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Hauptversammlung

Begriff und Stellung der Hauptversammlung

Definition

Die Hauptversammlung ist das zentrale Zusammenkunfts- und Beschlussorgan der Aktionärinnen und Aktionäre einer Aktiengesellschaft. In ihr üben die Anteilseigner ihre Mitwirkungsrechte aus, informieren sich über die Lage des Unternehmens und entscheiden über grundlegende Angelegenheiten, die die Gesellschaft in ihrer Struktur, Kapitalausstattung und Leitung betreffen.

Einordnung als Organ der Aktiengesellschaft

Die Hauptversammlung steht neben Vorstand und Aufsichtsrat. Während der Vorstand die Gesellschaft leitet und der Aufsichtsrat die Geschäftsführung überwacht, bündelt die Hauptversammlung die Willensbildung der Anteilseigner. Sie ist primär für Grundentscheidungen zuständig, nicht für die laufende Geschäftsführung. Entscheidungen der Hauptversammlung binden die übrigen Organe im Rahmen der gesetzlich und satzungsmäßig zugewiesenen Kompetenzen.

Abgrenzung zu anderen Gesellschaftsformen

Die Bezeichnung Hauptversammlung ist typisch für die Aktiengesellschaft und verwandte Rechtsformen wie die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Europäische Gesellschaft (SE). In anderen Gesellschaftsformen existieren funktional vergleichbare, aber abweichend bezeichnete Gesellschaftergremien.

Zuständigkeiten und Aufgaben

Grundlegende Beschlüsse

Typische Beschlussgegenstände sind die Verwendung des Bilanzgewinns (z. B. Ausschüttung einer Dividende), die Wahl von Mitgliedern des Aufsichtsrats, die Wahl der Abschlussprüfer, die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat sowie Satzungsänderungen. Diese Entscheidungen prägen die strategische Ausrichtung und die Corporate Governance der Gesellschaft.

Struktur- und Kapitalmaßnahmen

Die Hauptversammlung entscheidet regelmäßig über Kapitalerhöhungen und Kapitalherabsetzungen, genehmigtes und bedingtes Kapital, Bezugsrechtsausschlüsse, den Erwerb und die Verwendung eigener Aktien, Unternehmensverträge (z. B. Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträge) sowie Umwandlungsmaßnahmen wie Verschmelzung, Spaltung oder Formwechsel. Solche Beschlüsse erfordern meist erhöhte Mehrheiten und gegebenenfalls zusätzliche Quoren.

Weitere typische Beschlussgegenstände

Zu weiteren Themen zählen Vergütungsgrundsätze für Leitungs- und Aufsichtsorgane, Zustimmung zu bestimmten Geschäften, die Anpassung der Satzung an neue Rahmenbedingungen, die Billigung besonderer Berichte sowie die Bestellung von Sonderprüfungen. Die genaue Zuständigkeitsverteilung ergibt sich aus Gesetz und Satzung.

Einberufung und Vorbereitung

Wer beruft ein und wann

Die Einberufung erfolgt grundsätzlich durch die geschäftsführungsbefugten Organe. Daneben bestehen Minderheitenrechte, eine Einberufung zu verlangen oder die Tagesordnung zu ergänzen. Ordentliche Hauptversammlungen finden regelmäßig innerhalb eines gesetzlich vorgegebenen Zeitraums nach Geschäftsjahresende statt; außerordentliche Hauptversammlungen werden anlassbezogen einberufen.

Ordentliche, außerordentliche und virtuelle Hauptversammlung

Die ordentliche Hauptversammlung dient vor allem der Rechenschaft über das abgelaufene Geschäftsjahr. Außerordentliche Versammlungen befassen sich mit besonderen, meist eilbedürftigen Themen. Neben Präsenzveranstaltungen sind virtuelle und hybride Formate zulässig, sofern die gesetzlichen und satzungsmäßigen Voraussetzungen eingehalten werden, insbesondere hinsichtlich Teilnahmerechten, Auskünften, Redebeiträgen und Abstimmungen über elektronische Systeme.

Tagesordnung, Unterlagen und Bekanntmachung

Die Tagesordnung muss ordnungsgemäß bekannt gemacht werden. Gesellschafts- und versammlungsrelevante Unterlagen (z. B. Jahres- und Konzernabschluss, Lagebericht, Berichte des Aufsichtsrats, Beschlussvorschläge) werden rechtzeitig zur Einsicht bereitgestellt. Bei börsennotierten Gesellschaften erfolgt die Bekanntmachung in den vorgesehenen Publikationsmedien; Fristen und Formanforderungen sind einzuhalten.

Minderheitsrechte im Vorfeld

Aktionärsminderheiten können unter bestimmten Voraussetzungen die Einberufung verlangen, die Ergänzung der Tagesordnung durchsetzen, Sonderprüfungen anregen und Gegenanträge sowie Wahlvorschläge einreichen. Solche Rechte stärken die Kontrolle und die Mitwirkung auch kleinerer Beteiligungen.

Teilnahme, Stimmrechte und Vertretung

Teilnahmevoraussetzungen und Nachweis

Teilnahmeberechtigt sind Aktionäre, die die in der Einberufung genannten Formalien einhalten. Hierzu gehören Anmeldefristen, der Nachweis der Aktionärsstellung zum maßgeblichen Stichtag (Record Date) und gegebenenfalls die Eintragung im Aktienregister bei Namensaktien. Eine Sperrung der Aktien ist üblicherweise nicht erforderlich.

Stimmrecht, Vorzugsaktien und Stimmrechtsausschlüsse

Stammaktien gewähren grundsätzlich ein Stimmrecht je Aktie. Vorzugsaktien können mit oder ohne Stimmrecht ausgestaltet sein; das Stimmrecht kann unter bestimmten Voraussetzungen vorübergehend aufleben. Eigene Aktien der Gesellschaft sind nicht stimmberechtigt. In eng begrenzten Fällen können Stimmrechte ruhen oder ausgeschlossen sein, etwa zur Vermeidung von Interessenkollisionen.

Vertretung, Vollmachten und Stimmrechtsvertreter

Aktionäre können sich vertreten lassen, etwa durch bevollmächtigte Personen oder von der Gesellschaft benannte Stimmrechtsvertreter. Vollmachten bedürfen bestimmter Formvorgaben und können in der Regel schriftlich oder elektronisch erteilt werden. Weisungen an Stimmrechtsvertreter sind in der festgelegten Weise zu erteilen.

Ablauf und Leitung

Versammlungsleitung und Rederecht

Die Versammlung wird durch die satzungsmäßig vorgesehene Person geleitet, meist die oder der Vorsitzende des Aufsichtsrats. Die Leitung sorgt für Ordnung, Rede- und Frageabläufe, Reihenfolge der Tagesordnungspunkte, Wortmeldungen und Abstimmungen. Rederechte der Aktionäre werden im Rahmen der Geschäftsordnung ausgeübt.

Auskunftsrecht der Aktionäre

Aktionäre können in der Versammlung Auskünfte zu Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen, soweit dies zur sachgemäßen Beurteilung der Tagesordnungspunkte erforderlich ist. Auskünfte können unter engen Voraussetzungen verweigert werden, etwa zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen oder wenn die Information bereits öffentlich zugänglich ist. Bei virtuellen Versammlungen werden Fragen auf den vorgesehenen Wegen eingereicht und beantwortet.

Ablauf der Abstimmungen und Protokollierung

Abstimmungen erfolgen offen oder elektronisch, in Präsenz oder virtuell. Die Leitung stellt das Ergebnis fest und gibt es bekannt. Für bestimmte Beschlussgegenstände ist eine notarielle Beurkundung erforderlich. Im Übrigen wird die Versammlung protokolliert; Protokolle können in der vorgesehenen Form bereitgestellt werden.

Beschlussfassung, Mehrheiten und Wirksamkeit

Mehrheitsarten und Quoren

Die Mehrheitserfordernisse richten sich nach der Art des Beschlusses. Üblich ist die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Für Satzungsänderungen, Kapitalmaßnahmen, Umwandlungen und Unternehmensverträge sind regelmäßig erhöhte Mehrheiten notwendig; zusätzlich können Beteiligungs- oder Kapitalquoren gelten. Die Satzung kann abweichende Bestimmungen vorsehen, soweit gesetzlich zulässig.

Feststellung des Beschlussergebnisses

Das Ergebnis wird von der Versammlungsleitung festgestellt und bekanntgegeben. Diese Feststellung ist für die gesellschaftsinterne Praxis maßgeblich, vorbehaltlich einer späteren gerichtlichen Überprüfung im Fall von Anfechtungen.

Mängel, Anfechtung und Nichtigkeit

Beschlüsse können wegen Einberufungs-, Teilnahme-, Stimmrechts- oder Inhaltsmängeln angreifbar sein. Die Anfechtung erfolgt durch Klage befugter Aktionäre innerhalb bestimmter Fristen. Schwere Mängel können zur Nichtigkeit führen. Für besonders strukturrelevante Beschlüsse existieren beschleunigte gerichtliche Verfahren, um trotz Anfechtung die Eintragung und Durchführung unter bestimmten Voraussetzungen zu ermöglichen.

Dokumentation und Nachlauf

Protokoll und Beurkundung

Die Versammlung wird protokolliert; bei bestimmten Beschlüssen ist eine notarielle Beurkundung vorgeschrieben. Protokolle und Beurkundungen dienen der Beweissicherung und sind Grundlage für Registeranmeldungen.

Umsetzung der Beschlüsse und Eintragungen

Beschlüsse, die das Grundkapital, die Satzung oder die Rechtsform betreffen, sind regelmäßig in das Handelsregister einzutragen. Erst mit Eintragung werden sie gegenüber Dritten wirksam. Gesellschaft und Organe veranlassen die notwendigen Schritte und Publikationen.

Veröffentlichung und Information der Aktionäre

Die Gesellschaft informiert die Aktionäre über die Ergebnisse, Beschlüsse und gegebenenfalls über die Auszahlungsmodalitäten beschlossener Dividenden. Bei börsennotierten Gesellschaften gelten zusätzliche Publizitätsanforderungen.

Besonderheiten bei börsennotierten Gesellschaften

Teilnahme per Fernkommunikation

Elektronische Teilnahme, Briefwahl und Live-Übertragung sind unter Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen möglich. Sicherheits- und Authentifizierungsanforderungen dienen dem Schutz der Stimmrechtsausübung.

Gegenanträge, Wahlvorschläge und Investor Relations

Gegenanträge und Wahlvorschläge von Aktionären werden bei rechtzeitigem Eingang veröffentlicht und in der Versammlung behandelt. Der Dialog mit Investoren wird häufig durch eine umfassende Bereitstellung von Informationen zur Tagesordnung und durch Transparenz über Abstimmungsergebnisse unterstützt.

Häufig gestellte Fragen

Was ist eine Hauptversammlung?

Die Hauptversammlung ist das zentrale Forum der Aktionärinnen und Aktionäre einer Aktiengesellschaft. In ihr werden grundlegende Entscheidungen getroffen, Organe gewählt, die Verwendung des Gewinns beschlossen und Berichte über die Lage des Unternehmens entgegengenommen.

Wer darf an der Hauptversammlung teilnehmen?

Teilnahmeberechtigt sind Aktionäre, die sich fristgerecht anmelden und ihre Berechtigung nachweisen. Bei Namensaktien ist die Eintragung im Aktienregister maßgeblich. Vertreter, von der Gesellschaft benannte Stimmrechtsvertreter sowie Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat nehmen ebenfalls teil.

Welche Beschlüsse trifft die Hauptversammlung?

Zu den wesentlichen Beschlüssen zählen die Gewinnverwendung, die Entlastung der Organe, die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern und Abschlussprüfern, Satzungsänderungen, Kapitalmaßnahmen, Unternehmensverträge und Umwandlungen.

Welche Mehrheiten sind erforderlich?

Für einfache Beschlüsse genügt regelmäßig die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Strukturentscheidungen wie Satzungsänderungen oder Kapitalmaßnahmen erfordern meist erhöhte Mehrheiten und teilweise zusätzliche Quoren. Die Satzung kann zulässige Abweichungen vorsehen.

Wie funktioniert eine virtuelle Hauptversammlung?

Die virtuelle Hauptversammlung findet ohne physische Präsenz der Aktionäre statt. Teilnahmerechte, Auskunftsmöglichkeiten, Redebeiträge und Abstimmungen werden über elektronische Systeme gewährleistet. Es gelten besondere organisatorische und technische Anforderungen.

Wie üben Aktionäre ihr Auskunftsrecht aus?

Fragen können in der Versammlung gestellt oder, je nach Format, vorab oder elektronisch eingereicht werden. Auskünfte sind zu erteilen, soweit sie zur Beurteilung der Tagesordnung erforderlich sind; eine Verweigerung ist unter engen Voraussetzungen möglich, etwa zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen.

Wie werden fehlerhafte Beschlüsse überprüft?

Fehlerhafte Beschlüsse können durch befugte Aktionäre im Wege der gerichtlichen Kontrolle angegriffen werden. Je nach Art des Mangels kommen Anfechtung oder Nichtigkeitsfeststellung in Betracht. Für bestimmte Strukturmaßnahmen stehen beschleunigte Verfahren zur Verfügung.