Haager Landkriegsordnung (HLKO)

Haager Landkriegsordnung (HLKO): Begriff und Bedeutung

Die Haager Landkriegsordnung (HLKO) bezeichnet die zusammengefassten Regeln über die Führung von Landkriegshandlungen und den Schutz von Personen und Sachen während bewaffneter Konflikte zwischen Staaten. Sie entstand im Rahmen der Haager Friedenskonferenzen und gilt als ein Grundpfeiler des humanitären Völkerrechts. Die HLKO legt fest, wie Kriegshandlungen durchzuführen sind, welche Personen und Güter geschützt sind und welche Grenzen den eingesetzten Mitteln und Methoden gesetzt werden.

Historische Einordnung und Entwicklung

Die HLKO geht auf internationale Übereinkünfte des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts zurück, insbesondere auf die Haager Konferenzen. Ziel war es, die Leiden des Krieges zu begrenzen und einheitliche Mindeststandards für Staaten zu etablieren. Die zentralen Inhalte der HLKO wurden im Laufe der Zeit weiterentwickelt und durch später entstandene Regelwerke präzisiert. Viele ihrer Grundsätze gelten heute als allgemein anerkannte Regeln des Völkergewohnheitsrechts.

Geltungsbereich und Rechtsnatur

Internationale und nicht-internationale Konflikte

Die HLKO richtet sich ursprünglich an internationale bewaffnete Konflikte zwischen Staaten. Zahlreiche ihrer Grundsätze sind jedoch so allgemein und grundlegender Natur, dass sie als gewohnheitsrechtliche Standards auch in anderen Konfliktkonstellationen herangezogen werden, soweit sie ihrem Wesen nach passen.

Bindungswirkung und Völkergewohnheitsrecht

Die HLKO entfaltet Bindungswirkung für Staaten, die ihre Grundsätze anerkennen. Unabhängig von formellen Bindungen haben sich viele Regeln so verfestigt, dass sie als Völkergewohnheitsrecht gelten. Damit sind sie allgemein maßgeblich und bilden einen rechtlichen Mindeststandard in bewaffneten Auseinandersetzungen.

Zentrale Grundprinzipien

Unterscheidung, Verhältnismäßigkeit, militärische Notwendigkeit

Kerngedanke ist die Begrenzung von Leid und Zerstörung. Dazu gehören die Unterscheidung zwischen kombattanten Zielen und Zivilpersonen, die Verhältnismäßigkeit von Angriffen in Bezug auf den erwarteten militärischen Vorteil und die militärische Notwendigkeit als Rechtfertigungsmaßstab für die Wahl von Mitteln und Methoden, ohne unnötiges Leid zu verursachen.

Menschlichkeit und Schutz der Ehre

Die HLKO betont die Achtung der menschlichen Würde auch im Krieg. Brutalitäten, die nicht durch militärische Notwendigkeit geboten sind, sind untersagt. Die Ehre der Kriegsparteien und der geschützten Personen ist zu respektieren.

Schutz von Personen

Zivilpersonen

Zivilpersonen dürfen nicht Ziel von Angriffen sein. Sie genießen Schutz vor Gewalt, Einschüchterung und willkürlichen Maßnahmen. Kollektivstrafen und Maßnahmen, die allein der Verbreitung von Schrecken dienen, sind unzulässig.

Kriegsgefangene

Kriegsgefangene müssen menschenwürdig behandelt und vor Übergriffen geschützt werden. Sie dürfen nicht misshandelt, gedemütigt oder unangemessen bestraft werden. Verhöre dürfen nicht unter Anwendung von Zwangsmitteln geführt werden, die die persönliche Integrität verletzen.

Verwundete und Kranke

Verwundete und Kranke sind ohne Diskriminierung zu schonen und zu versorgen. Medizinische Einrichtungen und sanitäres Personal stehen unter besonderem Schutz.

Schutz von Eigentum und Kulturgut

Öffentliches und privates Eigentum darf nicht willkürlich zerstört oder geplündert werden. Kulturgüter, religiöse Stätten und wissenschaftliche Einrichtungen genießen gesteigerten Schutz. Beschlagnahmen und Requisitionen sind nur in engen Grenzen und unter Wahrung gerechter Abwägungen zulässig.

Regeln der Kampfhandlungen: Mittel und Methoden

Grenzen der Gewaltanwendung

Die HLKO verbietet Mittel und Methoden, die unnötiges Leid verursachen oder unterschiedslos wirken. Dazu zählen insbesondere heimtückische Vorgehensweisen, die missbräuchliche Verwendung von Schutzzeichen, das Ausnutzen von Vertrauenszeichen sowie der Einsatz von Giften. Der Einsatz von List ist grundsätzlich zulässig, solange er nicht in verbotene Täuschung übergeht.

Belagerung, Beschuss und Warnpflichten

Bei Belagerungen und Beschuss sind Vorkehrungen zum Schutz der Zivilbevölkerung zu treffen. Vor Angriffen, die die Zivilbevölkerung erheblich betreffen könnten, ist nach Möglichkeit zu warnen. Unverteidigte Orte dürfen nicht angegriffen werden.

Besatzungsrecht (Okkupationsrecht)

Verwaltung und öffentliche Ordnung

Bei Besetzung fremden Staatsgebiets hat die Besatzungsmacht die öffentliche Ordnung und Sicherheit nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten. Sie verwaltet das Gebiet mit Blick auf die bestehenden Gesetze, soweit nicht zwingende Gründe eine Abweichung erfordern.

Schutz von Personen und Eigentum in besetzten Gebieten

Die Bevölkerung des besetzten Gebiets ist vor Gewalt und Willkür zu schützen. Öffentliches Eigentum ist zu schonen, Privateigentum unterliegt einem weitreichenden Schutz. Abgaben und Leistungen dürfen nur im Rahmen eng begrenzter Voraussetzungen erhoben werden.

Neutralität

Die HLKO und die verwandten Haager Regelungen enthalten Bestimmungen über Rechte und Pflichten neutraler Staaten. Dazu gehören das Verbot, neutrale Gebiete für Kriegshandlungen zu nutzen, und die Pflicht neutraler Staaten, ihre Neutralität gleichmäßig gegenüber allen Konfliktparteien zu wahren.

Durchsetzung und Verantwortung

Staatliche Verantwortung

Staaten haften für Verstöße ihrer Organe und Streitkräfte. Sie sind verpflichtet, Verletzungen zu unterbinden, aufzuklären und das Völkerrecht zu achten. Zwischenstaatliche Ansprüche können sich aus Pflichtverletzungen ergeben.

Individuelle Verantwortung

Schwere Verstöße gegen die grundlegenden Regeln der HLKO können als völkerrechtliche Straftaten gewertet werden. Verantwortliche Personen können zur Verantwortung gezogen werden, einschließlich Führungsverantwortung bei Unterlassung der gebotenen Kontrolle und Prävention.

Maßnahmen bei Verstößen

Vorgesehen sind unter anderem Untersuchung von Vorfällen, Kooperation bei der Sachverhaltsaufklärung und geeignete Reaktionsmechanismen. Sanktionen und strafrechtliche Verfolgung stützen sich auf einschlägige nationale und internationale Verfahren.

Verhältnis zu anderen Regelwerken

Genfer Abkommen und Zusatzprotokolle

Die HLKO und die Genfer Abkommen ergänzen einander: Während die HLKO die Führung der Feindseligkeiten und Besatzungsfragen strukturiert, konzentrieren sich die Genfer Abkommen vor allem auf den Schutz von Personen. Spätere Zusatzprotokolle haben Schutzstandards erweitert und modernisiert.

Friedenssicherung und Gewaltverbot

Die HLKO befasst sich mit Regeln für die Kriegsführung, nicht mit der Frage, ob ein Krieg rechtmäßig begonnen wurde. Diese Frage wird durch das allgemeine Gewaltverbot und das System kollektiver Sicherheit bestimmt. Die Regeln der HLKO gelten unabhängig davon, wer den Konflikt begonnen hat.

Moderne Herausforderungen und Auslegung

Technologische Entwicklungen

Neue Technologien, einschließlich Fernwirkmittel und digitaler Fähigkeiten, werden anhand der Grundprinzipien der HLKO bewertet. Entscheidend bleibt, ob Mittel und Methoden kontrollierbar, unterscheidend und verhältnismäßig eingesetzt werden können.

Nichtstaatliche Akteure

Obwohl die HLKO staatliche Konflikte im Blick hatte, dienen ihre Grundsätze häufig als Referenz für den Umgang mit nichtstaatlichen Akteuren, soweit sich die Regeln sinngemäß übertragen lassen. Maßgeblich sind dabei Schutzgedanke, Menschlichkeit und die Begrenzung von Leid.

Zusammenfassung

Die HLKO bildet ein zentrales Fundament für die rechtliche Ordnung bewaffneter Konflikte an Land. Sie definiert Kernprinzipien, schützt Personen und Güter, begrenzt Mittel und Methoden der Kriegführung und regelt die Pflichten im Besatzungsfall. Viele ihrer Regeln haben sich als allgemeine Standards etabliert und prägen bis heute die Auslegung und Anwendung des humanitären Völkerrechts.

Häufig gestellte Fragen zur Haager Landkriegsordnung (HLKO)

Was regelt die HLKO konkret?

Die HLKO regelt die Führung von Landkriegshandlungen, den Schutz von Zivilpersonen, Kriegsgefangenen sowie Verwundeten und Kranken, die zulässigen Mittel und Methoden der Kriegführung, den Schutz von Eigentum und Kulturgut sowie die Pflichten von Besatzungsmächten und neutralen Staaten.

Gilt die HLKO noch heute?

Ja. Viele ihrer Bestimmungen gelten als anerkannte Standards und bilden Völkergewohnheitsrecht. Sie werden durch weitere internationale Regelwerke ergänzt und in der Praxis fortlaufend angewendet.

Wer ist an die HLKO gebunden?

Primär sind Staaten und ihre Streitkräfte gebunden. Unabhängig von formellen Bindungen gelten zahlreiche Grundsätze der HLKO allgemein, sodass sie als Mindeststandards in bewaffneten Konflikten zu beachten sind.

Wie unterscheidet sich die HLKO von den Genfer Abkommen?

Die HLKO legt vor allem Regeln zur Führung der Feindseligkeiten, zu Mitteln und Methoden, Besatzungsrecht und Neutralität fest. Die Genfer Abkommen konzentrieren sich stärker auf den Schutz bestimmter Personengruppen. Beide Regelwerke ergänzen sich und bilden zusammen den Kernbereich des modernen humanitären Völkerrechts.

Was bedeutet Besatzungsrecht nach der HLKO?

Besatzungsrecht regelt die Befugnisse und Pflichten einer Macht, die fremdes Staatsgebiet kontrolliert. Es verpflichtet zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, zum Schutz der Zivilbevölkerung und zur Schonung von Eigentum, wobei Eingriffe nur in engen Grenzen zulässig sind.

Können Verstöße gegen die HLKO strafrechtlich verfolgt werden?

Schwere Verstöße können zur individuellen Verantwortlichkeit führen. Zuständig sind nationale und internationale Verfahren, die je nach Fallkonstellation eingreifen und Sanktionen vorsehen können.

Findet die HLKO in innerstaatlichen Konflikten Anwendung?

Die HLKO ist auf Konflikte zwischen Staaten zugeschnitten. Zahlreiche ihrer Grundsätze werden jedoch als allgemeine Leitlinien herangezogen, soweit sie ihrem Zweck nach passen und als Völkergewohnheitsrecht gelten.

Welche Rolle spielt die HLKO bei neuen Technologien und Cyberoperationen?

Neue Mittel und Methoden werden anhand der Grundprinzipien der HLKO beurteilt. Maßgeblich sind Unterscheidung, Verhältnismäßigkeit, Beherrschbarkeit und die Vermeidung unnötigen Leids.