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Inhaberschuldverschreibung


Inhaberschuldverschreibung

Definition und rechtliche Grundlagen

Die Inhaberschuldverschreibung ist ein Wertpapier, das eine Forderung des Inhabers gegenüber dem Emittenten verbrieft. Der Inhaber hat das Recht, die Rückzahlung des Nennbetrags sowie gegebenenfalls die Zahlung von Zinsen zu verlangen. Charakteristisch für die Inhaberschuldverschreibung ist, dass das Recht aus dem Papier durch dessen bloßen Besitz geltend gemacht werden kann (§ 793 BGB). Es handelt sich somit um ein Wertpapier, das auf den Inhaber lautet und mit einer mittel- bis langfristigen Laufzeit zur Mittelbeschaffung dient.

Rechtliche Regelungen für Inhaberschuldverschreibungen finden sich insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), dem Handelsgesetzbuch (HGB), dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), dem Kreditwesengesetz (KWG), sowie im Wertpapierprospektgesetz (WpPG).

Rechtsnatur der Inhaberschuldverschreibung

Schuldrechtliche Beziehung

Die Inhaberschuldverschreibung begründet eine schuldrechtliche Beziehung zwischen Gläubiger (Inhaber) und Schuldner (Emittent). Der Schuldner verpflichtet sich, dem jeweiligen Besitzer des Wertpapiers den darauf verbrieften Anspruch zu erfüllen. Der Inhaber tritt nicht als individuelle Person, sondern als jeweiliger Besitzer oder Vorzeiger des Wertpapiers in Erscheinung.

Wertpapiercharakter

Als vertretbares Wertpapier verbrieft die Inhaberschuldverschreibung das Recht, bestimmte Ansprüche (insbesondere auf Zahlung) aus dem Papier geltend zu machen. Der Forderungsinhaber wird durch Übergabe des Wertpapiers übertragen (§ 793 BGB). Das Papier ist zudem rechtlich als Inhaberpapier im Sinne des § 793 ff. BGB ausgestaltet, was bedeutet, dass für die Ausübung des Rechts keine weiterführende Legitimation außer dem Besitz der Urkunde erforderlich ist.

Emission und Erwerb

Emittenten

Emittenten von Inhaberschuldverschreibungen sind typischerweise Unternehmen, Banken, Staaten oder öffentliche Körperschaften, die Kapital am freien Markt aufnehmen. Die Emission erfolgt meist durch öffentliche Platzierung an organisierten Märkten, kann aber auch im Rahmen privater Platzierungen passieren.

Erwerb und Übertragung

Inhaberschuldverschreibungen werden entweder an organisierten Börsen oder außerbörslich gehandelt. Die Übertragung erfolgt formlos durch Einigung und Übergabe der Urkunde (bei effektiven Stücken) bzw. durch Buchung im Depot, sofern es sich um eine Girosammelverwahrung handelt. Ein gutgläubiger Erwerb ist auch bei abhandengekommenen Wertpapieren möglich, sofern keine grobe Fahrlässigkeit vorliegt (§ 935 BGB iVm § 793 BGB).

Rechte und Pflichten aus der Inhaberschuldverschreibung

Rechte des Inhabers

  • Zinszahlung: Der Inhaber hat Anspruch auf regelmäßige Zinszahlungen, sofern die Anleihe verzinslich ist (Kuponzins).
  • Rückzahlung: Nach Ablauf bzw. Kündigung ist der Emittent zur Rückzahlung des Nennbetrags verpflichtet.
  • Handelbarkeit: Das Papier kann frei, in der Regel auch ohne Zustimmung des Schuldners, übertragen werden.

Pflichten und Risiken des Emittenten

  • Erfüllungspflicht: Der Emittent ist verpflichtet, die im Wertpapier verbrieften Ansprüche zu erfüllen.
  • Informationspflichten: Seit Inkrafttreten der MiFID-II und des Wertpapierprospektgesetzes bestehen umfangreiche Prospekt- und Informationspflichten gegenüber den Anlegern.
  • Insolvenzrisiko: Bei Insolvenz des Emittenten trägt der Inhaber das Risiko eines (teilweisen) Forderungsausfalls.

Gesetzliche Rahmenbedingungen

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Die zentrale rechtliche Grundlage für Inhaberschuldverschreibungen ist in den §§ 793 ff. BGB geregelt. Wesentliche Punkte sind die Übertragbarkeit, die Rechte aus dem Papier sowie der Anspruch auf Einlösung bzw. Leistung.

Handelsgesetzbuch (HGB)

Das HGB normiert ergänzende Pflichten für Kaufleute und Emittenten in Handelsgeschäften. Für Banken und andere Finanzinstitute gelten spezielle Aufzeichnungspflichten, etwa die Verbuchung der ausgegebenen Anleihen.

Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und Wertpapierprospektgesetz (WpPG)

Das WpHG regelt die Zulassung zum Handel an Wertpapierbörsen, Offenlegungspflichten sowie Publizitätsvorschriften. Das WpPG legt fest, unter welchen Bedingungen und in welcher Form ein Wertpapierprospekt für die öffentliche Platzierung vorzulegen ist.

Kreditwesengesetz (KWG)

Banken und bestimmte Unternehmen, die Inhaberschuldverschreibungen ausgeben, unterliegen der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und müssen zahlreiche aufsichtsrechtliche Bestimmungen beachten.

Besonderheiten und Abgrenzungen

Unterschied zu Namens- und Orderschuldverschreibungen

Im Gegensatz zur Namensschuldverschreibung, bei der die Forderung auf eine bestimmte Person lautet und eine Übertragung durch Indossament erfolgen muss, ist die Inhaberschuldverschreibung formlos durch bloße Übergabe übertragbar. Orderschuldverschreibungen bilden eine Zwischenform, bei der die Übertragung mittels Indossament und Übergabe erfolgt.

Unterschied zu anderen Inhaberpapieren

Anders als z. B. Inhaberaktien oder Inhabergrundschuldbriefe steht bei Inhaberschuldverschreibungen stets eine Geldforderung im Vordergrund, nicht etwa ein Anteil am Gesellschaftsvermögen oder eine Sicherung einer dinglichen Forderung.

Verlust, Einziehung und Vernichtung

Wird eine Inhaberschuldverschreibung verloren, gestohlen oder vernichtet, kann der berechtigte Inhaber ein Aufgebotsverfahren nach §§ 978 ff. BGB einleiten, um den Verlust der Urkunde öffentlich bekanntzumachen und die Kraftloserklärung zu erwirken. Nach erfolgter Kraftloserklärung kann ein Ersatzpapier verlangt werden.

Steuer- und Insolvenzrechtliche Aspekte

Besteuerung

Die Erträge (Zinsen, Gewinne aus Kursanstiegen) unterliegen in Deutschland grundsätzlich der Kapitalertragsteuer sowie gegebenenfalls dem Solidaritätszuschlag und der Kirchensteuer.

Gläubigerstellung im Insolvenzfall

Im Insolvenzverfahren des Emittenten werden Inhaberschuldverschreibungen als einfache Insolvenzforderungen behandelt. Nachrangige Anleihen und strukturierte Finanzierungen können abweichende Rechtsfolgen haben, insbesondere im Hinblick auf die Rangstellung der Forderung.

Zusammenfassung

Die Inhaberschuldverschreibung stellt ein bedeutendes Mittel der Unternehmens- und Staatsfinanzierung, aber auch der privaten Geldanlage dar. Sie ist durch Übertragbarkeit, rechtlich gesicherte Ansprüche und klar definierte Rechte und Pflichten gekennzeichnet. Das umfassende Regelwerk aus BGB, HGB, KWG, WpHG und WpPG stellt sicher, dass sowohl Emittenten als auch Gläubigern ein rechtssicherer Rahmen geboten wird. Risiken wie Emittentenausfall, Kursverluste sowie aufsichtsrechtliche Vorgaben sind bei der Bewertung und beim Erwerb von Inhaberschuldverschreibungen stets zu berücksichtigen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechte verleiht eine Inhaberschuldverschreibung dem jeweiligen Inhaber im rechtlichen Sinne?

Eine Inhaberschuldverschreibung gewährt ihrem Inhaber das Recht, Zahlung vom Schuldner (dem Emittenten) der Schuldverschreibung zu verlangen. Die wichtigste rechtliche Konsequenz ergibt sich aus §§ 793 ff. BGB: Der Inhaber kann unabhängig von seiner Identität die Auszahlung von Zins und Rückzahlung des Nennwerts bei Endfälligkeit gegenüber dem Emittenten geltend machen. Der Emittent ist hierbei verpflichtet, ausschließlich gegenüber dem jeweiligen Inhaber zu leisten, was die Inhaberschuldverschreibung zu einem sogenannten „wertpapiermäßigen Forderungsrecht“ macht. Es spielt dabei keine Rolle, wie der Inhaber das Papier erworben hat – der formale Besitz reicht aus. Im Streitfall muss der Inhaber nur das Wertpapier physisch vorlegen und ist nicht verpflichtet, sich zusätzlich als Gläubiger auszuweisen. Damit genießt der Inhaber einen besonderen Schutz im Rechtsverkehr, der die Handelbarkeit und Übertragbarkeit der Wertpapiere wesentlich erleichtert.

Welche rechtlichen Vorschriften gelten für die Ausgabe und den Umlauf von Inhaberschuldverschreibungen?

Inhaberschuldverschreibungen sind in Deutschland im Bürgerlichen Gesetzbuch (insbesondere §§ 793-808 BGB) sowie im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) geregelt. Für die Emission (Ausgabe) von Schuldverschreibungen gelten darüber hinaus je nach Emittent und Ausgestaltung zahlreiche spezialgesetzliche Vorschriften, wie das Gesetz über die Beaufsichtigung von Wertpapierinstituten (WpIG), das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), ggf. das Kreditwesengesetz (KWG), und insbesondere die europäische Prospektverordnung, die bei öffentlichen Angeboten die Publikation eines Wertpapierprospekts vorschreibt. Die Übertragbarkeit richtet sich nach den Vorschriften über die Übergabe beweglicher Sachen: Die Eigentumsübertragung erfolgt regelmäßig durch Einigung und Übergabe (bzw. durch Besitzmittlungsverhältnis bei Girosammelverwahrung). Im Umlauf sind die Vorschriften zum Schutze des redlichen Erwerbers zu beachten, wonach ein gutgläubiger Erwerb von Inhaberschuldverschreibungen auch dann möglich ist, wenn der Veräußerer nicht berechtigt war (§ 935 BGB findet keine Anwendung).

Wie erfolgt der Rechtsschutz bei Verlust, Diebstahl oder Zerstörung einer Inhaberschuldverschreibung?

Geht eine Inhaberschuldverschreibung verloren oder wird sie gestohlen oder zerstört, besteht aus rechtlicher Sicht die Gefahr, dass ein unberechtigter Dritter Rechte daraus geltend machen kann. Für den ursprünglichen Inhaber besteht die Möglichkeit, das Wertpapier im Wege des Aufgebotsverfahrens nach den §§ 802 ff. ZPO für kraftlos erklären zu lassen. Das Kraftloserklärungsverfahren dient dazu, das abhanden gekommene Wertpapier rechtlich unwirksam zu machen, sodass der Emittent auf ein neues Papier leisten darf und der bisherige Besitzer seinen Anspruch nicht mehr durchsetzen kann. Bis zum Abschluss dieses Verfahrens ist jeder, der das Papier vorzeigt, als berechtigter Gläubiger anzusehen, was dem Rechtsschein-Charakter der Inhaberschuldverschreibung entspricht. Das System schützt also einerseits den Rechtsverkehr, andererseits aber auch den rechtmäßigen Inhaber durch das Aufgebotsverfahren und die Möglichkeit der Kraftloserklärung.

Wer haftet rechtlich bei fehlerhafter Einlösung einer Inhaberschuldverschreibung durch den Emittenten?

Wenn ein Emittent eine Inhaberschuldverschreibung an einen Nichtberechtigten auszahlt, haftet er grundsätzlich nicht gegenüber dem ursprünglichen Inhaber, sofern die Auszahlung an den Vorleger der Schuldverschreibung nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften erfolgt ist (§ 793 Abs. 2 BGB). Die Schuld erlischt durch Leistung an den jeweiligen Inhaber, auch wenn dieser nicht der materielle Berechtigte ist. Der Emittent ist nicht verpflichtet, die Legitimation des Einlösenden zu prüfen – die bloße Vorlage genügt. Ist allerdings nachweislich eine gefälschte oder manipulierte Urkunde vorgelegt worden oder würde die Auszahlung gegen gesetzliche Vorschriften (z.B. Geldwäschegesetz) verstoßen, können Besonderheiten zu beachten sein, etwa Haftungsfragen wegen grober Fahrlässigkeit oder Straftatbestände.

Unter welchen Voraussetzungen kann eine Inhaberschuldverschreibung vor Fälligkeit gekündigt oder zurückgegeben werden?

Grundsätzlich sind Inhaberschuldverschreibungen spätestens am Fälligkeitstag zurückzuzahlen. Eine vorzeitige Kündigung oder Rückgabe ist nur möglich, wenn dies gemäß den Emissionsbedingungen oder im Wertpapier selbst ausdrücklich geregelt ist. Fehlt eine solche Klausel, besteht kein allgemeiner gesetzlicher Anspruch auf Rückzahlung vor Fälligkeit (§ 793 BGB i.V.m. den Emissionsbedingungen). Bis zum Ablauf der Laufzeit muss der Emittent die vereinbarten Zinsen zahlen und den Nennbetrag – gegebenenfalls mit weiteren Prämien – lediglich nach Vorlage des Wertpapiers bei Endfälligkeit auszahlen. Eine Kündigung von Inhaberschuldverschreibungen seitens des Inhabers ist also nur denkbar, sofern und soweit der Vertrag, das betreffende Wertpapier bzw. die Bedingungen dies etwa bei vorliegendem wichtigen Grund (z. B. Zahlungsunfähigkeit des Emittenten) oder als besonderes Kündigungsrecht ausdrücklich vorsieht.

Welche Besonderheiten bestehen im rechtlichen Kontext bei der Übertragung von Inhaberschuldverschreibungen?

Die rechtliche Übertragung einer Inhaberschuldverschreibung erfolgt gemäß § 929 BGB nach den Grundsätzen der Übergabe beweglicher Sachen. Da es sich um ein Inhaberpapier handelt, genügt für den Eigentumsübergang bereits die Eigentumsübertragung des Wertpapiers – ein weiteres Indossament oder eine Abtretungserklärung ist nicht erforderlich. Das Eigentum und damit auch das Forderungsrecht gegen den Emittenten werden unmittelbar mit Übergabe des physischen Papiers oder – bei Girosammelverwahrung – durch Übertragung des Miteigentumsanteils an der Globalurkunde übertragen. Im Gegensatz zu Namensschuldverschreibungen ist keine Eintragung in ein Register oder eine Benachrichtigung des Emittenten notwendig. Beim Erwerb im guten Glauben wird dem Erwerber ein umfassender Rechtsschutz gewährt, sodass auch ein Erwerb von einem Nichtberechtigten zulasten des ursprünglichen Inhabers wirksam ist (gutgläubiger Erwerb).

Welche Informationspflichten und Prospektpflichten bestehen bei der Emission von Inhaberschuldverschreibungen?

Die Emission von Inhaberschuldverschreibungen ist regelmäßig mit umfangreichen Informationspflichten verbunden, insbesondere wenn diese öffentlich angeboten werden oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen. Die maßgeblichen rechtlichen Grundlagen hierfür ergeben sich aus der europäischen Prospektverordnung (EU) 2017/1129 sowie dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG). Der Emittent ist verpflichtet, einen geprüften und von der zuständigen Wertpapieraufsichtsbehörde gebilligten Prospekt zu veröffentlichen, der ausführliche Informationen über die Bedingungen der Schuldverschreibung, das Unternehmen, dessen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie über die mit dem Investment verbundenen Risiken enthält. Bestimmte Ausnahmen gelten etwa für Privatplatzierungen oder kleinere Emissionsvolumina. Die Verletzung dieser Pflichten kann zu Schadensersatzansprüchen der Anleger führen.