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Hinkende Ehe


Begriff und Definition der Hinkenden Ehe

Die hinkende Ehe stellt einen rechtlichen Sonderfall im internationalen Privatrecht dar. Sie bezeichnet die Situation, in der eine Ehe in einem Staat als wirksam anerkannt wird, während sie in einem anderen Staat als unwirksam betrachtet wird. Wesentliches Merkmal der hinkenden Ehe ist somit das Auseinanderfallen der rechtlichen Bewertungen ein und desselben Eheverhältnisses durch verschiedene nationale Rechtsordnungen. Solche Konstellationen treten insbesondere im Kontext unterschiedlicher Voraussetzungen zur Eheschließung oder hinsichtlich der Beendigung der Ehe auf.

Entstehung und Ursachen hinkender Ehen

Unterschiedliche Ehevoraussetzungen

Hinkende Ehen entstehen häufig aufgrund divergierender Regelungen der einzelnen Staaten hinsichtlich der Voraussetzungen für eine wirksame Eheschließung. Dies betrifft beispielsweise das Mindestalter der Ehegatten, das Verbot der Doppelehe (Bigamie), Formerfordernisse, Zustimmungsvoraussetzungen oder das Bestehen eines Verbotsgrades bei Verwandtschaft.

Anerkennung und Auflösung der Ehe

Ein weiterer zentraler Entstehungsgrund ist die unterschiedliche Beurteilung der Scheidung. Nicht selten wird eine im Ausland vollzogene Scheidung von einem Staat nicht anerkannt, sodass die Ehe dort formal weiterbesteht, während sie in einem anderen Staat als beendet gilt. Ebenso werden manchmal Ehen, die im Ausland gültig geschlossen wurden, im Heimatstaat eines Ehegatten aufgrund abweichender Ehevorschriften nicht anerkannt.

Rechtsfolgen und Problematik der hinkenden Ehe

Auswirkungen auf den Personenstand

Die hinkende Ehe führt dazu, dass Personen im Hinblick auf denselben Sachverhalt nach verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich klassifiziert werden. Dies kann gravierende Folgen bezüglich Name, Staatsangehörigkeit, Unterhaltsansprüchen, Erbrecht, sozialversicherungsrechtlichen Fragen und steuerlichen Aspekten haben.

Beispielhafte Fallgruppen

Doppelehe (Bigamie)

Ein klassisches Beispiel stellt der Fall dar, dass in Staat A die Mehrfachehe untersagt ist, während sie in Staat B unter bestimmten Voraussetzungen gestattet ist. Wird eine solche Ehe in Staat B geschlossen, ist sie dort gültig, wird aber in Staat A nicht anerkannt. Der betroffene Ehegatte ist somit in einem Staat verheiratet und im anderen als unverheiratet angesehen.

Unwirksame Scheidung

Ein weiteres Beispiel ist die von einem Staat nicht anerkannte Ehescheidung. Dies kann dazu führen, dass jemand in seinem Herkunftsstaat noch als verheiratet gilt, während die Ehe im Aufenthaltsstaat bereits als geschieden betrachtet wird.

Regelungen zur Anerkennung und Neutralisierung hinkender Ehen

Kollisionsrechtliche Ansätze

Im internationalen Privatrecht regeln Kollisionsnormen, welches nationale Recht auf eine Ehe anzuwenden ist und unter welchen Voraussetzungen eine Ehe als wirksam anzuerkennen ist. Auf europäischer Ebene sind insbesondere die Verordnungen der Europäischen Union zu beachten, wie beispielsweise die Brüssel IIa-Verordnung über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen.

Deutsche Rechtslage

Nach deutschem internationalen Privatrecht bestimmt Art. 13 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) die Anknüpfung der Eheschließung an das Heimatrecht der Verlobten. Sofern eine Ehe im Ausland wirksam geschlossen wurde, erkennt das deutsche Recht diese grundsätzlich an, es sei denn, zwingende Anerkennungshindernisse (z. B. Verstoß gegen den deutschen ordre public) stehen entgegen. Auch im Falle der Scheidung prüft das deutsche Recht die Anerkennung ausländischer Entscheidungen, insbesondere durch das Verfahren nach dem Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz (AVAG).

Grundsatz der öffentlichen Ordnung (ordre public)

Ein wichtiges Instrument zur Neutralisierung hinkender Ehen ist der sogenannte ordre public-Vorbehalt. Danach wird eine ausländische Rechtslage im Inland nicht anerkannt, soweit sie mit den Grundwerten der inländischen Rechtsordnung unvereinbar ist.

Rechtsvergleichende und völkerrechtliche Betrachtung

Internationale Verträge

Internationale Abkommen, wie das Haager Ehegesetzübereinkommen, setzen Regelungen, die zur Vereinheitlichung und Anerkennung von Ehen und deren Auflösung beitragen sollen. Dennoch bestehen erhebliche Unterschiede in den materiell-rechtlichen Vorschriften einzelner Länder.

Bedeutung im zwischenstaatlichen Rechtsverkehr

Die Problematik der hinkenden Ehe hat insbesondere im globalen Kontext mit zunehmender Migration und internationalen Eheschließungen an Bedeutung gewonnen. Sie stellt Behörden und Betroffene vor komplexe Herausforderungen, etwa bei Beurkundungen im Standesamt, bei der Antragstellung auf Ehegattennachzug, in aufenthalts- und sozialrechtlichen Angelegenheiten sowie im Familien- und Erbrecht.

Fazit

Die hinkende Ehe ist ein vielschichtiger Rechtsbegriff, der zentrale Fragen des internationalen Familienrechts tangiert. Sie illustriert anschaulich die Auswirkungen unterschiedlicher nationaler Rechtsordnungen auf den Personenstand von Eheleuten. Staaten versuchen durch völkerrechtliche Vereinbarungen, Kollisionsrecht und den ordre public-Vorbehalt, die Auswirkungen hinkender Ehen zu minimieren, eine vollständige Harmonisierung ist bislang allerdings nicht erreicht. Die Kenntnisse über die rechtlichen Folgen hinkender Ehen und deren Anerkennung sowie Neutralisierung sind essenziell, um international agieren zu können und Rechtssicherheit für die Betroffenen zu gewährleisten.

Häufig gestellte Fragen

Inwiefern beeinflusst die hinkende Ehe die Rechtsstellung der Ehegatten?

Die hinkende Ehe führt dazu, dass die Ehe in verschiedenen Staaten unterschiedlich behandelt wird. Rechtlich bedeutet dies, dass beide Ehepartner hinsichtlich ihrer Rechte und Pflichten in Bezug auf die Ehe voneinander abweichende Positionen einnehmen können, je nach Staat, in dem die Ehe anerkannt oder nicht anerkannt ist. Beispielsweise kann es der Fall sein, dass einer der Partner in Deutschland als verheiratet gilt und dort somit alle Rechte und Pflichten einer Ehe eingegangen ist – etwa Unterhaltspflichten, erbrechtliche Ansprüche oder steuerrechtliche Vorteile -, während im Ausland die Ehe nicht anerkannt wird. Daraus ergeben sich erhebliche Unsicherheiten bezüglich familienrechtlicher Ansprüche, Fragen des Versorgungsausgleichs, des Güterrechts oder auch bezüglich des Umgangs mit gemeinsamen Kindern und des Sorgerechts. Die hinkende Ehe bringt damit insbesondere für die betroffenen Ehegatten eine erhebliche Rechtsunsicherheit, weil etwa Ansprüche auf Witwenrente, Krankenversicherung über den Ehepartner, Erb- oder Pflichtteilsrechte sowie die Anerkennbarkeit von Scheidungsurteilen nicht eindeutig geregelt sein können und je nach Staat unterschiedlich beantwortet werden.

Welche typischen Konstellationen führen zu einer hinkenden Ehe?

Typische Szenarien einer hinkenden Ehe ergeben sich, wenn im internationalen Privat- oder Familienrecht unterschiedliche Kriterien für die Anerkennung einer Eheschließung gelten. Ein häufiger Fall ist die Eheschließung von Ausländern im Ausland nach dortigem Recht, die später in einem anderen Staat, etwa Deutschland, wohnen oder Rechte geltend machen möchten. Eine Ehe kann beispielsweise im Ausland nach dort geltendem Recht gültig geschlossen werden, wird aber nach deutschem Recht als ungültig angesehen, etwa weil bestimmte Ehevoraussetzungen (wie das Mindestalter, die Nichtbestehung eines Ehehindernisses oder Formerfordernisse) nicht erfüllt sind. Ebenso kann die Folge auftreten, dass das Recht des Heimatstaates eines Ehepartners die Ehe nicht anerkennt, während sie im Aufenthaltsstaat als wirksam gilt. Auch islamische Mehrfachehen, die in Deutschland nach Art. 13 EGBGB grundsätzlich nicht anerkannt werden, können zu einer hinkenden Ehe führen, sofern der Heimatstaat die Polygamie gestattet und als wirksam behandelt.

Welche Rechtsfolgen können sich aus einer hinkenden Ehe für gemeinsame Kinder ergeben?

Für gemeinsame Kinder aus einer hinkenden Ehe können sich komplizierte juristische Fragestellungen ergeben. Insbesondere betrifft dies die Abstammung, das Sorgerecht und die Unterhaltspflichten. Wird die Ehe im Geburtsstaat des Kindes anerkannt, so gilt das Kind dort möglicherweise als ehelich geboren – was Auswirkungen auf das Sorgerecht, die Staatsangehörigkeit oder unterhaltspflichtige Verwandtschaftsbeziehungen hat. Erkennt das andere Land die Ehe nicht an, ist das Kind dort unter Umständen als nichtehelich geboren, was zu einer Benachteiligung bezüglich des Namensrechts, des Sorge- und Umgangsrechts oder des Unterhalts führen kann. Weiterhin beeinflusst die Anerkennung der Ehe, welcher Elternteil rechtlich als Vater gilt – maßgeblich für die Feststellung der elterlichen Sorge und Unterhaltspflichtigkeit. Gerade bei grenzüberschreitendem Bezug sind daher komplexe Abstimmungsfragen zwischen unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen notwendig, um die Rechte des Kindes zu sichern.

Wie wirkt sich eine hinkende Ehe auf das Erbrecht aus?

Im Erbrecht kann eine hinkende Ehe ebenfalls erhebliche Probleme verursachen, da die Anerkennung der Ehe Voraussetzung für erbrechtliche Ansprüche – wie das gesetzliche Erbrecht, den Pflichtteil oder das Ehegattenerbrecht – ist. Wird eine Ehe in Deutschland als nicht existent gewertet (weil sie dort nicht anerkannt wird), stehen dem Ehepartner keine erbrechtlichen Ansprüche zu, auch wenn die Ehe im Heimatstaat des Verstorbenen rechtlich wirksam ist. Umgekehrt kann es sein, dass im Ausland der Ehepartner als erbberechtigt gilt, während im Inland das Erbrecht ausgeschlossen wird. Für Testamente und Erbverträge entstehen so Unsicherheiten dahingehend, welches Erbrecht Anwendung findet und ob die Ehegattenstellung des Erben anerkannt wird. Darüber hinaus ist von Bedeutung, welche Regelungen im Fall eines internationalen Nachlasses greifen, da deutsche Gerichte ggf. Verfügungen von Todes wegen nicht anerkennen, wenn keine rechtsgültige Ehe im Sinne des deutschen Rechts vorliegt.

Welche Möglichkeiten gibt es, eine hinkende Ehe zu vermeiden oder aufzulösen?

Zur Vermeidung einer hinkenden Ehe empfiehlt sich bereits im Vorfeld die genaue Prüfung der jeweiligen Eheschließungsvoraussetzungen nach dem Recht aller betroffenen Staaten. Dies geschieht durch die Einholung von Ehefähigkeitszeugnissen sowie durch Konsultation von Auslandsvertretungen oder spezialisierten Anwälten für internationales Familienrecht. Zudem kann die nachträgliche Anerkennung der Ehe durch die zuständigen Behörden einen Ausweg darstellen. Sollte eine hinkende Ehe bereits bestehen, kann – abhängig von den nationalen gesetzlichen Regelungen – die Möglichkeit bestehen, durch gerichtliche oder behördliche Verfahren (zum Beispiel die nachträgliche Anerkennung einer Auslandsehe oder eine Scheidung nach ausländischem Recht und deren Anerkennung in Deutschland) die Einheitlichkeit der Rechtslage herzustellen. Eine weitere Option ist die Anpassung persönlicher und vermögensrechtlicher Beziehungen (beispielsweise durch Eheverträge, Unterhaltsvereinbarungen oder letztwillige Verfügungen), um divergierenden Rechtsfolgen zumindest teilweise vorzubeugen.

Was ist im Falle einer Scheidung einer hinkenden Ehe zu beachten?

Im Falle einer Scheidung einer hinkenden Ehe stellen sich zahlreiche Fragen nach dem anwendbaren Scheidungsrecht sowie nach der Anerkennung der Scheidung im jeweiligen Staat. Wird die Ehe in Deutschland nicht als wirksam anerkannt, ist eine Scheidung nach deutschem Familienrecht nicht möglich, da formal keine Ehe existiert. Umgekehrt kann ein im Ausland ausgesprochener Scheidungsbeschluss in Deutschland nicht ohne weiteres anerkannt werden, wenn die zugrundeliegende Ehe dort als nicht wirksam betrachtet wird. Zudem stellen sich Fragen nach den Konsequenzen der Scheidung, etwa hinsichtlich des Versorgungsausgleichs, des Unterhaltsrechts oder güterrechtlicher Ansprüche, die im einen Staat bestehen, im anderen jedoch ausgeschlossen sein können. Deshalb ist eine detaillierte Prüfung und häufig eine gerichtliche Anerkennung oder Bestätigung der Scheidung in sämtlichen involvierten Staaten notwendig.

Hat eine hinkende Ehe Auswirkungen auf die Staatsangehörigkeit?

Die Anerkennung einer Ehe spielt in vielen Staaten eine entscheidende Rolle für den Erwerb der Staatsangehörigkeit, etwa durch Ehegattennachzug oder erleichterte Einbürgerung. Wird eine Ehe im Aufenthaltsstaat nicht anerkannt, scheiden hieraus abgeleitete Ansprüche, wie beispielsweise ein Aufenthaltsrecht, Erwerb der Staatsangehörigkeit oder Nachzugsrechte des Ehegatten, aus. Im Heimatstaat, in dem die Ehe gültig ist, können diese Ansprüche hingegen bestehen. Somit führt die hinkende Ehe zu einer Unsicherheit bezüglich der Frage, welche Rechte der ausländische Ehepartner in Bezug auf Aufenthalt, Erwerb der Staatsangehörigkeit, Familiennachzug und sozialrechtliche Ansprüche tatsächlich geltend machen kann. Fachkundige Beratung und frühzeitige Klärung der Anerkennungsvoraussetzungen einer Ehe sind in internationalen Konstellationen daher unerlässlich.