Herbeiführen einer Überschwemmung: Begriff und Einordnung im Strafrecht
Das Herbeiführen einer Überschwemmung ist ein Straftatbestand im deutschen Strafrecht, der sich auf die vorsätzliche oder fahrlässige Verursachung einer Überschwemmung bezieht. Der Begriff ist insbesondere in § 313 Strafgesetzbuch (StGB) rechtlich verankert. Ziel dieser Regelung ist der Schutz hoher Rechtsgüter vor den gravierenden Gefahren einer absichtlich oder fahrlässig ausgelösten Überschwemmung, wie beispielsweise das Leben, die Gesundheit von Menschen oder Sachen von bedeutendem Wert.
Gesetzliche Grundlage
§ 313 StGB – Herbeiführen einer Überschwemmung
Die strafrechtliche Regelung findet sich als eigenständiger Straftatbestand im 28. Abschnitt des Besonderen Teils des StGB unter der Überschrift „Gemeingefährliche Straftaten“. § 313 StGB stellt dabei das Herbeiführen einer Überschwemmung unter Strafe:
Wortlaut § 313 StGB:
„Wer dadurch, dass er Wasser in großen Mengen aus Behältnissen oder gegen die natürliche Fließrichtung ausfließen oder anstauen macht, eine Überschwemmung von Gebieten herbeiführt, die dem öffentlichen Verkehr oder dem Aufenthalt von Menschen oder erheblichen Sachwerten dienen, wird … bestraft.“
Schutzzweck des Tatbestands
Der Schwerpunkt des Tatbestands liegt auf dem präventiven Schutz vor gemeingefährlichen Schäden. Das Gesetz schützt insbesondere:
- das Leben und die körperliche Unversehrtheit von Menschen,
- Sachwerte mit erheblichem Umfang oder Wert,
- die Sicherheit und Funktionsfähigkeit des öffentlichen Verkehrs und Aufenthalts.
Merkmale des Tatbestands
1. Tathandlung
a) Herbeiführen einer Überschwemmung
Tatbestandsmäßig ist jede Handlung, die gezielt oder fahrlässig eine Überschwemmung auslöst. Eine Überschwemmung im Sinne des Gesetzes liegt regelmäßig vor, wenn Wasser in Mengen auf Gebiete gelangt, die üblicherweise trocken sind und bei den betroffenen Personen oder Sachen erhebliche Schäden verursachen kann.
b) Art der Auslösung: Wasser aus Behältnissen oder gegen die natürliche Fließrichtung
Das Gesetz verlangt als qualifizierendes Tatmittel das Auslösen der Überschwemmung
- durch Wasser aus natürlichen oder künstlichen Behältnissen (z. B. Staudämme, Teiche, Wasserreservoirs),
- oder durch einen Eingriff in den natürlichen Verlauf des Wassers (z. B. Umleiten eines Flusses gegen die Fließrichtung, Brechen von Deichen).
2. Der betroffene Bereich
Die Tat muss eine Überschwemmung von Gebieten verursachen, denen eine öffentliche oder besondere Bedeutung zukommt. Dies betrifft insbesondere
- Verkehrsflächen (Straßen, Wege, Bahngleise),
- Orte, an denen sich Menschen aufhalten,
- Gebiete mit erheblichen Sachwerten.
Die Überschwemmung von ungenutzten, abgelegenen oder wertlosen Flächen allein fällt in der Regel nicht unter den Straftatbestand.
Subjektiver Tatbestand: Vorsatz und Fahrlässigkeit
Die Tat kann sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig begangen werden.
a) Vorsatz
Vorsatz ist gegeben, wenn der Täter wissentlich und willentlich eine Überschwemmung verursacht und die Gefährdung von Menschen, Sachwerten oder öffentlichen Einrichtungen in Kauf nimmt.
b) Fahrlässigkeit
Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Täter die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt und infolgedessen eine Überschwemmung verursacht, ohne dies zu beabsichtigen, aber möglich hätte erkennen und verhindern können. Die Strafbarkeit wegen fahrlässigem Herbeiführen einer Überschwemmung ist in § 314 StGB geregelt.
Rechtsfolgen und Strafmaß
Bei vorsätzlicher Begehungsweise sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor. Kommt es im Rahmen der Überschwemmung zu schweren Folgen, insbesondere einer Gefährdung von Leib oder Leben eines Menschen oder zu schwerwiegenden Sachschäden, kommt eine Qualifikation und damit ein verschärftes Strafmaß in Betracht. Der Versuch ist ebenfalls strafbar.
Abgrenzung zu anderen Straftatbeständen
Das Herbeiführen einer Überschwemmung grenzt sich von anderen gemeingefährlichen Straftaten ab, insbesondere von:
- Gefährdung durch Sprengstoffe (§ 308 StGB)
- Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr (§ 315b StGB)
- Allgemeine Sachbeschädigung (§ 303 StGB)
Eine eindeutige Abgrenzung erfolgt nach der spezifischen Art der Tathandlung und der Gefährdungslage. Wird etwa Wasserrohbruch fahrlässig verursacht und kommt es zu erheblichen Schäden, ist zu prüfen, ob § 313 StGB erfüllt ist oder lediglich eine Sachbeschädigung vorliegt.
Strafrechtliche Bewertung und Relevanz in der Praxis
Das Herbeiführen einer Überschwemmung stellt einen wichtigen Schutzmechanismus gegen die erhebliche Gefährdung öffentlicher Belange durch Wasser dar. Typische Fallkonstellationen sind das vorsätzliche Öffnen von Schleusen, das Sabotieren von Deichen oder missbräuchliche Benutzung von technischen Anlagen. Eine Strafverfolgung kann sowohl zivilen Sabotageakten als auch Umweltdelikten und Versagen technischer Leitungssysteme begegnen.
Verhältnis zu zivilrechtlichen Ansprüchen
Neben der strafrechtlichen Sanktionierung bestehen für Geschädigte zivilrechtliche Ansprüche, insbesondere auf Schadensersatz gemäß §§ 823 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), falls durch das Herbeiführen einer Überschwemmung Personen- oder Sachschäden entstehen. Die zivilrechtliche Haftung erfordert keine Verurteilung im Strafprozess; beide Verfahren laufen unabhängig voneinander.
Überblick: Herbeiführen einer Überschwemmung als Straftatbestand
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Herbeiführen einer Überschwemmung im Strafgesetzbuch umfassend geregelt ist und spezifische Vorraussetzungen an Vorsatz, Tathandlung und Gefährdungsumfang stellt. Der Tatbestand ist Ausdruck eines modernen Gefahrenabwehrechts und trägt dem Schutz von Gemeinschaftsgütern vor erheblichen Wassergefahren Rechnung.
Weiterführende Literatur und Hinweise
- Strafgesetzbuch, Textausgabe mit Erläuterungen zu § 313, § 314 StGB
- Kommentierungen zum Besonderen Teil des StGB (Gemeingefährliche Straftaten)
- Rechtsprechung zur Anwendung und Auslegung von § 313 StGB
Hinweis: Dieser Artikel dient der rechtlichen Einordnung und generellen Information zum Begriff „Herbeiführen einer Überschwemmung“ im Sinne des Strafrechts.
Häufig gestellte Fragen
Welche strafrechtlichen Konsequenzen hat das Herbeiführen einer Überschwemmung?
Das Herbeiführen einer Überschwemmung ist in Deutschland gemäß § 313 StGB (Strafgesetzbuch) ein eigenständiger Straftatbestand. Die Tat wird verfolgt, wenn jemand vorsätzlich eine Überschwemmung von Gewässern, Landflächen oder Bauwerken herbeiführt und dadurch die Allgemeinheit in Gefahr bringt. Je nach Schwere der Tat reichen die Strafen von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren; in besonders schweren Fällen, etwa wenn Leib oder Leben einer großen Anzahl von Menschen gefährdet wird oder erhebliche Schäden an bedeutenden Infrastrukturen entstehen, kann die Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahre betragen. Neben einer strafrechtlichen Verfolgung kommen häufig zivilrechtliche Schadensersatzansprüche der Geschädigten hinzu. Bereits der Versuch, eine Überschwemmung herbeizuführen, ist strafbar. Darüber hinaus kann unter Umständen auch eine Verurteilung wegen fahrlässigen Herbeiführens einer Überschwemmung in Betracht kommen, wenn keine Vorsätzlichkeit vorliegt, aber eine grobe Verletzung von Sorgfaltspflichten nachgewiesen werden kann.
In welchen Fällen ist das Herbeiführen einer Überschwemmung ausnahmsweise gerechtfertigt?
Eine Rechtfertigung für das Herbeiführen einer Überschwemmung kommt aus rechtlicher Sicht grundsätzlich nur in Betracht, wenn ein anerkannter Rechtfertigungsgrund vorliegt. Solche Gründe können zum Beispiel Notwehr (§ 32 StGB), Notstand (§ 34 StGB) oder Einwilligung existieren. Im Katastrophenfall kann es nötig sein, gezielt Gebiete zu fluten (zum Beispiel als Hochwasserschutzmaßnahme), um größere Schäden oder Gefahr für Menschenleben abzuwenden. Entscheidend ist, dass die Maßnahme verhältnismäßig ist und keine anderen Mittel zur Schadensabwendung zur Verfügung stehen. Zusätzlich muss in einer solchen Situation die Maßnahme von den zuständigen Behörden angeordnet oder zumindest gebilligt werden. Die eigenmächtige Herbeiführung einer Überschwemmung ohne rechtfertigenden Notstand oder behördliche Genehmigung bleibt strafbar.
Welche zivilrechtlichen Ansprüche bestehen gegen den Verursacher einer Überschwemmung?
Ein Geschädigter kann gegen den Verursacher einer Überschwemmung regelmäßig Ansprüche auf Schadensersatz geltend machen, gestützt auf § 823 Abs. 1 BGB (unerlaubte Handlung), sofern eine schuldhafte Handlung vorliegt. Dabei können sowohl Sach- als auch Vermögensschäden ersetzt verlangt werden. Im Falle vorsätzlichen Handelns kann sogar Schmerzensgeld beansprucht werden, wenn Personen zu Schaden kommen. Darüber hinaus kann ein Anspruch auf Unterlassung bestehen, wenn eine fortgesetzte oder wiederholte Gefahr droht. Ist der Verursacher eine juristische Person, beispielweise ein Unternehmen, kann diese deliktisch haften. Auch öffentlich-rechtliche Ansprüche gegen Behörden sind möglich, wenn diese etwa bei einer Katastrophenschutzmaßnahme fehlerhaft gehandelt haben.
Welche Rolle spielen behördliche Genehmigungen und Auflagen beim Herbeiführen von Überschwemmungen?
Die gezielte Herbeiführung von Überschwemmungen, etwa zu wasserwirtschaftlichen Zwecken (z. B. Rückhaltebecken), erfordert in aller Regel eine wasserrechtliche Genehmigung nach dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und den jeweiligen Landeswassergesetzen. Hierbei werden strenge Maßstäbe angelegt, insbesondere hinsichtlich des Schutzes von Eigentum Dritter und des Allgemeinwohls. Vorschriften zu Umwelt- und Naturschutz gelten ebenfalls, insbesondere wenn schützenswerte Flächen betroffen sind. Verstöße gegen behördliche Auflagen oder das Fehlen einer erforderlichen Genehmigung können neben zivilrechtlichen Folgen auch ordnungswidrigkeitenrechtliche oder strafrechtliche Konsequenzen bis hin zur Stilllegung der Maßnahme und Zwangsgeldern nach sich ziehen.
Wie ist der Versuch einer Überschwemmung rechtlich zu bewerten?
Nach § 313 Abs. 2 StGB ist bereits der Versuch des Herbeiführens einer Überschwemmung strafbar. Ein Versuch liegt vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung zur Tat unmittelbar ansetzt, die Überschwemmung jedoch aus tatsächlichen oder anderen Gründen scheitert. Für die Strafbarkeit genügt die rein subjektive Zielsetzung, eine Überschwemmung herbeizuführen, unabhängig davon, ob die Gefahr tatsächlich eingetreten ist. Im Fall eines Rücktritts vom Versuch können die Strafauswirkungen gemindert oder ausgeschlossen werden, vorausgesetzt, der Täter hat freiwillig und ernsthaft den Erfolg verhindert.
Können auch Unternehmen oder juristische Personen für das Herbeiführen einer Überschwemmung verantwortlich gemacht werden?
Obwohl das Strafgesetz grundsätzlich auf natürliche Personen abstellt, haften Unternehmen oder juristische Personen über das Ordnungswidrigkeitenrecht (§ 30 OWiG) und das Verbandsstrafrecht. Werden Überschwemmungen durch Organisationsmängel, unzureichende Sicherungsmaßnahmen oder durch Anweisungen der Geschäftsleitung begünstigt, kann ein Bußgeld gegen das Unternehmen verhängt werden. Zudem haften juristische Personen zivilrechtlich auf Schadensersatz. Die Verantwortlichkeit von Organen (Geschäftsführer, Vorstände etc.) kommt persönlich in Betracht, insbesondere bei grober Fahrlässigkeit oder Verletzung von Verkehrspflichten.
Welche Relevanz hat der Vorsatz oder die Fahrlässigkeit beim Herbeiführen einer Überschwemmung?
Für eine Strafbarkeit nach § 313 StGB ist grundsätzlich Vorsatz erforderlich, das heißt, der Täter muss die Überschwemmung bewusst und gewollt herbeigeführt haben. Eine fahrlässige Herbeiführung, etwa durch Missachtung von Sorgfaltspflichten, Störungen von Anlagen oder Unterlassungen ist nach § 314 StGB mit geringeren Strafandrohungen ebenfalls strafbar, aber meist nur dann, wenn erhebliche Schäden eingetreten sind. Die Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit ist für die Strafzumessung entscheidend und hängt von den konkreten Umständen und dem Nachweis der inneren Einstellung des Täters ab.