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Greenmail


Begriff und Bedeutung von Greenmail

Greenmail bezeichnet im Gesellschaftsrecht eine umstrittene Strategie, bei welcher ein Investor oder eine Investorengruppe eine bedeutende Beteiligung an einem börsennotierten Unternehmen aufbaut, um so Druck auf das Management auszuüben. Ziel ist es meist, sich die drohende Übernahme oder eine andere, für das Management unerwünschte Einflussnahme abkaufen zu lassen – in der Regel zu einem deutlich über dem Marktwert liegenden Preis. Der Begriff setzt sich aus „Greenback“ (umgangssprachlich US-Dollar) und „Blackmail“ (Erpressung) zusammen und suggeriert eine Art finanzielle Erpressung. Greenmail ist vor allem durch Übernahmebewegungen in den 1980er Jahren in den USA bekannt geworden, steht aber im Fokus internationaler Gesellschafts- und Kapitalmarktrechtsdiskussionen.

Erscheinungsformen und Ablauf

Greenmail manifestiert sich gewöhnlich durch einen schrittweisen Aktienerwerb, mit dem Ziel, eine Sperrminorität oder eine kurzfristig bedrohliche Beteiligungsschwelle zu erreichen. Das Management bietet daraufhin oftmals eine Prämie für die Rücknahme dieser Anteile an, um eine Übernahme, Restrukturierung oder ungewollte Einflussnahme abzuwehren. Der Investor realisiert dadurch kurzfristig erhebliche Gewinne, ohne eine tatsächliche Unternehmensübernahme durchzuführen.

Typischer Ablauf

  1. Aufbau der Beteiligung: Der Investor erwirbt öffentlich handelbare Aktien des Zielunternehmens und erlangt sukzessive eine bedeutende stimmberechtigte Beteiligung.
  2. Androhung weitergehender Maßnahmen: Durch das aktive Offenlegen seiner Beteiligung sowie möglicher Übernahmepläne setzt der Investor das Management unter Druck.
  3. Verhandlung und Abfindung: Das Unternehmensmanagement tritt in Verhandlungen ein und bietet eine Abfindung (meistens über den Marktpreis), um den Investor zur Aufgabe seiner Pläne zu bewegen.
  4. Verkauf der Beteiligung: Der Investor verkauft seine Aktien mit Gewinn, meist im Rahmen eines Rückkaufs durch das Unternehmen selbst.

Greenmail im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht

Rechtliche Einordnung in Deutschland

Im deutschen Aktienrecht ist Greenmail weder ausdrücklich gesetzlich geregelt noch verboten. Gleichwohl berühren Greenmail-Transaktionen verschiedene Rechtsgebiete, insbesondere Regelungen des Aktiengesetzes (AktG), Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) und Übernahmerechts.

§ 71 AktG – Erwerb eigener Aktien

Der Rückerwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft ist grundsätzlich nur unter den strengen Voraussetzungen des § 71 AktG zulässig. Ein gezielter Rückkauf zur Abwehr einer Übernahme, wie es bei Greenmail häufig praktiziert wurde, ist daher in Deutschland eng begrenzt. Die gezielte Begünstigung einzelner Aktionäre über den Marktpreis hinaus könnte als Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a AktG) angesehen werden.

Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a AktG)

Der Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet die Gesellschaft, alle Aktionäre gleich zu behandeln. Werden einem Aktionär – typischerweise dem Greenmailer – Sondervorteile oder überproportionale Abfindungen gewährt, können andere Aktionäre hiergegen vorgehen und Ansprüche auf Schadenersatz oder Ausgleich geltend machen.

Kapitalmarktrechtliche Aspekte

Im Rahmen der Meldepflichten gemäß §§ 33 ff. WpHG besteht für Investoren die Pflicht, die Überschreitung festgelegter Beteiligungsschwellen zu melden, was Transparenz im Aktionariat sicherstellen soll. Zudem können in bestimmten Situationen publikumswirksame Verpflichtungsangebote sowie Insiderhandelsregeln relevant werden.

Übernahmerechtliche Regelungen

Laut Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) ist ab bestimmten Beteiligungsgrenzen (z.B. 30 %) ein Pflichtangebot zu unterbreiten. Greenmail kann jedoch auch unterhalb dieser Schwelle erfolgen, ist aber dennoch über bestehende Informations- und Verhaltenspflichten reguliert.

Steuerliche Implikationen

Erträge aus Greenmail-Transaktionen unterliegen der Kapitalertragsteuer. Zudem können steuerliche Pflichten aus Rückkäufen, Prämienzahlungen oder Gewinnausschüttungen entstehen. Die steuerliche Behandlung richtet sich dabei nach der jeweiligen nationalen Gesetzgebung und ist sowohl für das Unternehmen als auch den Investor relevant.

Greenmail: Rechtspolitische und internationale Aspekte

Abwehr und Prävention aus Sicht des Gesellschaftsrechts

In vielen Staaten, darunter Deutschland, wurden gesetzliche Schutzmechanismen entwickelt, um Missbrauch zu unterbinden. Unternehmen setzen darüber hinaus Maßnahmen wie Stimmrechtsbeschränkungen in Satzungen, Wandelanleihen oder Mitarbeiterbeteiligungen ein, um unliebsame Investorenstrategien wie Greenmail zu verhindern.

Internationale Entwicklungen

Insbesondere in den USA ist Greenmail teilweise gesetzlich eingeschränkt. Viele börsennotierte Unternehmen etablierten in den 1980er Jahren sogenannte „Anti-Greenmail-Provisions“ (Sonderregelungen in der Satzung), die gezielte Abfindungen einzelner Aktionäre ausschließen oder erschweren. Gesetzliche Vorschriften wie der Securities Exchange Act und insbesondere Regulation 13D regeln die Offenlegungspflichten und Übernahmemodalitäten.

Rechtsethische Bewertung

Greenmail gilt weithin als ethisch umstritten, da der Investor wirtschaftlichen Vorteil auf Kosten der Allgemeinheit sowie anderer Aktionäre erlangt, ohne zur nachhaltigen Unternehmensführung beizutragen. Die rechtliche Wertung bewegt sich im Spannungsfeld zwischen legitimen Investorenrechten, gesellschaftsrechtlichem Minderheitenschutz und dem Bedürfnis nach Unternehmensführung im Allgemeininteresse.

Greenmail im Unterschied zu anderen Übernahmestrategien

Greenmail unterscheidet sich von regulären Übernahmeangeboten oder klassischen feindlichen Übernahmen dadurch, dass der Greenmailer selten eine tatsächliche Übernahme anstrebt, sondern vorrangig auf die kurzfristige Abschöpfung von Abfindungsprämien zielt. Im Unterschied zu legalen Unternehmensübernahmen, die oftmals einen nachhaltigen Einfluss auf die Gesellschaftsstruktur zum Ziel haben, wird bei Greenmail ausschließlich eine situative Drucksituation ausgenutzt.

Fazit

Greenmail stellt eine spezielle Form der strategischen Einflussnahme im Kontext gesellschaftsrechtlicher Machtkämpfe dar und erfordert eine detaillierte Betrachtung sowohl gesellschafts- und kapitalmarktrechtlicher Regelungen als auch steuerlicher und ethischer Gesichtspunkte. In vielen Rechtsordnungen wurde bereits durch gesetzgeberische und gesellschaftsrechtliche Schutzmaßnahmen reagiert, um einen Missbrauch dieser Strategie zu verhindern. Unternehmen und deren Organmitglieder sind gehalten, das Risiko von Greenmail im Rahmen ihrer Sorgfaltspflichten angemessen zu berücksichtigen.


Dieser Beitrag liefert eine umfassende Darstellung des Begriffs Greenmail unter besonderer Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen und praxisrelevanten Entwicklungen auf nationaler und internationaler Ebene.

Häufig gestellte Fragen

Ist Greenmail in Deutschland strafbar?

Greenmail ist in Deutschland nicht ausdrücklich als eigener Straftatbestand im Gesetz geregelt. Das Vorgehen kann jedoch verschiedene zivilrechtliche und unter Umständen auch strafrechtliche Implikationen nach sich ziehen, abhängig von der konkreten Ausgestaltung und den Begleitumständen. Insbesondere, wenn im Zuge von Greenmail täuschende Handlungen, Bedrohungen, Nötigung (§ 240 StGB) oder Insiderhandel (§ 38 WpHG, § 119 WpHG) vorliegen, kann der Vorgang strafrechtlich relevant werden. Zudem kann Greenmail als verbotene Einflussnahme auf eine Hauptversammlung nach dem Aktiengesetz (§ 405 AktG) oder im Rahmen von Marktmanipulation nach der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) gelten, falls die Voraussetzungen eines gezielten Missbrauchs marktrelevanter Informationen erfüllt sind. Im Wesentlichen hängt die Strafbarkeit vom Einzelfall ab, weshalb immer eine detaillierte rechtliche Analyse erfolgen muss.

Wie schützt das deutsche Gesellschaftsrecht Unternehmen vor Greenmailing?

Das deutsche Gesellschaftsrecht schützt Unternehmen insbesondere durch aktienrechtliche Regelungen, etwa zu Hauptversammlungen, Stimmrechtsbindungen und Meldepflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Größere Anteilserwerbe sind meldepflichtig (§ 33 WpHG), so dass Unternehmen frühzeitig von wesentlichen Anteilsverschiebungen Kenntnis erlangen und reagieren können. Ferner sieht das AktG Mechanismen wie das Aktienrückkaufsrecht (§§ 71 ff. AktG) vor, die es Unternehmen ermöglichen, eigene Aktien zurückzuerwerben, um einen missbräuchlichen Einfluss zu verhindern oder eine Minderheit auszukaufen. Antitakeover-Maßnahmen wie Stimmrechtsbeschränkungen, Vinkulierung von Namensaktien und Höchststimmrechte können in der Satzung geregelt werden, wobei diese Maßnahmen jedoch engen gesetzlichen Grenzen unterliegen und im Einzelfall einer gerichtlichen Überprüfung offenstehen.

Können sich Unternehmen zivilrechtlich gegen Greenmail zur Wehr setzen?

Ja, Unternehmen können sich zivilrechtlich gegen Greenmail zur Wehr setzen. Dies erfolgt häufig durch die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, einstweilige Verfügungen oder Schadenersatzklagen. Instrumente des Zivilrechts wie das Verbot sittenwidrigen Verhaltens (§ 826 BGB) können dabei herangezogen werden, wenn ein Greenmailer die gesetzlichen oder gesellschaftsrechtlichen Instrumente in treuwidriger Weise missbraucht. Sollte sich ein Greenmailer beispielsweise durch wiederholte Androhung von Klageerhebungen einen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschaffen wollen, könnte eine Klage auf Unterlassung oder Beseitigung geprüft werden. Außerdem kann das Unternehmen versuchen, mit Abwehrstrategien wie gezielten Vertragsgestaltungen oder Einbindung von Aktionärsbindungsverträgen vorzugehen.

Welche Rolle spielt das Kapitalmarktrecht bei der Regulierung von Greenmail?

Das Kapitalmarktrecht enthält wichtige Regelungen zur Transparenz und Marktintegrität, die auch auf Greenmail-Sachverhalte Anwendung finden können. So existieren umfassende Mitteilungspflichten bei Erwerb und Veräußerung von bedeutenden Beteiligungen (§§ 33 ff. WpHG), die verhindern sollen, dass Investoren oder Greenmailer im Geheimen Einfluss auf Unternehmen nehmen. Zudem verbieten das Marktmissbrauchsregime (MAR) sowie das WpHG Insiderhandel und Marktmanipulation, womit gezielte Informationsverzerrung oder die künstliche Beeinflussung von Aktienkursen unterbunden werden soll. Verstöße können mit Bußgeldern oder strafrechtlichen Sanktionen geahndet werden.

Welche rechtlichen Möglichkeiten stehen betroffenen Minderheitsaktionären bei Greenmail offen?

Minderheitsaktionäre, die von den Auswirkungen eines Greenmailings betroffen sind, können verschiedene rechtliche Möglichkeiten ergreifen. Zum einen können sie auf Aktionärsversammlungen ihre Rechte geltend machen, etwa durch das Einlegen von Widerspruch gegen Beschlüsse (§ 245 AktG) oder durch Anfechtungsklage. Zum anderen stehen ihnen im Falle sittenwidrigen Verhaltens des Greenmailers zivilrechtliche Schadenersatzansprüche (§ 826 BGB) oder Unterlassungsansprüche zur Verfügung. Zudem besteht die Möglichkeit, bei Verdacht auf Gesetzesverstöße Anzeige bei den zuständigen Behörden, etwa der BaFin, zu erstatten.

Gibt es Präzedenzfälle oder Grundsatzentscheide deutscher Gerichte zum Thema Greenmail?

Obwohl Greenmail als Begriff primär aus dem US-amerikanischen Recht stammt, beschäftigen sich auch deutsche Gerichte in Einzelfällen mit vergleichbaren Sachverhalten. Dabei werden einzelne Elemente des Greenmailings i.d.R. unter allgemeinen zivil- und gesellschaftsrechtlichen Vorschriften beurteilt, beispielsweise im Rahmen von §§ 134, 138, 826 BGB (Verstoß gegen ein Gesetz, Sittenwidrigkeit, vorsätzliche Schädigung). Grundsatzentscheidungen, die explizit das Phänomen „Greenmail“ adressieren, gibt es bislang nicht; Gerichte bewerten vielmehr die Umstände des Einzelfalls in Bezug auf Missbrauch von Aktionärsrechten und die Treuepflicht der Aktionäre.

Inwiefern ist Greenmail im europäischen Kontext besonders reguliert?

Im europäischen Kontext finden sich spezielle Regelungen vorwiegend im Bereich der Wertpapieraufsicht und zum Schutz der Corporate Governance, beispielsweise in der Übernahmerichtlinie (2004/25/EG), der Transparenzrichtlinie (2004/109/EG) und der Marktmissbrauchsverordnung (MAR). Diese Richtlinien und Verordnungen zielen auf erhöhte Transparenz bei Beteiligungsstrukturen, Verbesserung des Minderheitenschutzes sowie die Prävention von Marktmissbrauch und Transaktionsmanipulation. Dadurch werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Verhinderung und Ahndung von Greenmail im europäischen Kontext gestärkt, auch wenn der Begriff selbst in der EU-Gesetzgebung nicht verwendet wird.