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Hauptschöffen


Begriff und rechtliche Einordnung von Hauptschöffen

Der Begriff Hauptschöffen ist im deutschen Strafprozessrecht von wesentlicher Bedeutung. Hauptschöffen sind ehrenamtliche Richter, die im Rahmen der Strafgerichtsbarkeit gemeinsam mit Berufsrichtern Urteile in Strafsachen fällen. Sie nehmen insbesondere an Hauptverhandlungen beim Schöffengericht sowie bei den großen Strafkammern der Landgerichte teil. Das Amt der Hauptschöffen unterscheidet sich durch die Teilnahme an einer größeren Anzahl von Sitzungen und Verhandlungen von dem der Ersatzschöffen, deren Funktion primär in der Ersatzstellung bei Ausfall eines Hauptschöffen besteht.

Rechtsgrundlagen und Regelungen

Gesetzliche Grundlagen

Die zentrale gesetzliche Grundlage für das Amt der Hauptschöffen bildet das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Die maßgeblichen Regelungen finden sich insbesondere in den §§ 30 bis 54b GVG. Weitere einschlägige Normen finden sich in der Strafprozessordnung (StPO).

§ 30 GVG bestimmt, dass bei den Amts- und Landgerichten Schöffengerichte gebildet werden, bei denen neben einem Berufsrichter zwei Schöffen mitwirken. Die Bestellung und das Verfahren zur Auswahl sind im Detail geregelt.

Auswahl und Ernennung

Die Auswahl der Hauptschöffen erfolgt im Rahmen des sogenannten Schöffenwahlausschusses (§ 40 GVG). Hierbei wird eine sogenannte Vorschlagsliste erstellt, die interessierte und geeignete Personen berücksichtigt. Aus dieser Liste bestimmt der Wahlausschuss die eigentlichen Hauptschöffen durch Abstimmung. Sie werden anschließend für eine Dauer von fünf Jahren ernannt und erhalten eine schriftliche Benachrichtigung über die Berufung zum Amt (§ 44 und 45 GVG).

Voraussetzungen und Ausschlussgründe

Um als Hauptschöffe bestellt zu werden, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden (§ 33 GVG):

  • Deutsche Staatsangehörigkeit
  • Vollendetes 25. Lebensjahr
  • Mindestens einjähriger Wohnsitz im Bezirk des zuständigen Gerichts
  • Keine erheblichen Strafregistereinträge
  • Geistige und körperliche Eignung für das Amt

Ausschlussgründe ergeben sich aus § 32 GVG und umfassen u.a. Beschäftigte in Justiz oder Polizei, Altersobergrenze sowie bestehende Vorstrafen.

Aufgaben und Befugnisse von Hauptschöffen

Mitwirkung an Strafverfahren

Hauptschöffen nehmen mit vollem Stimmrecht an Hauptverhandlungen teil (§ 31 GVG). Sie sind in der Entscheidungsfindung den Berufsrichtern gleichgestellt und haben damit erheblichen Einfluss auf das Urteil. Dies betrifft sowohl Schuld- als auch Straffrage.

Abstimmung über Urteile

Die Beteiligung der Hauptschöffen ist insbesondere bei der Urteilsfindung von zentraler Bedeutung. Die Stimmen der Hauptschöffen und der Berufsrichter zählen gleichwertig (§ 263 StPO). Ein Schöffengericht ist regelmäßig beschlussfähig, wenn mindestens ein Hauptschöffe anwesend ist.

Weitere Aufgaben

Hauptschöffen wirken auch bei der Bestimmung von Maßnahmen zur Wahrheitsfindung, Zeugenvernehmungen oder der Strafzumessung mit. Sie sind berechtigt, Fragen zu stellen und Anträge zu den einzelnen Verfahrensschritten zu stellen, sofern das Gericht dies zulässt.

Pflichten und Rechte der Hauptschöffen

Verschwiegenheitspflicht

Hauptschöffen unterliegen einer umfassenden Verschwiegenheitspflicht (§ 45a GVG). Informationen über den Verlauf oder Inhalt der Verhandlungen dürfen nicht an Dritte weitergegeben werden.

Teilnahme- und Mitwirkungspflicht

Die Pflicht zur regelmäßigen Teilnahme an den zugewiesenen Sitzungen ist gesetzlich normiert. Bei Verletzung dieser Pflicht können ordnungsrechtliche Sanktionen verhängt werden, etwa Geldbußen (§ 54 GVG) oder der Ausschluss vom Amt bei beharrlicher Pflichterfüllungsverweigerung.

Schutz und Entschädigung

Für die Ausübung ihres Amtes genießen Hauptschöffen einen besonderen Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis (§ 45 Abs. 1 GVG). Sie erhalten eine Entschädigung für Verdienstausfall, Aufwandsentschädigung und Fahrkosten nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG).

Unterschied zu Ersatzschöffen

Im Gegensatz zu Hauptschöffen sind Ersatzschöffen nicht für eine regelmäßige Teilnahme an allen Sitzungen vorgesehen. Sie werden nur im Falle einer Verhinderung des Hauptschöffen – beispielsweise durch Krankheit oder andere Hinderungsgründe – zur Teilnahme herangezogen (§ 54 Abs. 2 GVG). Die Anforderungen an Auswahl und Ernennung sind jedoch identisch.

Amtszeit und Entbindung

Dauer des Amtes

Hauptschöffen werden grundsätzlich für eine Amtsperiode von fünf Jahren bestellt (§ 45 GVG). Eine wiederholte Berufung ist zulässig, soweit keine wichtigen Hinderungsgründe bestehen.

Ablehnung und Entbindung

Unter bestimmten Umständen können Hauptschöffen die Übernahme oder Fortführung ihres Amtes ablehnen (§ 52 GVG), etwa aus gesundheitlichen, beruflichen oder familiären Gründen. Das Gericht kann zudem Schöffen aus wichtigem Grund entbinden, dazu zählen beispielsweise Verstöße gegen die Amtspflichten oder nachträglich eingetretene Hinderungsgründe.

Bedeutung der Hauptschöffen im Strafverfahren

Hauptschöffen leisten einen wichtigen Beitrag zur Verwirklichung des Grundsatzes der Beteiligung ehrenamtlicher Richter am Strafverfahren. Ihre Mitwirkung sichert nicht nur die Transparenz gerichtlicher Entscheidungen, sondern stellt auch einen Ausdruck demokratischer Teilhabe an der Rechtsprechung dar. Sie tragen dazu bei, Berufsrichter bei ihrer Entscheidungsfindung zu unterstützen und ggf. korrigierend zu wirken.

Literatur und weiterführende Informationen


Hinweis: Dieser Beitrag stellt eine umfassende und rechtlich fundierte Übersicht zum Begriff Hauptschöffen dar und kann als Nachschlagewerk für die wesentlichen rechtlichen Aspekte des Schöffenamts genutzt werden.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Voraussetzungen müssen Hauptschöffen erfüllen?

Um das Amt eines Hauptschöffen ausüben zu können, müssen laut §§ 31 ff. Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) bestimmte gesetzliche Voraussetzungen vorliegen. Hauptschöffen müssen die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (§ 31 GVG) und zu Beginn der Amtsperiode mindestens 25 und höchstens 69 Jahre alt sein. Sie müssen seit mindestens einem Jahr in der Gemeinde wohnen, dürfen keine Vorstrafen aufweisen und müssen die bürgerlichen Ehrenrechte besitzen. Bestimmte Berufsgruppen, wie Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte, Polizeivollzugsbeamte und andere Beschäftigte des Justizwesens, sind von der Berufung zum Hauptschöffen ausgeschlossen (§ 34 GVG). Darüber hinaus muss die Person gesundheitlich in der Lage sein, das Schöffenamt ordnungsgemäß auszuüben, was insbesondere eine ausreichende geistige und körperliche Leistungsfähigkeit voraussetzt. Ein bestehendes Insolvenzverfahren oder eine Überschuldung können ebenfalls Hinderungsgründe darstellen.

Wie erfolgt die Auswahl und Ernennung von Hauptschöffen?

Die Auswahl und Ernennung von Hauptschöffen erfolgt in einem mehrstufigen Verfahren, welches in den §§ 36 ff. GVG geregelt ist. Zunächst stellen die Gemeinden eine Vorschlagsliste geeigneter Kandidaten auf, die von den Einwohnern der Gemeinde eingereicht oder durch den Gemeinderat ergänzt werden kann. Die Vorschlagsliste wird öffentlich ausgelegt, um Einsprüche zu ermöglichen. Die endgültige Auswahl trifft dann ein Wahlausschuss beim zuständigen Amtsgericht, der sich aus einem Richter als Vorsitzendem und zehn vom Kreistag gewählten Vertrauenspersonen zusammensetzt (§ 40 GVG). Die Schöffen werden für eine Amtszeit von fünf Jahren berufen, wobei darauf zu achten ist, dass Frauen und Männer, Berufsgruppen sowie verschiedene Alters- und Bevölkerungsgruppen angemessen berücksichtigt werden. Nach der Auswahl erhalten die Hauptschöffen eine formelle Ernennungsurkunde und werden verpflichtet (§ 45 GVG).

Was sind die wichtigsten Pflichten und Rechte von Hauptschöffen im Verfahren?

Hauptschöffen haben im Strafverfahren insbesondere das Recht und die Pflicht zur Teilnahme an Hauptverhandlungen und an der Abstimmung über das Urteil oder andere Beschlussfassungen (§ 29 GVG, § 263 StPO). Sie sind an die Mitwirkung im Spruchkörper gebunden und haben das gleiche Stimmrecht wie die Berufsrichter, insbesondere bei Schuldspruch und Strafmaß. Wichtig ist die Pflicht zur Unparteilichkeit und Verschwiegenheit (§ 30 GVG), insbesondere hinsichtlich Beratungsinhalten und dem Abstimmungsverhalten. Hauptschöffen sind außerdem verpflichtet, an den auf sie entfallenden Sitzungstagen teilzunehmen und im Verhinderungsfall rechtzeitig abzusagen, um Verzögerungen im Verfahren zu vermeiden. Sie genießen in Ausübung ihres Amtes den Schutz der Gerichtsbarkeit und dürfen wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt werden (§ 45a GVG).

Wie erfolgt die Entbindung oder Abberufung eines Hauptschöffen?

Eine Entbindung oder vorzeitige Abberufung eines Hauptschöffen ist nur unter den im GVG abschließend geregelten Voraussetzungen zulässig. Gemäß § 51 GVG kann ein Schöffe auf Antrag entbunden werden, wenn schwerwiegende persönliche oder berufliche Gründe wie Krankheit, dauerhafte berufliche Verhinderung, Umzug aus dem Gerichtsbezirk oder familiäre Belastungen vorliegen. Die Entscheidung trifft das Gericht. Eine Abberufung von Amts wegen ist nur möglich, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen, die bei der Berufung vorlagen, im Nachhinein weggefallen sind (etwa bei strafrechtlicher Verurteilung oder Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, vgl. § 52 GVG). Die Abberufung erfolgt durch Beschluss des Gerichts, gegen den Rechtsmittel eingelegt werden können.

Welche Haftungs- und Versicherungspflichten bestehen für Hauptschöffen?

Hauptschöffen unterliegen während der Ausübung ihres Amtes einem besonderen Haftungsschutz. Sie haften für Amtspflichtverletzungen grundsätzlich nicht persönlich, sofern sie im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und ihrer Funktion als Teil des Spruchkörpers handeln (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG). Ansprüche gegen Schöffen wegen Amtspflichtverletzungen richten sich grundsätzlich gegen den Staat. Eine besondere Versicherungspflicht besteht nicht, allerdings sind Schöffen während der Amtsausübung gesetzlich unfallversichert (§ 2 Abs. 1 Nr. 10a SGB VII). Etwaige Verdienstausfälle, Fahrtkosten und sonstige notwendige Aufwendungen werden nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) erstattet.

Welche Mitwirkungsbefugnisse haben Hauptschöffen bei der Urteilsfindung?

Die Mitwirkungsbefugnisse der Hauptschöffen sind gesetzlich klar geregelt und umfassen insbesondere die gleichberechtigte Teilnahme an allen Beratungen und Abstimmungen während des Strafprozesses (§ 263 StPO). Bei allen wesentlichen Entscheidungen – namentlich dem Schuldspruch, dem Strafausspruch und der Festsetzung gesetzlicher Nebenfolgen – zählen die Stimmen der Schöffen genauso wie die der Berufsrichter. In den meisten Strafsachen entscheidet die Strafkammer oder das Schöffengericht durch Mehrheit. Ein einstimmiger Freispruch ist jedoch erforderlich, wenn der Angeklagte eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren erhalten soll (§ 263 Abs. 2 StPO). Das Gesetz garantiert, dass kein Urteil gegen die Stimmen der Schöffen gefällt werden darf, wodurch die demokratische Legitimation des Spruchkörpers verstärkt wird.