Legal Lexikon

Wiki»Golden shares

Golden shares


Begriff und rechtliche Einordnung der Golden Shares

Golden Shares, zu Deutsch „Goldene Aktien“, bezeichnen eine besondere Form von Aktien, denen außergewöhnliche Mitwirkungs- oder Vetorechte, insbesondere im Zusammenhang mit strategischen Entscheidungen und Kontrolle, eingeräumt werden. Diese Konstruktion wird überwiegend bei ehemals staatseigenen Unternehmen eingesetzt, um Einflussmöglichkeiten – trotz Privatisierung – zu sichern, ohne die unternehmerische Mehrheit am Gesellschaftskapital halten zu müssen.

Golden Shares haben ihren Ursprung im Vereinigten Königreich und wurden seit den 1980er Jahren vielfach von Staaten genutzt, um nach der Privatisierung von Schlüsselunternehmen (z. B. in den Bereichen Energie, Telekommunikation, Verkehr, Verteidigung) weiterhin essentielle Kontrollrechte ausüben zu können.

Rechtliche Ausgestaltung und Funktionen

Charakteristika der Golden Shares

Im Vergleich zu regulären Anteilen bilden Golden Shares keine eigenständige Aktiengattung, sondern sind durch zusätzliche Rechte gekennzeichnet, die zumeist satzungsmäßig oder durch staatliche Rechtsakte festgelegt werden. Typische Ausgestaltungen sind u. a. folgende besondere Befugnisse:

  • Vetorecht gegen bestimmte Hauptversammlungsbeschlüsse (z. B. Verschmelzung, Verkauf von Vermögenswerten, Änderungen des Unternehmensgegenstands)
  • Recht zur Bestellung oder Abberufung von Organmitgliedern
  • Zustimmungspflicht bei Änderungen der Eigentümerstruktur (insbesondere bei Übernahmen durch ausländische Investoren)

Solche Sonderrechte können an die Inhaberschaft einer (Golden) Aktie oder eines bestimmten Aktienanteils gebunden sein und sind regelmäßig auf einen bestimmten Zweck – wie den Schutz von öffentlichen Interessen – gerichtet.

Rechtsgrundlagen und gesellschaftsrechtliche Umsetzung

Die rechtliche Einführung von Golden Shares erfolgt im europäischen Raum entweder unmittelbar auf gesetzlicher Grundlage oder – häufiger – durch entsprechende Satzungsregelungen in den Statuten der betreffenden Gesellschaft. Die praktischen Mechanismen erstrecken sich sowohl auf börsennotierte Aktiengesellschaften als auch auf andere Gesellschaftsformen (z. B. GmbH).

Satzungsänderung und Registereintragung

Bei deutschen Aktiengesellschaften bedürfen Satzungsänderungen, die derartige Sonderrechte einführen oder modifizieren, grundsätzlich einer qualifizierten Mehrheit gemäß § 179 Abs. 2 AktG, sofern das Gesetz oder die Satzung keine strengeren Anforderungen vorsehen. Zudem sind diese Änderungen im Handelsregister einzutragen, um ihre Wirksamkeit gegenüber Dritten sicherzustellen.

Golden Shares im europäischen und internationalen Recht

Unionsrechtliche Vorgaben und EuGH-Rechtsprechung

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in mehreren Grundsatzentscheidungen mit der Vereinbarkeit von Golden Shares mit den unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheiten befasst. Die maßgeblichen Erwägungen betreffen dabei:

  • Die Beschränkung von Erwerb und freiem Verkehr von Gesellschaftsbeteiligungen (Art. 63 AEUV)
  • Die Zulässigkeit von Ausnahmen im Allgemeininteresse, unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

Klassische Entscheidungen wie „Kommission gegen Portugal“ (C-367/98), „Kommission gegen Frankreich“ (C-483/99) und Folgesachen führten dazu, dass Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Sonderrechte bei Privatisierungen auf das absolut Erforderliche zu beschränken und im Rahmen klarer, objektiver und nichtdiskriminierender Kriterien strukturell auszugestalten.

Rechtliche Schranken und Grenzen nach deutschem Recht

In der Bundesrepublik Deutschland sind bei der Einführung von Golden Shares neben gesellschaftsrechtlichen Aspekten vor allem das Verfassungsrecht sowie die Vorgaben des Europarechts zu berücksichtigen. Das Grundgesetz (GG) garantiert Eigentumsfreiheit und Gleichbehandlung nach Art. 3 und Art. 14 GG, sodass der Gesetzgeber und die Unternehmenssätze eventuelle Sonderrechte sachlich rechtfertigen und in Bezug auf Verhältnismäßigkeit und Schutz öffentlicher Ordnung ausbalancieren müssen. Die Judikatur sieht deshalb enge Grenzen insbesondere im Hinblick auf das Verbot einer übermäßigen Staatsintervention in den Wirtschaftsprozess.

Anwendungsbereiche und Praxisrelevanz

Typische Anwendungsfelder

Golden Shares werden oftmals im Rahmen von Privatisierungsprozessen, speziell im Sektor Infrastruktur, Energieversorgung, Luft- und Raumfahrt sowie bei sicherheitsrelevanten Unternehmen eingesetzt. Ziel ist, durch Staatspräsenz in Schlüsselunternehmen öffentliche Interessen – wie Versorgungssicherheit oder nationale Verteidigung – zu schützen.

Abwägung öffentlicher und privater Interessen

Die Einführung und das Fortdauern von Golden Shares bedürfen einer ständigen Abwägung zwischen dem legitimen Schutz öffentlicher Interessen und der Wahrung unternehmerischer Freiheit sowie dem Gleichbehandlungsgrundsatz für Anteilseigner. Die kapitalmarktrechtlichen Anforderungen verlangen dabei Transparenz und Publizität, insbesondere gegenüber potentiellen Investoren.

Kritik und aktuelle Entwicklungen

Rechtspolitische Diskussionen

Golden Shares sind Gegenstand fortlaufender rechtspolitischer Debatten, insbesondere hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Kapitalbeschaffungsfähigkeit der betroffenen Unternehmen sowie ihrer Vereinbarkeit mit dem Prinzip freier Marktwirtschaft. Kritiker bemängeln die Unsicherheit für Investoren und den potenziellen staatlichen Einfluss auf Unternehmensentscheidungen.

Tendenzen in Gesetzgebung und Unternehmenspraxis

Angesichts der klaren Anforderungen des europäischen Rechts ist in den letzten Jahren eine Tendenz zur Reduzierung oder gänzlichen Abschaffung staatsnaher Sonderbeteiligungen festzustellen. Gleichwohl werden – insbesondere auf dem Sektor kritischer Infrastrukturen – weiterhin Schutzmechanismen diskutiert, die funktional Golden Shares ähneln, etwa durch Investitionskontrollgesetze oder nationale Sicherheitsgesetze.

Zusammenfassung

Golden Shares sind ein bedeutendes Instrument der Kontrolle in privatisierten Unternehmen mit besonderer volkswirtschaftlicher Bedeutung. Ihre rechtliche Ausgestaltung unterliegt engen nationalen und europäischen Vorgaben, insbesondere im Hinblick auf Kapitalverkehrsfreiheit, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Gleichbehandlung. Während die praktische Relevanz abnimmt, bleibt die Thematik im Kontext von Privatisierungen, Investitionsschutz und strategischer Unternehmensführung von anhaltender Aktualität.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Einführung von Golden Shares in einer Gesellschaft erfüllt sein?

Die Einführung von sogenannten Golden Shares unterliegt in den meisten europäischen Rechtsordnungen strengen gesetzlichen Vorgaben. Grundsätzlich bedarf die Gewährung von besonderen Stimmrechten, wie sie Golden Shares darstellen, einer expliziten Regelung im Gesellschaftsvertrag oder in der Satzung der jeweiligen Gesellschaft. Dies erfordert regelmäßig einen qualifizierten Mehrheitsbeschluss der Hauptversammlung oder Gesellschafterversammlung, meist mit einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen oder einer ähnlich hohen Schwelle. Weiterhin dürfen Golden Shares nicht gegen zwingende Vorschriften des jeweiligen Aktien- oder Gesellschaftsrechts verstoßen. Im Kontext börsennotierter Unternehmen sind zudem kapitalmarktrechtliche Vorgaben zu beachten, etwa hinsichtlich Transparenz und Gleichbehandlung der Aktionäre. Handelt es sich bei der Gesellschaft um eine ehemalige Staatsgesellschaft, etwa bei Privatisierungen, können weitere spezialgesetzliche Voraussetzungen greifen, vor allem dann, wenn die öffentliche Hand Schutzinteressen verfolgt, die über das reguläre Gesellschaftsrecht hinausgehen. Zunehmend relevant sind zudem europarechtliche Vorgaben, insbesondere die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV), die nationale Sonderrechte auf ihre Verhältnismäßigkeit und Legitimation überprüft. Eine rechtswirksame Einführung von Golden Shares setzt daher eine sorgfältige rechtliche Prüfung und Umsetzung voraus, um Anfechtungs- und Nichtigkeitsrisiken auszuschließen.

Inwieweit sind Golden Shares nach aktuellem EU-Recht zulässig?

Golden Shares stehen im Spannungsverhältnis zur Kapitalverkehrsfreiheit und Niederlassungsfreiheit nach EU-Recht. Der Europäische Gerichtshof hat in mehreren Grundsatzurteilen (z.B. „Kommission gegen Portugal“, C-367/98, und „Kommission gegen Niederlande“, C-282/04) die Zulässigkeit von Golden Shares bei ehemaligen Staatsunternehmen nur in engen Ausnahmefällen anerkannt. Nach ständiger Rechtsprechung sind derartige Sonderrechte grundsätzlich nur dann zulässig, wenn sie zwingenden Gründen des Allgemeininteresses dienen, verhältnismäßig ausgestaltet sind und keine Diskriminierung darstellen. Hierzu zählen etwa die Sicherstellung der Versorgungssicherheit im Energiebereich oder bei kritischer Infrastruktur. Pauschale oder zeitlich unbefristete Sonderrechte werden hingegen regelmäßig als unzulässig betrachtet, da sie potenzielle Investoren abschrecken und den freien Kapitalverkehr behindern. Mitgliedstaaten müssen im Streitfall detailliert darlegen, warum und in welchem Umfang Golden Shares erforderlich sind. In der Praxis hat dies dazu geführt, dass zahlreiche Mitgliedstaaten ihre gesetzlichen Regelungen zu Golden Shares angepasst oder abgeschafft haben.

Welche Folgen kann es haben, wenn Golden Shares ohne Rechtsgrundlage vergeben werden?

Werden Golden Shares ohne ausreichende und tragfähige gesetzliche oder gesellschaftsvertragliche Grundlage vergeben, kann dies erhebliche zivil- und unter Umständen auch öffentlich-rechtliche Folgen haben. Zum einen drohen Anfechtungsklagen der Aktionäre, insbesondere wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung oder gegen zwingende gesellschaftsrechtliche Bestimmungen. Ggf. können auf diese Weise gefasste Beschlüsse für nichtig erklärt oder rückabgewickelt werden. Auf europarechtlicher Ebene besteht das Risiko einer Vertragsverletzungsklage durch die Europäische Kommission gegen den betreffenden Mitgliedstaat, was im Falle eines Erfolgs umfassende Anpassungs- und Rückgängigmachungspflichten nach sich zieht. Diese Risiken können mit erheblichen finanziellen Einbußen, Reputationsschäden und unternehmerischen Unsicherheiten für die Gesellschaft einhergehen. In Extremfällen kann die unzulässige Ausübung von Golden Share-Rechten auch strafrechtlich relevant sein, etwa wenn Beteiligungsrechte unrechtmäßig eingeschränkt werden.

Wie wirken sich Golden Shares auf die Rechte und Pflichten der übrigen Gesellschafter aus?

Golden Shares können die Stellung und Rechte der übrigen Gesellschafter maßgeblich beeinflussen, da sie dem Inhaber – meist dem Staat oder einer öffentlichen Institution – bestimmte Sonderbefugnisse verleihen, etwa Vetorechte bei zentralen Unternehmensentscheidungen wie Fusionen, Veräußerung wesentlicher Vermögenswerte oder Satzungsänderungen. Dies kann zur Folge haben, dass andere Aktionäre oder Gesellschafter bei bestimmten Beschlussgegenständen de facto keine Entscheidungsbefugnis haben oder ihre Entscheidungsmöglichkeiten erheblich beschränkt sind. Aus rechtlicher Sicht müssen diese Einschränkungen klar und transparent in der Satzung oder dem Gesellschaftsvertrag geregelt sein, um Rechtsunsicherheiten auszuschließen und die Rechtssicherheit für Investoren zu gewährleisten. Gleichwohl sind derartige Sonderrechte immer einer strengen Angemessenheitsprüfung zu unterziehen, um eine unzulässige Benachteiligung oder Diskriminierung anderer Gesellschafter ausschließen zu können.

Welche Mitbestimmungsrechte können mit Golden Shares verbunden sein?

Mit Golden Shares können weitreichende Mitbestimmungsrechte verbunden sein, die über klassische Stimmrechte hinausgehen. Üblich sind insbesondere Vetorechte, die einzelne Beschlussgegenstände betreffen, wie etwa die Bestellung und Abberufung von Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern, Kapitalerhöhungen, Entscheidungen über eine Zerschlagung des Unternehmens oder eine Umwandlung. In einigen Fällen kann mit einer Golden Share auch ein Vorschlags- oder Benennungsrecht für zentrale Führungspositionen verbunden sein. Rechtlich ist allerdings sicherzustellen, dass diese Sonderrechte nicht gegen zwingende Mitbestimmungs- oder Corporate-Governance-Vorschriften verstoßen, etwa das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer oder die Unabsetzbarkeit bestellter Gremienmitglieder. Auch hier gilt das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit im Sinne des Gesellschaftsrechts und der einschlägigen europarechtlichen Vorgaben.

Unter welchen Voraussetzungen können Golden Shares wieder entzogen oder aufgehoben werden?

Die Entziehung oder Aufhebung von Golden Shares richtet sich in erster Linie nach den Regelungen der Satzung bzw. des Gesellschaftsvertrags und dem jeweils anwendbaren Gesellschaftsrecht. In der Regel sind hierfür qualifizierte Mehrheiten in der Haupt- oder Gesellschafterversammlung erforderlich, wobei die betroffenen Rechte und deren Zweck im Einzelnen zu prüfen sind. Im Fall von öffentlich-rechtlich begründeten Golden Shares kann eine Änderung auch durch Gesetz erfolgen, insbesondere wenn europarechtliche Vorgaben oder Vertragsverletzungsverfahren dies gebieten. Eine einseitige Entziehung ohne satzungs- oder gesetzesmäßige Grundlage ist ausgeschlossen, da ansonsten der Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Bestand der Gesellschaft in Frage gestellt wären. Bei börsennotierten Gesellschaften ist zudem darauf zu achten, dass eine Aufhebung der Golden Share unter Umständen auch an meldepflichtige Beteiligungsschwellen oder an Rückkaufsangebote gekoppelt werden kann, um missbräuchliche Einflussverschiebungen zu vermeiden. In jedem Fall ist eine transparente Kommunikation gegenüber allen Anteilseignern und die Einhaltung aller einschlägigen rechtlichen Vorgaben sicherzustellen.