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Handeln auf Befehl


Begriff und Grundlagen des Handelns auf Befehl

Handeln auf Befehl bezeichnet im rechtlichen Kontext das Ausführen einer Handlung allein auf Anweisung oder Weisung einer übergeordneten oder weisungsbefugten Person. Besonders relevant ist der Begriff im Strafrecht und im öffentlichen Recht, insbesondere im Zusammenhang mit militärischen Befehlsketten, polizeilichen Strukturen sowie im Beamtenrecht. Die Thematik umfasst die Abgrenzung zwischen eigenverantwortlichem und fremdbestimmtem Handeln und ist regelmäßig Gegenstand rechtlicher Bewertungen hinsichtlich individueller Tatverantwortung.

Rechtliche Einordnung

Strafrechtliche Bedeutung

Allgemeines

Im Strafrecht stellt das Handeln auf Befehl eine Besonderheit bei der Zurechnung von Straftaten dar. Grundsätzlich gilt, dass jeder für sein eigenes Handeln verantwortlich ist (§ 14 StGB – „Keine Strafbarkeit ohne Schuld“). Die Frage, ob sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Befolgung eines rechtswidrigen Befehls ausschließt oder abgemildert wird, ist besonders im Zusammenhang mit Gehorsamspflichten von Bedeutung.

Befehlsnotstand (§ 35 StGB)

Ein zentrales Rechtsinstitut ist der Befehlsnotstand. Nach § 35 Strafgesetzbuch kann einem Untergebenen, der auf Befehl handelt, die Schuld erlassen werden, wenn eine Zwangslage besteht, in der bei Verweigerung der Befehlsausführung erhebliche eigene Nachteile drohen. Dies setzt voraus, dass die Befehlsverweigerung nicht zumutbar war und das Maß der Rechtsverletzung nicht außer Verhältnis zur drohenden Gefahr steht. Maßgeblich ist eine sorgfältige Abwägung zwischen Gehorsamspflicht und Rechtsgüterschutz.

Unrechtmäßige Befehle und Verbrechensgehorsam

Das Befolgen rechtswidriger Befehle, insbesondere solcher, die auf die Begehung von Straftaten gerichtet sind, ist grundsätzlich strafbar. Der allgemeine Satz „Befehl ist Befehl“ besitzt keine absolute Geltung. Im Gegenteil: Die Befolgung eines offensichtlich rechtswidrigen Befehls kann die Strafbarkeit nicht ausschließen. Dies ist insbesondere im Völkerstrafrecht und in der Aufarbeitung historischer Unrechtsregime (z. B. Strafverfahren gegen Kriegsverbrecher) von hoher Bedeutung.

Irrtum über die Rechtmäßigkeit des Befehls

Ein Untergebener kann sich nicht in jedem Fall darauf berufen, die Rechtmäßigkeit eines Befehls nicht erkannt zu haben. Nur wenn der Irrtum unvermeidbar war, kann er unter Umständen strafbefreiend oder schuldmindernd wirken (§ 17 StGB – Verbotsirrtum).

Völkerrechtliche Aspekte

Im Völkerstrafrecht wird das Handeln auf Befehl insbesondere im Hinblick auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beurteilt. Nach dem Statut des Internationalen Strafgerichtshofs schließt ein Befehl durch einen Vorgesetzten die Verantwortlichkeit des Handelnden nicht automatisch aus (Artikel 33 IStGH-Statut). Nur wenn der Gehorsam trotz illegaler Weisung unvermeidbar war, kann im Einzelfall eine Minderung der Verantwortlichkeit erwogen werden.

Nürnberger Prinzipien

Nach den sogenannten „Nürnberger Prinzipien“, entstanden nach den Nürnberger Prozessen, sind Personen, die auf Befehl handeln, grundsätzlich ebenso haftbar wie eigenständig Handelnde – mit Ausnahme nachgewiesener Zwangslagen.

Beamtenrechtliche und dienstrechtliche Perspektive

Gehorsamspflicht

Für Beamte und Soldaten besteht eine besondere Gehorsamspflicht. Nach § 35 Beamtenstatusgesetz und § 11 Soldatengesetz sind Anweisungen Vorgesetzter grundsätzlich zu befolgen. Eine Ausnahme gilt nur, wenn der Befehl gegen die Menschenwürde oder die Rechtsordnung verstößt.

Remonstrationspflicht

Bei erkennbar rechtswidrigen Befehlen kann eine Remonstrationspflicht bestehen. Der Befehls- oder Anweisungsadressat hat dann die Pflicht, Bedenken zu äußern (§ 36 Beamtenstatusgesetz). Der Gehorsam findet also seine Schranken im übergeordneten Recht.

Polizeirecht und öffentliches Dienstrecht

Auch im polizeilichen Kontext wird zwischen gesetzmäßigem und rechtswidrigem Befehl unterschieden. Polizisten sind zur Ausführung von Weisungen verpflichtet, dürfen jedoch Straftaten auf Befehl nicht ausführen. Das Prinzip des „Handelns auf Befehl“ ist hier eng mit der individuellen Verantwortung und der Pflicht zur Verweigerung gesetzwidriger Weisungen verbunden.

Historische und aktuelle Bedeutung

Aus der historischen Aufarbeitung staatlicher Verbrechen, insbesondere in totalitären Systemen, hat sich das tiefgreifende Bewusstsein entwickelt, dass eigenverantwortliches Handeln und Gewissen stets vor blinder Befehlsausführung stehen müssen. Auch im modernen Recht gilt: Kein Befehl kann die Straftat legitimieren, solange die Rechtswidrigkeit für den Handelnden erkennbar war.

Fazit

Das „Handeln auf Befehl“ bleibt eine zentrale Problemstellung in Rechtsprechung und Gesetzgebung. Der rechtliche Rahmen setzt der Befehlsgewalt strenge Schranken. Maßgebliche Kriterien sind dabei die eigene Entscheidungsfreiheit, die Erkennbarkeit der Rechtswidrigkeit und das Verhältnis zwischen Gehorsam und Gewissensverantwortung. Das moderne Recht betont die individuelle Verantwortlichkeit auch im Rahmen hierarchischer Strukturen und stellt sicher, dass Befehle niemals als Freibrief für gesetzeswidriges Handeln dienen können.

Häufig gestellte Fragen

Wann ist das Handeln auf Befehl im strafrechtlichen Sinne überhaupt relevant?

Das Handeln auf Befehl ist im Strafrecht insbesondere im Zusammenhang mit der sogenannten „Befehlsnotstand“-Regelung von Bedeutung. Relevanz erhält dieses Thema in Situationen, in denen Personen innerhalb einer hierarchischen Organisation – zum Beispiel im Militär, in Behörden oder in bestimmten betrieblichen Kontexten – ein Verhalten zeigen, das auf die ausdrückliche Anordnung eines Vorgesetzten zurückzuführen ist. Dabei stellt sich häufig die Frage, inwieweit sich der Handelnde auf den erhaltenen Befehl berufen kann, um sich vom strafrechtlichen Vorwurf frei zu machen oder dessen Gewicht zu mindern. Die Voraussetzungen und Grenzen, unter denen Handeln auf Anweisung aus strafrechtlicher Sicht gerechtfertigt oder entschuldigt sein kann, sind im deutschen Recht vor allem in § 36 StGB („Handeln auf Befehl“) geregelt. Die Vorschrift sieht hierbei vor, dass eine strafrechtliche Verantwortlichkeit grundsätzlich verbleibt, aber Milderungs- oder Entschuldigungsgründe greifen können, sofern der Befehl aus einer legitimen Befehlsgewalt erteilt wurde und der Handelnde dessen Rechtswidrigkeit nicht erkennen konnte. Das Handeln auf Befehl kommt also insbesondere dann zum Tragen, wenn zwischen den Interessen der Gesetzestreue und der Befolgung dienstlicher Anordnungen abgewogen werden muss.

Welche gesetzlichen Vorschriften regeln das Handeln auf Befehl in Deutschland?

Für das Handeln auf Befehl ist im deutschen Strafrecht im Wesentlichen § 36 StGB maßgeblich, welcher die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Untergebenen bei Ausführung eines Befehls eines Vorgesetzten thematisiert. Dabei ist festgelegt, dass die Ausführung eines Befehls grundsätzlich nicht straflos ist, sofern der Befehl einen erkennbar rechtswidrigen Inhalt hat. Überdies regeln spezifische Vorschriften des Wehrstrafgesetzes (insbesondere § 5 WStG – „Straflosigkeit bei Ausführung eines Befehls“) zusätzlich die besonderen Anforderungen für Soldaten der Bundeswehr. Eine weitere rechtliche Normierung ergibt sich aus Disziplinargesetzen und beamtenrechtlichen Vorschriften, die auf die Pflicht zur Befolgung rechtmäßiger dienstlicher Anweisungen abstellen, aber bei offensichtlich rechtswidrigen Anordnungen eine Gehorsamsverweigerung verlangen. Daneben ist das Völkerstrafrecht (z.B. Art. 33 Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs) zu beachten, wenn es sich um schwerwiegende international anerkannte Straftaten handelt.

Inwieweit kann die Ausführung eines rechtswidrigen Befehls strafbefreiend wirken?

Grundsätzlich gilt, dass die Ausführung eines rechtswidrigen Befehls die strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht ausschließt. § 36 Abs. 1 StGB stellt klar, dass der Untergebene für seine Tat bestraft wird, wenn er einen erkennbar rechtswidrigen Befehl ausführt. Sollte der Gehorsamspflichtige jedoch die Rechtswidrigkeit des Befehls nicht erkennen können und musste er diese auch nicht erkennen, kann nach § 36 Abs. 2 StGB von Strafe abgesehen oder die Strafe gemildert werden. Im Wehrstrafrecht sind die Hürden noch höher: Ein Soldat darf einem Befehl nicht Folge leisten, wenn dieser die Begehung einer Straftat bezweckt (vgl. § 11 Abs. 2 SG, § 5 WStG). Zusammenfassend lässt sich sagen: Nur im Ausnahmefall, wenn der Untergebene nachweislich gutgläubig und unvermeidbar irrig über die Rechtmäßigkeit des Befehls handelte, entfällt oder mildert sich die strafrechtliche Verantwortung.

Muss ein Untergebener einen offensichtlich rechtswidrigen Befehl ablehnen?

Ja. Der Untergebene ist verpflichtet, die Ausführung eines Befehls zu verweigern, wenn dieser offensichtlich rechtswidrig ist. Offensichtlich rechtswidrig bedeutet dabei, dass die Rechtswidrigkeit ohne vertiefte rechtliche Kenntnisse für einen durchschnittlichen Menschen klar erkennbar ist. Dies gilt zum Beispiel für Befehle, die auf das Begehen von Straftaten wie Tötungsdelikten, Folter, Misshandlung oder schwerer Körperverletzung gerichtet sind. Wer gleichwohl solche Befehle ausführt, muss grundsätzlich die volle strafrechtliche Verantwortlichkeit übernehmen. Diese Pflicht zur Gehorsamsverweigerung ergibt sich sowohl aus § 36 StGB als auch aus beamten- und wehrrechtlichen Vorschriften (§ 11 SG). Eine Entschuldigung durch Befehlsbindung kommt nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht, etwa bei unvermeidbarem Irrtum.

Welche Folgen ergeben sich für den Vorgesetzten, der einen rechtswidrigen Befehl erteilt?

Auch Vorgesetzte können sich strafbar machen, wenn sie rechtswidrige Befehle erteilen. Sie sind regelmäßig unmittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen zur Ausführung der Tat durch den Untergebenen. Die strafrechtliche Verantwortung erstreckt sich dabei nicht nur auf die eigentliche Tat, sondern auch auf mögliche disziplinar- und dienstrechtliche Konsequenzen. Der Vorgesetzte haftet insbesondere, wenn ihm die Rechtswidrigkeit seines Befehls bekannt war oder ihm hätte bekannt sein müssen. Im Bereich schwerer Straftaten, wie sie im Völkerstrafrecht geregelt sind (zum Beispiel Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit), können zusätzliche internationale Strafverfolgungen erfolgen. Die Tatsache, einen Befehl im Rahmen der Dienstaufsicht erteilt zu haben, schützt den Vorgesetzten nicht vor einer strafrechtlichen Verfolgung.

Welche Bedeutung hat das Handeln auf Befehl im internationalen Recht?

Im internationalen Recht, insbesondere im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit, ist die Berufung auf einen Befehl gemäß Art. 33 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs in der Regel unbeachtlich und schließt die strafrechtliche Verantwortung nicht aus. Lediglich im Ausnahmefall kann der Befehl eine strafmildernde Wirkung entfalten – etwa, wenn nachgewiesen wird, dass die Person keine vernünftige Möglichkeit zur Gehorsamsverweigerung hatte und unter außergewöhnlichem Zwang handelte. Dies unterstreicht, dass das internationale Recht die Eigenverantwortung auch in Befehlshierarchien betont und insoweit eine „Befehlsnotstand“-Entschuldigung nur restriktiv zulässt.

Welche Rolle spielt der Irrtum über die Rechtmäßigkeit eines Befehls?

Ein Irrtum über die Rechtmäßigkeit eines Befehls kann strafrechtlich relevant werden, wenn der Untergebene tatsächlich nicht erkennt und auch nicht erkennen muss, dass der Befehl rechtswidrig ist (unvermeidbarer Verbotsirrtum). In solchen Fällen, die § 36 Abs. 2 StGB erfasst, kann das Gericht von einer Bestrafung absehen oder die Strafe mildern. Zu prüfen ist jedoch stets, ob der Irrtum wirklich unvermeidbar war, also der Untergebene trotz sorgfältiger Prüfung und unter Berücksichtigung seiner Ausbildung, seines Amtes sowie der Umstände nicht auf die Rechtswidrigkeit hätte kommen können. Bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit scheidet der unvermeidbare Irrtum regelmäßig aus.