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Herausgabe


Begriff und Bedeutung der Herausgabe

Der Begriff Herausgabe nimmt im deutschen Recht eine zentrale Rolle ein. Er beschreibt die Verpflichtung, eine Sache oder ein Recht an eine bestimmte Person zurückzugeben oder zu übertragen. Herausgabeansprüche entstehen oft aus Eigentumsrechten, Besitzschutz, vertraglichen Vereinbarungen oder aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschriften. Die rechtliche Bedeutung der Herausgabe reicht von zivilrechtlichen Streitigkeiten bis hin zu öffentlich-rechtlichen Fragestellungen.


Rechtliche Grundlagen der Herausgabeansprüche

Herausgabe nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)

Eigentumsherausgabeanspruch (§ 985 BGB)

Der Eigentumsherausgabeanspruch ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) unter § 985 geregelt. Er gewährt dem Eigentümer einer Sache einen Anspruch gegen den Besitzer auf Herausgabe, sofern dieser unrechtmäßig im Besitz ist. Der Anspruch setzt voraus, dass der Kläger Eigentümer und der Beklagte Besitzer der betreffenden Sache ist und der Besitzer nicht zum Besitz berechtigt ist.

Anspruch aus dem Besitzschutz (§§ 861, 862 BGB)

Wird jemandem der Besitz einer Sache durch verbotene Eigenmacht entzogen oder wird der Besitz gestört, begründen §§ 861, 862 BGB einen Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Besitzstandes. Diese Besitzschutzansprüche sind verschuldensunabhängig und können auch gegen Dritte geltend gemacht werden.

Herausgabe wegen ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 und folgende BGB)

Ein Herausgabeanspruch kann auch bestehen, wenn jemand durch Leistung oder auf sonstige Weise ohne rechtlichen Grund etwas erlangt hat. Gemäß §§ 812 ff. BGB ist dann das Erlangte herauszugeben. Beispiele hierfür sind fehlerhafte Überweisungen auf ein falsches Konto oder die Herausgabe von irrtümlich zugegangenen Gegenständen.

Anspruch auf Herausgabe von Dokumenten und Urkunden

Viele zivilrechtliche Vertragsverhältnisse, insbesondere im Miet-, Arbeits- oder Auftragsrecht, sehen nach Vertragsende die Rückgabe von Dokumenten, Fahrzeugen, Schlüsseln oder sonstigen Gegenständen vor. Die jeweiligen Vorschriften verpflichten zur Herausgabe nach Vertragsbeendigung, häufig flankiert durch Anspruch auf Leistung von Schadensersatz bei Nichterfüllung.


Herausgabe im Sachenrecht

Das Sachenrecht befasst sich mit rechtlichen Beziehungen an beweglichen und unbeweglichen Sachen. Der Herausgabeanspruch ist insbesondere im Eigentumsrecht (§§ 985 ff. BGB) und im Rahmen des Besitzschutzes (§§ 861, 862, 1007 BGB) relevant. Daneben regeln weitere Normen, etwa §§ 883, 1008 BGB, Herausgabeansprüche bezüglich besonderen Rechtsverhältnissen wie Grundbuch- oder Besitzvermerken.

Vindikation und Herausgabe im Sachenrecht

Die vindizierende Klage zielt auf Herausgabe des Gegenstandes und ist von petititorischen Ansprüchen, die lediglich auf Feststellung des Rechts beziehen, abzugrenzen.


Herausgabe im Schuldrecht

Im Schuldrecht erscheinen Herausgabeansprüche in unterschiedlichster Form:

Vertragliche Herausgabeansprüche

In verschiedenen Vertragsarten wie Miete, Leihe, Verwahrung oder Dienstvertrag besteht eine Pflicht zur Herausgabe nach Ablauf des Vertrages. Die wichtigsten Regelungen dazu finden sich im Mietrecht (§§ 546, 550 BGB), im Leihrecht (§ 604 BGB) und im Werkvertragsrecht (§ 651 BGB).

Herausgabe als Nebenpflicht

Oft resultiert die Pflicht zur Herausgabe als Nebenpflicht aus Vertragsverhältnissen, etwa bei Rückgabe von Arbeitsmitteln oder Schlüsseln nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses.


Herausgabeansprüche im öffentlichen Recht

Auch im öffentlichen Recht ist die Herausgabe bedeutsam. Beispielsweise verpflichtet das Polizeirecht zur Herausgabe sichergestellter Gegenstände, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen entfallen. Ähnlich verhält es sich bei Beschlagnahmen im Strafprozessrecht, geregelt unter anderem in der Strafprozessordnung (StPO).


Durchsetzung von Herausgabeansprüchen

Klage auf Herausgabe

Die Durchsetzung erfolgt in der Regel durch eine Leistungsklage. Wird der Anspruch bejaht, verpflichtet das Gericht den Beklagten zur Herausgabe.

Zwangsvollstreckung

Erfolgt keine freiwillige Herausgabe, kann im Wege der Zwangsvollstreckung nach §§ 883, 885 der Zivilprozessordnung (ZPO) die Herausgabe durch einen Gerichtsvollzieher erzwungen werden. Hierbei wird die Sache entweder in Besitz genommen oder an den Berechtigten übergeben.


Grenzen und Ausschluss der Herausgabe

Wegfall des Besitzes

Die Pflicht zur Herausgabe entfällt, wenn die Sache nicht mehr im Besitz des Verpflichteten ist. Allerdings können in diesen Fällen Ersatzansprüche bestehen, etwa Verschaffung von Besitzersatz oder Schadensersatz.

Ausschlussgründe

Gesetzliche Ausschlusstatbestände – z. B. Zurückbehaltungsrechte nach § 273 BGB oder das Pfandrecht – können einen Herausgabeanspruch verhindern oder verzögern.


Besonderheiten: Herausgabe von Rechten und immateriellen Gütern

Nicht nur körperliche Sachen, sondern auch Rechte wie Forderungen, Wertpapiere oder Urkunden unterliegen Herausgabeansprüchen. Die Herausgabe erfolgt hier durch Abtretung, Übertragung oder Auslieferung des Rechtsdokuments.


Zusammenfassung

Der Begriff Herausgabe ist im deutschen Recht vielschichtig ausgestaltet und bildet die Grundlage zahlreicher Ansprüche zur Rückgabe von Sachen, Rechten oder Dokumenten. Die entsprechenden Normen sind im Zivilrecht ebenso zu finden wie im öffentlichen Recht. Die Durchsetzung von Herausgabeansprüchen erfolgt grundsätzlich durch Klage und notfalls durch Zwangsvollstreckung, wobei Ausschlussgründe und Besonderheiten zu beachten sind. Das Verständnis der Herausgabe und ihrer rechtlichen Umsetzung ist wesentlich für das Privatrecht und das öffentliche Recht in Deutschland.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist zur Herausgabe verpflichtet?

Zur Herausgabe verpflichtet ist in der Regel derjenige, der eine Sache ohne Rechtsgrund besitzt oder dem eine Sache zum Zwecke der Rückgabe überlassen wurde. Nach deutschem Recht, insbesondere gemäß § 985 BGB (Eigentumsherausgabeanspruch), ist der nichtberechtigte Besitzer gegenüber dem Eigentümer zur Herausgabe verpflichtet. Auch im Fall von verwahrten, geliehenen oder gemieteten Sachen ergibt sich die Herausgabepflicht aus miet- oder leihrechtlichen Vorschriften. Die Verpflichtung kann zudem im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) oder bei Erlöschen einer Sicherungsabrede (z. B. Sicherungseigentum, Sicherungsübereignung im Bankrecht) bestehen. Dabei ist immer entscheidend, ob ein Besitzrecht vorliegt und ob der aktuelle Besitzer dieses auch rechtmäßig ausübt.

Welche Voraussetzungen müssen für die Herausgabepflicht vorliegen?

Für die Herausgabepflicht müssen regelmäßig zwei Voraussetzungen vorliegen: Erstens muss der Herausgabeverlangende ein besseres Recht an der Sache haben, meist das Eigentum oder ein sonstiges Herausgaberecht (z.B. ein Pfandrecht). Zweitens darf der Besitzer kein Recht zum Besitz haben, was nach § 986 BGB zu prüfen ist. Liegt beispielsweise ein Mietvertrag oder ein Leihvertrag vor, könnte ein aktuelles Besitzrecht zugunsten des Besitzers bestehen. Erst wenn dieses erloschen oder nie bestanden hat, entsteht die uneingeschränkte Herausgabepflicht. Zusätzlich kann die Herausgabepflicht aus spezialgesetzlichen Regelungen (z.B. im Familienrecht, Erbrecht oder Strafrecht im Rahmen der Herausgabe von Beweismitteln) hervorgehen.

Wie läuft ein gerichtliches Herausgabeverfahren ab?

Das gerichtliche Herausgabeverfahren wird in der Regel durch eine Klage auf Herausgabe eingeleitet. Dabei ist der Eigentümer oder sonstige Berechtigte Kläger und der aktuelle Besitzer Beklagter. Die Klageschrift (§§ 253 ff. ZPO) muss den Herausgabeanspruch substantiiert darlegen und beweisen, dass der Kläger zum Besitz berechtigt ist. Das Gericht prüft sodann Anspruch und eventuelle Einwendungen des Beklagten (z. B. Zurückbehaltungsrecht, Besitzrecht, Entreicherung). Kommt das Gericht zur Überzeugung, dass ein Anspruch besteht, erlässt es ein Herausgabeurteil. Oft ist der genaue Zustand der Sache (Verschlechterung, Veränderung, Untergang) und eine eventuell gezogene Nutzung oder Nutzungsentschädigung ebenfalls Verfahrensgegenstand.

Welche Rolle spielt das Zurückbehaltungsrecht bei der Herausgabe?

Das Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) gibt dem Besitzer das Recht, die Herausgabe der Sache solange zu verweigern, bis ihm ausstehende Gegenleistungen (z.B. Ersatz von Aufwendungen oder Schadensersatz) vom Herausgabeverlangenden erfüllt sind. Besonders relevant ist dies bei gesetzlichen Schuldverhältnissen wie Leihe, Verwahrung oder in Werkverträgen. Voraussetzung ist ein enger tatsächlicher Zusammenhang der Gegenforderung mit der herauszugebenden Sache. Das Gericht prüft das Zurückbehaltungsrecht bei Einwendung durch den Beklagten. Es kann auch auf einfachem Wege erlöschen, etwa durch Sicherheitsleistung oder Erfüllung der Gegenforderung.

Was passiert, wenn die herauszugebende Sache untergegangen oder beschädigt ist?

Ist die herauszugebende Sache untergegangen (§ 275 BGB) oder beschädigt, so erlischt grundsätzlich die Herausgabepflicht, es sei denn, der Untergang war vom Herausgabeverpflichteten zu vertreten. In solchen Fällen kommt oftmals ein Ersatzanspruch in Betracht, bei Verschulden insbesondere nach den Vorschriften zum Schadensersatz (§ 280 BGB oder § 989 BGB bei unrechtmäßigem Besitzer). Bei Veränderungen und Verschlechterungen ohne Verschulden besteht eine Haftung nach Maßgabe der §§ 990, 991 BGB (Verschärfte Haftung). Auch ist im Rahmen des Bereicherungsrechts zu prüfen, ob Wertersatz zu leisten ist.

Welche Fristen gelten für die Herausgabe?

Im rechtlichen Kontext gibt es keine allgemein gültigen Fristen für die Herausgabe; vielmehr richtet sich die Frist nach dem jeweiligen Schuldverhältnis oder nach gerichtlicher Bestimmung. In Vertragsverhältnissen kann eine Frist ausdrücklich vereinbart werden, etwa im Miet- oder Leihvertrag. Fehlt eine vertragliche oder gesetzliche Regelung, so ist die Sache grundsätzlich sofort nach Verlangen herauszugeben, was im Recht als „sofortige Fälligkeit“ (§ 271 BGB) bezeichnet wird. Wird eine gerichtliche Herausgabeverfügung erlassen, setzt das Gericht regelmäßig eine Frist zur freiwilligen Erfüllung und kann bei Fristablauf Zwangsvollstreckungsmaßnahmen anordnen.

Welche Folgen hat es, wenn die Herausgabe verweigert wird?

Die unberechtigte Weigerung, eine Sache herauszugeben, kann verschiedene rechtliche Folgen nach sich ziehen. Zunächst ermöglicht sie dem Berechtigten, gerichtlich auf Herausgabe zu klagen. Lehnt der Verpflichtete trotz Urteil die Herausgabe weiterhin ab, kann Zwangsvollstreckung (beispielsweise durch Gerichtsvollzieher, §§ 883 ff. ZPO) erfolgen. Zudem kann die schuldhafte Verweigerung Schadensersatzansprüche (§ 280 BGB) nach sich ziehen, etwa für Nutzungsausfall oder Verschlechterung der Sache während der unberechtigten Vorenthaltung. In Einzelfällen, etwa im Erbrecht oder Familienrecht, können zusätzliche strafrechtliche Konsequenzen drohen (z. B. Unterschlagung nach § 246 StGB).