Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Familienrecht»Haager Adoptionsübereinkommen

Haager Adoptionsübereinkommen


Haager Adoptionsübereinkommen

Das Haager Adoptionsübereinkommen (auch: Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption) ist ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag, der am 29. Mai 1993 in Den Haag im Rahmen der Haager Konferenz für internationales Privatrecht (HCCH) verabschiedet wurde. Das Übereinkommen verfolgt das Ziel, den Schutz von Kindern bei internationalen Adoptionen zu gewährleisten sowie die Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten auf diesem Gebiet zu regeln und zu verbessern. Es normiert umfassende Anforderungen und Verfahrensregeln für die internationale Adoption und stellt einen bedeutenden Referenzrahmen für das daraus resultierende nationale Adoptionsrecht dar.


Hintergrund und Entstehung

Internationale Adoptionen stiegen im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts erheblich an, wobei sich Unsicherheiten hinsichtlich der Rechte von Kindern, biologischen Eltern und Adoptiveltern ergaben. Kongruent mit dem Bedürfnis, sowohl Kindesinteressen zu schützen als auch behördliche Verfahren zu harmonisieren, initiierten die Mitgliedstaaten der Haager Konferenz die Ausarbeitung dieses Abkommens. Es trat am 1. Mai 1995 international in Kraft.

Heute wurde das Haager Adoptionsübereinkommen von über 100 Staaten ratifiziert oder durch Beitritt übernommen, darunter fast alle EU-Staaten.


Ziele und Grundprinzipien des Haager Adoptionsübereinkommens

Schutz des Kindeswohls

Das Übereinkommen stellt das Wohl des Kindes ins Zentrum und folgt dem sogenannten Subsidiaritätsprinzip. Demnach ist eine Adoption über Ländergrenzen hinweg nur zulässig, wenn eine geeignete Betreuung des Kindes im Herkunftsland ausgeschlossen ist. Vorrangig sind nationale Lösungen, insbesondere Vermittlung innerhalb der Herkunftsfamilie und nationale Adoptionen.

Missbrauchsverhinderung

Ein wesentliches Ziel ist die effektive Verhinderung von Kinderhandel, unrechtmäßiger Vermittlung sowie sonstiger unredlicher Praktiken, die mit internationalen Adoptionen verbunden sein können. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, umfassende Schutzmechanismen zu schaffen.

Rechtssicherheit und Zusammenarbeit

Das Übereinkommen fördert die enge Kooperation zwischen den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten und führt verbindliche Mindeststandards für Verfahrensabläufe und -dokumentationen ein. Hierdurch wird eine gegenseitige Anerkennung und das Vertrauen in internationale Adoptionen gestärkt.


Anwendungsbereich und Geltung

Sachlicher Anwendungsbereich

Das Übereinkommen findet Anwendung auf Adoptionen mit „internationalem Bezug“, d.h. wenn ein Kind, das in einem Vertragsstaat seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, in einen anderen Vertragsstaat adoptiert werden soll.

Persönlicher Anwendungsbereich

Es erfasst alle Beteiligten, insbesondere das zur Adoption stehende Kind, die leiblichen Eltern sowie die zukünftigen Adoptiveltern, soweit diese ihre jeweiligen Gewöhnlichen Aufenthalte in unterschiedlichen Vertragsstaaten haben oder begründen wollen.

Bindungswirkung und Umsetzung

Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, die im Übereinkommen festgelegten Standards durch innerstaatliche Gesetzgebung umzusetzen. In Deutschland erfolgte die Umsetzung insbesondere durch das Adoptionsvermittlungsgesetz und das Adoptionswirkungsgesetz.


Behördenstruktur nach dem Übereinkommen

Zentrale Behörden

Jeder Vertragsstaat hat mindestens eine „zentrale Behörde“ zu benennen, die als Kontakt- und Koordinationsstelle fungiert. Sie ist zuständig für

  • die Gewährleistung rechtskonformer Adoptionsverfahren,
  • die Unterstützung und Information der Beteiligten,
  • die Zusammenarbeit mit anderen zentralen Behörden,
  • die Einholung und Übermittlung notwendiger Unterlagen.

Anerkannte Vermittlungsstellen

Zusätzlich können Staaten weitere wirksame Stellen zur Adoptionsvermittlung akkreditieren. Diese müssen nach prüfbaren Kriterien zulässig sein und regelmäßig kontrolliert werden.


Ablauf und Anforderungen im Adoptionsverfahren

Verfahrensablauf

Das Übereinkommen regelt ein mehrstufiges Verfahren:

  1. Feststellung der Adoptionsfähigkeit – Die zentrale Behörde des Herkunftsstaates stellt zunächst fest, ob das Kind adoptierbar ist und eine geeignete Betreuung im Herkunftsstaat nicht möglich ist.
  2. Lagebeurteilung der Adoptiveltern – Die zentrale Behörde prüft und bestätigt die Eignung und das Kindeswohl der Adoptionsbewerber.
  3. Einwilligungserklärungen – Notwendige Einwilligungen (z.B. der leiblichen Eltern) müssen freiwillig, in Kenntnis der rechtlichen Folgen und schriftlich erfolgen.
  4. Matchmaking und Vermittlung – Die Zusammenführung von Kind und Adoptionsbewerbern geschieht zentral und koordiniert.
  5. Genehmigung und Abschluss – Die zentralen Behörden müssen ihre Zustimmung erteilen, bevor die Adoption rechtlich abgeschlossen wird.

Einhaltung des Kindeswohls

Das Übereinkommen fordert detaillierte Prüfungsmöglichkeiten im Hinblick auf das Kindeswohl, unter Berücksichtigung der ethnischen, religiösen, kulturellen und sprachlichen Herkunft des Kindes.


Rechtliche Wirkungen und Anerkennung

Anerkennung der Adoption in den Vertragsstaaten

Eine nach Maßgabe des Haager Übereinkommens durchgeführte und erklärte Adoption wird grundsätzlich in allen anderen Vertragsstaaten anerkannt. Dies gilt sowohl für die Annahme als Kind mit Volladoptionscharakter (wie in Deutschland) als auch für Adoptionen mit schwächeren Rechtswirkungen (z.B. einfache Adoption).

Ausschluss der Anfechtung

Die im Herkunftsstaat rechtmäßig abgeschlossene Adoption ist nach dem Übereinkommen grundsätzlich unanfechtbar, es sei denn, die internationalen Grundsätze wurden erkennbar schwerwiegend verletzt.

Schutz personenbezogener Daten

Personenbezogene Informationen über Kind und Herkunftsfamilie unterliegen dem grundsätzlich gebotenen Datenschutz; sie dürfen ausschließlich zum Zwecke der Durchführung des Adoptionsverfahrens und unter Wahrung des Kindeswohls übermittelt und verwendet werden.


Verhältnis zu anderen internationalen und nationalen Regelungen

Das Haager Adoptionsübereinkommen ist als lex specialis vorrangig gegenüber allgemeinen Regelungen des internationalen Privatrechts anzuwenden. Es ergänzt insbesondere das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes von 1989 und ist im Rahmen des jeweiligen nationalen Adoptions- und Adoptionsvermittlungsrechts vorrangig zu berücksichtigen.


Bedeutung für die Internationale Zusammenarbeit

Das Übereinkommen trägt zur Entwicklung und Optimierung eines international konsistenten Schutz- und Kontrollsystems für Adoptionen bei. Die zentrale Zusammenarbeit wirkt gegen Rechtszersplitterung und setzt verbindliche Standards auf dem Gebiet der grenzüberschreitenden Kindesannahme.


Rechtsentwicklung und aktuelle Herausforderungen

Trotz des erreichten Schutzniveaus stehen die Vertragsstaaten weiterhin vor Herausforderungen, etwa im Bereich unbefugter Vermittlungspraktiken und der fortschreitenden Digitalisierung sensibler Daten. Laufende Evaluierungen und gegebenenfalls Protokolländerungen sind Gegenstand der internationalen Zusammenarbeit im Rahmen der HCCH.


Literatur

  • Haager Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (BGBl. II 2001, S. 1034)
  • Gesetz zur Ausführung des Haager Adoptionsübereinkommens (AdÜbAG)
  • Bundesamt für Justiz – Übersicht zum Haager Adoptionsübereinkommen

Weblinks

Häufig gestellte Fragen

Welche Rolle spielen die zuständigen zentralen Behörden beim Haager Adoptionsübereinkommen?

Die zentralen Behörden sind nach dem Haager Adoptionsübereinkommen (HAÜ) maßgebliche staatliche Stellen, die in jedem Vertragsstaat eingerichtet werden müssen und für die Implementation und Überwachung des Übereinkommens verantwortlich sind. Sie fungieren als Vermittler und Koordinatoren zwischen den beteiligten Behörden der Herkunfts- sowie der Aufnahmestaaten und gewährleisten, dass alle internationalen Adoptionen im Einklang mit den Prinzipien des HAÜ ablaufen. Zentralbehörden prüfen beispielsweise die Adoptionsfähigkeit des Kindes, stellen sicher, dass sämtliche Zustimmungen freiwillig und ohne finanzielle Gegenleistungen erfolgt sind, und koordinieren die notwendigen rechtlichen und verwaltungsrechtlichen Schritte zwischen den Vertragsstaaten. Sie können auch weitere befugte Stellen einschalten, diese unterstehen jedoch der Aufsicht und Kontrolle der zentralen Behörde. Die zentrale Behörde führt außerdem die Dokumentation über sämtliche Adoptionen, wirkt bei der Verhinderung von Kindesentführungen, Kinderhandel und anderen illegalen Praktiken mit und gewährleistet die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zum Schutz des Kindeswohls.

Wie wird Kindeswohl im Rahmen des Haager Adoptionsübereinkommens sichergestellt?

Das Kindeswohl stellt das oberste Leitprinzip des Haager Adoptionsübereinkommens dar und ist in sämtlichen Verfahrensschritten zu beachten. Hierzu gehört zunächst, dass eine Adoption nur dann zugelassen wird, wenn im Herkunftsstaat gründlich geprüft wurde, ob das Kind nicht in seiner Herkunftsfamilie verbleiben kann und eine Inlandsadoption nicht möglich oder geeignet ist. Erst danach wird eine internationale Adoption erwogen. Weiterhin stellt das Übereinkommen sicher, dass das Kind, sofern es seinen Entwicklungsstand erlaubt, umfassend altersgerecht beraten und in den Adoptionsprozess einbezogen werden muss. Weiterhin ist die genaue Prüfung der künftigen Adoptiveltern hinsichtlich Eignung, Wohnverhältnissen und Motivationen sowie deren rechtliche Verpflichtung, das Kind als eigenes aufzuziehen, durch die zuständigen Behörden obligatorisch. Um das Kindeswohl auch unmittelbar nach der Adoption zu schützen, kann die zentrale Behörde Nachbetreuungsmaßnahmen anordnen, die beispielsweise Besuche oder Berichte zur Entwicklung des Kindes vorsehen.

Welche rechtlichen Anforderungen gelten für die Anerkennung von ausländischen Adoptionsentscheidungen?

Das Haager Adoptionsübereinkommen verlangt, dass Adoptionsentscheidungen, die in einem Vertragsstaat unter Einhaltung des HAÜ getroffen werden, grundsätzlich in sämtlichen anderen Vertragsstaaten anerkannt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass bei der Adoption in beiden betroffenen Staaten die Zustimmung der zentralen Behörden gemäß Artikel 17 des HAÜ vorliegt und sämtliche Verfahrensvorschriften des Übereinkommens eingehalten wurden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass keine Anerkennung erfolgt, falls die Anerkennung der Adoption der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Aufnahmestaates eindeutig widerspricht. Fälle solcher so genannten Anerkennungshindernisse können zum Beispiel bei fehlender Freiwilligkeit der Zustimmung, bei offensichtlichen Unterschreitungen der Kindeswohlinteressen oder bei Umgehung rechtlicher Mindestanforderungen vorliegen. Das Verfahren zur Anerkennung erfolgt in der Regel durch Vorlage der entsprechenden Dokumente, welche die ordnungsgemäße Durchführung der Adoption nachweisen.

Welche Pflichten bestehen bezüglich der Verhinderung von Kinderhandel und anderen illegalen Praktiken?

Die Vertragsstaaten des Haager Adoptionsübereinkommens sind rechtlich verpflichtet, effektive Maßnahmen zum Schutz von Kindern gegen unrechtmäßige finanzielle Vergütungen, Kinderhandel, Entführungen und andere illegale Praktiken zu ergreifen. Diese Verpflichtung findet sich explizit in Artikel 4 und 32 HAÜ wieder. Sämtliche Vermittlungs- und Adoptionskosten müssen transparent gestaltet sein, und jegliche Form unverhältnismäßiger Zahlungen oder gewinnorientierter Vermittlung ist untersagt. Zudem verpflichten sich die Vertragsstaaten, Verdachtsfälle zu untersuchen und gegebenenfalls strafrechtlich zu verfolgen. Auch im Verwaltungsverfahren wirken die zentralen Behörden darauf hin, dass sämtliche Verpflichtungen dokumentiert, überprüft und Missbrauchsmöglichkeiten minimiert werden.

Welche rechtlichen Folgen hat eine Adoption nach dem Haager Adoptionsübereinkommen im Herkunfts- und Aufnahmestaat?

Die Adoption nach dem HAÜ führt in nahezu allen Vertragsstaaten zu einer vollständigen rechtlichen Angleichung des Kindes an ein leibliches Kind der Adoptiveltern, sofern das jeweilige nationale Recht dies vorsieht (Volladoption). Die neue Rechtsstellung wirkt insbesondere hinsichtlich Namensrecht, Staatsangehörigkeit und Erbfolge. Die Adoption, welche unter voller Einhaltung des Übereinkommens vollzogen wurde, ist auf Basis der gegenseitigen Anerkennungspflicht in den jeweiligen Staaten bindend. Das Kind verliert vielfach die rechtlichen Bindungen an die Herkunftsfamilie, erhält aber im Gegenzug vollen familien- und erbrechtlichen Status in der Adoptivfamilie. Ausnahmen und länderspezifische Abweichungen können sich im Einzelfall ergeben, insbesondere, wenn nationale Rechtsvorschriften des Aufnahmestaates eine abweichende Behandlung vorsehen.

Gibt es rechtliche Möglichkeiten einer Aufhebung oder Anfechtung einer ebenso nach dem Haager Adoptionsübereinkommen durchgeführten Adoption?

Eine Adoption, die nach den Vorgaben des HAÜ zustande gekommen ist, kann nur aus schwerwiegenden Gründen aufgehoben oder angefochten werden, wobei die Voraussetzungen und das Verfahren hierfür vom nationalen Recht des jeweiligen Staates abhängen. Das Haager Übereinkommen sieht selbst keine ausdrücklichen materiellen Gründe oder ein eigenes Aufhebungsverfahren vor, verweist aber darauf, dass jede Aufhebung oder Anfechtung im Einklang mit dem Schutz des Kindeswohls und unter Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze erfolgen muss. Gründe können beispielsweise schwerwiegende Verfahrensfehler, die Täuschung über wesentliche Umstände, die unrechtmäßige Zustimmung der leiblichen Eltern oder die Verletzung des Kindeswohls umfassen. Zudem sind die zentralen Behörden zu informieren und von ihnen zu unterstützen, wenn eine solche Aufhebung oder Anfechtung beantragt wird. In bestimmten Fällen müssen sämtliche betroffenen Staaten einbezogen werden, um den rechtlichen Status des Kindes nicht zu gefährden.