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Haftung für Kinder


Haftung für Kinder im deutschen Recht

Die Haftung für Kinder bezeichnet im deutschen Recht die zivilrechtliche Verantwortlichkeit Minderjähriger für Schäden, die durch eigenes Verhalten verursacht wurden. Sie regelt, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Kinder für eigenes Handeln einstehen müssen, wie sich die Haftung altersabhängig gestaltet und inwieweit Aufsichtspersonen für Schäden durch Kinder zur Verantwortung gezogen werden können. Die Haftung für Kinder unterscheidet sich deutlich von der Haftung Erwachsener und ist in verschiedenen Gesetzen, insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), detailliert geregelt.


Voraussetzungen der Haftung von Kindern

Deliktsfähigkeit

Die wichtigste rechtliche Voraussetzung für die Haftung eines Kindes ist die Deliktsfähigkeit. Diese beschreibt die Fähigkeit, für rechtswidrige, schädigende Handlungen zivilrechtlich verantwortlich gemacht zu werden.

  • Kinder unter 7 Jahren (§ 828 Abs. 1 BGB):

Kinder, die nicht das siebte Lebensjahr vollendet haben, sind grundsätzlich nicht für einen Schaden verantwortlich, den sie verursachen. Dies gilt unabhängig von der Art des Schadens.

  • Kinder zwischen 7 und 10 Jahren bei Verkehrsunfällen (§ 828 Abs. 2 BGB):

In Fällen mit Beteiligung des motorisierten Verkehrs haften Kinder bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr nur, wenn sie vorsätzlich handeln. Eine Haftung für fahrlässige Schädigungen ist ausgeschlossen.

  • Kinder ab 7 Jahren (bzw. ab 10 Jahren im Straßenverkehr) bis zur Volljährigkeit (§ 828 Abs. 3 BGB):

Kinder in diesem Altersbereich haften, wenn sie bei Begehung der Handlung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hatten. Das Maß der Einsichtsfähigkeit wird individuell beurteilt und richtet sich nach der persönlichen Entwicklung und Intelligenz des Kindes zum Zeitpunkt der Tat.

Einsichtsfähigkeit (relative Deliktsunfähigkeit)

Im Alter von 7 bis 18 Jahren ist die Haftung daran gebunden, ob das Kind die nötige Einsichtsfähigkeit besitzt, das heißt erkennen konnte, dass sein Verhalten rechtswidrig und pflichtwidrig ist. Das Gesetz schützt damit Minderjährige vor einer Überforderung durch die vollumfängliche Zurechnung.


Abgrenzung: Haftung der Aufsichtspflichtigen

Da Kinder im niederen Alter häufig deliktsunfähig oder nur eingeschränkt haftbar sind, stellt sich die Frage, wer für von Kindern verursachte Schäden haftet.

Aufsichtspflicht (§ 832 BGB)

Für die Schäden, die ein Kind anrichtet, kann eine Aufsichtsperson (Eltern, Betreuungspersonen, Lehrer) verantwortlich sein, wenn eine Verletzung der Aufsichtspflicht vorliegt. Die Haftung des Aufsichtspflichtigen setzt voraus:

  • Verletzung der Aufsichtspflicht:

Die Aufsichtsperson hat ihre Pflichten verletzt, indem sie das Kind nicht ausreichend beaufsichtigt hat.

  • Kausalität:

Die Pflichtverletzung muss ursächlich für den entstandenen Schaden gewesen sein.

  • Beweislast:

Im Streitfall muss die Aufsichtsperson darlegen und beweisen, dass sie ihrer Pflicht genügt hat oder der Schaden auch bei ordnungsgemäßer Aufsicht entstanden wäre.


Mitverschulden und Gefährdungshaftung

Mitverschulden (§ 254 BGB)

Im Verhältnis zwischen Schädiger (Kind) und Geschädigtem kann auch das Mitverschulden des Geschädigten relevant werden. Ist das Verhalten des Geschädigten mitursächlich für den Schaden, wird die Haftung anteilig reduziert.

Gefährdungshaftung

Bestimmte Schadensfälle, etwa durch Halter von Haustieren (§ 833 BGB) oder beim Kfz-Halter (§ 7 StVG), unterliegen einer Gefährdungshaftung. Die Haftung richtet sich hier unabhängig von Verschulden oder Deliktsfähigkeit; ein durch ein Kind geführtes Fahrrad oder eigenes Tier kann eigene rechtliche Besonderheiten auslösen.


Regressansprüche gegen Kinder

Regressmöglichkeiten

Kommt es zum Schadensausgleich durch Dritte (z.B. Versicherungen), können Regressansprüche gegen ein einsichtsfähiges Kind bestehen. Unpfändbarkeit von Kindervermögen sorgt jedoch praktisch oft für eine Einschränkung solcher Ansprüche.

Versicherungsschutz

In vielen Fällen besteht Versicherungsschutz durch eine private Haftpflichtversicherung der Eltern. Diese deckt häufig Schäden, die deliktsunfähige Kinder hervorrufen, wobei die Versicherungsbedingungen und -summen entscheidend sind.


Besonderheiten bei vertraglichen Pflichten

Beschränkte Geschäftsfähigkeit (§ 104 ff. BGB)

Im Vertragsrecht haften Kinder nicht aus selbstständig abgeschlossenen Verträgen, sofern diese ohne Zustimmung der gesetzlichen Vertreter geschlossen wurden. Die Haftung besteht insoweit nur, als das Kind ausnahmsweise geschäftsfähig ist (z.B. im Rahmen des sogenannten Taschengeldparagraphen, § 110 BGB).


Prozessuale Aspekte der Kinderhaftung

Vertretung im Rechtsstreit

Kinder sind im Zivilprozess nicht prozessfähig und müssen durch ihre gesetzlichen Vertreter vertreten werden. Schadenersatzforderungen gegen Kinder werden somit stets gegen deren Eltern als gesetzliche Vertreter gerichtet.

Verjährung von Ansprüchen

Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen Kinder beginnt grundsätzlich erst mit dem Eintritt der Volljährigkeit zu laufen (§ 207 BGB).


Zusammenfassung

Die Haftung für Kinder im deutschen Recht ist durch abgestufte Regelungen geprägt, die das Alter und die Einsichtsfähigkeit des Kindes berücksichtigen. In den meisten Fällen sind Kinder entweder gar nicht oder nur eingeschränkt haftbar, während die Verantwortung häufig auf die Aufsichtspflichtigen übergeht. Die genaue Beurteilung hängt stets vom Einzelfall und den jeweiligen Umständen ab. Ergänzend ist das Verhältnis von Haftung und Versicherungsschutz relevant, da erlittene Schäden oft über entsprechende Policen reguliert werden können. Die Einzelfallprüfung bleibt bei Fragen der Kinderhaftung zentraler Bestandteil der rechtlichen Bewertung.

Häufig gestellte Fragen

Ab welchem Alter haften Kinder für verursachte Schäden selbst?

Kinder haften nach deutschem Recht grundsätzlich erst ab dem siebten Lebensjahr für von ihnen verursachte Schäden (§ 828 BGB). Im Straßenverkehr liegt die Altersgrenze sogar bei zehn Jahren, es sei denn, das Kind handelt vorsätzlich. Bis zu diesen Altersgrenzen wird angenommen, dass ein Kind nicht die erforderliche Einsicht besitzt, um die Verantwortlichkeit für sein Handeln und die möglichen Folgen zu verstehen. Zwischen dem siebten und dem achtzehnten Lebensjahr (der sogenannten beschränkten Deliktsfähigkeit) kommt es im Einzelfall auf das Einsichtsvermögen des Kindes an. Die Haftung des Kindes wird dann geprüft, indem bewertet wird, ob es seiner geistigen und sittlichen Entwicklung entsprechend erkennen konnte, dass sein Verhalten schädigend war und es die daraus entstehenden Konsequenzen tragen muss.

Haftet immer automatisch die Aufsichtsperson, wenn ein Kind einen Schaden verursacht?

Eine automatische Haftung der Aufsichtsperson, z. B. der Eltern, besteht nicht zwangsläufig. Eltern und andere Aufsichtspflichtige haften grundsätzlich nur im Fall der sogenannten Aufsichtspflichtverletzung (§ 832 BGB). Das bedeutet, dass geprüft wird, ob sie ihrer Aufsichtspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen sind und ob der Schaden nur deshalb eintreten konnte, weil sie diese Pflicht verletzt haben. Haben die Eltern alle zumutbaren Maßnahmen getroffen und war das schädigende Verhalten selbst bei pflichtgemäßer Aufsicht nicht zu verhindern, entfällt die Haftung der Aufsichtsperson. Die Beweislast dafür, dass keine Aufsichtspflichtverletzung vorliegt, trifft allerdings die Aufsichtsperson.

In welchen Fällen sind Eltern oder andere Aufsichtspersonen von der Haftung ausgenommen?

Eltern oder andere Aufsichtspersonen sind dann von der Haftung ausgenommen, wenn sie beweisen können, dass sie ihrer Aufsichtspflicht genügt haben. Dies beinhaltet angemessene Maßnahmen, die dem Alter, Charakter und der Entwicklung des Kindes angepasst sind. Außerdem müssen sie darlegen, dass selbst bei Einhaltung aller zumutbaren Vorkehrungen der Schaden nicht zu verhindern gewesen wäre. Maßgeblich für die erforderliche Aufsicht sind dabei die individuellen Umstände, wie zum Beispiel die Tageszeit, der Aufenthaltsort, das Verhalten des Kindes oder ob das Kind bereits über Erfahrung im Umgang mit bestimmten Gefahren verfügt.

Wie gestaltet sich die Haftung bei Schäden im Straßenverkehr, die durch Kinder verursacht werden?

Im deutschen Straßenverkehrsrecht wird die Haftung von minderjährigen Kindern speziell geregelt. Nach § 828 Abs. 2 BGB sind Kinder bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres für Schäden, die sie im fließenden Straßenverkehr verursachen, nicht verantwortlich, es sei denn, sie handeln vorsätzlich. Dies dient dem besonderen Schutz der besonders gefährdeten und unerfahrenen Verkehrsteilnehmer. Diese Regelung umfasst sowohl Schäden an anderen Fahrzeugen als auch an Personen. Schäden im ruhenden Verkehr (zum Beispiel auf Parkplätzen) werden nicht von dieser Sonderregelung erfasst.

Welche Konsequenzen hat es, wenn ein Kind nicht haftet, der Geschädigte aber dennoch einen Schaden erlitten hat?

Wenn ein Kind nach dem Gesetz nicht haftet und auch keine Aufsichtspflichtverletzung der Eltern oder einer anderen Aufsichtsperson vorliegt, bleibt der Geschädigte grundsätzlich auf seinem Schaden sitzen. Der Gesetzgeber nimmt in Kauf, dass in bestimmten Fällen keine Schadensersatzpflicht besteht, um Kinder und deren Bezugspersonen nicht mit unverhältnismäßigen Pflichten zu belasten. Eine Ausnahme kann unter Umständen bestehen, wenn Dritte (z.B. Schulen oder Vereine) im Rahmen von Veranstaltungen eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben, über die ein Ausgleich des Schadens möglich ist.

Kann die Haftung durch eine Haftpflichtversicherung abgedeckt werden?

Eine private Haftpflichtversicherung kann Schäden abdecken, die durch das Kind verursacht werden, solange diese dem Grunde nach ersatzpflichtig sind. Manche Versicherungen bieten jedoch auch einen sogenannten „Deliktunfähigkeitsschutz“ an, der insbesondere bei deliktunfähigen Kindern (also unter sieben Jahren, im Straßenverkehr unter zehn Jahren) greift und den Schaden des Geschädigten freiwillig übernimmt, obwohl keine gesetzliche Haftung besteht. Wichtig ist, die jeweiligen Versicherungsbedingungen genau zu prüfen, um festzustellen, welchen Schutz die Police tatsächlich bietet und wie hoch die Deckungssummen sind.

Wie wirkt sich die beschränkte Deliktsfähigkeit (7 bis 18 Jahre) auf die Haftung in der Praxis aus?

Im Alter von sieben bis achtzehn Jahren ist die Haftung von Kindern und Jugendlichen beschränkt. Es wird immer geprüft, ob sie die zur Erkenntnis ihrer Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht besitzen. Im Alltag bedeutet dies, dass bei einem Schadensfall individuell begutachtet wird, ob ein Kind in dieser Altersgruppe tatsächlich begreifen konnte, dass es mit seinem Verhalten einen Schaden verursacht. Die Beurteilung hängt nicht nur vom erreichten Lebensalter, sondern auch von der persönlichen geistigen und sittlichen Entwicklung ab. Die Beweislast liegt beim Geschädigten, der darlegen muss, dass das Kind einsichtsfähig war und die Gefährlichkeit seines Handelns hätte erkennen können.