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Inhaberaktie


Begriff und Wesen der Inhaberaktie

Die Inhaberaktie stellt eine besondere Form von Aktien dar und ist im deutschen Aktienrecht sowie im internationalen Gesellschaftsrecht weit verbreitet. Sie verkörpert Anteilseignerschaft an einer Aktiengesellschaft (AG) und unterscheidet sich von anderen Aktienarten, insbesondere von der Namensaktie und der vinkulierten Namensaktie, durch die Rechtsform der Übertragbarkeit und die Art der Rechtezuordnung.

Definition der Inhaberaktie

Eine Inhaberaktie ist eine Aktie, die auf den Inhaber lautet. Das bedeutet, dass die jeweilige Person, die sie physisch oder rechtlich besitzt (also der „Inhaber“), die Aktionärsrechte – wie Stimmrecht in der Hauptversammlung oder das Dividendenbezugsrecht – ausüben kann. Die Übertragung der Inhaberaktie erfolgt grundsätzlich formlos durch Einigung und Übergabe, also durch ein sogenanntes „Traditionsgeschäft“.

Rechtsgrundlagen

Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen für die Inhaberaktie finden sich im deutschen Aktiengesetz (AktG), dort insbesondere in den §§ 10, 23, 67, 68 AktG. Seit Einführung des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) und des Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung (Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz – StBekG) wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf Transparenz und geldwäscherelevante Pflichten weiter verschärft. Auf europäischer Ebene sind die Regelungen der RL 2007/36/EG (Aktionärsrechte-Richtlinie) relevant.

Arten der Inhaberaktie und Abgrenzung zu anderen Aktienformen

Unterschied zu Namensaktien

Namensaktien sind auf eine bestimmte Person (namentlich) ausgestellt und setzen die Eintragung im Aktienregister der Gesellschaft voraus. Im Gegensatz dazu begründet die Inhaberaktie keine Register- oder Meldepflicht – die Rechte folgen der Inhaberschaft am effektiven Wertpapier.

Vinkulierte Namensaktien

Bei vinkulierten Namensaktien ist für eine Übertragung zudem die Zustimmung der Gesellschaft notwendig. Auch diese Form unterscheidet sich wesentlich von der Inhaberaktie, bei der die Übertragbarkeit keiner gesellschaftsinternen Kontrolle unterliegt.

Stückaktien und Nennbetragsaktien

Inhaberaktien können als Stückaktien oder als Nennbetragsaktien ausgestaltet werden, abhängig von der Regelung in der Satzung der Gesellschaft.

Ausgestaltung und Emission der Inhaberaktie

Emissionsvoraussetzungen

Die Ausgabe von Inhaberaktien bedarf einer entsprechenden Ermächtigung in der Satzung der Aktiengesellschaft (§ 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG). Die gesetzliche Regelung unterscheidet nicht zwischen börsennotierten und nicht börsennotierten Gesellschaften, allerdings gelten für Letztere besondere Meldepflichten (Beispielsweise durch das GwG und das Transparenzregister).

Effektenurkunde und Sammelurkunde

Traditionell wurden Inhaberaktien als effektive Stücke, sprich als Wertpapierurkunden, ausgegeben. Heute erfolgen Emission und Verwahrung in der Regel durch Girosammelverwahrung bei einer zentralen Wertpapiersammelbank (Clearstream Banking AG). Die Rechte am Wertpapier folgen durch Wertpapierlieferung (bzw. girosaldierten Übertragungsmechanismus).

Übertragung und Rechtsfolgen

Übertragungsmechanismus

Die Übertragung (auch Verfügung genannt) der Inhaberaktie erfolgt durch Einigung (sogenannte Einigung und Übergabe gem. §§ 929 ff. BGB) und die Besitzverschaffung am Wertpapier oder dem entsprechenden Besitzmittler-Konto. Ein besonderes Übertragungsformalien – wie etwa ein Indossament – ist nicht notwendig.

Rechtswirkungen der Inhaberschaft

Mit Erwerb und Besitz der Aktie treten alle Mitgliedschaftsrechte (z. B. Stimmrechte, Auskunftsrechte, Recht auf Dividende) zum Inhaber über. Für die Gesellschaft ist ausschließlich die Inhaberschaft maßgeblich. Eintragung ins Aktienregister oder ein sonstiger Nachweis ist nicht erforderlich.

Publizität, Transparenz und geldwäscherechtliche Aspekte

Publizitätspflichten und Transparenzregister

Durch das Geldwäschegesetz (GwG) und die Vorgaben zum Transparenzregister wurde der bisherige Anonymitätscharakter der Inhaberaktie erheblich eingeschränkt. Nichtbörsennotierte Aktiengesellschaften dürfen Inhaberaktien grundsätzlich nicht mehr ausgeben (§ 10 Abs. 1 AktG n.F.). Für bereits bestehende Inhaberaktienbestandteile besteht Meldepflicht zum Transparenzregister, um den wirtschaftlich Berechtigten zu identifizieren und Geldwäscheprävention zu fördern.

Börsennotierte Gesellschaften

Für börsennotierte Gesellschaften bleibt die Emission und Verwahrung von Inhaberaktien weiterhin zulässig, da der Handel über regulierte Märkte Transparenz- und Kontrollmechanismen bietet.

Rechte und Pflichten des Inhabers

Mitgliedschaftsrechte

Der Inhaber der Aktie erwirbt sämtliche mitgliedschaftliche Rechte, darunter das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung, Stimmrecht, Auskunftsrecht, Bezugsrecht bei Kapitalerhöhungen und Anspruch auf Auszahlung der Dividende.

Pflichten

Obwohl die Inhaberaktie grundsätzlich keine Registerpflicht des Aktionärs vorsieht, übernehmen Inhaber alle mit der Aktie verbundenen gesetzlichen und satzungsmäßigen Pflichten, beispielsweise Hinterlegungspflichten bei Ausschlussfristen sowie die steuerliche Erklärungspflicht.

Steuerliche Behandlung

Kapitalerträge und Abgeltungsteuer

Dividenden aus Inhaberaktien unterliegen ebenso wie Kapitalgewinne der Kapitalertragbesteuerung bzw. Abgeltungsteuer. Die Identifikation des Berechtigten erfolgt in der Regel automatisch über die depotführende Stelle.

Vor- und Nachteile der Inhaberaktie

Vorteile

  • Unkomplizierte, formfreie Übertragbarkeit
  • Geringe Hürden für den Erwerb und Handel, insbesondere bei börsennotierten Gesellschaften
  • Rasche Liquidität und Fungibilität an Wertpapiermärkten

Nachteile

  • Gefährdung der Transparenz hinsichtlich des wirtschaftlich Berechtigten
  • Im Zusammenhang mit Geldwäsche und Steuerhinterziehung kritisch betrachtet
  • Einschränkungen für nicht börsennotierte Gesellschaften seit 2015 und Verschärfung durch weitere Gesetzesänderungen

Entwicklung und Zukunftsperspektiven

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Inhaberaktien sind in den letzten Jahren im Zuge der europäischen und deutschen Regulatorik erheblich verschärft worden. Die Tendenz geht eindeutig dahin, die Ausgabe und Umlauffähigkeit von Inhaberaktien auf den regulierten Börsenhandel zu begrenzen. Für nicht-börsennotierte Gesellschaften sind inzwischen fast ausschließlich Namensaktien zulässig. Die rechtliche Diskussion um die Inhaberaktie bleibt angesichts von Digitalisierung und neuen Handelsformen weiterhin ein aktuelles Thema.

Zusammenfassung

Die Inhaberaktie ist ein Wertpapier, das vorrangig an der Börse gehandelt wird und dem jeweiligen Inhaber weitreichende Rechte an der Gesellschaft verleiht. Während sie in der Vergangenheit ein hohes Maß an Anonymität und Flexibilität bot, ist sie heute durch gesetzliche Maßnahmen und Transparenzpflichten zunehmend reglementiert. Für börsennotierte Gesellschaften bleibt sie weiterhin relevant, während außerbörsliche Emissionen restriktiv behandelt werden. Die rechtliche Entwicklung wird von einem Spannungsfeld zwischen Flexibilität des Kapitalmarktes und Transparenzinteresse des Gesetzgebers geprägt.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Anforderungen bestehen an die Ausgabe von Inhaberaktien in Deutschland?

Die Ausgabe von Inhaberaktien unterliegt in Deutschland strengen gesetzlichen Vorschriften, die vorrangig im Aktiengesetz (AktG) geregelt sind. Nach § 10 AktG müssen Inhaberaktien als solche ausdrücklich in der Satzung der Aktiengesellschaft vorgesehen sein. Die Ausgabe erfolgt in der Regel als effektive Stücke oder Girosammelverwahrung, wobei Letztere heute Standard ist. Seit der Einführung des Gesetzes zur Umsetzung der vierten EU-Geldwäscherichtlinie (GwG) ist die Ausgabe neuer Inhaberaktien auf börsennotierte Gesellschaften beschränkt (§ 10 Abs. 5 AktG). Nichtbörsennotierte Aktiengesellschaften dürfen seither nur noch Namensaktien ausgeben. Inhaberaktien müssen entweder einen festen Nennbetrag oder einen anteiligen Betrag am Grundkapital ausweisen. Zudem gelten für die Emission und Verwahrung von Inhaberaktien Vorgaben des Depotgesetzes und der Wertpapierverwahrgesetze, insbesondere im Hinblick auf die Verwahrung durch zentrale Verwahrstellen (z.B. Clearstream). Das Aktiengesetz sieht zudem vor, dass Inhaberaktien stets vollständig eingezahlt sein müssen, um eine anonyme Übertragung und damit Geldwäsche zu verhindern.

Welche Meldepflichten sind mit Inhaberaktien verbunden?

Inhaberaktien eröffnen aufgrund ihrer anonymen Übertragbarkeit potenzielle Risiken hinsichtlich Transparenz und Geldwäsche. Während bei Namensaktien die Aktionärsdaten im Aktienregister geführt werden, entfällt dies bei Inhaberaktien. Dennoch bestehen bei bestimmten Beteiligungshöhen Meldepflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Wer an einer börsennotierten Gesellschaft Inhaberaktien erwirbt, muss Beteiligungen von 3%, 5%, 10%, 15%, 20%, 25%, 30%, 50% und 75% dem Emittenten und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mitteilen (§ 33 WpHG). Diese Schwellenmeldepflichten gelten unabhängig davon, ob die Anteile in Form von Inhaber- oder Namensaktien gehalten werden. Darüber hinaus sind börsennotierte Gesellschaften verpflichtet, bedeutende Beteiligungen zu veröffentlichen, um Transparenz für den Kapitalmarkt herzustellen.

Welche Einschränkungen bestehen bei der Übertragbarkeit von Inhaberaktien?

Rechtlich sind Inhaberaktien durch ihre Ausgestaltung als Inhaberpapier frei übertragbar, das heißt, das Eigentum wird grundsätzlich mit der Übergabe der Aktie auf den Erwerber übertragen (§ 929 BGB in Verbindung mit § 24 AktG). Aufgrund der Möglichkeit zur Girosammelverwahrung erfolgt die Übertragung in der Praxis durch Buchung auf dem Wertpapierdepot. Seit der Reform im Jahr 2021 dürfen nur noch börsennotierte Gesellschaften neue Inhaberaktien ausgeben (siehe oben). Für Altbestände, also Inhaberaktien aus nicht-börsennotierten Gesellschaften vor dem 1. Januar 2020, besteht Bestandsschutz, allerdings mit Einschränkungen im Rechtsverkehr und gravierenden Meldepflichten nach dem GwG. Die Satzung der Gesellschaft kann zudem spezifische Vinkulierungen – etwa Zustimmungserfordernisse für Übertragungen – vorsehen, wenngleich dies bei Inhaberaktien selten ist.

Welche Rolle spielen Inhaberaktien im Kontext der Geldwäscheprävention?

Inhaberaktien galten lange Zeit als Instrument zur anonymen Kapitalbeteiligung und unterlagen daher einem erhöhten Risiko zur Geldwäsche. Aus diesem Grund wurde in Umsetzung der EU-Geldwäscherichtlinien das Ausgaberecht neuer Inhaberaktien für nicht-börsennotierte Gesellschaften stark eingeschränkt. Die gesetzlichen Einschränkungen zielen darauf ab, die Transparenz über die Eigentümerstruktur zu erhöhen und die Rückverfolgbarkeit von Transaktionen zu sichern. Gesellschaften mit Inhaberaktien sind verpflichtet, ausreichende Nachweise über die wirtschaftlich Berechtigten zu führen und entsprechende Mitteilungen an das Transparenzregister vorzunehmen, sofern ein wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des GwG identifiziert werden kann. Die Nichteinhaltung dieser Vorgaben kann verwaltungsrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Wie werden Stimm- und Dividendenrechte bei Inhaberaktien rechtlich ausgeübt?

Rechtlich stehen Stimm- und Dividendenrechte dem jeweiligen Inhaber der Aktie zu, sprich der Person, die als Besitzer der effektiven Urkunde oder als Depotinhaber im Sinne der Girosammelverwahrung gilt. Die Legitimation erfolgt durch Besitz der Inhaberurkunde bzw. durch Depotnachweis gegenüber der Gesellschaft (§ 123 Abs. 3 AktG). Für die Wahrnehmung des Stimmrechts ist in der Hauptversammlung regelmäßig eine depotführende Bank beauftragt, es sei denn, der Aktionär lässt sich durch eine Vollmacht vertreten oder nimmt persönlich teil. Die Dividendenzahlung erfolgt meist über die Depotbanken direkt an den wirtschaftlich Berechtigten. Die Gesellschaft muss dabei sicherstellen, dass nur die tatsächlich berechtigten Aktieninhaber bedient werden.

Welche Anforderungen gelten für die Verwahrung und den Handel mit Inhaberaktien?

Für die Verwahrung von Inhaberaktien schreibt das Depotgesetz die Verwahrung bei einer zugelassenen zentralen Verwahrstelle wie Clearstream Banking AG vor. Effektive Stücke sind in Deutschland praktisch nicht mehr im Umlauf; Inhaberaktien werden fast ausschließlich als sogenannte „Girosammelverwahrung“ elektronisch durch die Depotbanken verwaltet. Der Handel an der Börse erfolgt über das elektronische Wertpapier-Abrechnungssystem (z.B. über Clearstream). Jegliche Übertragung und Verwahrung unterliegt zudem den Bestimmungen über Geldwäsche, Bankenaufsicht und das Wertpapierhandelsgesetz. Bei Nutzung internationaler Verwahrstellen, etwa bei Aktien ausländischer Gesellschaften, sind zusätzlich die jeweiligen nationalen Bestimmungen zu berücksichtigen.

Welche Haftungsrisiken bestehen bei fehlerhafter Übertragung von Inhaberaktien?

Das deutsche Recht sieht bei der Übertragung von Inhaberaktien eine gute Glaubensschutzregelung zugunsten des Erwerbers vor, solange keine grobe Fahrlässigkeit beim Erwerb vorliegt (§ 935 Abs. 2 BGB analog für Wertpapiere). Wird die Aktie gestohlen, verloren oder gefälscht, kann der gutgläubige Erwerber dennoch Eigentum an der Aktie erwerben, sofern er nicht im Rahmen der Sorgfaltspflichten einen Mangel hätte erkennen müssen. Depotbanken trifft eine besondere Haftung bei der fehlerhaften Buchung, der Nichtausführung oder bei sonstigen Verstößen gegen die depotvertraglichen Verpflichtungen (§§ 675, 280 ff. BGB). Aktionäre können bei rechtlicher Unklarheit ihre Rechte gegenüber der Gesellschaft insbesondere im Wege der Feststellungsklage geltend machen. Falsche oder verspätete Meldungen im Rahmen der Beteiligungstransparenz können zudem Bußgelder und andere Sanktionen zur Folge haben.