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Haager Adoptionsübereinkommen

Haager Adoptionsübereinkommen: Begriff und Bedeutung

Das Haager Adoptionsübereinkommen ist ein internationales Abkommen aus dem Jahr 1993, das den Schutz von Kindern bei Auslandsadoptionen stärkt und eine verlässliche Zusammenarbeit zwischen Staaten schafft. Es legt gemeinsame Mindeststandards fest, damit Auslandsadoptionen nur im wohlverstandenen Interesse des Kindes erfolgen, unzulässige finanzielle Anreize verhindert werden und die getroffenen Entscheidungen zwischen den Vertragsstaaten anerkannt werden.

Definition und Zielsetzung

Das Übereinkommen regelt die grenzüberschreitende Adoption von Kindern, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat hat als die annehmende Person oder das annehmende Paar. Es verfolgt drei Kernziele: den Schutz des Kindes, die Verhinderung von Kindesentführung, -verkauf und -handel sowie die Einrichtung eines Kooperationsrahmens zwischen Staaten, um geordnete Verfahren und gegenseitige Anerkennung zu gewährleisten.

Anwendungsbereich

Erfasst sind Auslandsadoptionen von Kindern unter 18 Jahren, die noch nicht adoptiert sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat haben, während die annehmende Person oder das annehmende Paar ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Vertragsstaat hat. Innerstaatliche Adoptionen ohne Auslandsbezug sowie Adoptionen mit Nichtvertragsstaaten fallen nicht unter das Übereinkommen. Bestimmungen über Staatsangehörigkeit oder Einreise-/Aufenthaltsrecht werden nicht vorgegeben und richten sich nach dem jeweiligen nationalen Recht.

Grundprinzipien

Kindeswohl und Subsidiarität

Leitend ist das Kindeswohl. Dabei gilt der Grundsatz der Subsidiarität: Vorrang haben Lösungen im Herkunftsland des Kindes, etwa Betreuung in der Herkunftsfamilie oder innerstaatliche Adoption. Eine Auslandsadoption kommt in Betracht, wenn geeignete Lösungen im Herkunftsland nicht zur Verfügung stehen.

Freiwillige, informierte Zustimmung

Erforderliche Zustimmungen der sorgeberechtigten Personen und – soweit angemessen – des Kindes müssen freiwillig, ohne Gegenleistung und nach Aufklärung über die Folgen erfolgen. Die Abstammung darf nicht verschleiert werden.

Transparenz und Verbot unzulässiger Vorteile

Unzulässige finanzielle oder sonstige Vorteile sind untersagt. Zulässig sind nur angemessene, dokumentierte Kosten und Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Verfahren.

Geeignetheitsprüfung und Matching

Die Eignung der annehmenden Person oder des annehmenden Paares wird geprüft und bescheinigt. Das Zusammenführen von Kind und annehmender Familie (Matching) erfolgt durch zuständige Stellen nach objektiven, am Kindeswohl ausgerichteten Kriterien.

Institutioneller Rahmen

Zentrale Behörden

Jeder Vertragsstaat benennt eine Zentrale Behörde als Koordinationsstelle. Sie sorgt für den Informationsaustausch, überwacht die Verfahrensschritte, stellt die Zusammenarbeit sicher und achtet auf die Einhaltung der Schutzstandards.

Akkreditierte Stellen

Staaten können zusätzlich anerkannte Vermittlungsstellen zulassen. Diese unterliegen staatlicher Aufsicht, müssen fachlich geeignet sein, transparent arbeiten und dürfen keine unzulässigen finanziellen Vorteile gewähren oder annehmen.

Zuständigkeiten und Zusammenarbeit

Die Behörden des Herkunftsstaates sind insbesondere für die Feststellung der Adoptionsbedürftigkeit, die Prüfung der Herkunftssituation, das Matching und – je nach nationaler Ordnung – für die Adoptionsentscheidung zuständig. Die Behörden des Aufnahmestaates sind für die Eignungsprüfung der annehmenden Person oder des Paars und für die Anerkennung der Adoption verantwortlich. Beide Seiten stimmen sich eng ab und bestätigen, dass die Voraussetzungen eingehalten wurden.

Verfahrensablauf bei Auslandsadoptionen nach dem Übereinkommen

Das Übereinkommen schreibt kein weltweit einheitliches Einzelschrittverfahren vor, setzt aber aufeinander abgestimmte Mindeststandards und Zuständigkeiten. In der Praxis umfasst ein regelkonformer Ablauf typischerweise:

  • Prüfung der Eignung der annehmenden Person oder des Paars im Aufnahmestaat und Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung.
  • Feststellung im Herkunftsstaat, dass das Kind für eine Adoption in Betracht kommt, und Einholung aller erforderlichen Zustimmungen.
  • Matching des Kindes mit einer geeigneten annehmenden Familie auf Grundlage des Kindeswohls.
  • Gegenseitige Zustimmung der Zentralen Behörden beider Staaten zur konkreten Vermittlung.
  • Adoptionsentscheidung im Herkunfts- oder im Aufnahmestaat (je nach nationalem Recht) oder Erlaubnis zur Einreise und Adoption im Aufnahmestaat.
  • Ausstellung einer Bescheinigung, dass die Adoption im Sinne des Übereinkommens zustande gekommen ist.

Wirkungen und Anerkennung

Eine nach den Vorgaben des Übereinkommens durchgeführte Adoption wird in allen Vertragsstaaten grundsätzlich anerkannt. Die Anerkennung umfasst die maßgeblichen Wirkungen, etwa die Entstehung elterlicher Verantwortung und – bei Volladoption – die rechtliche Gleichstellung mit einem leiblichen Kind. Unterschiede zwischen Voll- und Einfachadoption bleiben dem nationalen Recht vorbehalten. Eine Umwandlung einer Einfachadoption in eine Volladoption ist möglich, wenn das Aufnahmerecht dies vorsieht und die hierfür erforderlichen Zustimmungen vorliegen. Die Versagung der Anerkennung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, etwa wenn grundlegende Rechtsgrundsätze des Anerkennungsstaates verletzt würden.

Schutzmechanismen gegen Missbrauch

Das Übereinkommen verpflichtet zu wirksamer Aufsicht über Vermittlungsstellen, zur Dokumentation der Herkunft des Kindes und der Einhaltung der Verfahrensvorgaben sowie zur Aufbewahrung relevanter Informationen. Unzulässige Zahlungen oder Gegenleistungen sind untersagt. Kontakte zwischen annehmender Person oder Paar und Herkunftspersonen vor den erforderlichen Zustimmungen werden grundsätzlich begrenzt, um Drucksituationen oder Einflussnahmen zu vermeiden. Datenschutz und Vertraulichkeit sind zu wahren.

Verhältnis zu innerstaatlichem Recht und anderen Abkommen

Das Übereinkommen setzt einen internationalen Rahmen; die Einzelheiten der Durchführung bestimmen die Vertragsstaaten durch nationales Recht. Es ergänzt andere internationale Übereinkommen zum Kinderschutz, ohne diese zu ersetzen. Fragen des Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrechts bleiben dem jeweiligen nationalen Recht überlassen. Innerhalb der Europäischen Union bestehen keine eigenständigen unionsweiten Adoptionsregeln; das Übereinkommen bildet auch dort den maßgeblichen internationalen Standard.

Mitgliedschaft, Geltungsbereich und Entwicklung

Dem Übereinkommen sind zahlreiche Staaten aus unterschiedlichen Rechtskreisen beigetreten. Der Beitritt erfolgt durch völkerrechtliche Erklärung und innerstaatliche Umsetzung. Der Geltungsbereich ergibt sich aus der Zahl der Vertragsstaaten; bei Adoptionen mit Nichtvertragsstaaten finden die Mechanismen des Übereinkommens keine Anwendung.

Herausforderungen und Diskussion

In der Praxis zeigen sich Unterschiede in der Umsetzung, der Dauer der Verfahren und in den rechtlichen Wirkungen (Voll- vs. Einfachadoption). Weitere Diskussionspunkte betreffen Transparenz der Kosten, Qualität der Eignungsprüfungen, den Zugang zu Herkunftsinformationen und die Ausgestaltung von Nachbetreuungen. Das Übereinkommen bietet hierfür einen Rahmen, der fortlaufend durch staatliche Zusammenarbeit und fachliche Leitlinien konkretisiert wird.

Häufig gestellte Fragen (rechtlicher Kontext)

Für wen gilt das Haager Adoptionsübereinkommen?

Es gilt für Auslandsadoptionen, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat hat und die annehmende Person oder das annehmende Paar ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Vertragsstaat haben. Innerstaatliche Adoptionen ohne Auslandsbezug sind nicht erfasst.

Werden Adoptionen nach dem Übereinkommen automatisch in anderen Staaten anerkannt?

Adoptionen, die im Rahmen des Übereinkommens ordnungsgemäß zustande gekommen sind und eine entsprechende Bescheinigung erhalten haben, werden in anderen Vertragsstaaten grundsätzlich anerkannt. Ausnahmen sind nur in eng begrenzten Fällen möglich, wenn grundlegende Rechtsgrundsätze des Anerkennungsstaates betroffen wären.

Welche Rolle spielen Kindeswohl und Subsidiarität?

Das Kindeswohl ist leitend. Nach dem Subsidiaritätsgrundsatz hat der Verbleib des Kindes in seiner Herkunftsfamilie oder eine innerstaatliche Lösung Vorrang. Eine Auslandsadoption kommt in Betracht, wenn geeignete Möglichkeiten im Herkunftsstaat nicht bestehen.

Sind Zahlungen im Zusammenhang mit der Adoption erlaubt?

Unzulässige finanzielle oder sonstige Vorteile sind untersagt. Zulässig sind nur angemessene, nachvollziehbare Kosten und Aufwendungen, etwa für Verwaltungsverfahren oder notwendige Dienstleistungen, unter staatlicher Aufsicht und Transparenzanforderungen.

Gilt das Übereinkommen auch für Verwandten- oder Stiefkindadoptionen?

Ja, sofern ein grenzüberschreitender Bezug zwischen zwei Vertragsstaaten besteht und die weiteren Voraussetzungen vorliegen. Maßgeblich ist der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes und der annehmenden Person oder des Paars.

Was passiert, wenn das Herkunftsland kein Vertragsstaat ist?

Dann finden die Kooperationsmechanismen und Anerkennungsregeln des Übereinkommens keine Anwendung. Anerkennung und Wirkungen richten sich nach dem nationalen Recht des jeweiligen Staates, in dem die Anerkennung begehrt wird.

Kann eine Einfachadoption in eine Volladoption umgewandelt werden?

Eine Umwandlung kann möglich sein, wenn das Recht des Aufnahmestaates dies zulässt und die erforderlichen Voraussetzungen, einschließlich etwaiger Zustimmungen, vorliegen. Die internationale Anerkennung der geänderten Wirkungen richtet sich ebenfalls nach den Regeln des Übereinkommens.