Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Strafrecht»Hilfsschöffe

Hilfsschöffe


Begriff und rechtliche Einordnung des Hilfsschöffen

Der Hilfsschöffe ist eine in der deutschen Strafrechtspflege vorgesehene Person, die im Rahmen der Schöffengerichtsbarkeit als Ersatzschöffe im Strafverfahren eingesetzt werden kann. Im Gegensatz zum Hauptschöffen, der regulär zu den Sitzungen berufen wird, übernimmt der Hilfsschöffe seine Funktion nur dann, wenn eine ordentliche Beteiligung der Hauptschöffen nicht möglich ist. Die rechtlichen Grundlagen und Voraussetzungen für den Einsatz von Hilfsschöffen sind im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sowie in weiteren Verfahrensvorschriften geregelt. Hilfsschöffen sind ein wesentlicher Bestandteil der Sicherstellung des gesetzlichen Richters und der ordnungsgemäßen Besetzung der Strafkammern in Deutschland.


Historische Entwicklung des Hilfsschöffenamtes

Die Institution des Hilfsschöffen wurde mit der Reformierung der deutschen Strafprozessordnung im 19. Jahrhundert eingeführt, um die Besetzung von Schöffengerichten abzusichern. Der Bedarf ergab sich aus der Notwendigkeit, bei krankheits- oder urlaubsbedingtem Ausfall der Hauptschöffen die Funktionsfähigkeit der Strafgerichtsbarkeit aufrechtzuerhalten und Verfahrensverzögerungen zu vermeiden. Ursprünglich fand der Begriff vermehrt in der Nachkriegszeit und im Zusammenhang mit Engpässen bei der Schöffenbesetzung Anwendung.


Rechtsgrundlagen des Hilfsschöffen

Stellung im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)

Die rechtliche Einordnung von Hilfsschöffen ergibt sich insbesondere aus dem Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Nach § 47 GVG werden neben den Hauptschöffen zusätzlich Ersatzschöffen, auch als Hilfsschöffen bezeichnet, berufen. Die Vorschriften regeln dabei sowohl die Amtszeit als auch die Berufung.

Unterschiede zu Haupt- und Ersatzschöffen

Hilfsschöffen werden häufig synonym mit Ersatzschöffen verwendet. Im engeren Sinne bezeichnet “Hilfsschöffe” denjenigen Schöffen, der in Einzelfällen kurzfristig für verhinderte Haupt- oder Ersatzschöffen einspringt. Im Gegensatz zu hauptberuflichen Richtern nehmen Hilfsschöffen – wie alle Schöffen – ehrenamtlich an den Sitzungen teil.

Auswahl und Berufungsverfahren

Voraussetzungen

Für die Auswahl von Hilfsschöffen gelten die allgemeinen Voraussetzungen für das Schöffenamt (§§ 31-36 GVG), insbesondere bezüglich Alter, Staatsangehörigkeit, Eignung und Vorstrafenfreiheit. Hilfsschöffen werden aus den gleichen Vorschlagslisten ausgewählt, aus denen sich auch die Hauptschöffen zusammensetzen.

Berufung

Die Berufung erfolgt durch den Schöffenwahlausschuss der jeweiligen Gemeinde bzw. des Gerichtsbezirks. Die Zahl der Hilfsschöffen richtet sich nach dem Bedarf, wobei das Gericht anhand der voraussichtlichen Ausfälle die erforderliche Anzahl festlegt.


Einsatz und Aufgabenbereiche des Hilfsschöffen

Funktion während der Gerichtsverhandlung

Hilfsschöffen übernehmen ihre Funktion, wenn durch den Ausfall von Haupt- oder Ersatzschöffen die erforderliche Zahl von Beisitzern nicht mehr gegeben ist. Sie nehmen im Rahmen der Gerichtsverhandlung die volle Funktion eines Schöffen wahr, einschließlich der Mitwirkung bei Urteilsfindung und Abstimmungen.

Rechtliche Stellung und Mitwirkungsbefugnisse

Im konkreten Verfahren unterscheiden sich Hilfsschöffen nicht von den anderen Mitgliedern des Gerichts. Sie haben dieselben Stimmrechte und sind gleichberechtigt an der Entscheidungsfindung beteiligt. Während ihrer Mitwirkung unterliegen sie den gleichen Verschwiegenheitspflichten und Verantwortlichkeiten.

Mitwirkung beim Urteil und bei Verfahrenshandlungen

Hilfsschöffen wirken bei der gesamten Hauptverhandlung mit, sobald sie für einen verhinderten Schöffen eintreten. Die Rechtsprechung legt hierbei Wert darauf, dass der eingesetzte Hilfsschöffe die komplette Hauptverhandlung von Anfang an verfolgt oder eine ordnungsgemäße Einführung in das Verfahren erfolgt, um die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme zu gewährleisten.


Rechte und Pflichten des Hilfsschöffen

Rechte

  • Mitwirkungsrecht: Gleichberechtigte Teilnahme an der Urteilsfindung
  • Fragerecht: Möglichkeit, Fragen im Rahmen der Beweisaufnahme zu stellen
  • Stimmrecht: Volles Stimmrecht bei sämtlichen Beschlüssen und Urteilen während der Sitzung

Pflichten

  • Verschwiegenheitspflicht: Geheimhaltung des Beratungsverlaufs und der Abstimmungsergebnisse
  • Teilnahmepflicht: Anwesenheitspflicht bei den zugewiesenen Sitzungen, sofern geladen
  • Unparteilichkeit: Verpflichtung zur sachlichen und neutralen Amtsführung

Abgrenzung zu weiteren Gerichtsbeteiligten und Begrifflichkeiten

Unterschied zu weiteren Ersatzschöffen

Während umgangssprachlich oft “Hilfsschöffen” und “Ersatzschöffen” gleichgesetzt werden, bezeichnet der Begriff im engeren Sinne Ersatzpersonen, die nicht zur regulären Schöffenbesetzung zählen und nur bei Bedarf hinzugezogen werden.

Kein eigenständiges Amt

Anders als die Hauptschöffen verfügen Hilfsschöffen über kein eigenständiges Amt mit eigenem Aufgabenbereich, sondern stellen eine Reserve zur Sicherstellung der Gerichtsbesetzung dar.


Gesetzliche Regelungen im Überblick

Relevante Normen

  • §§ 31-36 GVG: Voraussetzungen für das Schöffenamt
  • § 47 GVG: Berufung und Zahl der Ersatzschöffen
  • Strafprozessordnung (StPO): Ablauf der Hauptverhandlung und Mitwirkungsrechte

Besondere Bestimmungen

In besonders gelagerten Einzelfällen kann das Gericht während einer laufenden Amtsperiode zusätzliche Personen in den Kreis der Hilfsschöffen aufnehmen, um die Funktionsfähigkeit des Gerichts sicherzustellen.


Bedeutung des Hilfsschöffenamtes für die Strafrechtspflege

Hilfsschöffen sind ein unverzichtbarer Bestandteil der ordentlichen Justiz in Deutschland. Sie tragen dazu bei, die kontinuierliche und rechtsstaatliche Besetzung der Schöffenbank zu garantieren und damit das Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 GG sicherzustellen. Ihr Einsatz vermeidet Verfahrensverzögerungen und stellt sicher, dass Gerichtsentscheidungen stets unter vollständiger Beteiligung der Richterschaft getroffen werden können.


Literatur und weiterführende Quellen

  • Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)
  • Strafprozessordnung (StPO)
  • Bundesministerium der Justiz: Informationen zum Schöffenamt
  • Kommentarliteratur zum GVG und zur Schöffenbeteiligung

Hinweis: Der Begriff „Hilfsschöffe” wird im offiziellen Sprachgebrauch zunehmend durch die Bezeichnung „Ersatzschöffe” abgelöst; in der Rechtsprechung und Literatur finden sich jedoch beide Begriffe, teils auch synonym verwendet.

Häufig gestellte Fragen

Welche Aufgaben und Befugnisse hat ein Hilfsschöffe im Strafverfahren?

Ein Hilfsschöffe ist ein ehrenamtlicher Richter, der im deutschen Strafverfahren berufen wird, um bei Bedarf einen abwesenden Hauptschöffen zu vertreten. Die Aufgaben und Befugnisse des Hilfsschöffen sind denen des Hauptschöffen im Gerichtsverfahren grundsätzlich gleichgestellt (§ 54 GVG). Insbesondere nimmt ein Hilfsschöffe während seiner Heranziehung an der Hauptverhandlung sämtliche Rechte und Pflichten eines Schöffen wahr. Dies umfasst das Anhören der Parteien, das Stellen von Fragen, die Teilnahme an der Beratung und vor allem das Mitwirken an der abschließenden Urteilsfindung mit gleichem Stimmrecht wie ein Berufsrichter. Allerdings endet die Tätigkeit des Hilfsschöffen regelmäßig mit dem Wegfall des Vertretungsfalls, sodass keine weitergehenden Mitwirkungsrechte über die jeweilige Sitzung hinaus bestehen. Die Verpflichtung zur Unparteilichkeit und Verschwiegenheit besteht während und nach der Amtsausübung weiterhin.

Wie wird ein Hilfsschöffe für eine Sitzung bestimmt?

Die Auswahl eines Hilfsschöffen erfolgt aus einer vorher bestimmten und vom Präsidium des Gerichts bestätigten Hilfsschöffenliste. Diese Liste wird gemäß § 54 GVG aufgestellt. Bei Verhinderung eines Hauptschöffen, etwa durch Krankheit, längere Verhinderung oder Befangenheit, wird der nächste in der Liste geführte Hilfsschöffe für die jeweilige Sitzung herangezogen. Die Ladung erfolgt durch die Geschäftsstellen des Gerichts im Vorfeld der Sitzung. Ein Nachrücken während einer bereits laufenden, fortgesetzten Hauptverhandlung ist gesetzlich ausgeschlossen, da die kontinuierliche Anwesenheit der Schöffen für die Gültigkeit der Urteilsfindung unerlässlich ist.

Unterliegt ein Hilfsschöffe denselben Voraussetzungen wie ein Hauptschöffe?

Ja, die rechtlichen Voraussetzungen für das Amt eines Hilfsschöffen entsprechen weitgehend denen eines Hauptschöffen nach §§ 31-33 GVG. Hierzu zählen insbesondere die deutsche Staatsangehörigkeit, das Mindestalter von 25 Jahren, der Wohnsitz im Bezirk des zuständigen Gerichts und der Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte. Zudem dürfen keine Ausschlussgründe vorliegen, etwa laufende Ermittlungsverfahren gegen die Person, einschlägige strafrechtliche Vorstrafen, überschrittene Altersgrenzen oder eine Tätigkeit in bestimmten Berufen (etwa als Richter, Staatsanwalt, Polizeibeamter). Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sind auch für Hilfsschöffen zwingend.

Kann ein Hilfsschöffe während einer laufenden Verhandlung nachrücken?

Ein Nachrücken während einer bereits begonnenen Hauptverhandlung ist im deutschen Strafprozess nicht zulässig. Die Kontinuität der richterlichen Teilnahme an der Hauptverhandlung – worunter auch die Schöffen und Hilfsschöffen fallen – ist eine zwingende Voraussetzung dafür, dass das Urteil auf der vollständigen persönlichen Wahrnehmung der Beweisaufnahme durch die entscheidenden Personen beruht (§ 226 StPO). Ein Hilfsschöffe kann daher nur zu Beginn einer Sitzung eingesetzt werden, wenn feststeht, dass ein Hauptschöffe verhindert ist. Nach Beginn kann keine Ersatzperson nachrücken; im Falle des Ausfalls ist die Verhandlung grundsätzlich zu wiederholen.

Welche rechtlichen Pflichten und Haftungen bestehen für Hilfsschöffen?

Hilfsschöffen unterliegen denselben rechtlichen Pflichten wie andere Laienrichter. Sie sind zur gewissenhaften Amtsausübung, Unparteilichkeit und Verschwiegenheit (§ 45 DRiG) verpflichtet. Verletzen Hilfsschöffen ihre Amtspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig, können sie in sehr seltenen Ausnahmefällen unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten haftbar gemacht werden (§ 839 BGB). Strafrechtliche Folgen ergeben sich beispielsweise bei einer Verletzung von Dienstgeheimnissen (§ 353b StGB) oder durch Bestechlichkeit (§ 332 StGB). Eine Abberufung während der Amtsperiode ist nur unter engen Voraussetzungen möglich, etwa bei nachträglich bekannt gewordener Befangenheit oder Unzuverlässigkeit (§ 51 GVG).

Wie erfolgt die Entschädigung und Freistellung für Hilfsschöffen?

Die Entschädigung der Hilfsschöffen erfolgt nach den Vorschriften des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG). Sie erhalten eine Aufwandspauschale für Zeitversäumnis und gegebenenfalls Verdienstausfall. Für den Zeitraum, in dem sie für das Gericht tätig sind, besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Freistellung von der Arbeit (§ 45 DRiG, § 54 JVEG). Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis wegen der Schöffenpflichten weder kündigen noch benachteiligen. Reise- und Übernachtungskosten sind ebenfalls erstattungsfähig. Die Entschädigung ist unabhängig davon, ob der Hilfsschöffe tatsächlich zur Verhandlung herangezogen wird; sie wird bereits für die Ladung zur Bereitschaft gezahlt.

Können sich Hilfsschöffen gegen ihre Berufung oder Ladung wehren?

Gegen die Berufung zum Hilfsschöffen können sich Betroffene nur in engen gesetzlichen Grenzen wehren. Widersprechen können sie insbesondere unter den in § 35 GVG aufgeführten Hinderungsgründen (z.B. Krankheit, Berufsunfähigkeit, dringende berufliche oder familiäre Gründe). Ein entsprechender Antrag auf Befreiung ist mit Nachweisen zu untermauern und beim zuständigen Gericht einzureichen, das, nach pflichtgemäßem Ermessen, über die Zulässigkeit entscheidet. Gegen die Ablehnung ist eine Beschwerde möglich, über die das Landgericht entscheidet (§ 37 GVG). Ein generelles Recht zur Verweigerung der Übernahme des Amtes gibt es nicht.