Begriff und Bedeutung der Herstellung des ehelichen Lebens
Die Herstellung des ehelichen Lebens ist ein zivilrechtlicher Begriff, der insbesondere im deutschen Familienrecht verankert ist. Er bezeichnet die Wiederaufnahme oder erstmalige Herstellung des gemeinschaftlichen ehelichen Zusammenlebens zwischen Ehegatten, das im Kern den Kernbereich der Ehe als Lebensgemeinschaft umfasst. Die Regelungen hierzu finden sich vor allem im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), namentlich in den Vorschriften über die Ehe und das Eheverhältnis (§§ 1353 ff. BGB).
Der Begriff findet primär bei rechtlichen Fragestellungen rund um das Getrenntleben der Ehegatten, bei Trennung und Scheidung, beim Ehegattenunterhalt sowie im Zusammenhang mit dem besonderen familienrechtlichen Eilverfahren (sog. einstweiliger Anordnung) praktische Bedeutung.
Rechtlicher Rahmen der Herstellung des ehelichen Lebens
Gesetzliche Grundlagen
Die rechtlichen Leitlinien zur Herstellung des ehelichen Lebens ergeben sich aus den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, insbesondere:
- § 1353 BGB – Eheliche Lebensgemeinschaft
- § 1361 BGB – Ehegattenunterhalt bei Getrenntleben
- §§ 1365 ff. BGB – Rechtsverhältnis der Ehegatten zueinander
- § 861 ZPO – Verfahren auf Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft (einstweilige Anordnung)
Eheliche Lebensgemeinschaft
Kern der Herstellung des ehelichen Lebens ist die Wiederaufnahme der sogenannten ehelichen Lebensgemeinschaft. § 1353 Abs. 1 BGB bestimmt, dass die Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet sind. Dies beinhaltet:
- das räumliche Zusammenleben
- eine persönliche Verbundenheit
- Beistand und Rücksichtnahme
Die eheliche Lebensgemeinschaft umfasst nicht nur das gemeinsame Wohnen, sondern auch die gegenseitige Zuwendung, Fürsorge sowie die Mitwirkung bei der Haushalts- und Lebensführung. Die Herstellung des ehelichen Lebens bedeutet daher die tatsächliche und gewollte Wiederherstellung dieser umfassenden Gemeinschaft.
Anwendungsfelder und Rechtsfolgen
Trennung und Getrenntleben
Ein zentraler Anwendungsbereich ist das Getrenntleben der Ehegatten gemäß § 1567 BGB. Die Herstellung des ehelichen Lebens wird insbesondere dann bedeutsam, wenn ein Ehegatte nach (zeitweiligem) Getrenntleben die Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft begehrt.
Recht auf Herstellung des ehelichen Lebens
Prinzipiell hat jeder Ehegatte einen Anspruch darauf, dass der andere Ehegatte am gemeinsamen Leben in der Ehe mitwirkt, sofern keine Trennungsabsicht besteht. Die Verweigerung dieses Zusammenlebens kann weitreichende Folgen für unterhaltsrechtliche oder scheidungsbezogene Fragestellungen haben.
Gerichtliche Durchsetzung
Einstweilige Anordnungen
Nach § 861 ZPO besteht die Möglichkeit, die Herstellung des ehelichen Lebens gerichtlich im Wege der einstweiligen Anordnung durchzusetzen. In der Praxis kommt dies jedoch äußerst selten vor, da ein erzwungenes Zusammenleben in einer privaten Ehewohnung kaum tatsächliche und zumutbare Ergebnisse hervorbringen würde.
Das Vorgehen dient meist dazu, die Voraussetzungen des Zusammenlebens (z. B. Zutritt zur Ehewohnung oder Herausgabe von Schlüsseln) zu sichern. Der Wille beider Ehegatten zur Wiederaufnahme der Gemeinschaft bleibt allerdings unerlässlich.
Grenzen der Herstellung (Unzumutbarkeit)
Ein Anspruch auf Herstellung des ehelichen Lebens ist ausgeschlossen, wenn ein Zusammenleben einem Ehegatten nicht länger zumutbar ist (z. B. bei Gewalt, Drohung oder schwerwiegenden Loyalitätsverletzungen). Die Grenze liegt hier im Persönlichkeitsrecht und dem Schutz vor Gewalt.
Bedeutung im Unterhaltsrecht
Die Herstellung des ehelichen Lebens entfaltet unmittelbare Folgen für den Anspruch auf Trennungsunterhalt nach § 1361 BGB. Unterhalt kann nur dann beansprucht werden, wenn das eheliche Leben tatsächlich getrennt wird. Kommt es durch die Herstellung des ehelichen Lebens zur Wiederaufnahme des Zusammenlebens, endet der Trennungsunterhalt.
Praktische Relevanz und Verfahren
Typische Verfahrensabläufe
- Außergerichtliche Einigung: Oft gehen dem Versuch der Herstellung Gespräche oder Vermittlungsversuche voraus.
- Antragstellung bei Gericht: Im Ausnahmefall kann ein Ehegatte bei Gericht beantragen, den anderen zur Wiederherstellung des ehelichen Lebens zu verpflichten.
- Einstweiliger Rechtsschutz: In besonders eilbedürftigen Fällen kann eine einstweilige Anordnung beantragt werden.
- Vollstreckung: Eine tatsächliche zwangsweise Durchsetzung des Zusammenlebens ist rechtlich und tatsächlich ausgeschlossen; vielmehr werden begleitende Maßnahmen, wie der Zugang zur Wohnung, geregelt.
Scheidungs- und Unterhaltsverfahren
Kommt es nicht zur Herstellung des ehelichen Lebens, bleibt das Getrenntleben bestehen, was häufig zu weiteren familienrechtlichen Verfahren führt – insbesondere Scheidung und Trennungsunterhalt. Die Wiederaufnahme der Lebensgemeinschaft setzt das Trennungsjahr zurück.
Grenzen des Anspruchs und Rechtsprechung
Persönlichkeitsrecht und Zumutbarkeit
Die Herstellung des ehelichen Lebens ist unzulässig, wenn sie das Persönlichkeitsrecht oder das Wohl eines Ehegatten oder gemeinsamer Kinder beeinträchtigen würde. Gewalt, Drohungen, nachhaltige Beleidigungen oder gravierende Treueverstöße zählen zu den typischen Unzumutbarkeitsgründen.
Wesentliche Entscheidungen
Die Rechtsprechung hat die Durchsetzbarkeit der Herstellung des ehelichen Lebens weitgehend eingeschränkt und betont, dass eine Ehe auf gegenseitigem Willen basiert. Eine erzwungene Lebensgemeinschaft widerspricht dem Schutz der Menschenwürde und dem Grundsatz der freiwilligen Lebensführung.
Zusammenfassung
Die Herstellung des ehelichen Lebens ist ein zentraler Begriff des deutschen Familienrechts und bezieht sich auf die Wiederaufnahme und Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft zwischen Ehegatten. Sie ist rechtlich durch zahlreiche Vorschriften zum Zusammenleben, Unterhalt und Scheidungsverfahren geregelt. Trotz theoretisch möglicher gerichtlicher Durchsetzung ist eine tatsächliche zwangsweise Wiedereinsetzung des Zusammenlebens unzulässig und findet in der Praxis nur in Ausnahmefällen statt. Die Grenzen liegen im Schutz von Persönlichkeitsrechten und Unzumutbarkeitskriterien. In der familienrechtlichen Praxis ist die Herstellung des ehelichen Lebens vor allem im Zusammenhang mit Trennung, Unterhalt und Scheidungsverfahren relevant und entfaltet hier weitreichende rechtliche Auswirkungen.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Verpflichtungen bestehen im Zusammenhang mit der Herstellung des ehelichen Lebens?
Die rechtlichen Verpflichtungen bezüglich der Herstellung des ehelichen Lebens ergeben sich aus den entsprechenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), insbesondere aus den §§ 1353 ff. BGB. Ehegatten sind demnach verpflichtet, in einer ehelichen Lebensgemeinschaft zu leben und füreinander Verantwortung zu tragen. Das bedeutet rechtlich, dass sie sich gegenseitig Beistand und Unterstützung leisten sowie Rücksicht auf die Belange des anderen nehmen müssen. Die konkrete Ausgestaltung dieser Verpflichtung bleibt jedoch im Privaten und unterliegt grundsätzlich keiner staatlichen Kontrolle, insbesondere nicht im Hinblick auf die persönliche Beziehungsgestaltung oder häusliche Gemeinschaftspflichten. Eine zwangsweise Durchsetzung der Wiederherstellung des ehelichen Lebens durch staatliche Maßnahmen ist unzulässig (§ 120 Abs. 3 FamFG), da das Persönlichkeitsrecht und die Menschenwürde der Ehegatten schützenswert sind.
Ist die zwangsweise Herstellung oder Erzwingung des ehelichen Lebens rechtlich möglich?
Eine zwangsweise Herstellung oder Durchsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft ist nach deutschem Recht unzulässig. Dies folgt insbesondere aus dem Verbot der Zwangsvollstreckung bei höchstpersönlichen Handlungen (§ 120 Abs. 3 FamFG, § 888 Abs. 3 ZPO). Der Gesetzgeber schützt hiermit die persönliche Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht der Ehegatten. Die Wiederherstellung kann lediglich durch Appelle oder Beratungsangebote, nicht jedoch durch gerichtlichen Zwang oder Sanktionen herbeigeführt werden. Ein familiengerichtlicher Antrag, mit dem ein Ehegatte die Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft einfordern will, ist infolgedessen grundsätzlich unstatthaft.
Welche rechtlichen Folgen hat die Verweigerung der Herstellung des ehelichen Lebens?
Die Verweigerung, das eheliche Leben gemeinsam zu führen, kann unter bestimmten Voraussetzungen eine „Zerrüttung“ der Ehe im Sinne von § 1565 BGB begründen und somit ein Scheidungsverfahren einleiten oder beschleunigen. Zudem kann das dauerhafte Getrenntleben Auswirkungen auf unterhaltsrechtliche Ansprüche und die Hausratsverteilung haben. Dabei ist zu differenzieren, ob die Trennung auf einer einvernehmlichen Entscheidung beruht oder ein Ehegatte die Herstellung grundlos verweigert. Im letzteren Fall kann dies unter Umständen auch für Trennungsunterhalt oder das Umgangsrecht für gemeinsame Kinder von Bedeutung sein.
Welche Rolle spielt der „gemeinsame Hausstand“ bei der Herstellung des ehelichen Lebens aus rechtlicher Sicht?
Das Führen eines gemeinsamen Hausstands ist typischerweise Ausdruck des ehelichen Zusammenlebens, aber nicht zwingend erforderlich, sofern die Ehegatten übereinstimmend eine andere Lebensführung wünschen. Kommt es zum Streit über die Wohnung oder das Verbleiben im Hausstand, kann nach § 1361b BGB einer der Ehegatten vom anderen die Überlassung der Ehewohnung verlangen, insbesondere zum Schutz vor Härtefällen. Dabei prüfen die Gerichte, ob triftige Gründe vorliegen, die ein Getrenntleben erforderlich erscheinen lassen. Auch nach einer Trennung bleibt das Prinzip der Rücksichtnahme und des gegenseitigen Schutzes weiterhin relevant.
Hat die Weigerung zur Herstellung des ehelichen Lebens Auswirkungen auf Unterhaltsansprüche?
Die Weigerung, das eheliche Leben herzustellen, kann insbesondere beim Trennungs- und nachehelichen Unterhalt (§§ 1361, 1579 BGB) relevant werden. So kann ein Ehegatte, der ohne nachvollziehbare Gründe die eheliche Gemeinschaft auflöst oder deren Wiederherstellung verweigert, gegebenenfalls seinen Unterhaltsanspruch ganz oder teilweise verlieren (z.B. in Fällen grober Unbilligkeit). Hierfür bedarf es jedoch einer Einzelfallprüfung durch das Familiengericht, das unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände eine individuelle Entscheidung trifft.
Inwiefern ist die Herstellung des ehelichen Lebens bei internationalen Ehen von Bedeutung?
Bei internationalen Ehen ist hinsichtlich der Herstellung des ehelichen Lebens zu prüfen, welches Recht Anwendung findet. Nach Art. 15 EGBGB sowie den einschlägigen Verordnungen (z.B. Rom III-VO) kann sowohl das deutsche, als auch das ausländische Recht maßgeblich sein. Dabei sind unterschiedliche Auffassungen über die Ausgestaltung der Ehe zu berücksichtigen, insbesondere hinsichtlich Trennungsmodalitäten, Pflichten der Ehegatten und etwaiger staatlicher Eingriffsmöglichkeiten. In grenzüberschreitenden Fällen kann die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen auf Herstellung des ehelichen Lebens insbesondere durch die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen beeinflusst werden.
Können Ehegatten sich vertraglich zur Herstellung des ehelichen Lebens verpflichten?
Grundsätzlich steht es Ehegatten frei, Regelungen über das Zusammenleben in Eheverträgen festzulegen. Allerdings sind Klauseln, die auf eine zwangsweise Herstellung oder Fortführung des ehelichen Lebens abzielen, rechtlich nicht durchsetzbar (§ 138 BGB, Sittenwidrigkeit). Persönliche Handlungen und höchstpersönliche Lebensbereiche sind vom Bereich wirksamer Vertragsgestaltungen ausgeschlossen. Vertragliche Bestimmungen, die einen Ehegatten etwa für die dauerhafte Verweigerung des ehelichen Lebens zu Unterhaltszahlungen verpflichten, können jedoch als Orientierungshilfe für die Bewertung von Unterhaltsansprüchen herangezogen werden, wenn die Parteien dies so vereinbaren.