Hermesdeckung: Begriff, Zweck und Abgrenzung
Die sogenannte Hermesdeckung ist die gebräuchliche Bezeichnung für die staatlichen Exportkreditgarantien der Bundesrepublik Deutschland. Mit ihr können deutsche Exporteure und finanzierende Banken Zahlungsausfälle aus Auslandsgeschäften absichern. Abgedeckt werden je nach Ausgestaltung politische Risiken (etwa staatliche Maßnahmen im Importland) und wirtschaftliche Risiken (etwa Zahlungsunfähigkeit des ausländischen Käufers). Die Bezeichnung geht historisch auf die Mandatsträgerschaft eines privaten Kreditversicherers zurück; rechtlich handelt es sich jedoch um ein staatliches Förderinstrument.
Laienverständliche Definition
Unter Hermesdeckung versteht man die staatliche Zusage, bei Eintritt bestimmter, im Voraus definierter Ausfallereignisse einen großen Teil des finanziellen Schadens zu ersetzen. Die Deckung bezieht sich auf konkrete Exportgeschäfte oder Kreditfinanzierungen, die mit einem Ausfuhrgeschäft zusammenhängen.
Zielsetzung
Ziel der Hermesdeckung ist die Absicherung außenwirtschaftlicher Risiken, die vom privaten Markt nur eingeschränkt übernommen werden, sowie die Förderung wettbewerbsfähiger Rahmenbedingungen für deutsche Exporte. Dabei ist die Deckung stets an überprüfbare wirtschaftliche, ökologische und menschenrechtliche Maßstäbe geknüpft.
Abgrenzung zu anderen Instrumenten
Hermesdeckungen sichern Zahlungsrisiken aus Exporten ab. Davon zu unterscheiden sind Investitionsgarantien des Bundes für deutsche Direktinvestitionen im Ausland. Private Warenkreditversicherungen bieten ebenfalls Deckung gegen Zahlungsausfälle, sind jedoch keine staatlichen Garantien.
Rechtliche Einordnung und Struktur
Rechtsnatur
Die Hermesdeckung ist eine Garantie des Bundes in öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung. Sie beruht auf einer individuellen Deckungszusage, die die wesentlichen Rechte und Pflichten festlegt, und auf standardisierten Bedingungen. Die Abwicklung erfolgt im Auftrag des Bundes durch beauftragte Mandatare. Im Innenverhältnis gelten öffentlich-rechtliche Grundsätze, insbesondere zur Bindung an die Deckungsbedingungen, zu Mitwirkungspflichten und zu Ermessensentscheidungen bei der Bewilligung.
Rechtsgrundlagen im weiteren Sinne
Die Deckung stützt sich auf ein konsistentes Regelwerk aus Programmbedingungen, Richtlinien, Verfahrensvorgaben und Entscheidungspraxis des Bundes. International wird die Ausgestaltung durch zwischenstaatlich abgestimmte Standards für staatlich unterstützte Exportkredite geprägt. Innerhalb der Europäischen Union wirken beihilferechtliche Vorgaben auf die Zulässigkeit bestimmter Deckungen ein.
Pflichten und Obliegenheiten der Deckungsnehmer
Die Deckungszusage ist an die Einhaltung vertraglich festgehaltener Pflichten geknüpft. Typische Obliegenheiten sind:
- vollständige und richtige Angaben im Antrag und während der Laufzeit,
- Beachtung von Compliance-Anforderungen, insbesondere zu Korruptionsprävention, Sanktions- und Embargoregeln,
- prüfbare Dokumentation des Geschäftsverlaufs,
- schadenminderndes Verhalten, etwa bei Zahlungsverzug des Importeurs,
- fristgerechte Schadensmeldung unter Beifügung der geforderten Nachweise.
Verstöße können zur Kürzung oder Versagung der Entschädigung führen.
Deckungsarten
Einzel- und Sammeldeckungen
Die Deckung kann für ein einzelnes Exportgeschäft (Einzeldeckung) oder für eine Vielzahl von Geschäften mit wiederkehrenden Lieferungen (Sammel- bzw. Revolving-Deckungen) gewährt werden. Sammeldeckungen bündeln gleichartige Risiken und standardisieren Pflichten und Abläufe.
Geschäftsspezifische Ausgestaltungen
Lieferantenkreditdeckung
Absicherung des Zahlungsrisikos, wenn der Exporteur dem ausländischen Käufer Zahlungsziele einräumt. Der Exporteur ist Deckungsnehmer.
Finanzkreditdeckung (Käuferkredit)
Absicherung von Banken, die dem ausländischen Käufer oder dessen Bank einen Kredit zur Bezahlung der deutschen Lieferung gewähren. Der Kreditgeber ist Deckungsnehmer.
Fabrikationsrisikodeckung
Absicherung des Risikos, dass es vor Lieferung zu einem Ausfall kommt, beispielsweise aufgrund politischer Ereignisse oder Zahlungsunfähigkeit des Bestellers während der Herstellungsphase.
Aval- bzw. Bürgschaftsdeckungen
Absicherung von Risiken aus Sicherheiten, die der Exporteur zugunsten des ausländischen Bestellers stellt (z. B. An- und Vorauszahlungs-, Vertragserfüllungs- oder Gewährleistungsbürgschaften).
Gedeckte Risiken und Ausschlüsse
Politische Risiken
- staatliche Maßnahmen im Importland (zahlungs- oder transferhemmende Akte),
- Krieg, Revolution, Aufruhr und vergleichbare Ereignisse,
- Moratorien und Devisentransferbeschränkungen,
- Enteignung oder hoheitliche Eingriffe, die die Vertragserfüllung verhindern.
Wirtschaftliche (kommerzielle) Risiken
- Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit des ausländischen Käufers,
- langandauernder Zahlungsverzug nach Fälligkeit bei festgelegter Wartefrist,
- bestimmte Vertragsverletzungen, soweit sie nachweislich zu einem Forderungsausfall führen.
Höhere Gewalt und sonstige Tatbestände
Je nach Deckungsart sind Ereignisse höherer Gewalt oder spezifische Gefahren der Herstellungsphase abgedeckt, wenn diese den Leistungsaustausch dauerhaft vereiteln oder Zahlungen unmöglich machen.
Übliche Ausschlüsse
- nicht genehmigte oder sanktionswidrige Geschäfte,
- Streitigkeiten über Qualität oder Menge, solange der Leistungsstörungstatbestand nicht abschließend geklärt ist,
- Schäden, die auf Pflichtverletzungen des Deckungsnehmers beruhen,
- Risiken, die dem gewöhnlichen Unternehmerrisiko zuzurechnen sind und nicht deckungsfähig definiert wurden.
Beteiligte und Rechtsbeziehungen
Bund und Mandatare
Garant ist die Bundesrepublik Deutschland. Mit der operativen Prüfung, Bewilligung und Verwaltung sind beauftragte Mandatare betraut. Diese handeln im Namen und für Rechnung des Bundes nach dessen Vorgaben.
Exporteur, Bank und ausländischer Vertragspartner
Deckungsnehmer ist je nach Deckungsart der Exporteur oder die finanzierende Bank. Der ausländische Käufer ist Drittbeteiligter ohne eigene Ansprüche aus der Deckung, aber mit mittelbarer Betroffenheit, etwa bei Regressnahmen.
Abtretung, Sicherheiten und Rechtsnachfolge
Ansprüche aus der Deckung können nach Maßgabe der Deckungsbedingungen abgetreten werden, insbesondere an finanzierende Banken. Im Entschädigungsfall gehen Forderungsrechte gegen den ausländischen Schuldner anteilig auf den Bund über (gesetzlicher Forderungsübergang); bestehende Sicherheiten dienen der Befriedigung vorrangig mit.
Verfahren und Entscheidungsmaßstäbe
Antrag und Prüfung
Die Antragstellung umfasst Angaben zum Geschäft, zum Käufer, zur Zahlungsstruktur sowie zu Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsaspekten. Die Entscheidung erfolgt nach Risiko- und Förderkriterien des Bundes, einschließlich Länder- und Käuferprüfung.
Konditionen, Prämien und Selbstbehalt
Die Kosten der Deckung bestehen aus Prämien und gegebenenfalls Gebühren. Die Prämienhöhe orientiert sich an Risikomerkmalen wie Laufzeit, Land, Bonität des Schuldners und Struktur des Geschäfts. Der Deckungsnehmer trägt regelmäßig einen Selbstbehalt; genaue Quoten und Wartefristen ergeben sich aus der individuellen Deckungszusage.
Entschädigung und Regress
Im Entschädigungsfall zahlt der Bund nach Eintritt eines gedeckten Ereignisses und Ablauf vertraglich bestimmter Fristen. Mit Zahlung gehen die entsprechenden Forderungsrechte anteilig auf den Bund über. Rückflüsse aus der Verwertung von Sicherheiten oder aus Zahlungen des Auslandsschuldners werden zwischen Bund und Deckungsnehmer nach Maßgabe der Bedingungen verteilt.
Europäischer und internationaler Rahmen
Beihilferechtliche Einordnung
Als staatlich gestützte Risikodeckung unterliegt die Hermesdeckung beihilferechtlichen Vorgaben. Für bestimmte kurzfristige, marktfähige Risiken in wirtschaftlich starken Ländern gelten besondere Einschränkungen. Temporäre Anpassungen sind möglich, wenn außergewöhnliche Marktlagen vorliegen.
OECD- und weitere Standards
Die Ausgestaltung der Hermesdeckung orientiert sich an international abgestimmten Regeln für offiziell unterstützte Exportkredite. Diese betreffen unter anderem Mindestprämien, Laufzeiten, Anzahlungserfordernisse, nachhaltige Kreditvergabe an Staaten sowie Umwelt- und Sozialprüfungen. Ziel ist die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und die Einhaltung verantwortungsvoller Geschäftsstandards.
Typische Rechtsfragen und Streitpunkte
- Auslegung des Deckungsumfangs und der gedeckten Tatbestände,
- Folgen von Pflichtverstößen oder risikorelevanten Vertragsänderungen,
- Behandlung von Qualitäts- und Leistungsstörungen im Grundgeschäft,
- Wirkungen von Sanktionen, Embargos und Exportkontrolle auf die Deckung,
- Zulässigkeit von Abtretungen und die Rangfolge von Sicherheiten,
- Verhältnis zu privaten Kreditversicherungen und Doppelabsicherungen.
Abgrenzung zu privaten Kreditversicherungen
Private Kreditversicherungen decken in eigener Rechnung und nach privatrechtlichen Bedingungen. Die Hermesdeckung ist eine staatliche Garantie mit öffentlichen Förderzielen und international koordinierten Rahmenregeln. In manchen Marktsegmenten (insbesondere politisches Risiko und lange Laufzeiten) wird Absicherung typischerweise durch die staatliche Deckung ermöglicht, während privatwirtschaftliche Angebote auf kurz- bis mittelfristige, marktfähige Risiken fokussieren.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Hermesdeckung
Was ist der rechtliche Charakter der Hermesdeckung?
Die Hermesdeckung ist eine staatliche Garantie in öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung. Grundlage ist eine individuelle Deckungszusage auf Basis standardisierter Bedingungen. Rechte und Pflichten ergeben sich aus dieser Zusage und den dazugehörigen Programmbedingungen.
Welche Risiken werden rechtlich typischerweise erfasst?
Erfasst werden regelmäßig politische Risiken wie staatliche Zahlungs- oder Transferbeschränkungen sowie wirtschaftliche Risiken wie Zahlungsunfähigkeit oder langandauernder Verzug des ausländischen Käufers. Der genaue Umfang ergibt sich aus der jeweiligen Deckungsart und -zusage.
Wer kann Deckungsnehmer sein und welche Beziehungen bestehen?
Deckungsnehmer ist je nach Deckungsart der Exporteur oder die finanzierende Bank. Garant ist der Bund. Der ausländische Käufer hat keine eigenen Ansprüche aus der Deckung; im Entschädigungsfall gehen Forderungen gegen ihn anteilig auf den Bund über.
Welche Pflichten treffen den Deckungsnehmer?
Typische Pflichten betreffen richtige und vollständige Angaben, die Beachtung von Compliance-Vorgaben, Dokumentations- und Mitwirkungsanforderungen, schadenminderndes Verhalten sowie fristgerechte Schadensmeldungen. Pflichtverletzungen können die Entschädigung beeinflussen.
Wie wirkt sich das EU-Beihilferecht aus?
Das EU-Beihilferecht begrenzt staatlich gestützte Absicherungen für bestimmte kurzlaufende, marktfähige Risiken. Für andere Risikosegmente ist staatliche Deckung zulässig, sofern sie den einschlägigen unionsrechtlichen Vorgaben entspricht.
Welche Rolle spielen internationale Standards?
Internationale Regeln für staatlich unterstützte Exportkredite legen unter anderem Mindestprämien, Laufzeiten und Prüfmaßstäbe fest. Sie dienen der Wettbewerbsneutralität und der Einhaltung von Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards.
Was geschieht rechtlich im Entschädigungsfall?
Nach Eintritt eines gedeckten Ereignisses und Erfüllung der vertraglichen Voraussetzungen leistet der Bund Entschädigung. Die entsprechenden Forderungsrechte gegen den Auslandsschuldner gehen anteilig auf den Bund über, und Rückflüsse werden nach den Bedingungen verteilt.
Wodurch kann der Entschädigungsanspruch entfallen oder gekürzt werden?
Ein Anspruch kann entfallen oder reduziert werden, wenn Ausschlusstatbestände greifen, Pflichten verletzt wurden, nicht gedeckte Risiken verwirklicht sind oder erforderliche Fristen und Nachweise nicht eingehalten wurden. Maßgeblich ist die individuelle Deckungszusage mit ihren Bedingungen.