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Gleichbehandlung


Begriff und Bedeutung der Gleichbehandlung im Recht

Die Gleichbehandlung ist ein zentrales Prinzip des Rechts und bezeichnet das Verbot, Menschen ohne rechtfertigenden Grund unterschiedlich zu behandeln. Dieses Prinzip ist eng mit dem Diskriminierungsverbot verknüpft und durch zahlreiche nationale sowie internationale Rechtsakte geschützt. Gleichbehandlung bildet eine zentrale Säule moderner Rechtsstaaten und findet Anwendung in zahlreichen Rechtsgebieten wie Verfassungsrecht, Arbeitsrecht, Sozialrecht oder Privatrecht.


Verfassungsrechtliche Grundlagen

Allgemeiner Gleichheitssatz

Im deutschen Grundgesetz ist die Gleichbehandlung maßgeblich in Art. 3 geregelt. Abs. 1 formuliert: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Dieser sogenannte allgemeine Gleichheitssatz verlangt vom Staat, Gleiches gleich und Ungleiches dem jeweiligen Unterschied entsprechend ungleich zu behandeln. Willkürliche Differenzierungen sind ausgeschlossen.

Diskriminierungsverbot

Abs. 3 des Art. 3 GG konkretisiert das Gleichbehandlungsgebot durch ein ausdrückliches Verbot der Benachteiligung oder Bevorzugung wegen Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, Glauben, religiösen oder politischen Anschauungen sowie wegen einer Behinderung.

Bindungswirkung

Die Bindung an das Gleichbehandlungsgebot trifft alle Staatsgewalten – Legislative, Exekutive und Judikative. Die Einhaltung ist durch das Bundesverfassungsgericht kontrollierbar.


Einfachgesetzliche Regelungen zur Gleichbehandlung

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Das AGG dient der Umsetzung europäischer Gleichbehandlungsrichtlinien in deutsches Recht und schützt vor Benachteiligungen insbesondere im Arbeits- und Zivilrecht. Diskriminierung aus Gründen der Rasse, ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität ist gemäß AGG unzulässig.

Anwendungsbereich des AGG

Das AGG findet Anwendung im Beschäftigungsverhältnis, bei Begründung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen, bei arbeitsrechtlichen Bedingungen und im Zugang zu Gütern und Dienstleistungen.

Rechtsfolgen bei Verstoß

Das AGG sieht Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung, Beschwerdeverfahren und Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichbehandlungszustands vor.

Weitere einfachgesetzliche Bestimmungen

Auch im Beamtenrecht, Mietrecht, Sozialrecht sowie im öffentlichen Dienst finden sich Gleichbehandlungsgebote, welche eine unterschiedliche Behandlung nur auf sachlicher Grundlage zulassen.


Gleichbehandlung im europäischen Recht

Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)

Art. 14 EMRK verbietet Diskriminierung bei der Wahrnehmung der durch die Konvention garantierten Rechte und Freiheiten.

Charta der Grundrechte der Europäischen Union

Art. 20 garantiert die Gleichheit vor dem Gesetz, während Art. 21 ein umfassendes Diskriminierungsverbot enthält und zahlreiche Merkmale aufführt, gegen die keine Benachteiligung erfolgen darf.

Antidiskriminierungsrichtlinien

Die Europäische Union hat mehrere Richtlinien erlassen, welche Gleichbehandlung fördern, darunter die Richtlinie 2000/43/EG zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder ethnischen Herkunft und die Richtlinie 2000/78/EG zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf.


Gleichbehandlung im Arbeitsrecht

Auswahlentscheidungen und Bewerbungsverfahren

Arbeitgeber sind verpflichtet, bei Ausschreibungen, Einstellungen und Beförderungen das Gebot der Gleichbehandlung zu beachten. Ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen können Entschädigungsansprüche nach sich ziehen.

Gleichbehandlung bei Entgelt und Arbeitsbedingungen

Die gleiche Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit sowie faire Arbeitsbedingungen sind zentrale Ausprägungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Dies gilt insbesondere im Diskriminierungsschutz hinsichtlich Geschlecht (Gleiches Entgelt für Männer und Frauen).


Rechtliche Durchsetzung und Sanktionen

Klagemöglichkeiten

Betroffene können Verstöße vor den Zivilgerichten oder Arbeitsgerichten geltend machen. Im öffentlichen Recht steht der Weg zu den Verwaltungs- und Verfassungsgerichten offen.

Beweislast

Im Anwendungsbereich des AGG genügt eine plausible Darlegung eines diskriminierenden Sachverhalts; die Beweislast kehrt sich um, und die Gegenseite muss nachweisen, dass keine Diskriminierung vorlag.


Abgrenzungen und zulässige Ungleichbehandlungen

Sachlicher Grund

Eine Ungleichbehandlung ist rechtlich zulässig, sofern sie auf einem sachlichen Grund fußt und angemessen sowie verhältnismäßig ist. Das Bundesverfassungsgericht verlangt hierfür zwingende Gründe und überprüft die Differenzierungsmerkmale besonders streng, wenn besonders schutzwürdige Personengruppen betroffen sind.

Positive Maßnahmen

Maßnahmen zur Förderung benachteiligter Gruppen (z. B. Frauenförderung, Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderung) gelten nicht als Ungleichbehandlung, sondern als zulässige positive Diskriminierung, sofern sie auf Ausgleich bestehender Nachteile abzielen.


Bedeutung der Gleichbehandlung im Rechtsstaat

Gleichbehandlung schafft Chancengleichheit, soziale Gerechtigkeit und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie schützt vor Willkür, sichert Vertrauen in das Recht und ist Voraussetzung für eine faire und offene Gesellschaft. Verletzt der Staat oder ein Privater das Gleichbehandlungsgebot, besteht ein Anspruch auf rechtlichen Schutz und ggf. auf Schadensersatz.


Literatur und weiterführende Hinweise

Eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz bieten zahlreiche rechtswissenschaftliche Monographien und Kommentare, die umfassend Quellen der nationalen und europäischen Rechtsprechung analysieren.


Hinweis: Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt keine rechtliche Beratung.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen zur Gleichbehandlung bestehen in Deutschland?

In Deutschland ist der Grundsatz der Gleichbehandlung in verschiedenen Rechtsquellen verankert. Das wichtigste Fundament bildet das Grundgesetz (GG), insbesondere Artikel 3, der die Gleichheit vor dem Gesetz garantiert und Diskriminierungen aus Gründen wie Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, Glauben oder religiöser/politischer Anschauung verbietet. Über die verfassungsrechtlichen Regelungen hinaus existiert das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das 2006 in Kraft trat, um Benachteiligungen im Arbeitsleben und bei zivilrechtlichen Schuldverhältnissen zu verhindern oder zu beseitigen. Das AGG verbietet die Benachteiligung aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Des Weiteren regeln Spezialgesetze wie das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), das Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) für den öffentlichen Dienst, das Sozialgesetzbuch (insbesondere SGB IX für Menschen mit Behinderung) sowie diverse europarechtliche Vorgaben, darunter verschiedene Antidiskriminierungsrichtlinien der EU, die rechtlichen Standards für Gleichbehandlung. Arbeitsrechtliche Bestimmungen in Tarifverträgen und individuelle Vereinbarungen können diese Prinzipien zusätzlich konkretisieren oder modifizieren, soweit sie mit höherrangigem Recht vereinbar sind.

Wie kann im Fall einer Diskriminierung rechtlich gegen den Arbeitgeber vorgegangen werden?

Betroffene Personen, die sich aufgrund eines der im AGG genannten Merkmale benachteiligt fühlen, können nach § 13 AGG Beschwerde bei den zuständigen Stellen im Unternehmen einlegen, etwa beim Vorgesetzten, der Personalabteilung oder einer betrieblichen Beschwerdestelle. Arbeitgeber sind verpflichtet, die Beschwerde zu prüfen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Benachteiligung zu unterbinden. Kommt der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nicht nach oder bleibt die diskriminierende Handlung bestehen, können Betroffene nach § 15 AGG Schadensersatz und ggf. Schmerzensgeld verlangen. Die Frist zur schriftlichen Geltendmachung beträgt zwei Monate nach Kenntnis der Diskriminierung. Darüber hinaus besteht nach § 21 AGG ein Verbot von Repressalien gegenüber Personen, die ihre Rechte geltend gemacht haben. Der Weg zu den Arbeitsgerichten bleibt davon unberührt; Klagen können beispielsweise auf Schadensersatz, Unterlassung oder die Beseitigung diskriminierender Zustände gerichtet sein. Neben arbeitsrechtlichen Ansprüchen kommen auch zivilrechtliche Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche sowie, je nach Fallgestaltung, öffentlich-rechtliche Rechtsbehelfe in Betracht.

Welche Sanktionen drohen dem Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Gleichbehandlungsgebot?

Verstoß der Arbeitgeber gegen das Gleichbehandlungsgebot, kann dies diverse Sanktionen nach sich ziehen. Nach § 15 AGG haben Betroffene einen Anspruch auf Schadensersatz, wobei sich die Höhe nach dem eingetretenen materiellen Schaden richtet. Ist darüber hinaus ein immaterieller Schaden (z.B. erlittenes Unrecht oder Ansehensverlust) eingetreten, kann ein Schmerzensgeld festgesetzt werden, dessen Umfang sich nach der Schwere der Diskriminierung, dem Anlass und den Folgen für das Opfer bemisst. Arbeitsrechtliche Konsequenzen können in Form von Abmahnungen oder der Verpflichtung zur Unterlassung diskriminierenden Verhaltens, zur Rücknahme von Personalmaßnahmen (z. B. Versetzung oder Kündigung) oder zur Wiedergutmachung in anderer geeigneter Weise erfolgen. In schwerwiegenden Fällen sind Rücktritte von Verträgen oder deren Anfechtung möglich. In besonders gravierenden Fällen kann eine Diskriminierung auch eine Ordnungswidrigkeit darstellen und mit einer Geldbuße geahndet werden. Außerdem kann bei wiederholten oder systematischen Verstößen das Ansehen des Arbeitgebers beeinträchtigt werden, was unter Umständen auch zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Folgen nach sich zieht.

Wer trägt die Beweislast im Fall einer behaupteten Diskriminierung?

Nach § 22 AGG gilt im Diskriminierungsschutz nach deutschem Recht eine erleichterte Beweislast für die betroffene Person. Wer im Prozess Indizien vorbringen kann, die eine Benachteiligung wegen eines im AGG aufgeführten Merkmals vermuten lassen, verschiebt die Beweislast auf die Gegenseite. In diesem Fall ist der Arbeitgeber oder die beklagte Partei verpflichtet, zu beweisen, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorgelegen hat und die unterschiedliche Behandlung auf sachliche Gründe zurückzuführen ist. Diese sogenannte Beweislastumkehr bedeutet jedoch nicht, dass der Arbeitgeber jede Benachteiligung ausschließen muss, sondern lediglich, dass eine plausible, sachlich gerechtfertigte Erklärung für die unterschiedliche Behandlung geliefert wird. Die Indizienbeweise können durch Zeugenaussagen, Dokumente oder statistische Auswertungen erbracht werden.

Inwieweit sind positive Maßnahmen (positive Maßnahmen/Affirmative Action) rechtlich zulässig?

Das AGG und europarechtliche Grundlagen, insbesondere die Richtlinie 2000/43/EG und 2000/78/EG, erlauben ausdrücklich positive Maßnahmen zugunsten bestimmter benachteiligter Gruppen. Ziel solcher Maßnahmen ist es, bestehende Nachteile auszugleichen oder tatsächliche Gleichberechtigung zu fördern. Voraussetzung ist, dass die Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen ist – sie darf das Prinzip der Gleichbehandlung nicht unverhältnismäßig beeinträchtigen und muss einem legitimen Zweck dienen. Beispiele sind Frauenförderpläne im öffentlichen Dienst oder zusätzliche Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderung. Absolute Quotenregelungen, die eine andere Person allein wegen des Merkmals ausschließen, sind jedoch regelmäßig unzulässig. Stattdessen ist eine individuelle Prüfung im Einzelfall erforderlich („Vorrang bei gleicher Qualifikation“). Positive Maßnahmen müssen regelmäßig überprüft werden, um sicherzustellen, dass sie nicht über den legitimen Zweck hinausgehen.

Welche Bedeutung haben Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen im Kontext der Gleichbehandlung?

Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen spielen eine wichtige Rolle bei der Umsetzung, Konkretisierung und Verbesserung der gesetzlichen Gleichbehandlungsstandards. Sie können Regelungen enthalten, die den Grundsatz der Gleichbehandlung konkretisieren, etwa durch transparente Entgeltstrukturen, geregelte Auswahlkriterien für Beförderungen oder Urlaubsregelungen. Jedoch dürfen solche Kollektivvereinbarungen niemals das Gleichbehandlungsgebot aushebeln oder zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung führen (§ 4 Abs. 3 AGG). Gerichte sind verpflichtet, die Antidiskriminierungsvorgaben auch bei solchen Vereinbarungen zu prüfen und ggf. für unwirksam zu erklären, soweit sie gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen. Hinzu kommt, dass Betriebsvereinbarungen innovative Modelle zur Förderung von Vielfalt oder zur Prävention von Diskriminierung enthalten können. Diese dürfen jedoch nicht im Widerspruch zu höherrangigem Recht oder den gesetzlichen Schutzvorschriften stehen.