Begriff und rechtliche Einordnung des Hausfriedensbruchs
Der Begriff Hausfriedensbruch bezeichnet im deutschen Strafrecht das unbefugte Eindringen oder Verbleiben in den befriedeten Besitzbereich eines anderen. Die entsprechende Strafnorm ist § 123 des Strafgesetzbuchs (StGB). Hausfriedensbruch dient dem Schutz des Hausrechts und der Privatsphäre von natürlichen sowie juristischen Personen. Dieser Straftatbestand findet nicht nur auf Wohnräume Anwendung, sondern umfasst auch eine Vielzahl anderer Räumlichkeiten und Grundstücke, sofern sie gegen unbefugtes Betreten geeignet gesichert sind oder als befriedetes Besitztum gelten.
Tatbestand des Hausfriedensbruchs
Geschützte Rechtsgüter
Im Zentrum des Hausfriedensbruchs steht der Schutz des „befriedeten Besitztums“ und damit das Recht des Einzelnen, über den Zutritt zu seiner Wohnung, seinem Haus oder anderen bestimmten Räumen und Grundstücken frei zu verfügen. Der Gesetzgeber schützt somit sowohl die persönliche Lebenssphäre als auch den öffentlich zugänglichen, aber gegen das unbefugte Betreten gesicherten Bereich.
Objektiver Tatbestand
Befriedetes Besitztum
Als befriedetes Besitztum gelten insbesondere umfriedete Grundstücke, abgeschlossene Räume, Wohnungen, Geschäftsräume und andere zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmte Räume. Zu den Kriterien eines befriedeten Besitztums zählen:
- Wohnungen und Geschäftsgebäude: Jede Art von Wohnraum, Büroräume, Ladengeschäfte sowie Praxisräume.
- Eingezäunte Grundstücke: Gärten, Höfe, Baustellen und dergleichen, sofern sie erkennbar gegen das einfache Betreten gesichert sind.
- Räume des öffentlichen Dienstes oder Verkehrs: Amtsstuben, Gerichte, Krankenhäuser, Bahnhöfe, Flughäfen etc. – sofern nicht ausdrücklich öffentlich zugänglich.
Der Begriff „befriedet“ bezieht sich dabei auf eine erkennbare Umgrenzung, die das Areal gegen willkürliches Betreten abgrenzt. Dies kann durch Zäune, Mauern, Türen oder bildhaft erkennbare Abgrenzungen erfolgen.
Unbefugtes Eindringen
Ein Eindringen ist jedes Hineingelangen in den geschützten Raum gegen oder ohne den Willen des Berechtigten. Unerheblich ist, ob dabei Gewalt angewandt oder ein Hindernis überwunden wird – es genügt das Betreten des Raumes oder Geländes, ohne oder gegen den ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Berechtigten.
Verweilen trotz Aufforderung zum Verlassen
Auch das Verharren in der geschützten Örtlichkeit gegen den Willen des Berechtigten kann Tatbestand des Hausfriedensbruchs sein. Die Berechtigung zur Anwesenheit erlischt dabei in dem Moment, in dem der Berechtigte explizit zum Verlassen auffordert.
Subjektiver Tatbestand
Für die Strafbarkeit ist Vorsatz erforderlich. Der Täter muss also wissen und wollen, dass er ohne Befugnis handelt und sich im befriedeten Bereich aufhält. Fahrlässigkeit genügt nicht.
Strafrechtliche Normierung und Sanktionen
Gesetzestext (§ 123 StGB)
§ 123 StGB lautet:
(1) Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt oder darin ohne Befugnis verweilt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.
Strafmaß und Strafzumessung
Die Strafe für Hausfriedensbruch reicht von einer Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe von einem Jahr. Wegen des Erfordernisses des Strafantrags (§ 123 Abs. 2 StGB) wird der Hausfriedensbruch in der Regel nur dann verfolgt, wenn der Geschädigte oder ein befugtes Organ Strafantrag stellt.
Antragsdelikt und Strafverfolgung
Hausfriedensbruch ist ein sogenanntes „relatives Antragsdelikt“. Die Strafverfolgung wird nur auf Antrag des Berechtigten, also des Hausrechtsinhabers, eingeleitet. Dies bedeutet, dass die Ermittlungsbehörden nicht ohne weiteres auf den Verdacht eines Hausfriedensbruchs tätig werden dürfen, sondern erst nach einer entsprechenden Anzeige des Betroffenen.
Tatbestandsausschlüsse und Rechtfertigungsgründe
Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit entfällt, wenn das Betreten oder Verweilen rechtlich erlaubt ist. Rechtfertigende Gründe können insbesondere vorliegen:
- Im Fall von Notstand (§ 34 StGB) oder Notwehr (§ 32 StGB).
- Wenn ein Dritter nachweislich zur Zeit des Betretens befugt war, etwa im Rahmen von Notmaßnamen durch Rettungsdienste, Feuerwehr oder Polizei.
- Bei Einverständnis oder Duldung des Berechtigten.
- Im Falle widerrechtlicher Behinderungen des Vollzugs öffentlicher Aufgaben kann gesondert geprüft werden, ob ein Rechtfertigungsgrund besteht.
Hausfriedensbruch im Zusammenhang mit Versammlungen und Demonstrationen
Besondere Relevanz erhält Hausfriedensbruch bei Sitzblockaden oder Besetzungen von Gebäuden und Grundstücken, beispielsweise bei politischen Protesten. Hier besteht ein typisches Spannungsfeld zwischen dem Versammlungsrecht und dem Hausrecht des Eigentümers beziehungsweise Besitzers. Gerichte prüfen in solchen Fällen, inwieweit das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit mit dem Recht des Eigentümers abgewogen werden muss.
Abgrenzung zu weiteren Straftatbeständen
Hausfriedensbruch grenzt sich unter anderem ab von:
- Landfriedensbruch (§ 125 StGB): Dieser erfordert Gewalttätigkeiten gegen Sachen oder Personen im Zusammenhang mit Menschenansammlungen.
- Einbruchdiebstahl (§ 243 StGB): Beim Eindringen mit Diebstahlsabsicht liegt regelmäßig ein schwererer Unrechtsgehalt vor.
- Besonders schwerer Fall des Diebstahls (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB): Hierbei sind Einbruchsaktionen mit Deliktsabsicht gemeint.
Rechtsprechung und praktische Anwendung
Die Rechtsprechung legt die Begriffe „befriedetes Besitztum“ und „unbefugtes Eindringen“ im Einzelfall nach den konkreten Umständen aus. Auch das Maß der physischen oder symbolischen Abgrenzung wird fallbezogen beurteilt, ebenso wie die Frage, ob das Verweilen nach ausdrücklicher Aufforderung zum Verlassen eine strafbare Handlung darstellt. In der Praxis sind typische Fälle von Hausfriedensbruch das unbefugte Betreten von Privatwohnungen, Geschäfts- oder Lagerräumen sowie das unautorisierte Verbleiben nach beendigten Veranstaltungen.
Zivilrechtliche Folgen und Schadensersatz
Neben der strafrechtlichen Sanktion kann Hausfriedensbruch auch zivilrechtliche Ansprüche auslösen. Hierzu zählt insbesondere das Recht des Hausrechtsinhabers auf Unterlassung und gegebenenfalls auf Ersatz von verursachten Schäden nach §§ 823 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).
Prävention und Schutzmaßnahmen
Hausrechtsinhaber können zur Prävention Maßnahmen ergreifen:
- Deutliche und sichtbare Markierung bzw. Umfriedung von Grundstücken
- Einsatz von Zugangskontrollen oder technischen Sicherungseinrichtungen
- Klare Beschilderung über das Verbot des unbefugten Betretens
Zusammenfassung und Bedeutung im Rechtsalltag
Der Hausfriedensbruch stellt einen zentralen Tatbestand zum Schutz der privaten und gewerblichen Lebenssphäre dar. Er betrifft zahlreiche Sachverhalte des Alltagslebens und ist somit ein häufig vorkommender Straftatbestand mit erheblicher praktischer Relevanz. Seine rechtliche Ausgestaltung setzt einen Ausgleich zwischen dem Recht auf Unverletzlichkeit des Besitztums und dem öffentlichen Interesse bzw. anderen Grundrechten voraus. Das umfassende Verständnis des Hausfriedensbruchs ist daher für die Bewertung vieler Lebenssachverhalte und für die Wahl geeigneter Schutzmaßnahmen von erheblicher Bedeutung.
Häufig gestellte Fragen
Welche Voraussetzungen müssen für einen Hausfriedensbruch nach § 123 StGB vorliegen?
Für einen strafbaren Hausfriedensbruch müssen mehrere Voraussetzungen nach § 123 Absatz 1 StGB erfüllt sein. Zunächst bedarf es eines „befriedeten Besitztums“, also eines gegen unbefugtes Betreten abgegrenzten Bereichs, wie zum Beispiel Wohnungen, Geschäftsräume, umfriedete Gärten oder Betriebsgelände. Die Grenze muss eindeutig erkennbar und geeignet sein, das Eigentum gegen das Eindringen Unbefugter zu schützen, etwa durch Zäune, Mauern oder geschlossene Türen. Das unbefugte Eindringen setzt voraus, dass der Täter ohne ausdrückliche oder mutmaßliche Einwilligung des Berechtigten den geschützten Bereich betritt oder sich darin aufhält. Bereits das Betreten reicht, ein tatsächliches Verweilen ist nicht nötig. Ferner macht sich auch derjenige strafbar, der sich nach Aufforderung des Berechtigten nicht entfernt. Die vorsätzliche Begehung ist zwingend, sodass versehentliches Betreten – etwa durch Irrtum über den Grenzverlauf – regelmäßig nicht ausreicht. In Sonderfällen, etwa bei polizeilichen Maßnahmen oder Notfällen, kann eine Rechtfertigung vorliegen, die den Tatbestand entfallen lässt.
Wer ist berechtigt, Hausverbot zu erteilen und wie muss dieses ausgesprochen werden?
Das Hausrecht und damit auch die Befugnis, ein Hausverbot auszusprechen, liegt grundsätzlich beim Eigentümer oder beim rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt über die Räumlichkeiten (beispielsweise Mieter, Pächter oder Ladenbetreiber). Das Hausverbot kann grundsätzlich formlos, mündlich oder schriftlich erfolgen, auch eine stillschweigende Erklärung ist in Ausnahmefällen möglich, soweit sie für den Betroffenen eindeutig und verständlich ist. Wichtig ist, dass das Hausverbot zweifelsfrei und dem Betroffenen erkennbar ausgesprochen wird, da dieser sonst nicht unbefugt handeln würde und der strafrechtliche Tatbestand nicht erfüllt wäre. Ein generelles oder zeitlich unbegrenztes Hausverbot ist ebenso möglich wie ein befristetes oder sachlich beschränktes. Wird gegen ein wirksames Hausverbot verstoßen, kann schon das Betreten der geschützten Räume oder das Nichtverlassen trotz Aufforderung den Straftatbestand erfüllen.
Welche Strafen drohen bei einem Hausfriedensbruch?
Hausfriedensbruch wird nach § 123 Absatz 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Der Gesetzgeber sieht den Tatbestand als sogenanntes Antragsdelikt – das heißt, die Strafverfolgung wird in der Regel nur auf Antrag des Hausrechtsinhabers eingeleitet (§ 123 Absatz 2 StGB). Die tatsächliche Strafhöhe orientiert sich maßgeblich an den Umständen des Einzelfalls, insbesondere an der Intensität des Hausfriedensbruchs, möglichen Vorstrafen und dem Verhalten des Täters (z.B. sofortiges Verlassen nach Aufforderung oder aggressives Verhalten). In weniger schweren Fällen wird in der Praxis meist eine Geldstrafe verhängt. Kommen erschwerende Umstände hinzu, etwa in Verbindung mit anderen Straftaten (wie Diebstahl, Sachbeschädigung oder Nötigung), kann auch eine Freiheitsstrafe in Betracht gezogen werden.
Liegt auch ein Hausfriedensbruch bei öffentlichen Gebäuden oder Veranstaltungen vor?
Öffentliche Gebäude wie Behörden, Gerichte oder Schulen stehen grundsätzlich unter dem Schutz des § 123 StGB, sofern sie nicht allgemein und jederzeit für jedermann zugänglich sind. Wird etwa eine Schule außerhalb der Öffnungszeiten oder ein Verwaltungsgebäude nach Geschäftsschluss ohne Erlaubnis betreten, kann ein Hausfriedensbruch vorliegen. Während einer Veranstaltung offene und offiziell eingerichtete Bereiche sind grundsätzlich allgemein zugänglich; der Tatbestand greift erst, wenn bestimmte Bereiche abgesperrt oder der Zutritt ausdrücklich untersagt wird – etwa VIP-Bereiche, Backstage oder technische Betriebsräume. Der entziehbare Charakter des Hausrechts bleibt auch in öffentlichen Gebäuden bestehen, sodass Hausverbote ausgesprochen werden können. Maßgeblich ist stets, ob eine konkrete räumliche Abgrenzung und der Wille des Hausrechtsinhabers zum Ausschluss bestehen.
In welchen Fällen ist Hausfriedensbruch trotz objektiv unbefugten Betretens nicht strafbar?
Der Straftatbestand des Hausfriedensbruchs entfällt, wenn eine sogenannte Rechtfertigung vorliegt. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn das Betreten zur Abwendung einer Gefahr (Notstand nach § 34 StGB) erforderlich ist, etwa zur Lebensrettung, Brandbekämpfung oder Wahrnehmung berechtigter Interessen. Auch polizeiliche Zwangsmaßnahmen, Durchsuchungen aufgrund richterlicher Anordnung oder Gefahr im Verzug stellen gerechtfertigte Handlungen dar und sind nicht strafbar. Darüber hinaus kann eine mutmaßliche Einwilligung des Berechtigten (beispielsweise Handwerker, die zum Zwecke der Wartung das Gebäude betreten, obwohl niemand anwesend ist und hierzu ein Auftrag bestand) ein Rechtfertigungsgrund sein. Entscheidend ist stets der erkennbare Wille des Hausrechtsinhabers und die aktuelle Not- oder Ausnahmesituation.
Wie kann ein Hausfriedensbruch nachgewiesen werden und welche Beweismittel spielen eine Rolle?
Der Nachweis eines Hausfriedensbruchs erfolgt regelmäßig über Zeugenaussagen, insbesondere die des Hausrechtsinhabers und ggf. weiterer anwesender Personen. Auch technische Beweismittel wie Videoaufnahmen, Fotos von Überwachungskameras oder Spuren (etwa Schäden an Schlössern, Fenstern oder Türen) können entscheidend sein. In zivilrechtlichen Auseinandersetzungen spielt zudem die Beweislast eine Rolle: Im Strafverfahren muss die Staatsanwaltschaft den unbefugten Zutritt beweisen, der Beschuldigte braucht seine Unschuld nicht zu belegen. Bei Konflikten um das Bestehen oder die Wirksamkeit eines Hausverbots ist die Form und der Zugang des Verbots entscheidend. Schriftliche Mitteilungen, Protokolle und – soweit vorhanden – dokumentierte mündliche Erklärungen helfen bei der gerichtlichen Klärung. Bei Beteiligung mehrerer Personen ist die individuelle Beteiligung (Mittäter, Anstifter, Gehilfe) für die strafrechtliche Bewertung relevant.
Gibt es spezielle Regelungen für Minderjährige oder Personen mit eingeschränkter Schuldfähigkeit beim Hausfriedensbruch?
Minderjährige, d.h. Personen unter 14 Jahren, sind gemäß § 19 StGB nicht strafmündig und können daher wegen Hausfriedensbruchs nicht strafrechtlich verfolgt werden. Jugendliche (14 bis 17 Jahre) und Heranwachsende (18 bis 20 Jahre) unterliegen dem Jugendstrafrecht, das auf Erziehung und Prävention abzielt und in der Regel milder ausfällt als das Erwachsenenstrafrecht. Für Personen mit eingeschränkter oder aufgehobener Schuldfähigkeit (z.B. aufgrund psychischer Erkrankungen, Intoxikation) gelten die Vorschriften der §§ 20, 21 StGB; ihre Verantwortlichkeit wird im Einzelfall anhand von Gutachten geprüft. Wird die Schuldunfähigkeit festgestellt, erfolgt in der Regel keine Bestrafung, ggf. aber gerichtliche Anordnung von Sicherungsmaßnahmen. Auch für diese Personengruppen gilt: Das Hausrecht kann jederzeit durch Hausverbot oder andere Maßnahmen durchgesetzt werden, zivilrechtliche Ansprüche bleiben unberührt.