Legal Lexikon

Heilmittel


Begriff und rechtliche Einordnung des Heilmittels

Definition von Heilmittel

Der Begriff „Heilmittel“ bezeichnet im rechtlichen Kontext Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen sowie physikalische Maßnahmen, die zur Heilung, Linderung oder Vorbeugung von Krankheiten, Leiden oder körperlichen Beschwerden beim Menschen oder bei Tieren dienen. Die maßgeblichen Definitionen und Regelungen finden sich insbesondere im Arzneimittelgesetz (AMG), im Heilmittelwerbegesetz (HWG), im Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), im Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln sowie in weiteren spezialgesetzlichen Vorschriften.

Systematische Abgrenzung zu Arzneimitteln und Medizinprodukten

Im deutschen und europäischen Recht ist eine klare Unterscheidung zwischen Heilmitteln, Arzneimitteln und Medizinprodukten erforderlich:

  • Arzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden beitragen (§ 2 AMG).
  • Medizinprodukte sind nach dem Medizinproduktegesetz (MPG) alle einzeln oder miteinander verbunden verwendeten Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zu medizinischen Zwecken eingesetzt werden, jedoch primär physikalisch statt pharmakologisch wirken.
  • Heilmittel gemäß § 32 SGB V umfassen Maßnahmen der physikalischen Therapie, Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie sowie ergotherapeutische Behandlungen zur medizinischen Versorgung.

Diese Differenzierung beeinflusst die Regelungen zur Zulassung, Verschreibung, Erstattung und Bewerbung wesentlich.

Rechtlicher Rahmen für Heilmittel

Heilmittel im Sozialgesetzbuch (SGB V)

Zulassung und Verordnungsfähigkeit

Nach § 32 SGB V sind Heilmittel grundsätzlich Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, sofern sie „notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich“ sind und von entsprechend befugten Leistungserbringern nach ärztlicher Verordnung angewendet werden. Die Verordnung erfolgt in der Regel durch Vertragsärztinnen und Vertragsärzte auf Grundlage der Heilmittel-Richtlinie, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) herausgegeben wird.

Heilmittelrichtlinien

Die Heilmittelrichtlinie regelt den Inhalt und Umfang der Heilmittelerbringung, einschließlich der verordneten Anwendungsmenge, Indikationen, Anforderungen an die Qualifikation der Leistungserbringer sowie der evidenzbasierten Wirksamkeit der Maßnahmen. Auf der Grundlage dieser Richtlinie werden die im Heilmittelkatalog aufgeführten Leistungen konkretisiert.

Erstattung und Zuzahlung

Kosten für Heilmittel werden von den gesetzlichen Krankenkassen gemäß § 32 SGB V übernommen, wenn die Behandlung ärztlich verordnet und wirtschaftlich ist. Patienten leisten zuzüglich eine Zuzahlung in gesetzlich definierter Höhe (zehn Prozent des Abgabepreises plus zehn Euro je Verordnung, höchstens jedoch die tatsächlichen Kosten). Privat Versicherte richten sich nach dem jeweiligen Versicherungstarif.

Heilmittel im Arzneimittelgesetz (AMG) und Heilmittelwerbegesetz (HWG)

Verkehrsfähigkeit und Zulassung

Heilmittel, die als Arzneimittel eingeordnet werden, unterliegen den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes. Hierzu zählen Anforderungen an die Herstellung, die Verkehrsfähigkeit, die Zulassung und die Kontrolle der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Ohne entsprechende Zulassung dürfen keine Heilmittel als Arzneimittel in den Verkehr gebracht werden.

Bezeichnung und Werbung

Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) normiert die zulässige und unzulässige Werbung für Heilmittel. Demnach ist irreführende, unsachliche oder unangemessene Werbung verboten (§ 3 HWG). Zudem bestehen besondere Werbebeschränkungen für verschreibungspflichtige oder apothekenpflichtige Heilmittel (§ 10 HWG).

Heilmittel im Heilpraktikergesetz (HeilprG)

Heilmittel dürfen nur angewendet werden, wenn die entsprechenden heilkundlichen Kenntnisse bzw. eine staatliche Anerkennung als Arzt oder nach den Vorgaben des Heilpraktikergesetzes vorliegt. Das Gesetz regelt den Berufszugang für Heilpraktiker*innen und setzt dem nicht approbierten Personenkreis enge rechtliche Schranken im Umgang mit Heilmitteln.

Produkt- und Verkehrssicherheit von Heilmitteln

Standards und Überwachung

Heilmittel unterliegen vielfältigen Anforderungen an Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit. Die Überwachung erfolgt durch die zuständigen Behörden, meist die Landesbehörden für Gesundheit oder das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Im Falle von Medizinprodukten gelten ergänzende Anforderungen und Konformitätsbewertungsverfahren über EU-weite medizinprodukterechtliche Vorgaben.

Sanktionen und Rechtsfolgen bei Verstößen

Verstöße gegen heilmittelrechtliche Vorgaben, beispielsweise das Inverkehrbringen nicht zugelassener Heilmittel oder irreführende Werbung, können strafrechtliche und ordnungsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Dazu zählen Bußgelder, Berufsverbote sowie strafrechtliche Ahndung, etwa nach § 96 AMG und § 15 HWG.

Praxisrelevanz und Bedeutung im Gesundheitswesen

Bedeutung für die Versorgung

Heilmittel nehmen einen wesentlichen Stellenwert in der medizinischen Versorgung, insbesondere bei chronischen Erkrankungen, Rehabilitation und Prävention ein. Ihre rechtssichere Verordnung und sachgerechte Anwendung sind wichtiger Bestandteil einer qualitativ hochwertigen Patientenversorgung.

Schnittstellen und Abgrenzungen

Eine präzise Kenntnis der heilmittelrechtlichen Regelungen ist unerlässlich für alle Beteiligten im Gesundheitswesen, insbesondere zur Vermeidung von Haftungsrisiken, zur korrekten Abrechnung und zur Einhaltung sozialrechtlicher sowie arzneimittelrechtlicher Vorgaben.

Literatur und weiterführende Rechtsnormen

  • Arzneimittelgesetz (AMG)
  • Heilmittelwerbegesetz (HWG)
  • Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), besonders § 32
  • Heilpraktikergesetz (HeilprG)
  • Medizinproduktegesetz (MPG) sowie die Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte
  • Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), insbesondere Heilmittel-Richtlinie

Zusammenfassung:
Der Begriff Heilmittel ist im deutschen Recht umfassend und vielschichtig geregelt. Die maßgeblichen Rechtsquellen umfassen insbesondere das Arzneimittelgesetz, das Heilmittelwerbegesetz, das Sozialgesetzbuch und das Heilpraktikergesetz. Die genaue Abgrenzung zu Arzneimitteln und Medizinprodukten, die Anforderungen an Zulassung, Erstattung, Werbung sowie die Verordnungspraxis sind dabei zentral, um die Verkehrsfähigkeit, Sicherheit und wirtschaftliche Tragweite von Heilmitteln zu gewährleisten.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Grundlagen regeln die Zulassung von Heilmitteln in Deutschland?

Die Zulassung von Heilmitteln in Deutschland wird primär durch das Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) – Gesetzliche Krankenversicherung – geregelt. Zentral ist hier insbesondere § 32 SGB V, der Heilmittel, ihre Verordnung sowie deren Abrechnung definiert. Heilmittel umfassen im rechtlichen Sinn Maßnahmen der Physiotherapie, Ergotherapie, Stimm-, Sprech-, Sprach- und Schlucktherapie sowie Podologischen Therapie, die ärztlich verordnet werden müssen. Darüber hinaus findet sich die Heilmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), die detaillierte Vorgaben zur Verordnung, Indikation, Dauer und Menge von Heilmitteln macht. Auch die Heilmittel-Abrechnungsvereinbarung nach § 125 SGB V spielt eine entscheidende Rolle für Leistungserbringer. Nur zugelassene Therapeuten dürfen Heilmittel erbringen und abrechnen, wobei die Zulassungsvoraussetzungen u. a. durch das Heilpraktikergesetz (HeilprG) und für Angehörige der Gesundheitsfachberufe durch entsprechende Berufsgesetze geregelt sind.

Wer ist zur Verordnung von Heilmitteln berechtigt und welche Haftungsrisiken bestehen dabei?

Zur Verordnung von Heilmitteln berechtigt sind ausschließlich zugelassene Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sowie – in sehr begrenzten Fällen – bestimmte Zahnärzte, immer auf Basis der Heilmittel-Richtlinie. Die ärztliche Verordnung stellt eine hoheitliche Aufgabe dar, sodass bei Fehlern im Verordnungsvorgang (beispielsweise bei Über-, Unter- oder Fehlversorgung, nicht medizinisch notwendiger Verordnung oder fehlenden Indikationen) der verordnende Arzt regresspflichtig werden kann. Dies kann insbesondere durch Wirtschaftlichkeitsprüfungen der Kassenärztlichen Vereinigungen geschehen. Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, beim Ausstellen von Heilmittelverordnungen die Regelungen der Heilmittel-Richtlinie und die Vorgaben zur Wirtschaftlichkeit und medizinischen Notwendigkeit streng zu beachten, um Regressansprüche und Haftungsfälle zu vermeiden.

Unter welchen Voraussetzungen dürfen Heilmittel zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden?

Heilmittel dürfen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nur abgegeben werden, wenn eine gültige ärztliche Verordnung vorliegt, die alle formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nach der Heilmittel-Richtlinie und dem SGB V erfüllt. Dazu zählen unter anderem die korrekte Angabe der Behandlungsdiagnose, die indizierte Therapieart, die Verordnungsmenge, der Behandlungsbeginn und die Dauer der Maßnahme. Die Leistungserbringer müssen einen Vertrag nach § 125 SGB V mit den Kostenträgern abgeschlossen haben und die Zulassungsvoraussetzungen, z. B. im Bereich der Berufsqualifikation, erfüllen. Die Behandlung muss in der Regel in Deutschland stattfinden; Ausnahmen sind separat geregelt. Weiterhin ist eine fristgerechte Inanspruchnahme nach Verordnungsdatum einzuhalten, da ansonsten der Anspruch auf Kostenübernahme erlischt.

Welche Pflichten haben Heilmittelerbringer im Zusammenhang mit der Abrechnung von Heilmitteln?

Heilmittelerbringer müssen umfassende Pflichten im Zusammenhang mit der Abrechnung erfüllen. Dazu gehört die ordnungsgemäße Dokumentation und Nachweispflicht der erbrachten Leistungen entsprechend § 302 SGB V. Die Abrechnung ist streng an die jeweiligen Verträge nach § 125 SGB V gebunden, in denen u. a. Preise, Leistungsinhalte und Abrechnungsmodalitäten festgelegt sind. Unvollständige oder fehlerhafte Abrechnungen, nicht korrekt belegte Leistungen oder Überschreitungen der genehmigten Verordnungsmengen können zu Rückforderungen und Vertragsmaßnahmen führen. Darüber hinaus müssen sämtliche Datenschutzanforderungen gemäß DSGVO und SGB X eingehalten werden, insbesondere beim Umgang mit Patientendaten.

Welche rechtlichen Folgen hat der Missbrauch von Heilmittelverordnungen?

Der Missbrauch von Heilmittelverordnungen kann erhebliche rechtliche Folgen nach sich ziehen. Hierzu zählen strafrechtliche Konsequenzen bei Betrugsdelikten nach § 263 StGB, arbeitsrechtliche Sanktionen bis hin zur Kündigung für beteiligte Mitarbeiter sowie zivilrechtliche Haftungsansprüche der Kostenträger (Regressforderungen). Weiterhin kann der systematische Missbrauch zu Verlust der Zulassung nach § 124 SGB V führen. Erstatten die Kassenärztlichen Vereinigungen oder Krankenkassen Anzeige, drohen Ermittlungen wegen Abrechnungsbetruges, die bis zu berufsrechtlichen Sanktionen (Approbationsentzug) reichen können. Auch die Vertragsbeziehung nach § 125 SGB V kann außerordentlich gekündigt werden.

Welche Fristen und Vorgaben sind bei der Ausstellung und Einlösung von Heilmittelverordnungen zu beachten?

Für ärztliche Heilmittelverordnungen gelten strenge Fristen. Heilmittelerbringer dürfen mit der Behandlung im Regelfall spätestens 28 Kalendertage nach Ausstellungsdatum der Verordnung beginnen (§ 16 HeilM-RL). Nur in medizinisch begründeten Ausnahmefällen und mit entsprechender Kennzeichnung auf der Verordnung ist ein späterer Behandlungsbeginn zulässig. Wird die Frist nicht eingehalten, entfällt der Anspruch auf Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Die Heilmittel-Richtlinie regelt außerdem Höchst- und Mindestverordnungsmengen je Indikation und stellt Anforderungen an die Dokumentation jeder einzelnen Leistungseinheit. Änderungen oder Ergänzungen der Verordnung dürfen ausschließlich ärztlicherseits und vor Leistungsbeginn erfolgen. Die Abrechnung darf nur für tatsächlich erbrachte und vom Patienten (bzw. gesetzlichen Vertreter) gegengezeichnete Leistungen erfolgen.

Welche besonderen rechtlichen Regelungen gelten für Heilmittel im Rahmen des Entlassmanagements aus dem Krankenhaus?

Beim Entlassmanagement gemäß § 39 Abs. 1a SGB V haben Krankenhausärzte das Recht, für einen begrenzten Zeitraum (in der Regel für sieben Kalendertage ab Entlassung) Heilmittel auf einem speziellen – für den ambulanten Bereich anerkannten – Vordruck zu verordnen. Die Verordnung umfasst hierbei nur medizinisch dringend notwendige Heilmittel zur unmittelbaren Weiterbehandlung nach stationärem Aufenthalt. Für die Abrechnung und Gültigkeit der Verordnung gelten dieselben rechtlichen Vorgaben wie für bestehende ambulante Verordnungen, mit der Einschränkung, dass sie befristet wirksam ist und zur Weiterbehandlung eine erneute Verordnung durch einen Vertragsarzt notwendig wird. Die Fristen für Beginn und Abschluss der Behandlung laut Heilmittel-Richtlinie gelten analog; die Gültigkeit der Verordnung darf jedoch den maximalen Umfang von sieben Kalendertagen nach Entlassung nicht überschreiten.