Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Zivilrecht»Insolvenzberatung

Insolvenzberatung


Begriff und rechtliche Grundlagen der Insolvenzberatung

Die Insolvenzberatung bezeichnet die professionelle Unterstützung und Begleitung von natürlichen Personen, Selbstständigen oder Unternehmen im Vorfeld und während eines Insolvenzverfahrens. Ziel einer Insolvenzberatung ist es, Wege zur Bewältigung einer finanziellen Krise und zum Erhalt oder zur Wiederherstellung der wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit aufzuzeigen. Die Beratung erfolgt unter Berücksichtigung der geltenden insolvenzrechtlichen Vorschriften und umfasst sowohl außergerichtliche Sanierungsversuche als auch die Vertretung und Begleitung im gerichtlichen Insolvenzverfahren.

Definition und Abgrenzung

Die Insolvenzberatung ist rechtlich vom Begriff der „Schuldnerberatung“ abzugrenzen. Während die Schuldnerberatung vorwiegend außergerichtliche Lösungswege anstrebt und sich insbesondere an private Verbraucher richtet, bezieht sich die Insolvenzberatung insbesondere auch auf unternehmerische Insolvenzen und das Management komplexer Gläubigerverhältnisse. Im Mittelpunkt steht die rechtliche Analyse der Insolvenzursachen, die Entwicklung von Sanierungsstrategien sowie die umfassende Beratung über die Rechte und Pflichten im Rahmen des Insolvenzverfahrens.

Gesetzliche Regelungen und Voraussetzungen

Beratungsbefugnis und Zulassung

In Deutschland ist der Kreis der zur Insolvenzberatung befugten Personengruppen durch das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) geregelt. Rechtsdienstleistungen, zu denen auch die Beratung und Vertretung im Insolvenzrecht zählt, dürfen grundsätzlich nur durch Personen oder Organisationen erbracht werden, die hierfür nach dem RDG ausdrücklich zugelassen sind. Dazu zählen insbesondere zugelassene Rechtsanwälte und anerkannte Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen mit behördlicher Zulassung. Die Beratungsstellen müssen nachweisen, dass sie über das notwendige Fachwissen sowie eine geeignete Organisation und Ausstattung verfügen.

Anforderungen an die Beratungsstelle

Anerkannte Stellen müssen die Anforderungen des § 305 InsO (Insolvenzordnung) erfüllen. Dazu gehören insbesondere:

  • Nachweis ausreichender Sachkunde und Zuverlässigkeit,
  • Schadenshaftpflichtversicherung,
  • Möglichkeit, eine Bescheinigung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO zur Durchführung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens zu erteilen,
  • Dokumentations- und Beratungspflichten.

Ablauf und Inhalte der Insolvenzberatung

Analyse der wirtschaftlichen Lage

Zu Beginn einer Insolvenzberatung steht die umfassende Ermittlung der Vermögens-, Einkommens- und Schuldensituation. Die Berater prüfen sämtliche Verträge, offenen Forderungen, Sicherheiten und rechtlichen Verbindlichkeiten. Hierzu zählt auch die Bewertung von Insolvenzgründen wie Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und Überschuldung (§ 19 InsO).

Entwicklung von Lösungsstrategien

Die Beratung umfasst das Aufzeigen außergerichtlicher Einigungsversuche mit den Gläubigern, zum Beispiel durch das Erarbeiten von Zahlungsplänen oder Vergleichslösungen. Ziel ist es, ein gerichtliches Verfahren möglichst zu vermeiden.

Scheitert der außergerichtliche Einigungsversuch, informiert die Beratung über die Möglichkeiten und Voraussetzungen eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens. Dazu zählt:

  • Einleitung des Verbraucherinsolvenzverfahrens (nach §§ 304 ff. InsO),
  • Einleitung des Regelinsolvenzverfahrens,
  • Darstellung der Folgen eines Insolvenzantrags,
  • Auswirkungen auf das Vermögen, bestehende Beschäftigungsverhältnisse und soziale Absicherung.

Begleitung im Insolvenzverfahren

Die Beratungsleistung kann zudem die Unterstützung bei der Antragsstellung, der Zusammenstellung aller erforderlichen Unterlagen, sowie die Begleitung bei Gericht einschließen. Hierzu zählen insbesondere:

  • Erstellung des Insolvenzantrags,
  • Beratung zu den Rechten und Pflichten im Verfahren (z. B. Mitwirkungspflichten, Offenlegungspflichten nach § 20 InsO),
  • Information über die Restschuldbefreiung und deren Voraussetzungen (§§ 286 ff. InsO).

Rechte und Pflichten im Rahmen der Insolvenzberatung

Pflichten der Beratungsstelle

Die Beratungsstelle ist verpflichtet, die Ratsuchenden umfassend, wahrheitsgemäß und hinsichtlich der Erfolgsaussichten verschiedener Handlungsoptionen zu informieren. Sie muss auf Alternativen zum Insolvenzverfahren hinweisen und darüber aufklären, welche Folgen die Insolvenzeröffnung für den Schuldner hat (z. B. auf Arbeitsverhältnisse, Geschäftsbeziehungen oder Sozialleistungen).

Die Beratungsstelle unterliegt im Regelfall der Verschwiegenheitspflicht und hat den Datenschutz der Ratsuchenden zu gewährleisten.

Rechte und Pflichten der Ratsuchenden

Personen, die eine Insolvenzberatung in Anspruch nehmen, sind verpflichtet, sämtliche relevanten Unterlagen und Informationen vollständig und wahrheitsgemäß vorzulegen. Im Insolvenzverfahren besteht eine umfassende Mitwirkungspflicht gegenüber dem Insolvenzgericht und weiteren beteiligten Stellen.

Kosten der Insolvenzberatung

Die Vergütung von Insolvenzberatungsleistungen kann sowohl auf privater als auch auf öffentlich geförderter Grundlage erfolgen. Anerkannte Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatungsstellen bieten in vielen Fällen kostenreduzierte oder kostenbefreite Beratungsmöglichkeiten an, insbesondere für gering verdienende Ratsuchende. Im unternehmerischen Bereich werden die Kosten in der Regel individuell vereinbart und können mit der Insolvenzmasse verrechnet werden, sofern das Verfahren eröffnet wird.

Insolvenzberatung im internationalen Kontext

In grenzüberschreitenden Insolvenzfällen (z. B. bei grenzüberschreitend tätigen Unternehmen) gewinnt die Beratung im europäischen und internationalen Insolvenzrecht zunehmende Bedeutung. Hierzu zählen die Anwendung der Europäischen Insolvenzverordnung (EuInsVO) oder die Berücksichtigung länderübergreifender Vermögenswerte und Gläubigerinteressen.

Bedeutung und Zielsetzung

Die insolvenzrechtliche Beratung hat maßgeblichen Anteil am Gelingen einer Sanierung, an einem strukturierten Verfahren und am Zugang zur Restschuldbefreiung. Sie dient nicht nur dem Schutz der Schuldner vor willkürlichen Maßnahmen, sondern gewährleistet auch eine geordnete Befriedigung der Gläubigerinteressen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben. Durch präventive Beratungsangebote kann die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit erhalten oder wiederhergestellt werden.


Quellenangaben:

  • Insolvenzordnung (InsO), §§ 17 ff., 304 ff., 305, 286 ff.
  • Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG)
  • Gesetz über die Berufe des Insolvenzverwalters und Sanierungstreuhänders (StaRUG)
  • Europäische Insolvenzverordnung (EuInsVO)

Diese Ausführungen dienen der allgemeinen Information und stellen keine individuelle Rechtsberatung dar.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Pflichten hat ein Schuldner im Rahmen eines Insolvenzverfahrens?

Ein Schuldner ist gesetzlich verpflichtet, bei Antragstellung vollständige und wahrheitsgemäße Angaben über seine Vermögensverhältnisse zu machen (§ 20 InsO). Darüber hinaus muss er während des gesamten Insolvenzverfahrens dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder unverzüglich alle Veränderungen, insbesondere in Bezug auf Einkommen, Vermögen oder neue Verbindlichkeiten, mitteilen (§ 97 InsO). Die Mitwirkungspflichten beinhalten zudem das Herausgeben von Gegenständen, Dokumenten und Unterlagen, die für die Verwaltung oder Verwertung der Insolvenzmasse erforderlich sind. Bei Verstößen gegen diese Pflichten drohen Versagung der Restschuldbefreiung (§ 290 InsO), Verfahrensverzögerungen und sogar strafrechtliche Konsequenzen nach § 283 StGB (Bankrottdelikte). Darüber hinaus trifft den Schuldner während des gesamten Verfahrens eine Verpflichtung zur Erwerbstätigkeit oder zumindest zur Arbeitsbemühung. Eine bewusste Verletzung dieser Pflichten kann auch nach Abschluss des Verfahrens dazu führen, dass bestimmte Forderungen nicht erlassen werden.

Welche rechtlichen Auswirkungen hat die Insolvenzeröffnung auf laufende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen?

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 89 InsO) tritt ein umfassendes Vollstreckungsverbot in Kraft. Gläubiger dürfen während des Insolvenzverfahrens keine Einzelvollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner mehr einleiten oder fortsetzen. Bereits begonnene Zwangsvollstreckungen werden unterbrochen beziehungsweise sind grundsätzlich unzulässig. Vollstreckungsmaßnahmen, die entgegen dem Vollstreckungsverbot durchgeführt werden, sind unwirksam. Das betrifft sowohl Sach- als auch Forderungsvollstreckungen. Die Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse liegt nun allein beim Insolvenzverwalter. Nur unter engen Voraussetzungen kann das Insolvenzgericht auf Antrag vorläufige Maßnahmen zum Schutz einzelner Gläubiger anordnen, jedoch ist dies die Ausnahme.

Welche Rechte haben Gläubiger im Insolvenzverfahren?

Gläubiger haben das Recht, ihre Forderungen zur Insolvenztabelle beim Insolvenzverwalter anzumelden (§ 174 InsO). Sie erhalten dadurch die Möglichkeit, nachrangig aus der Insolvenzmasse anteilig befriedigt zu werden, sofern Masse vorhanden ist. Gläubiger können zudem an Gläubigerversammlungen teilnehmen, Anträge stellen (z. B. auf Abberufung des Insolvenzverwalters) und bei wesentlichen Entscheidungen mitwirken (§§ 75 ff. InsO). Sie können sich auch zusammenschließen und einen Gläubigerausschuss bilden, der bestimmte Kontrollrechte gegenüber dem Insolvenzverwalter hat. Die Anmeldung von Ansprüchen muss formal korrekt und innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist erfolgen. Bestimmte Gläubiger, insbesondere solche mit Sicherungsrechten (Absonderungsberechtigte), haben Sonderrechte, etwa auf bevorzugte Befriedigung aus dem betreffenden Sicherungsgut (§§ 49 ff. InsO).

Welche Rolle spielt der Insolvenzverwalter und wie ist dessen rechtliche Stellung?

Der Insolvenzverwalter nimmt eine zentrale Position im Insolvenzverfahren ein (§§ 56 ff. InsO). Er wird vom Insolvenzgericht bestellt und handelt als unabhängiges Organ des Verfahrens. Seine Aufgaben umfassen die Sicherung und Verwaltung der Insolvenzmasse, die Prüfung der angemeldeten Forderungen, die Verwertung des Schuldnervermögens und die Verteilung des Erlöses an die Gläubiger. Er vertritt den Schuldner rechtlich und wirtschaftlich, indem er beispielsweise Verträge fortführen, kündigen oder anfechten kann. Der Insolvenzverwalter ist dem Gericht und den Gläubigern gegenüber rechenschaftspflichtig und muss bei wesentlichen Entscheidungen (z. B. Betriebsstilllegung) die Zustimmung der Gläubigerversammlung einholen. Seine Tätigkeit ist an strenge gesetzliche Vorgaben und Kontrollmechanismen gebunden; Verstöße können Haftungsansprüche oder eine Abberufung zur Folge haben.

Wie wird über die Restschuldbefreiung entschieden und welche rechtlichen Konsequenzen hat sie?

Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens kann dem Schuldner auf Antrag Restschuldbefreiung erteilt werden (§§ 286 ff. InsO). Dies bedeutet, dass die verbliebenen, von der Insolvenztabelle erfassten Forderungen grundsätzlich erlassen werden. Über den Antrag entscheidet das Insolvenzgericht nach Prüfung bestimmter Voraussetzungen, insbesondere ordnungsgemäße Verfahrensführung durch den Schuldner, keine erheblichen Obliegenheitsverletzungen und keine Straftaten im Zusammenhang mit dem Verfahren. Die erteilte Restschuldbefreiung hat zur Folge, dass Altschulden nicht mehr durchgesetzt werden können. Ausgenommen hiervon sind unter anderem Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen, Geldstrafen sowie Verbindlichkeiten aus Steuerhinterziehung, sofern deren Feststellung beantragt wurde (§ 302 InsO).

Inwieweit wirken Sanierungs- oder Insolvenzpläne rechtlich auf die Beteiligten?

Ein Insolvenzplan (§§ 217 ff. InsO) ist ein Sanierungsinstrument, das von Schuldner, Insolvenzverwalter oder Gläubigern eingebracht werden kann. Der rechtskräftig bestätigte Plan entfaltet gegenüber allen Beteiligten eine Wirkung, auch gegenüber denen, die diesem nicht zugestimmt haben. Im Plan können Befriedigungsquoten, Stundungen oder Teilerlasse rechtsverbindlich geregelt werden. Nach Bestätigung durch das Gericht ist der Insolvenzplan als vollstreckbarer Titel anzusehen (§ 254 InsO). Eine planwidrige Durchsetzung von Forderungen außerhalb dieser Regelung ist nicht zulässig, und der Plan ist für sämtliche Beteiligte verbindlich. Die Umsetzung des Plans unterliegt gerichtlicher Überwachung bis zu dessen vollständiger Erfüllung.

Welche rechtlichen Besonderheiten gelten für Selbstständige und Unternehmen im Insolvenzverfahren?

Bei Selbstständigen sowie juristischen Personen (z. B. GmbH, AG) bestehen spezifische rechtliche Regelungen. Unternehmen müssen Insolvenzantrag stellen, sobald sie zahlungsunfähig oder überschuldet sind (§§ 15a und 19 InsO), wobei für Geschäftsführer beziehungsweise Organe eine Insolvenzantragspflicht und bei Verstoß strafrechtliche Sanktionen sowie persönliche Haftung drohen. Während des Verfahrens kann unter Umständen Eigenverwaltung beantragt werden (§§ 270 ff. InsO), wodurch die bisherigen Organe unter Aufsicht eines Sachwalters weitgehend handlungsfähig bleiben. Für Freiberufler gelten ebenfalls besondere Vorschriften hinsichtlich der Massezugehörigkeit von Vermögenswerten, etwa bei Berufsständen mit Kammerpflichten. Unternehmen können zudem durch Insolvenzplan oder übertragende Sanierung teilweise fortgeführt werden, sofern dies wirtschaftlich sinnvoll erscheint.