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Hasskriminalität


Begriff und Definition der Hasskriminalität

Hasskriminalität, auch als hate crime oder Hassverbrechen bezeichnet, beschreibt eine spezielle Form der Straftat, die sich gegen Personen, Personengruppen oder Sachen richtet und durch Vorurteile oder Feindseligkeit motiviert ist. Häufig beziehen sich diese Vorurteile auf Merkmale wie ethnische Herkunft, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, sexuelle Orientierung, Behinderung, Geschlecht, soziale Herkunft oder andere persönliche Eigenschaften. Die rechtliche Einordnung und Verfolgung von Hasskriminalität ist in zahlreichen nationalen und internationalen Regelwerken verankert und stellt einen wichtigen Bestandteil des Strafrechtsschutzes marginalisierter Gruppen dar.

Gesetzliche Grundlagen in Deutschland

Strafgesetzbuch (StGB) und Bezug zur Hasskriminalität

Im deutschen Recht ist der Begriff „Hasskriminalität” nicht explizit als eigener Straftatbestand geregelt. Vielmehr handelt es sich um eine strafverschärfende Motivation bei bestehenden Straftatbeständen. Der zentrale Bezugspunkt im deutschen Strafrecht ist § 46 Absatz 2 StGB, der bei der Strafzumessung vorsieht, dass „rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe und Ziele” strafschärfend zu berücksichtigen sind.

Relevante Straftatbestände

Zu den in der Praxis besonders relevanten Straftaten im Zusammenhang mit Hasskriminalität zählen insbesondere:

  • Beleidigung (§ 185 StGB)
  • Körperverletzung (§§ 223 ff. StGB)
  • Volksverhetzung (§ 130 StGB)
  • Sachbeschädigung (§ 303 StGB)
  • Nötigung (§ 240 StGB)
  • Bedrohung (§ 241 StGB)

Die Taten werden strafverschärfend beurteilt, wenn ein Hassmotiv nachweisbar ist.

Volksverhetzung als besonderer Straftatbestand

Eine zentrale Rolle spielt § 130 StGB (Volksverhetzung). Dieser schützt die öffentliche Ordnung sowie die Menschenwürde und stellt Ausdrücke des Hasses, der Hetze oder der Gewaltaufrufe gegen Gruppen unter besonderen staatlichen Schutz. Der Paragraf findet Anwendung im Kontext gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

Ermittlung und Verfolgung von Hasskriminalität

Polizeiliche Erfassung

Die polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) weist „Hasskriminalität” als besondere Kategorie aus. Dabei werden relevante Straftaten nach ihrem Motiv eingestuft – zum Beispiel als rechtsmotiviert, antisemitisch, rassistisch oder gegen die sexuelle Orientierung gerichtet. Seit 2001 sind Polizei und Justiz in Deutschland gehalten, Hassmotive gesondert zu erfassen, um eine genauere statistische Auswertung und Aufklärung zu ermöglichen.

Strafzumessung und Urteilsfindung

Im Ermittlungsverfahren wird geprüft, ob eine Straftat der Kategorie Hasskriminalität zuzuordnen ist. Bei der Strafzumessung sind entsprechende Motive gemäß § 46 Absatz 2 StGB zu berücksichtigen. Zahlreiche Gerichte begründen Urteile in diesen Fällen ausführlich und betonen die gesteigerte Gefährlichkeit für das gesellschaftliche Zusammenleben.

Europarechtliche und internationale Rechtsgrundlagen

Europäische Union

Die Europäische Union hat sich in mehreren Rahmenbeschlüssen und Richtlinien zur Bekämpfung von Hasskriminalität verpflichtet, insbesondere im Rahmenbeschluss 2008/913/JI des Rates über die Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, effektiv gegen Hassdelikte vorzugehen und entsprechende Straftatbestände vorzusehen.

Internationale Vorgaben

Auch internationale Übereinkommen, wie das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (ICERD) oder die Empfehlungen des Europarats zur Bekämpfung von Hasskriminalität, zielen auf den Schutz von Minderheiten und die Bekämpfung von Vorurteilen und Diskriminierung ab.

Digitale Hasskriminalität

Relevante Tatbestände im Internet

Mit dem zunehmenden Einfluss des Internets verlagern sich viele Erscheinungsformen der Hasskriminalität in den digitalen Raum. Relevante Straftatbestände umfassen insbesondere:

  • Beleidigung und üble Nachrede (§§ 185, 186 StGB)
  • Verleumdung (§ 187 StGB)
  • Volksverhetzung (§ 130 StGB) in sozialen Netzwerken
  • Bedrohung und Nachstellung (§§ 241, 238 StGB)

NetzDG und strafrechtliche Maßnahmen

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verpflichtet Betreiber sozialer Netzwerke, offensichtlich rechtswidrige Inhalte wie Hassrede oder Volksverhetzung unverzüglich zu löschen und gegebenenfalls an die Strafverfolgungsbehörden zu melden.

Maßnahmen zur Prävention und Opferhilfe

Präventionsansätze

Zur Prävention von Hasskriminalität existieren bundesweit zahlreiche Programme und Initiativen, die Aufklärung, Bildung und gesellschaftliche Sensibilisierung fördern. Staatliche und zivilgesellschaftliche Projekte verfolgen das Ziel, Toleranz, Vielfalt und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.

Opferunterstützung

Für Betroffene von Hasskriminalität sind spezialisierte Beratungsstellen und Hilfsangebote verfügbar. Sie bieten Unterstützung in rechtlicher, psychologischer und sozialer Hinsicht sowie Begleitung im Strafverfahren.

Rechtliche Bewertung und gesellschaftliche Bedeutung

Hasskriminalität wird als schwerwiegende Bedrohung für das demokratische Zusammenleben anerkannt. Der Gesetzgeber betrachtet die konsequente Bekämpfung dieser Straftaten als staatliche Verpflichtung zum Schutz der Menschenwürde und zum Erhalt des friedlichen Zusammenlebens. Die laufende Weiterentwicklung rechtlicher Rahmenbedingungen und gesellschaftlicher Präventionsmaßnahmen unterstreicht die wachsende Bedeutung des Themas im modernen Rechtsstaat.

Literatur und weiterführende Quellen

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechte haben Betroffene von Hasskriminalität im Strafverfahren?

Betroffene von Hasskriminalität haben im deutschen Strafverfahren umfassende Rechte, die in verschiedenen Gesetzen, insbesondere der Strafprozessordnung (StPO) und dem Opferentschädigungsgesetz (OEG), geregelt sind. Sie sind berechtigt, Anzeige bei der Polizei oder direkt bei der Staatsanwaltschaft zu erstatten. Im weiteren Verfahren können sie als Zeuginnen und Zeugen auftreten und haben Anspruch auf Schutz vor weiteren Übergriffen, etwa durch einstweilige Anordnungen oder Zeugenschutzprogramme (§ 68 StPO). Besonders bedeutsam ist das Recht auf Nebenklage (§§ 395 ff. StPO), das es Betroffenen ermöglicht, sich dem Strafverfahren als eigene Partei mit spezifischen Verfahrensrechten anzuschließen. Sie können Akteneinsicht beantragen, eigene Beweisanträge stellen, Fragen an Beschuldigte oder Zeugen richten und Rechtsmittel gegen entscheidende Verfahrenshandlungen einlegen. Zudem haben sie Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung (§ 406g StPO) und ggf. einen Rechtsanwalt als Beistand (§ 397a StPO). Nach dem Opferentschädigungsgesetz können Betroffene finanzielle Leistungen beim zuständigen Versorgungsamt beantragen, etwa für Behandlungskosten oder Schmerzensgeld. Die Polizei sowie Opferberatungsstellen unterstützen bei der Durchsetzung dieser Rechte und vermitteln auf Wunsch weitere Hilfsangebote.

Wann wird Hasskriminalität strafrechtlich verfolgt?

Hasskriminalität wird dann strafrechtlich verfolgt, wenn die Tat einen Straftatbestand des Strafgesetzbuchs (StGB) oder eines Nebengesetzes erfüllt und ein Motiv vorliegt, das vom Hass auf bestimmte gesellschaftliche Gruppen getragen ist, etwa wegen Rasse, ethnischer Herkunft, Religion, sexueller Orientierung oder Weltanschauung. Die Ermittlungsbehörden müssen von Amts wegen („Offizialprinzip”) tätig werden, sobald sie Kenntnis von einer solchen Tat erhalten haben. Das Motiv der Hasskriminalität wirkt sich strafschärfend aus: § 46 Abs. 2 StGB schreibt ausdrücklich vor, dass bei der Strafzumessung „rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende” Beweggründe besonders zu berücksichtigen sind. Das bedeutet rechtlich, dass die Verfolgung nicht vom Willen der Geschädigten abhängt, sondern – bei hinreichendem Tatverdacht – zwingend eingeleitet werden muss.

Welche Strafverschärfungen sieht das deutsche Recht für Hasskriminalität vor?

Neben der allgemeinen Pflicht zur Berücksichtigung menschenverachtender Motive gemäß § 46 Abs. 2 StGB gibt es für bestimmte Delikte auch speziell gefasste Qualifikationstatbestände, die höhere Strafrahmen vorsehen, wenn Hassmotive im Spiel sind. Beispiele hierfür sind Volksverhetzung (§ 130 StGB), das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) oder das öffentliche Auffordern zu Straftaten (§ 111 StGB), sofern diese mit hasserfülltem Hintergrund begangen werden. Auch bei Körperverletzungsdelikten, Sachbeschädigung oder Beleidigungsdelikten kann die Justiz das Strafmaß erhöhen, wenn ein Hassmotiv – etwa gegen eine bestimmte ethnische oder religiöse Gruppe – nachgewiesen wird. Gerichte sind gehalten, diese Motive explizit in ihren Urteilsbegründungen zu benennen.

Können Taten, die aus Hassmotiven begangen werden, als besonders schwere Straftaten eingestuft werden?

Ja, die Einordnung einer Tat als besonders schwere Straftat ist möglich, wenn sie aus niederen Beweggründen, zu denen ausdrücklich auch hasserfüllte oder rassistische Motive zählen, begangen wurde. So werden beispielsweise bei Mord (§ 211 StGB) „niedrige Beweggründe” als Mordmerkmal angesehen, was zu lebenslanger Freiheitsstrafe führen kann. Auch bei anderen Deliktgruppen schreibt das Gesetz vor, dass Hassmotive bei der Bestimmung der Tatqualität sowie der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. Die Beurteilung des Motivs erfolgt dabei im Rahmen der richterlichen Überzeugungsbildung anhand aller zur Verfügung stehenden Beweismittel, einschließlich Äußerungen, Symbolik und des gesamten Tatzusammenhangs.

Wie erfolgt die strafrechtliche Einordnung von Hasskriminalität bei Internet-Taten?

Im digitalen Raum werden Hassdelikte ebenso strafrechtlich verfolgt wie im analogen Leben. Zu den einschlägigen Delikten zählen insbesondere Beleidigung (§ 185 StGB), üble Nachrede (§ 186 StGB), Verleumdung (§ 187 StGB), Bedrohung (§ 241 StGB) sowie die Volksverhetzung (§ 130 StGB). Die gesetzlichen Verschärfungen, etwa durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) und die entsprechenden Meldepflichten für Anbieter von sozialen Netzwerken, dienen dazu, die strafrechtliche Verfolgung zu erleichtern. Ermittlung und Strafverfolgung erfolgen regelmäßig auch bei anonymen Tätern, soweit deren Identität technisch ermittelt werden kann. Der Gesetzgeber hat hierfür spezielle Regelungen zum Auskunftsanspruch der Strafverfolgungsbehörden gegenüber Plattformbetreibern geschaffen, um Urheberinnen und Verbreiterinnen strafbarer Hassinhalte zu identifizieren.

Welche Möglichkeiten der zivilrechtlichen Abwehr bietet das Recht bei Hasskriminalität?

Neben der strafrechtlichen Verfolgung von Hasskriminalität eröffnet das deutsche Zivilrecht Betroffenen verschiedene Schutz- und Entschädigungsansprüche. Über einstweilige Verfügungen können Betroffene beispielsweise erreichen, dass beleidigende, herabwürdigende oder volksverhetzende Äußerungen im Internet gelöscht oder nicht weiterverbreitet werden. Im Rahmen von Unterlassungsansprüchen (§§ 823, 1004 BGB) können sie auf zivilgerichtlichem Wege gegen Täter*innen vorgehen, ebenso besteht die Möglichkeit der Schadensersatzforderung oder der Geltendmachung von Schmerzensgeld. Auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bietet Rechtsschutz, wenn Hasskriminalität im Kontext von Arbeits-, Miet- oder Dienstverhältnissen auftritt. Die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche ist oft an kurze Fristen gebunden und sollte zeitnah nach der Tat eingeleitet werden.