Begriff und Grundlagen der Haft
Haft ist ein zentraler Begriff des Straf- und Strafverfahrensrechts sowie des Verwaltungsvollstreckungsrechts. Er bezeichnet die zwangsweise Unterbringung einer natürlichen Person in einer Justizvollzugsanstalt oder einer anderen staatlichen Einrichtung auf Grundlage eines vollziehbaren Titels oder richterlichen Beschlusses. Haft dient vorrangig der Durchsetzung von Strafansprüchen, der Sicherung eines Strafverfahrens oder der Erzwingung einer gesetzlichen Verpflichtung. Im weiteren Sinne umfasst der Begriff auch privatrechtliche Haftformen (z. B. Zwangseinweisung, vorläufige Unterbringung), wobei im Rechtsalltag und in der Gesetzgebung damit meist staatliche Maßnahmen gemeint sind.
Formen und Rechtsgrundlagen der Haft
Strafhaft
Freiheitsstrafe (Strafvollzug)
Die Strafhaft, auch als Strafvollzug bezeichnet, ist die bedeutendste Ausprägung der Haft im Strafrecht. Sie beruht auf einer rechtskräftigen Verurteilung durch ein Strafgericht und ist die Anordnung der Freiheitsentziehung für eine bestimmte Dauer, um eine verhängte Freiheitsstrafe zu vollstrecken. Grundlage sind insbesondere §§ 38 ff. des Strafgesetzbuches (StGB) und das Strafvollzugsgesetz (StVollzG).
Lebenslange Freiheitsstrafe
Das deutsche Strafrecht kennt neben zeitigen Freiheitsstrafen (§ 38 StGB) auch die lebenslange Freiheitsstrafe (§ 57a StGB). Diese wird insbesondere bei besonders schweren Straftaten (z. B. Mord, § 211 StGB) verhängt.
Untersuchungshaft
Die Untersuchungshaft (§§ 112 ff. StPO) dient der Sicherung des Strafverfahrens gegen eine beschuldigte Person, insbesondere wenn Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr oder Wiederholungsgefahr besteht. Die Anordnung ergeht durch einen richterlichen Haftbefehl. Die Untersuchungshaft darf nur unter strikten rechtlichen Voraussetzungen angeordnet werden und ist auf das notwendige Maß zu beschränken.
Sicherungs- und Präventivhaft
Sicherungsverwahrung
Die Sicherungsverwahrung (§§ 66 ff. StGB) ist eine freiheitsentziehende Maßnahme, die keine Strafe, sondern eine vorbeugende Sicherungsmaßnahme ist. Sie dient dem Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern und wird nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe angeordnet.
Präventivhaft (z. B. Polizeigewahrsam)
Die Präventivhaft ist eine kurzfristige freiheitsentziehende Maßnahme zur Abwehr einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nach Landespolizeirecht. Sie kann beispielsweise zur Verhinderung von Straftaten oder gravierenden Störungen der öffentlichen Ordnung angeordnet werden.
Ersatzfreiheitsstrafe
Die Ersatzfreiheitsstrafe (§ 43 StGB, §§ 457 ff. StPO) tritt ein, wenn eine rechtskräftig verhängte Geldstrafe nicht beigetrieben werden kann, weil der Betroffene die Geldsumme nicht zahlt und auch keine Vollstreckungsmöglichkeiten bestehen. Für jeden Tagessatz der nicht gezahlten Geldstrafe ist jeweils ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe abzuleisten.
Zivilrechtliche und Verwaltungshaftformen
Erzwingungshaft
Die Erzwingungshaft ist ein Mittel der Verwaltungsvollstreckung zur Durchsetzung nicht vertretbarer Handlungen oder Zahlungsverpflichtungen (z. B. nicht bezahlte Geldbußen) und ist in den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen des Bundes und der Länder geregelt (§ 96 OWiG, § 802g ZPO).
Abschiebungshaft und Zurückschiebungshaft
Im Migrationsrecht ermöglicht die Abschiebungshaft gemäß §§ 57 ff. Aufenthaltsgesetz (AufenthG) die Sicherung der zwangsweisen Ausreise ausländischer Staatsbürger, wenn die freiwillige Ausreise nicht innerhalb der gesetzten Frist erfolgt. Weitere Formen sind die Zurückschiebungshaft und die Sicherungshaft.
Voraussetzungen und Rechtsmittel bei Haftmaßnahmen
Rechtsvoraussetzungen
Jede Haftmaßnahme erfordert eine explizite gesetzliche Ermächtigungsgrundlage und ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anzuwenden. Zudem muss ein richterlicher Entscheid oder eine richterliche Bestätigung über die Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit der Haftmaßnahme vorliegen (Art. 104 GG). Weitere Voraussetzung ist meist ein förmliches Verfahren mit Anhörung der betroffenen Person.
Rechtsschutz gegen Haft (Haftprüfung und Haftbeschwerde)
Gegen jede Art von Haft bestehen umfangreiche Rechtsbehelfe:
- Die betroffene Person kann Haftprüfung (z. B. nach §§ 117 ff. StPO) beantragen, um die Rechtmäßigkeit der Haft anfechten zu lassen.
- Im Strafverfahren ermöglicht die Haftbeschwerde (§ 304 StPO) eine Überprüfung der Haftanordnung durch das Beschwerdegericht.
- Auch im Rahmen der Amtshaftung können rechtswidrige Haftmaßnahmen zu Entschädigungsansprüchen führen (StrEG).
Rechte und Pflichten während der Haft
Während des Freiheitsentzugs besitzt die inhaftierte Person zahlreiche Rechte, darunter das Recht auf Menschenwürde (Art. 1 GG), das Recht auf Kontakt zur Außenwelt (Post- und Besucherrecht) und medizinische Versorgung. Pflichten ergeben sich aus der Hausordnung der Anstalt, der Resozialisierungsfunktion sowie den Anforderungen an den geordneten Anstaltsbetrieb.
Haftbedingungen und Menschenrechte
Die Haftbedingungen richten sich nach dem Strafvollzugsgesetz und den jeweiligen Landesgesetzen. Die Unterbringung erfolgt in Zellen, eine Beteiligung an Arbeit, Weiterbildung und Freizeitgestaltung ist vorgesehen. Internationale Übereinkommen wie die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) wirken sich normerweiternd auf die Haftbedingungen aus und garantieren ein Mindestmaß an menschenwürdiger Behandlung.
Haft und Entschädigungsansprüche
Wird eine Haftmaßnahme später als rechtswidrig anerkannt (z. B. Freispruch nach Untersuchungshaft), stehen der inhaftierten Person Ansprüche auf Haftentschädigung gemäß dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) zu. Die Haftentschädigung soll einen Mindestbetrag je Tag kompensieren und ggf. weitergehende materielle Schäden abdecken.
Haft im internationalen Kontext
Das Recht auf Freiheit und Sicherheit der Person ist weltweit in zahlreichen Menschenrechtsdokumenten (z. B. Art. 9 UN-Zivilpakt, Art. 5 EMRK) geschützt. Die Ausgestaltung und Kontrolle von Haft sowie der Rechtsschutz unterscheiden sich jedoch von Land zu Land.
Fazit: Der Begriff Haft besitzt im deutschen Rechtswesen eine vielschichtige Bedeutung, von der klassischen Strafhaft bis zu verwaltungsrechtlichen Freiheitsentziehungen. Jede Haftmaßnahme ist strikt an gesetzliche Voraussetzungen gebunden und unterliegt umfassendem Rechtsschutz. Damit garantiert das Rechtsstaatprinzip einen ausgewogenen Ausgleich zwischen staatlicher Sicherheitsgewährleistung und individueller Freiheit.
Häufig gestellte Fragen
Welche Rechte stehen einer inhaftierten Person während der Haft zu?
Inhaftierte Personen genießen in Deutschland weiterhin grundlegende Menschen- und Grundrechte, auch wenn sie durch die Haft in ihrer Freiheit beschränkt sind. Zu diesen Rechten gehören insbesondere das Recht auf menschenwürdige Behandlung, das Recht auf persönliche Sicherheit, sowie das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit. Der Zugang zu medizinischer Versorgung muss gewährleistet sein; hierzu zählen sowohl die regelmäßige medizinische Untersuchung als auch die dringende Behandlung im Krankheitsfall. Kontakt zur Außenwelt, etwa durch Besuche und Schriftverkehr, ist grundsätzlich erlaubt, wenn auch teilweise eingeschränkt und überwacht. Darüber hinaus müssen Gefangene die Möglichkeit haben, sich rechtlichen Beistand zu beschaffen und mit diesem vertraulich zu kommunizieren. Auch das Recht auf Religionsausübung steht ihnen ausdrücklich zu. Der Umgang mit persönlichen Gegenständen ist erlaubt, soweit er mit den Haftbedingungen vereinbar ist. Die gesetzlichen Grundlagen für diese Rechte finden sich im Strafvollzugsgesetz (StVollzG) auf Bundesebene beziehungsweise in den jeweiligen Landesstrafvollzugsgesetzen.
Unter welchen Bedingungen können Haftlockerungen oder Freigang gewährt werden?
Haftlockerungen und Freigang sind gesetzlich geregelte Maßnahmen, die ergriffenen werden können, um eine schrittweise Resozialisierung der Gefangenen zu ermöglichen. Voraussetzungen hierfür sind in §§ 11 und 12 StVollzG sowie in den Landesvollzugsgesetzen festgeschrieben. Eine Gewährung setzt grundsätzlich voraus, dass von der inhaftierten Person keine Flucht- oder Missbrauchsgefahr ausgeht und sie sich im Vollzug gut geführt hat. Haftlockerungen umfassen unter anderem begleiteten Ausgang, unbegleiteten Ausgang und Hafturlaub, die jeweils nach vorheriger sorgfältiger Prüfung gestattet werden können. Freigang zur Ausübung einer Erwerbsarbeit, für Ausbildungsmaßnahmen oder zur Teilnahme an Wiedereingliederungsmaßnahmen kann ebenfalls genehmigt werden. Das zuständige Vollzugspersonal trifft eine einzelfallbezogene Entscheidung und prüft hierbei individuell, ob das Vollzugsziel durch die Lockerung gefährdet wird.
Wie wird einem Häftling Rechtsbeistand ermöglicht und worauf ist dabei zu achten?
Das Recht auf Rechtsbeistand zählt zu den wesentlichen Verfahrensgarantien für Häftlinge. Es sichert jedem Inhaftierten zu, sich mit einem Anwalt zu beraten, rechtliche Schritte einzuleiten und gegebenenfalls Beschwerde gegen Maßnahmen des Strafvollzugs einzulegen. Der Kontakt zwischen Häftling und Anwalt muss grundsätzlich vertraulich erfolgen; dies betrifft sowohl persönliche Gespräche als auch den Schriftverkehr. Eine Überwachung oder Zensur dieser Kommunikation ist – mit Ausnahme von gravierenden Missbrauchsfällen, etwa bei Verdacht auf Planungen schwerer Straftaten – untersagt. Es besteht kein Anrecht auf unbeschränkten Zugang zu einem Anwalt, wohl aber auf regelmäßige, angemessene Kontaktmöglichkeiten. Bei Maßnahmen gegen den Häftling ist im Regelfall zudem eine richterliche Überprüfung möglich.
Welche Möglichkeiten gibt es, gegen Haftbedingungen rechtlich vorzugehen?
Inhaftierte haben verschiedene Rechtsmittel zur Verfügung, um sich gegen unzulässige Haftbedingungen zur Wehr zu setzen. Zunächst kann auf dem Verwaltungsweg mittels Beschwerde an die Vollzugsleitung interveniert werden. Bleibt dies erfolglos, besteht die Möglichkeit, sich an die zuständige Strafvollstreckungskammer beim Landgericht zu wenden. Diese überprüft die beanstandeten Umstände, etwa Überbelegung, mangelhafte Hygiene, unzureichende medizinische Versorgung oder Verletzungen der Persönlichkeitsrechte. Bei schwerwiegenden oder systematischen Verstößen gegen das Strafvollzugsrecht kann auch das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Zudem steht der Weg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) offen, sofern innerstaatliche Rechtsmittel ausgeschöpft wurden.
Wann kann Untersuchungshaft angeordnet werden und wie ist diese ausgestaltet?
Untersuchungshaft wird zur Sicherstellung des Strafverfahrens unter engen gesetzlichen Voraussetzungen nach §§ 112 ff. Strafprozessordnung (StPO) angeordnet. Sie dient nicht der Strafvollstreckung, sondern der Verfahrenssicherung bei dringendem Tatverdacht, Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr oder bei Gefahr der Wiederholungstat. An die Anordnung und Durchführung dieser Haftform sind besonders hohe rechtsstaatliche Anforderungen geknüpft, da es sich um eine gravierende Freiheitseinschränkung vor einer rechtskräftigen Verurteilung handelt. Der Beschuldigte muss unverzüglich einem Haftrichter vorgeführt werden, gegen den Haftbefehl kann Beschwerde eingelegt werden. Die Haftbedingungen entsprechen im Wesentlichen den Regelungen für Strafgefangene, allerdings dürfen keine vorverurteilenden Maßnahmen getroffen werden. Ein besonderer Fokus liegt auf der Unschuldsvermutung sowie auf speziellen Besuchs- und Kontaktregelungen.
Welche Voraussetzungen und Folgen hat die vorzeitige Entlassung aus dem Strafvollzug?
Eine vorzeitige Entlassung aus dem Strafvollzug kann auf Grundlage des § 57 StGB (Strafgesetzbuch) bei Verbüßung von zwei Dritteln oder – in Ausnahmefällen – der Hälfte der verhängten Freiheitsstrafe erfolgen. Voraussetzung hierfür ist, dass das Vollzugsziel erreicht scheint, keine erhebliche Gefahr neuer Straftaten besteht und eine positive Sozialprognose erstellt werden kann. Die Entscheidung trifft das zuständige Gericht auf Antrag des Inhaftierten. Meist wird die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt; dies ist mit konkreten Auflagen und Weisungen verbunden, wie regelmäßige Meldepflichten, die Aufnahme einer Arbeit oder das Aufsuchen von Therapien. Ein Verstoß gegen Bewährungsauflagen kann dazu führen, dass die Reststrafe vollstreckt wird.
Welche Möglichkeiten des offenen Vollzugs bestehen und wie werden diese umgesetzt?
Der offene Vollzug ist in den §§ 10 und 11 StVollzG geregelt und stellt eine weniger restriktive Form des Strafvollzugs dar. Er ist für Häftlinge vorgesehen, bei denen keine Flucht- oder Missbrauchsgefahr besteht und die als resozialisierungsgeeignet gelten. Im offenen Vollzug leben die Gefangenen in weniger gesicherten oder sogar offenen Einrichtungen und können tagsüber – meist zur Arbeit, Ausbildung oder Weiterbildung – die Anstalt verlassen. Ziel ist die Vorbereitung auf ein straffreies Leben nach der Entlassung. Die Teilnahme am offenen Vollzug wird regelmäßig überprüft und kann bei Verstößen gegen die Regeln widerrufen werden. Die Entscheidung über die Zuweisung trifft jeweils die Anstaltsleitung nach gründlicher Prüfung der Umstände und Prognosekriterien.