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Industrie- und Handelskammer


Begriff und Rechtsstellung der Industrie- und Handelskammer

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) ist in Deutschland eine zur Selbstverwaltung der gewerblichen Wirtschaft errichtete Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie nimmt zentrale Aufgaben zur Förderung und Überwachung der gewerblichen Wirtschaft wahr, insbesondere im Bereich der Interessenvertretung, der beruflichen Ausbildung sowie des Erlassens spezieller Gutachten und Bescheinigungen für Unternehmen. Die IHK ist über das Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG) bundeseinheitlich geregelt.


Rechtsgrundlage und Organisation

Gesetzliche Verankerung

Die Existenz, Aufgaben und Organisation der Industrie- und Handelskammern basieren auf dem IHKG (Industrie- und Handelskammergesetz). Zusätzlich gelten landesspezifische Ausführungsgesetze, die weitere Details zur Struktur und zu den Befugnissen der Kammern festlegen. Nach § 1 IHKG wird die Industrie- und Handelskammer als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Pflichtmitgliedschaft eingerichtet.

Rechtsform

Als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist die IHK mit eigenen Organen, Satzungshoheit und eigenem Haushaltsrecht ausgestattet. Sie steht unter Rechtsaufsicht des jeweils zuständigen Bundes- oder Landesministeriums für Wirtschaft.

Mitgliedschaft und Pflichtzugehörigkeit

Mitglied der Industrie- und Handelskammer sind grundsätzlich alle selbständigen Gewerbetreibenden – ausgenommen Handwerksbetriebe, freie Berufe und landwirtschaftliche Unternehmen – im Bezirk der jeweiligen IHK. Nach § 2 IHKG besteht eine Pflichtmitgliedschaft, wodurch alle erfassten Unternehmen automatisch Mitglied der für ihren Geschäftssitz zuständigen IHK werden.


Aufgaben und Funktionen der Industrie- und Handelskammer

Rechtsgrundlagen der Aufgaben

Der Aufgabenbereich der Industrie- und Handelskammer ist in § 1 IHKG definiert. Die Kammern haben demnach die Aufgabe, „das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrzunehmen“ und dabei zugleich „für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken“. Zu den Aufgaben zählen insbesondere:

Vertretung der Gesamtinteressen

Die IHKs bringen die Interessen der gewerblichen Wirtschaft gegenüber der öffentlichen Verwaltung, den Kommunen sowie der Politik auf allen Ebenen zum Ausdruck. Dadurch wirken sie als Sprachrohr und Vermittler zwischen Wirtschaft und Staat.

Beratung und Auskünfte

Eine zentrale Aufgabe liegt in der regelhaften Beratung ihrer Mitglieder zu wirtschaftsbezogenen und rechtlichen Themen wie Gewerberecht, Unternehmensgründung, Datenschutz, Wettbewerbsrecht und Auslandsgeschäften.

Mitwirkung an Rechtssetzungsprozessen

Nach § 1 Abs. 1 IHKG sind die IHKs berechtigt, in Gesetzgebungsverfahren auf Bundes- und Landesebene Stellungnahmen abzugeben und an Verwaltungsverfahren mitzuwirken. Insbesondere werden sie bei Gesetzesinitiativen oder wirtschaftsnahen Verordnungen und Richtlinien angehört.

Öffentliche Aufgaben

Die Industrie- und Handelskammern sind vom Staat mit hoheitlichen Aufgaben betraut:

  • Berufsausbildung: Nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) führen die IHKs die Aufsicht über die betriebliche Berufsausbildung, organisieren Prüfungen, übernehmen die Ausstellung von Zeugnissen und kontrollieren Ausbildungsbetriebe.
  • Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen (§ 36 GewO): Die Behördenfunktion im Bereich der Vereidigung erfolgt durch die IHKs.
  • Erlass von Bescheinigungen und Gutachten: Die Ausstellung von Export- oder Ursprungszeugnissen, Warenverkehrsbescheinigungen oder ATA-Carnets zählt zu den öffentlich-rechtlichen Aufgaben der IHK.

Wirtschaftliche Förderung und Öffentlichkeitsarbeit

Die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung im Kammerbezirk, Standortmarketing und die Unterstützung bei der Internationalisierung zählen ebenfalls zu den Kernaufgaben.


Organisation und interne Verwaltung

Organe der Industrie- und Handelskammer

Die innere Gliederung der Industrie- und Handelskammer ist durch folgende Organe bestimmt:

  • Vollversammlung: Höchstes Organ und eine Art „Parlament der Wirtschaft“. Die Mitglieder werden meist durch die Unternehmer des Kammerbezirks gewählt. Sie beschließt über Haushaltsplan, Satzung und Grundsatzangelegenheiten.
  • Präsidium: Führt die Geschäfte der IHK, setzt die Beschlüsse der Vollversammlung um, leitet die Kammer zwischen den Sitzungen der Vollversammlung.
  • Hauptgeschäftsführung: Verantwortet als hauptamtliche Verwaltungsperson die operativen Geschäfte und steht dem Verwaltungspersonal vor.
  • Ausschüsse: Bearbeiten spezifische Fachthemen und bereiten Beschlüsse für die Vollversammlung vor.

Finanzierung

Die Finanzierung der IHKs erfolgt insbesondere durch die Erhebung von Beiträgen ihrer Pflichtmitglieder gemäß § 3 IHKG sowie durch Gebühren für hoheitliche Leistungen (z. B. Bescheinigungen, Prüfungen). Die Festsetzung von Beiträgen ist satzungsgebunden und unterliegt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und allgemeinem Beitragsrecht.


Rechtliche Aufsicht und Kontrolle

Die Industrie- und Handelskammern unterliegen der staatlichen Rechtsaufsicht, zumeist durch die Wirtschaftsministerien der Länder. Die Aufsicht beschränkt sich auf die Einhaltung der bestehenden Gesetze und der IHK-eigenen Satzung, nicht jedoch auf Zwecke und Zweckeignung der Kammerpolitik.

Rechtsmittel gegen IHK-Bescheide

Da die IHKs Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, handelt es sich bei ihren Entscheidungen regelmäßig um Verwaltungsakte, etwa Beitragsbescheide oder Prüfungsentscheidungen. Dagegen können sich Mitglieder mit Rechtsbehelfen (Widerspruch, Klage vor den Verwaltungsgerichten) zur Wehr setzen.


Stellung im Gefüge der Wirtschaftskammern

Die Industrie- und Handelskammern bilden neben den Handwerkskammern, Landwirtschaftskammern und weiteren Körperschaften des öffentlichen Rechts einen bedeutenden Teil der deutschen Wirtschaftsorganisationen. Sie sind über den Dachverband Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) auf Bundesebene koordinierend miteinander verbunden.


Reformdiskussionen und Kritik

Die verpflichtende Mitgliedschaft und Beitragserhebung sind wiederholt Gegenstand rechtspolitischer Diskussionen gewesen. Überprüft wird regelmäßig die Interessenswahrnehmung, demokratische Legitimation der Gremien, Transparenz und die Notwendigkeit mancher Pflichtleistungen. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte zuletzt mit Urteil vom 12. Juli 2017 (Az. 1 BvR 2222/12) die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Pflichtmitgliedschaft, sofern die Kammern gewissen demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen folgen.


Literatur- und Gesetzesverweise

  • Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG)
  • Berufsbildungsgesetz (BBiG)
  • Gewerbeordnung (GewO)
  • Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12.07.2017 (1 BvR 2222/12)

Zusammenfassung

Die Industrie- und Handelskammer ist eine zentrale Institution der wirtschaftlichen Selbstverwaltung in Deutschland. Sie nimmt umfangreiche, gesetzlich verbrieften Aufgaben im öffentlichen und wirtschaftlichen Interesse wahr, steht unter staatlicher Rechtsaufsicht und gewährleistet die Vertretung der gewerblichen Wirtschaft insbesondere durch die Pflichtmitgliedschaft. Ihre Aktivitäten und Rechtsstellung sind durch das IHKG umfassend geregelt, wobei sie insbesondere einen maßgeblichen Beitrag zur Berufsausbildung, Effizienz der Wirtschaftsverwaltung und Interessenvertretung leistet.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist laut Gesetz zur Mitgliedschaft in einer Industrie- und Handelskammer verpflichtet?

Die Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer Industrie- und Handelskammer (IHK) ist im deutschen Recht im § 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG) konkret geregelt. Grundsätzlich sind alle natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften, die einen Gewerbebetrieb im jeweiligen Kammerbezirk unterhalten, kraft Gesetzes Pflichtmitglieder der örtlich zuständigen IHK. Allerdings bestehen Ausnahmen, beispielsweise für reine Handwerksbetriebe oder freiberuflich Tätige, sofern diese nicht gewerblich tätig sind. Die Mitgliedschaft entsteht automatisch mit Aufnahme der gewerblichen Tätigkeit, eine freiwillige Beitrittserklärung ist nicht notwendig. Die Rechtmäßigkeit dieser Zwangsmitgliedschaft wurde wiederholt durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt, insbesondere mit Verweis auf die Pflicht der IHKs zur Wahrnehmung der Interessen aller Gewerbetreibenden und zum Ausgleich widerstreitender Einzelinteressen, was eine ausreichende Legitimation für die Mitgliedschaftspflicht begründet.

Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Aufgaben der Industrie- und Handelskammer?

Die rechtlichen Aufgaben der IHKs ergeben sich primär aus dem Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG) sowie aus spezialgesetzlichen Vorschriften, wie z.B. dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) und dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Gemäß §§ 1 und 3 IHKG nehmen IHKs die Aufgabe wahr, das Gesamtinteresse der zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks zu vertreten, die gewerbliche Wirtschaft zu fördern und sie gegenüber Kommunen, Ländern, Bund und EU zu repräsentieren. Weiterhin sind sie im Bereich der beruflichen Ausbildung, der Ausfertigung von Prüfungszeugnissen, der Schlichtung von Streitigkeiten sowie bei der Führung von Registern (insbesondere für das Handelsregister) tätig. Diese Aufgaben sind als öffentliche Zwecke gesetzlich fixiert und staatlich übertragene Selbstverwaltungsaufgaben im Sinne des deutschen Verwaltungsrechts.

Wie erfolgt die Erhebung der IHK-Beiträge, und gibt es hierzu gesetzliche Vorgaben?

Die Erhebung der Beiträge wird detailliert im IHKG (§ 3 Abs. 3 und 7) und ergänzend in den jeweiligen Gebührensatzungen der einzelnen IHKs geregelt, welche der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedürfen. Die Grundlage für die Beitragspflicht bildet die Mitgliedschaft. Die Beiträge setzen sich in der Regel aus einem Grundbeitrag und, abhängig von der Leistungsfähigkeit des Unternehmens, einem gestaffelten Umlagebeitrag zusammen. Bemessungsgrundlage ist dabei meist der Gewerbeertrag oder Gewinn des Unternehmens gemäß Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Gewerbesteuerbescheid. Die Festsetzung des Beitrags erfolgt durch Bescheid, der einen Verwaltungsakt darstellt und damit den gewöhnlichen Rechtsmitteln der Anfechtung (Widerspruch, Klage vor dem Verwaltungsgericht) unterliegt. Geregelt ist auch, welche Betriebe von der Beitragspflicht befreit werden können, zum Beispiel Kleinunternehmer unterhalb bestimmter Umsatzgrenzen.

Welche Rechtsmittel stehen Mitgliedern gegen Entscheidungen der IHK zur Verfügung?

Mitglieder können gegen Verwaltungsakte der IHK, insbesondere gegen die Festsetzung von Beiträgen oder Gebühren, den Rechtsweg beschreiten. Zunächst ist regelmäßig ein schriftlicher und begründeter Widerspruch bei der IHK selbst einzulegen (§ 68 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, erlässt die IHK einen förmlichen Widerspruchsbescheid. Gegen diesen können Betroffene Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht erheben (§ 42 VwGO). Da IHKs öffentlich-rechtlich organisiert sind und Verwaltungsakte erlassen, gelten alle einschlägigen Vorschriften des Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrechts. In bestimmten Fällen ist auch eine gerichtliche Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der IHK-Satzungen möglich. Außerdem steht den Mitgliedern das Petitionsrecht sowie das Recht auf Beantragung interner Überprüfung von Kammerentscheidungen offen.

Inwiefern unterliegen die Industrie- und Handelskammern der staatlichen Aufsicht und Kontrolle?

Industrie- und Handelskammern sind als Körperschaften des öffentlichen Rechts einer staatlichen Aufsicht unterstellt. Diese Aufsicht erstreckt sich auf die Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns, nicht jedoch auf die laufenden Geschäfte oder Mitgliederverwaltungsakte. Zuständig ist hierfür i.d.R. das jeweilige Wirtschaftsministerium des Landes. Die Aufsicht übt Kontroll- und Genehmigungsrechte insbesondere bezüglich Satzungen, Haushaltsführung, Wahlen der Organe sowie bei der Berufung und Abberufung der Hauptgeschäftsführung aus. Ziel der Aufsicht ist die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen, gesetzestreuen und wirtschaftlichen Selbstverwaltung im öffentlichen Interesse. Insbesondere die Beitragssatzungen und die Berufung rechtlicher Vertreter bedürfen regelmäßig der ausdrücklichen Genehmigung der Aufsichtsbehörde.

Welche Klagerechte haben Industrie- und Handelskammern und wie werden sie im Verwaltungsverfahren berücksichtigt?

Industrie- und Handelskammern sind als juristische Personen des öffentlichen Rechts rechtsfähig und können vor Gericht klagen und verklagt werden. Sie sind berechtigt, in allen Angelegenheiten, die ihren gesetzlichen Aufgabenbereich berühren, Rechte und Pflichten gerichtlich geltend zu machen oder abzuwehren. Im Verwaltungsverfahren treten sie als Behörde auf, erlassen Verwaltungsakte (z.B. Prüfungsentscheidungen, Beitragsbescheide) und sind dementsprechend zu ordnungsgemäßer Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung verpflichtet. Im Falle gerichtlicher Auseinandersetzungen sind sie Prozesspartei vor den Verwaltungsgerichten.

Wie sind die Organe der Industrie- und Handelskammer rechtlich geregelt und wie erfolgt deren Wahl?

Die rechtliche Ausgestaltung und die Organisation der Organe der IHK resultiert aus dem IHKG sowie der jeweiligen Satzung der Kammer. Die Organe sind die Vollversammlung, der Präsident/die Präsidentin und das Präsidium sowie die Geschäftsführung. Die Mitglieder der Vollversammlung werden in geheimer und unmittelbarer Wahl von den Mitgliedern der Kammer für eine festgelegte Amtsperiode gewählt. Die Modalitäten der Wahl, Zusammensetzung und Mitbestimmungsrechte sind in der Hauptsatzung geregelt. Der Präsident bzw. die Präsidentin wird aus dem Kreis der gewählten Vollversammlungsmitglieder von der Vollversammlung gewählt. Das Amt der Mitglieder ist grundsätzlich ehrenamtlich, um Interessenkonflikte und Vorteilnahme auszuschließen und die Allgemeininteressen zu wahren. Die rechtsverbindlichen Bestimmungen dazu finden sich in § 5 IHKG sowie in den jeweiligen Satzungen der IHKs.

Wie erfolgt die Kontrolle der Haushaltsführung und Verwendung der Beiträge bei der IHK?

Die IHK ist verpflichtet, ihre Haushaltsführung und die Verwendung der Beiträge transparent zu gestalten und unterliegt dabei strengen gesetzlichen Vorgaben, die sowohl aus dem IHKG als auch aus den jeweiligen Haushalts- und Prüfungssatzungen der IHKs hervorgehen. Der Haushaltsplan und Jahresabschluss werden durch die Vollversammlung beschlossen und müssen regelmäßig von unabhängigen Rechnungsprüfern oder Wirtschaftsprüfern auf Wirtschaftlichkeit, Rechtmäßigkeit und Sparsamkeit geprüft werden. Die Ergebnisse sind der zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen, die im Rahmen ihrer Rechtsaufsicht einschreitet, sofern Unregelmäßigkeiten festgestellt werden. Mitglieder der IHK haben ein berechtigtes Interesse auf Einsicht in die Haushaltsvorlagen und können im Zweifel Einblick in die Verwendung ihrer Beiträge verlangen, was durch gesetzliche Transparenzvorschriften und ggf. auf dem Klageweg durchgesetzt werden kann.