (insbesondere Bund, Länder, Gemeinden). Bei Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die überwiegend hoheitliche Aufgaben wahrnehmen, besteht in der Regel ebenfalls keine Insolvenzfähigkeit. Unselbstständige Unternehmensteile oder Filialen sind ebenfalls nicht insolvenzfähig, da sie keinen eigenen Rechtsträger darstellen. Vermögensmassen ohne eigenständige Rechtsträgerschaft sind grundsätzlich nicht insolvenzfähig, es sei denn, die Rechtsordnung sieht für sie ein gesondertes Verfahren vor (etwa beim Nachlass).
Beginn und Ende der Insolvenzfähigkeit
Natürliche Personen
Die Insolvenzfähigkeit natürlicher Personen besteht während ihrer Lebenszeit. Mit dem Tod entfällt sie; an ihre Stelle kann ein Verfahren über den Nachlass treten.
Gesellschaften und Verbände
Die Insolvenzfähigkeit beginnt mit der rechtlichen Entstehung des Rechtsträgers, etwa mit der wirksamen Gründung und gegebenenfalls Eintragung. Sie endet mit der Vollbeendigung. Befindet sich der Verband in Abwicklung oder ist bereits gelöscht, kann die Insolvenzfähigkeit fortwirken, solange noch Abwicklungsbedarf und Verbindlichkeiten bestehen.
Personengesellschaften
Auch Personengesellschaften bleiben bis zur vollständigen Beendigung und Auseinandersetzung insolvenzfähig. Solange Verbindlichkeiten bestehen oder Abwicklungsvorgänge laufen, kann ein Verfahren durchgeführt werden.
Nachlass
Die Insolvenzfähigkeit des Nachlasses besteht ab dem Erbfall und endet mit Abschluss der Abwicklung des Nachlassvermögens im entsprechenden Verfahren oder mit Wegfall der Voraussetzungen.
Auswirkungen der Insolvenzfähigkeit
Auf die gerichtliche Prüfung
Die Insolvenzfähigkeit ist eine grundlegende Zulässigkeitsvoraussetzung. Fehlt sie, kann kein Verfahren über das Vermögen des Betroffenen eröffnet werden. Erst wenn der potenzielle Schuldner insolvenzfähig ist, wird geprüft, ob Eröffnungsgründe und weitere Voraussetzungen vorliegen.
Auf Rechte von Gläubigern und Schuldnern
Mit der Insolvenzfähigkeit verbindet sich die Möglichkeit eines strukturierten, gerichtlichen Verfahrens zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger. Für den Schuldner eröffnet sie die Einbindung seiner Vermögenswerte in einen geregelten Ablauf. Die rechtlichen Wirkungen knüpfen an den Status als insolvenzfähiger Rechtsträger oder Vermögensmasse an.
Internationale Bezüge
Europäischer Rahmen
Im europäischen Kontext ist die Bestimmung des gewöhnlichen Mittelpunktes der hauptsächlichen Interessen eines Schuldners bedeutsam. Daraus leitet sich ab, welcher Mitgliedstaat in der Regel für das Hauptverfahren zuständig ist und wie Verfahren sowie Entscheidungen grenzüberschreitend anerkannt werden.
Ausländische Schuldner mit Inlandsbezug
Auch ausländische Rechtsträger können im Inland insolvenzfähig sein, wenn ein hinreichender Bezug zum Inland besteht, etwa durch Vermögen oder wirtschaftliche Tätigkeit. Umgekehrt können inländische Rechtsträger im Ausland in Verfahren einbezogen werden, wenn dortige Zuständigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind.
Häufig gestellte Fragen zur Insolvenzfähigkeit
Wer gilt als insolvenzfähig?
Insolvenzfähig sind insbesondere alle natürlichen Personen sowie Unternehmen und Verbände des Privatrechts. Dazu zählen Kapitalgesellschaften, eingetragene Vereine, rechtsfähige Stiftungen, Genossenschaften und Personengesellschaften wie offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften. Auch die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist in weitem Umfang als eigenständiger Verband insolvenzfähig.
Ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts insolvenzfähig?
Ja. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird als eigenständiger Verband im Rechtsverkehr anerkannt und ist insolvenzfähig, sofern sie selbst Trägerin von Rechten und Pflichten ist.
Sind Gemeinden oder der Staat insolvenzfähig?
Nein. Der Staat sowie die Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) sind nicht insolvenzfähig. Einrichtungen des öffentlichen Rechts mit überwiegend hoheitlicher Aufgabenerfüllung sind in der Regel ebenfalls nicht insolvenzfähig.
Kann der Nachlass einer verstorbenen Person insolvenzfähig sein?
Ja. Der Nachlass kann Gegenstand eines besonderen Verfahrens sein, das ausschließlich die Nachlassverbindlichkeiten und das Nachlassvermögen betrifft. Die persönliche Sphäre der Erbinnen und Erben ist davon getrennt.
Wann endet die Insolvenzfähigkeit einer Gesellschaft?
Die Insolvenzfähigkeit endet mit der Vollbeendigung des Rechtsträgers. Während der Abwicklung und solange Verbindlichkeiten bestehen, kann ein Verfahren weiterhin zulässig sein. Eine Löschung im Register schließt ein Verfahren nicht zwingend aus, wenn noch Abwicklungsbedarf besteht.
Sind Minderjährige insolvenzfähig?
Ja. Natürliche Personen sind unabhängig vom Alter insolvenzfähig. Minderjährige werden in Verfahren rechtlich vertreten. Inhaltlich gelten die allgemeinen Anforderungen an die Verfahrenseröffnung.
Können ausländische Unternehmen in Deutschland insolvenzfähig sein?
Ja, sofern ein ausreichender Inlandsbezug besteht, etwa durch Vermögenswerte oder wirtschaftliche Aktivitäten im Inland. Die internationale Zuständigkeit richtet sich nach anerkannten Anknüpfungspunkten, insbesondere dem Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen.
Ist eine Filiale insolvenzfähig?
Nein. Eine Filiale ist kein eigenständiger Rechtsträger. Insolvenzfähig ist der dahinterstehende Rechtsträger, also die natürliche Person, das Unternehmen oder der Verband.