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Haager Landkriegsordnung (HLKO)


Haager Landkriegsordnung (HLKO)

Die Haager Landkriegsordnung (HLKO) ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der die Regeln und Gebräuche des Landkrieges kodifiziert und damit einen wesentlichen Teil des humanitären Völkerrechts bildet. Die Vorschriften der HLKO sind maßgeblich für das Verhalten von Streitkräften und bestimmen die Rechte und Pflichten der Krieg führenden Parteien im Hinblick auf die Zivilbevölkerung, das Eigentum, das Verhalten gegenüber feindlichen Kombattanten sowie den Umgang mit neutralen Staaten. Die HLKO ist auch unter dem Namen „Haager Konvention über das Kriegsrecht zu Lande“ oder „Haager Abkommen II“ bekannt.


Historische Entwicklung und Entstehung

Die Haager Landkriegsordnung geht auf die Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 zurück. Während der ersten Konferenz 1899 wurde die Haager Landkriegsordnung als Anhang zum „Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs“ verabschiedet und 1907 im Rahmen der zweiten Haager Konferenz präzisiert und erweitert. Ziel war es, die Kriegführung zu humanisieren und das Leid der betroffenen Menschen, vor allem der Zivilbevölkerung, so weit wie möglich zu begrenzen.

Völkerrechtlicher Kontext

Die HLKO knüpft inhaltlich an die Genfer Konventionen sowie an frühere Regelwerke, wie beispielsweise die Lieber Code aus den USA (1863), an. Sie bildet zusammen mit anderen völkerrechtlichen Verträgen das Kernstück des humanitären Völkerrechts.


Aufbau und Inhalt der HLKO

Allgemeine Grundsätze

Die HLKO enthält grundlegende Bestimmungen zum Schutz der Zivilbevölkerung, zur Behandlung von Kriegsgefangenen, zum Umgang mit feindlichem Eigentum und zur Besetzung fremder Gebiete. Sie regelt insbesondere:

  • Die Eröffnung der Feindseligkeiten
  • Die Rechte und Pflichten der Kombattanten und Nichtkombattanten
  • Das Verbot bestimmter Kriegsmethoden und -mittel
  • Den Schutz kultureller Güter und öffentlicher Einrichtungen

Aufbau der HLKO

Die Haager Landkriegsordnung ist in zwei Teile gegliedert:

  1. Das „Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs“ (Haager Konvention – HKL)
  2. Der Anhang: „Reglement betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs“ (HLKO-Reglement)

Das HLKO-Reglement umfasst 56 Artikel, die präzise Normen für das Verhalten im Landkrieg vorgeben.


Geltungsbereich und rechtliche Einordnung

Anwendbarkeit

Die HLKO gilt für alle Konflikte zwischen Vertragsparteien, sofern diese nicht durch spätere völkerrechtliche Abkommen, wie die Genfer Abkommen von 1949, überlagert werden. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, die Bestimmungen zu befolgen und für deren Einhaltung Sorge zu tragen.

Verhältnis zu anderen Rechtsquellen

Die HLKO steht nicht isoliert, sondern ist integraler Bestandteil des internationalen humanitären Rechts. Sie wird durch die Genfer Abkommen und weitere Zusatzprotokolle ergänzt und, soweit umfassendere Regelungen vorliegen, teilweise überlagert. In bewaffneten Konflikten gilt stets die jeweils strengere und schutzzweckorientierte Norm.


Rechtswirkungen und Durchsetzung

Bindungswirkung

Die Haager Landkriegsordnung bindet alle Vertragsparteien unmittelbar. Die wesentlichen Regelungen haben den Charakter von universellen Mindeststandards, die auch als Völkergewohnheitsrecht anerkannt sind. Das bedeutet, dass die meisten HLKO-Bestimmungen unabhängig von einer Vertragsbindung auch für Nichtvertragsparteien gelten.

Kontrolle und Sanktionen

Die Durchsetzung der HLKO erfolgt in erster Linie durch die Staaten selbst, die verpflichtet sind, Verstöße zu verfolgen und zu bestrafen. Bei schwerwiegenden Verstößen („Kriegsverbrechen“) können internationale Organe, wie der Internationale Strafgerichtshof (IStGH), eine Strafverfolgung einleiten. Das Verbot der Straflosigkeit bei schweren Verstößen (z. B. Plünderung, Misshandlung von Kriegsgefangenen) ist ein zentraler Grundsatz der HLKO und des Völkerstrafrechts.


Bedeutende Einzelregelungen der HLKO

Schutz der Zivilbevölkerung und Kulturgüter

Die Haager Landkriegsordnung verpflichtet die Krieg führenden Parteien dazu, Zivilpersonen zu schonen und zivile Objekte, insbesondere kulturelle und religiöse Stätten, zu schützen. Die vorsätzliche Zerstörung oder Beschädigung dieser Einrichtungen ist ausdrücklich untersagt.

Behandlung von Kriegsgefangenen

Kriegsgefangene dürfen weder misshandelt noch gedemütigt werden. Sie besitzen Anrecht auf eine menschenwürdige Behandlung und bestimmte minimalen Lebensstandards. Die Rückführung nach Beendigung des Konflikts ist zwingend vorgesehen.

Umgang mit feindlichem Eigentum

Die HLKO untersagt die unrechtmäßige Aneignung oder Zerstörung feindlichen Privat- und Staatseigentums, sofern diese Maßnahmen nicht durch militärische Notwendigkeit geboten sind. Plünderung ist in jedem Fall verboten.

Regeln zur Besetzung fremder Gebiete

Bei der militärischen Besetzung fremder Territorien bleiben bestehende Zivilgesetze grundsätzlich in Kraft. Die Besatzungsmacht hat für öffentliche Ordnung und Sicherheit zu sorgen und darf nur eingeschränkte Eingriffe vornehmen.


Bedeutung und Fortgeltung im modernen Völkerrecht

Die HLKO hat auch mehr als ein Jahrhundert nach ihrer Verabschiedung große Bedeutung für das Völkerrecht. Viele ihrer Vorschriften sind heute als Völkergewohnheitsrecht allgemein anerkannt. Auch die modernen bewaffneten Konflikte orientieren sich an ihren Grundsätzen, sofern sie nicht von spezielleren Regelungen der Genfer Konventionen und deren Zusatzprotokollen verdrängt werden. Die HLKO bildet weiterhin einen wichtigen Maßstab für die ethisch und rechtlich angemessene Führung von Landkriegen.


Fazit

Die Haager Landkriegsordnung (HLKO) ist eine der zentralen Kodifikationen des humanitären Völkerrechts und regelt umfassend die Rechte und Pflichten im Landkrieg. Sie schützt Zivilpersonen, regelt die Behandlung von Kriegsgefangenen, das Verhalten gegenüber Kulturgütern und das Umgang mit feindlichem Eigentum. Ihre Regelungen gelten in weiten Teilen als universell anerkanntes Gewohnheitsrecht und sind für die Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Schutzes in bewaffneten Konflikten von wesentlicher Bedeutung.


Literatur und weiterführende Quellen

  • Haager Landkriegsordnung in der Fassung von 1907 (Volltext)
  • International Law Commission (ILC): Reports on the Laws of War
  • IKRK: Erläuterungen zur Anwendung der HLKO
  • Bundeszentrale für politische Bildung: Menschenrechte im Krieg

Dieser Artikel bietet eine umfassende und präzise Übersicht zum Begriff Haager Landkriegsordnung (HLKO) für die Einordnung und Anwendung im völkerrechtlichen Kontext.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtliche Bindungswirkung hat die Haager Landkriegsordnung für Staaten?

Die Haager Landkriegsordnung (HLKO) besitzt für die Vertragsstaaten, die sie ratifiziert haben, völkerrechtlich verbindliche Wirkung. Sie ist Teil des humanitären Völkerrechts und regelt die Rechte und Pflichten von Kriegsparteien im Landkrieg. Für Staaten, die der HLKO beigetreten sind, gelten deren Vorschriften unmittelbar. Die HLKO entfaltet aber auch gegenüber Drittstaaten im Sinne des Völkergewohnheitsrechts Rechtswirkung, da viele ihrer Bestimmungen als allgemein anerkannte Völkergewohnheit (ius cogens) angesehen werden. Das bedeutet, dass selbst Staaten, die das Abkommen nicht ausdrücklich ratifiziert haben, vielfach dennoch an deren Grundsätze gebunden sind. Die rechtliche Bindung kann außerdem durch Transformation in das nationale Recht verstärkt werden. Verstöße gegen die HLKO können nach Völkerrecht zu Staatenhaftung und individueller Strafverfolgung, etwa durch internationale Strafgerichte, führen.

Inwieweit ist die HLKO durch moderne Abkommen wie die Genfer Abkommen ergänzt oder überlagert worden?

Während die HLKO weiterhin als bedeutende Rechtsquelle gilt, ist sie durch die Genfer Abkommen von 1949 sowie deren Zusatzprotokolle in vielen zentralen Aspekten ergänzt und teilweise überlagert worden. Die Genfer Abkommen konkretisieren und erweitern insbesondere den Schutz von Zivilpersonen, Verwundeten und Kriegsgefangenen, während die HLKO stärker auf die allgemeinen Regeln der Kriegführung und Besatzungsmaßnahmen abzielt. Dennoch bleiben die Bestimmungen der HLKO dort relevant, wo sie nicht durch jüngere Verträge ersetzt oder präzisiert wurden. Besonders relevant ist die HLKO etwa zur Regelung der militärischen Besatzung, da hierzu nach wie vor viele Detailfragen nur in der HLKO abschließend geregelt sind.

Wer ist nach der HLKO für Verstöße gegen deren Normen verantwortlich?

Die Verantwortlichkeit für Verstöße gegen die HLKO liegt sowohl beim Staat als auch bei Einzelpersonen. Staaten haften völkerrechtlich für die Handlungen ihrer Streitkräfte und sind verpflichtet, Verstöße zu unterbinden sowie zu bestrafen. Nach der Entwicklung des Völkerstrafrechts, insbesondere seit den Nürnberger Prozessen und dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, können aber auch Einzelpersonen (Kommandeure, Soldaten, politische Verantwortliche) individuell strafrechtlich verfolgt werden, zum Beispiel wegen Kriegsverbrechen, die auf einem Bruch der HLKO beruhen. Die Pflicht zur Strafverfolgung und Auslieferung kann sich sowohl aus zwischenstaatlichen Verträgen als auch aus universellem Völkergewohnheitsrecht ergeben.

Gilt die HLKO ausschließlich im Falle eines internationalen bewaffneten Konflikts?

Die HLKO wurde ursprünglich für internationale bewaffnete Konflikte, also zwischenstaatliche Kriege, konzipiert. Ihre Vorschriften sind dementsprechend auf interstaatliche Auseinandersetzungen anwendbar und nicht bei innerstaatlichen (nicht-internationalen) Konflikten. Im Rahmen völkergewohnheitsrechtlicher Entwicklungen können jedoch einzelne Prinzipien auch auf nicht-internationale Konflikte erstreckt werden; dies wurde durch spätere Verträge teilweise normiert, z.B. durch die Genfer Abkommen und deren Zusatzprotokolle. Eine ausdrückliche Anwendung der HLKO findet im nationalen Konfliktfall jedoch nicht statt, sofern nicht entsprechende Bezugnahmen in anderen Rechtsinstrumenten verankert werden.

Wie werden Verstöße gegen die HLKO verfolgt und geahndet?

Die HLKO selbst sieht keine eigenen Durchsetzungsmechanismen oder internationalen Gerichte für die Ahndung von Verstößen vor. Die Vertragsstaaten sind jedoch verpflichtet, für die Bestrafung von Verstößen durch eigenes nationales Recht zu sorgen. Seit dem 20. Jahrhundert werden schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, also auch gegen die HLKO, zunehmend vor internationalen Strafgerichten wie dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) oder Ad-hoc-Tribunalen (z.B. für das ehemalige Jugoslawien) verfolgt. Daneben existieren auch Möglichkeiten der diplomatischen und staatlichen Verantwortlichkeit, etwa in Form von Reparationen, Gegensanktionen oder Schadensersatz.

Können Einzelpersonen sich auf Rechte aus der HLKO im nationalen Recht berufen?

Obgleich die HLKO in erster Linie Staaten bindet und deren Verhältnis im Krieg regelt, ist in vielen Staaten eine Transformation ins nationale Recht erfolgt, sodass sich Einzelpersonen teilweise unmittelbar auf deren Vorschriften berufen können, insbesondere im Rahmen von Straf-, Zivil- oder Verwaltungsverfahren. Überdies können Kriegsgefangene und Zivilpersonen durch internationale Gremien wie den Internationalen Strafgerichtshof geschützt werden. Die konkret einklagbaren Rechte hängen jedoch stark vom innerstaatlichen Umsetzungsgrad und den jeweiligen materiellen Rechtsvorschriften ab.

Welche Rolle spielt die HLKO bei der Besatzung fremden Territoriums?

Die HLKO enthält im IV. Abschnitt umfangreiche Vorschriften über die Rechte und Pflichten einer Besatzungsmacht. Sie regelt die Verwaltung besetzter Gebiete, den Schutz der Zivilbevölkerung, die wirtschaftliche Nutzung und Beschlagnahmung von Eigentum sowie das Verhalten gegenüber lokalen Institutionen und Gesetzen. Die Besatzungsmacht muss für Sicherheit und öffentliche Ordnung sorgen, darf die bestehenden Gesetze nur unter bestimmten Umständen suspendieren oder abändern und unterliegt strikten Beschränkungen bezüglich Ressourcenentnahme und Zwangsmaßnahmen. Diese Regelungen sind bis heute maßgeblich für das Besatzungsrecht und werden durch moderne Völkerrechtsinstrumente, insbesondere die Genfer Konventionen, ergänzt, ohne aber vollständig ersetzt zu werden.