Begriff und Bedeutung der Hauptstrafe im deutschen Strafrecht
Der Begriff „Hauptstrafe“ bezeichnet im deutschen Strafrecht die zentrale, vom Gericht verhängte Rechtsfolge nach einer strafgerichtlichen Verurteilung. Hauptstrafen bilden damit das Kernelement staatlicher Sanktionsmechanismen im Strafverfahren. Sie dienen primär der Ahndung des begangenen Unrechts, der Abschreckung und der Resozialisierung des Täters und stehen im Gegensatz zu Nebenstrafen und Maßregeln der Besserung und Sicherung.
Im nachstehenden Artikel werden Rechtsgrundlage, Arten, Rechtsfolgen sowie die maßgeblichen Unterschiede zu Nebenstrafen und Maßregeln umfassend erläutert.
Gesetzliche Grundlagen der Hauptstrafe
Die gesetzlichen Regelungen über Hauptstrafen finden sich im Strafgesetzbuch (StGB), dort insbesondere in den §§ 38 ff. StGB. Die Vorschriften bestimmen die zulässigen Arten der Hauptstrafe, deren Bemessung und den Vollzug im Einzelnen.
Abgrenzung zu Nebenstrafen und Maßregeln
Während Hauptstrafen unmittelbar auf das begangene strafbare Verhalten des Täters reagieren, haben Nebenstrafen (z. B. Fahrverbot gemäß § 44 StGB) und Maßregeln der Besserung und Sicherung (z. B. Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, Entziehung der Fahrerlaubnis) eine ergänzende oder eigenständige Funktion. Sie werden entweder zusätzlich zur Hauptstrafe oder in besonderen Fallkonstellationen angeordnet.
Arten der Hauptstrafe
Das Strafrecht unterscheidet zwischen verschiedenen Arten der Hauptstrafe, abhängig von Schwere und Art der Tat sowie der Schuld des Täters.
Freiheitsstrafe
Die Freiheitsstrafe ist die einschneidendste Form der Hauptstrafe (§§ 38 ff. StGB). Sie wird entweder als zeitige Freiheitsstrafe (zwischen einem Monat und fünfzehn Jahren) oder als lebenslange Freiheitsstrafe verhängt.
- Zeitige Freiheitsstrafe: Beträgt mindestens einen Monat und maximal fünfzehn Jahre.
- Lebenslange Freiheitsstrafe: Kann bei bestimmten schweren Straftaten verhängt werden, etwa Mord (§ 211 StGB).
Zweck der Freiheitsstrafe ist die Ahndung des Unrechts, Abschreckung und im Idealfall die Besserung und Eingliederung des Täters in die Gesellschaft.
Geldstrafe
Die Geldstrafe (§§ 40, 41 StGB) ist die am häufigsten verhängte Hauptstrafe für weniger gravierende Delikte. Sie misst sich nach der Anzahl und Höhe der sogenannten Tagessätze. Die Tagessatzanzahl bestimmt sich nach der Tatschuld; die Tagessatzhöhe richtet sich nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters.
- Berechnung: Geldstrafe = Anzahl der Tagessätze x Tagessatzhöhe (mindestens 5, höchstens 360 Tagessätze; einzelne, besonders schwere Fälle: bis zu 720 Tagessätze).
- Vollstreckung: Kann der Verurteilte die Strafe nicht zahlen, ist eine Ersatzfreiheitsstrafe vorgesehen (§ 43 StGB).
Jugendstrafe
Im Jugendgerichtsgesetz (JGG) finden sich besondere Hauptstrafen für Heranwachsende und Jugendliche (§§ 17 ff. JGG). Hier steht der erzieherische Gedanke im Vordergrund. Neben der Jugendstrafe existieren Zuchtmittel wie der Jugendarrest oder die Verwarnung, die ebenfalls als Hauptstrafen gelten.
Rechtsfolgen und Sanktionen
Strafzumessung
Die Höhe der Hauptstrafe wird im Strafzumessungsverfahren bestimmt. Maßgeblich für die Bemessung der Strafe sind die Schuld des Täters, Art und Umfang des Tatgeschehens, etwaige strafschärfende oder strafmildernde Umstände sowie Persönlichkeitsmerkmale.
Strafaussetzung zur Bewährung
Bei der zeitigen Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren sieht das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen eine Aussetzung zur Bewährung vor (§ 56 StGB). Die Strafe wird dann nicht vollstreckt, sofern der Verurteilte keine weiteren Straftaten begeht und sich bewährt.
Ersatzfreiheitsstrafe
Kann eine Geldstrafe nicht gezahlt werden, so sieht das Gesetz die sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe (§ 43 StGB) für jeden nicht gezahlten Tagessatz vor.
Abgrenzung zu Nebenstrafen und Maßregeln
Nebenstrafen
Hauptstrafen sind von Nebenstrafen klar abzugrenzen. Nebenstrafen, wie das Fahrverbot (§ 44 StGB) oder der Verlust der Amtsfähigkeit (§ 45 StGB), treten regelmäßig ergänzend zur Hauptstrafe hinzu, sind aber keine eigenständige Ahndung.
Maßregeln der Besserung und Sicherung
Im Gegensatz zu Hauptstrafen haben Maßregeln wie die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) präventiven Charakter und sollen die Allgemeinheit vor künftigen Gefahren schützen. Sie basieren auf anderen Anordnungsvoraussetzungen als die Hauptstrafe.
Funktionen der Hauptstrafe
Hauptstrafen erfüllen verschiedene Funktionen im Rechtssystem:
- Vergeltung: Übt Sühne für das begangene Unrecht.
- Prävention: Abschreckung des Täters (spezialpräventiv) und anderer potenzieller Täter (generalpräventiv).
- Resozialisierung: Ermöglichung der Wiedereingliederung des Täters in die Gesellschaft.
- Rechtsfrieden: Wiederherstellung des gesellschaftlichen Rechtsbewusstseins.
Besondere Hauptstrafen im Nebenstrafrecht
Auch im Nebenstrafrecht, zum Beispiel im Wirtschaftsstrafrecht oder Ordnungswidrigkeitenrecht, bestehen zum Teil eigenständige Hauptstrafen oder sanktionsähnliche Maßnahmen. Die Systematik entspricht jedoch im Kern dem allgemeinen Strafrecht.
Zusammenfassung
Unter Hauptstrafe versteht man im deutschen Strafrecht die wesentliche Sanktion nach einer strafgerichtlichen Verurteilung, mit deren Verhängung das Tatunrecht abgegolten und general- sowie spezialpräventiven Zwecken Rechnung getragen wird. Zu den Hauptstrafen zählen insbesondere die Freiheitsstrafe, Geldstrafe und im Jugendstrafrecht auch die Jugendstrafe und Erziehungsmaßregeln. Sie unterscheiden sich grundlegend von Nebenstrafen und Maßregeln der Besserung und Sicherung. Die Hauptstrafe ist das zentrale Steuerungsinstrument staatlicher Strafrechtspflege und dient im Wesentlichen dem Schutz und Erhalt des Rechtsfriedens in der Gesellschaft.
Häufig gestellte Fragen
Welche Arten von Hauptstrafen sieht das deutsche Strafrecht vor?
Im deutschen Strafrecht unterscheidet man gemäß § 38 und § 41 Strafgesetzbuch (StGB) grundsätzlich zwischen Freiheitsstrafe und Geldstrafe als Hauptstrafen. Daneben gibt es mit der Nebenstrafe und den Maßregeln der Besserung und Sicherung weitere Sanktionen, jedoch gelten nur Freiheitsstrafe und Geldstrafe als sogenannte Hauptstrafen. Die Freiheitsstrafe kann zeitlich befristet (mindestens einen Monat bis höchstens fünfzehn Jahre), in besonders schweren Fällen auch als lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden. Die Geldstrafe wird in Tagessätzen bemessen, deren Anzahl und Höhe abhängig von der Schwere der Tat und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters festgesetzt werden. Für Jugendliche und Heranwachsende gelten besondere Regelungen nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG), welches als Hauptstrafen die Jugendstrafe, Zuchtmittel wie Arrest und Verwarnung sowie die Auferlegung von Arbeitsleistungen vorsieht.
Kann eine Hauptstrafe mit Nebenfolgen oder Nebenstrafen kombiniert werden?
Ja, das deutsche Strafrecht sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, neben der Verurteilung zu einer Hauptstrafe auch Nebenstrafen und Nebenfolgen anzuordnen. Zu den Nebenstrafen zählt beispielsweise das Fahrverbot (§ 44 StGB), während Nebenfolgen wie die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB), Berufsverbote (§ 70 StGB) und die Einziehung von Tatmitteln oder Taterträgen (§§ 73 ff. StGB) hinzukommen können. Diese Nebenstrafen und Nebenfolgen sind nicht als Hauptstrafe klassifiziert, können jedoch zusätzlich zu ihr verhängt werden. Die Bemessung und Anordnung erfolgt je nach Tat und persönlichen Umständen des Täters sowie nach Maßgabe der gesetzlichen Voraussetzungen.
Welche Rolle spielt das Verschulden des Täters bei der Bemessung der Hauptstrafe?
Das Maß des Verschuldens ist im deutschen Strafrecht zentrales Kriterium für die Bestimmung und Bemessung der Hauptstrafe. Nach § 46 Absatz 1 Satz 1 StGB ist die Schuld des Täters die Grundlage für die Zumessung der Strafe. Hierzu gehören Elemente wie Motiv, Gesinnung, Beweggründe, das Maß der Pflichtwidrigkeit sowie die Auswirkungen der Tat. Das Gericht hat im Rahmen der Strafzumessung alle Umstände abzuwägen, die für und gegen den Täter sprechen, um eine tat- und schuldangemessene Hauptstrafe festzusetzen. Auch eventuelle strafmildernde oder strafschärfende Gesichtspunkte (z.B. Geständnis, Nachtatverhalten, Vorstrafen) finden Berücksichtigung.
Gibt es im deutschen Recht Alternativen zu den klassischen Hauptstrafen?
Im Erwachsenenstrafrecht sind Freiheits- und Geldstrafe die einzigen Hauptstrafen. Alternativen wie die Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) oder gemeinnützige Arbeit stellen keine eigenen Hauptstrafen dar, sondern sind besondere Sanktionsformen oder Modifikationen der Strafe. Im Jugendstrafrecht jedoch stehen erzieherische Maßnahmen, Zuchtmittel (wie Jugendarrest) und Jugendstrafe zur Verfügung, was eine Abweichung darstellt. Außerdem kann die Vollstreckung der Hauptstrafe unter bestimmten Voraussetzungen zur Bewährung ausgesetzt werden, was jedoch keine eigenständige Strafe, sondern eine Vollstreckungsmodalität ist.
Wie werden Hauptstrafen vollstreckt, und gibt es Möglichkeiten der Aussetzung?
Die Vollstreckung der Hauptstrafen richtet sich nach den Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO) und des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG). Freiheitsstrafen werden in Justizvollzugsanstalten verbüßt, wobei sie in bestimmten Fällen auch zur Bewährung ausgesetzt werden können, wenn eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verhängt wurde (§ 56 StGB), und der Täter keine negativen Prognosekriterien aufweist. Geldstrafen werden durch Zahlungsaufforderungen der Staatsanwaltschaft vollstreckt. Bei Uneinbringlichkeit kann anstelle der Geldstrafe Ersatzfreiheitsstrafe treten (§ 43 StGB), das heißt, die zu zahlende Geldstrafe wird in Hafttage umgerechnet. Die Einzelheiten der Aussetzung, Ablösung und Umwandlung sind in den einschlägigen Vorschriften geregelt.
Was geschieht bei gleichzeitiger Verwirklichung mehrerer Straftatbestände bezüglich der Hauptstrafe?
Wenn mehrere Straftaten im Wege einer Handlung oder Tat begangen werden (Tateinheit bzw. Tatmehrheit), werden Hauptstrafen nach dem sogenannten Gesamtstrafenprinzip gebildet (§§ 53, 54 StGB). Das Gericht verhängt für jede einzelne Tat zunächst eine Einzelstrafe, anschließend wird unter Berücksichtigung des Gesamtunrechts eine einheitliche Gesamtstrafe gebildet. Hierbei darf die Gesamtfreiheitsstrafe das zulässige Höchstmaß nicht überschreiten. Die Anwendung des Gesamtstrafenprinzips ist besonders relevant bei sehr komplexen Fallgestaltungen und hat erhebliche Auswirkungen auf die Vollstreckungspraxis.
Unter welchen Voraussetzungen ist die Umwandlung einer Hauptstrafe möglich?
Die Umwandlung einer Hauptstrafe ist insbesondere im Kontext der Geldstrafe relevant. Kann die vom Gericht verhängte Geldstrafe nicht beigetrieben werden, sieht § 43 StGB die Umwandlung der Geldstrafe in eine Ersatzfreiheitsstrafe vor, wobei für jeden nicht bezahlten Tagessatz ein Tag Freiheitsstrafe zu verbüßen ist. Im Jugendstrafrecht besteht die Möglichkeit, Jugendarrest durch gemeinnützige Arbeitsleistungen zu ersetzen, unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Erziehung. Die Möglichkeiten und Voraussetzungen für die Umwandlung einer Hauptstrafe sind gesetzlich abschließend geregelt und dienen dazu, die Wirksamkeit des Sanktionensystems zu gewährleisten.