Begriff und Bedeutung der Glaubhaftigkeit im Recht
Definition und allgemeine Einordnung
Die Glaubhaftigkeit ist im rechtlichen Kontext ein zentraler Begriff und beschreibt die Eigenschaft von Aussagen, Behauptungen, Beweismitteln und Personen, aus der Sicht eines Gerichts oder einer Behörde als wahrhaftig, zuverlässig und überzeugend angesehen zu werden. Sie ist entscheidend für die Würdigung von Aussagen im Rahmen gerichtlicher und behördlicher Verfahren und spielt eine wesentliche Rolle bei der Überprüfung der Wahrscheinlichkeit von behaupteten Tatsachen.
Der Begriff unterscheidet sich von der Glaubwürdigkeit (welche die Vertrauenswürdigkeit von Personen betrifft) und von der Beweiswürdigung (der abschließenden Bewertung der Beweise im Prozess). Glaubhaftigkeit stellt einen eigenen Aspekt innerhalb der Beweisführung und Beweisaufnahme dar.
Glaubhaftigkeit im Prozessrecht
Abgrenzung: Glaubhaftigkeit, Glaubwürdigkeit und Beweis
Im Prozessrecht sind verschiedene Wertungsbegriffe voneinander zu unterscheiden. Während die Glaubwürdigkeit einer Person deren allgemeine Wahrhaftigkeit oder Vertrauenswürdigkeit betrifft, bezieht sich die Glaubhaftigkeit auf den konkreten Inhalt einer Einzelaussage. Die Frage der Glaubhaftigkeit betrifft somit nicht die gesamte Person, sondern ausschließlich deren jeweilige Aussage oder ein bestimmtes Beweismittel.
Im Unterschied dazu steht der eigentliche Beweis, dessen Zweck es ist, eine Tatsache mit der für das jeweilige Verfahren erforderlichen Überzeugungsgewissheit zu belegen.
Glaubhaftigkeit und Beweismaß
In zahlreichen Rechtsgebieten, insbesondere im Zivil- und Verwaltungsprozess, ist für bestimmte Entscheidungen nicht die volle Überzeugung vom Vorliegen einer Tatsache (Vollbeweis) notwendig, sondern lediglich die Glaubhaftmachung nach § 294 ZPO oder vergleichbaren Vorschriften. Für die Glaubhaftmachung genügt es, dass das Gericht die betreffende Tatsache für wahrscheinlich hält, wobei die dazu herangezogenen Beweismittel und Angaben glaubhaft sein müssen.
Rechtsgrundlagen
Die wichtigsten Vorschriften im Bereich der Glaubhaftmachung und somit der Glaubhaftigkeit finden sich unter anderem in:
- § 294 ZPO (Deutsche Zivilprozessordnung)
- § 920 ZPO (Einstweilige Verfügung)
- § 36 Abs. 4 VwVfG (Verwaltungsverfahrensgesetz)
- Art. 417 ZPO (öffentliche Urkunden)
Auch andere Prozessordnungen, beispielsweise die Strafprozessordnung (StPO) oder das Sozialgerichtsgesetz (SGG), enthalten entsprechende Regelungen.
Prüfung der Glaubhaftigkeit in der Praxis
Kriterien für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Aussagen
Die Beurteilung der Glaubhaftigkeit basiert auf einer Vielzahl von Faktoren, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Zu den wichtigsten Kriterien zählen:
- Innere Stimmigkeit: Eine Aussage gilt als glaubhaft, wenn sie widerspruchsfrei, detailreich und plausibel ist.
- Konsistenz: Wiederholte Aussagen des gleichen Inhalts unter verschiedenen Bedingungen erhöhen die Glaubhaftigkeit.
- Spontaneität: Unvorbereitet und spontan gegebene Aussagen gelten als besonders glaubhaft.
- Logische Nachvollziehbarkeit: Die Aussage muss mit anderen bekannten Tatsachen vereinbar sein.
- Angemessenheit und Vollständigkeit: Eine glaubhafte Aussage ist umfassend und enthält keine unerklärbaren Lücken.
- Selbstbelastungstendenzen: Aussagen, die eigenen Interessen scheinbar zuwiderlaufen, sprechen oftmals für deren Glaubhaftigkeit.
Gerichte und Behörden stützen sich bei der Einschätzung nicht nur auf inhaltliche Kriterien, sondern auch auf Begleitumstände, wie die persönliche Situation des Aussagenden.
Bedeutung von Beweismitteln für die Glaubhaftigkeit
Im Rahmen der Glaubhaftmachung werden verschiedene Beweismittel herangezogen, darunter:
- Eidesstattliche Versicherungen
- Urkunden
- Zeugen- und Parteiaussagen
- Sachverständigengutachten
- Augenscheinsobjekte
Deren Glaubhaftigkeit wird jeweils im Lichte der obigen Kriterien geprüft und bewertet.
Glaubhaftigkeit im materiellen und formellen Recht
Zivilrecht
Im Zivilrecht ist die Glaubhaftigkeit besonders im Kontext einstweiliger Verfügungen, Arrestverfahren und anderen Eilrechtsschutzverfahren relevant, da in diesen Fällen regelmäßig keine volle Beweisführung verlangt, sondern die wahrscheinliche Wahrheit der behaupteten Tatsachen ausreichend ist.
Verwaltungsrecht
Verwaltungsverfahren verlangen bei der Glaubhaftmachung beispielsweise von Antragsstellenden, dass Tatsachen zur Begründung eines Anspruchs überzeugend dargelegt und belegt werden. Hierbei findet § 36 Abs. 4 VwVfG Anwendung.
Strafrecht
Im Strafrecht ist Glaubhaftigkeit insbesondere bei der Aussagewürdigung im Rahmen des Freibeweises von Bedeutung. Bei minder schweren Straftaten kann unter bestimmten Umständen eine Glaubhaftmachung genügen.
Methoden zur Erhöhung der Glaubhaftigkeit
Eidesstattliche Versicherung
Die eidesstattliche Versicherung ist ein förmliches Mittel zur Steigerung der Glaubhaftigkeit einer schriftlichen Erklärung. Sie kann nach den Vorschriften der ZPO und vergleichbaren Regeln abgegeben werden, zieht im Falle einer Falschangabe strafrechtliche Konsequenzen nach sich und erhöht somit das Gewicht der zu glaubhaft machenden Tatsache.
Schriftliche und sonstige Beweismittel
Originaldokumente, Zeugenaussagen unter bestimmten Voraussetzungen sowie Sachverständigenaussagen dienen ebenfalls dazu, Tatsachen glaubhaft zu machen und ihre Wahrscheinlichkeit zu erhöhen.
Bewertung der Glaubhaftigkeit durch das Gericht
Die freie Beweiswürdigung durch das Gericht nach § 286 ZPO schließt die Bewertung der Glaubhaftigkeit ein. Das Gericht entscheidet unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, ob einer Aussage, einem Zeugen oder einem Beweismittel Glauben geschenkt wird und ob das erforderliche Maß an Wahrscheinlichkeit im Sinne der Gesetzesregelung erreicht ist.
Glaubhaftigkeit im internationalen Rechtsvergleich
Auch in anderen Rechtsordnungen spielt die Glaubhaftigkeit eine wesentliche Rolle. In vielen Staaten wird bei summarischen Verfahren oder im einstweiligen Rechtsschutz statt des Vollbeweises auf die Glaubhaftigkeit von Vorbringen und Beweismitteln abgestellt.
Zusammenfassung
Die Glaubhaftigkeit ist ein vielschichtiger, rechtlich bedeutsamer Begriff, der sich sowohl auf Aussagen, Beweismittel als auch auf deren Bewertung durch Gerichte und Behörden bezieht. Sie ist von zentraler Bedeutung in allen Bereichen des deutschen Verfahrensrechts und bildet die Grundlage für die summarische Feststellung von Tatsachen, insbesondere im Eilrechtsschutz und im Kontext der Glaubhaftmachung. Die sorgfältige Prüfung und Bewertung der Glaubhaftigkeit erfolgt nach allgemein anerkannten Kriterien und hat weitreichende Auswirkungen auf das Verfahrensergebnis.
Siehe auch:
- Beweiswert
- Glaubwürdigkeit
- Beweismaß
- Freie Beweiswürdigung
- Eidesstattliche Versicherung
Rechtsquellen:
- § 294 ZPO, § 286 ZPO, Art. 417 ZPO
- § 920 ZPO
- § 36 Abs. 4 VwVfG
Häufig gestellte Fragen
Welche Rolle spielt die Glaubhaftigkeit im gerichtlichen Verfahren?
Die Glaubhaftigkeit spielt im gerichtlichen Verfahren eine zentrale Rolle, da sie maßgeblich zur Bewertung von Zeugenaussagen, Parteidarstellungen sowie vorgelegten Beweismitteln beiträgt. Das Gericht muss regelmäßig entscheiden, inwieweit Aussagen oder Beweisangebote glaubhaft sind, um auf deren Grundlage den Sachverhalt festzustellen. Im Gegensatz zur Beweiswürdigung, die die Überzeugung vom wahren Sachverhalt verlangt, genügt für die Glaubhaftmachung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit einstweiligen Verfügungen oder Arrestverfahren relevant, bei denen dem Gericht in der Regel schnell und auf Basis summarischer Prüfung eine vorläufige Einschätzung ermöglicht werden soll. Die Glaubhaftigkeit von Informationen kann durch eidesstattliche Versicherungen, Urkunden, Gutachten oder andere geeignete Mittel erfolgen, wobei das Gericht die Eignung der Glaubhaftmachung jeweils eigenverantwortlich prüft.
Wodurch unterscheidet sich Glaubhaftigkeit von Glaubwürdigkeit?
Rechtlich betrachtet besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der Glaubhaftigkeit und der Glaubwürdigkeit: Die Glaubhaftigkeit bezieht sich auf den Inhalt einer Aussage oder eines Beweismittels, also darauf, ob der angebliche Sachverhalt wahrscheinlich zutrifft. Die Glaubwürdigkeit hingegen betrifft die Person des Erklärenden, das heißt, ob dieser als verlässlich und wahrhaftig angesehen wird. Im gerichtlichen Kontext müssen Richter sowohl die Glaubwürdigkeit einer Person als auch die Glaubhaftigkeit der vorgebrachten Angaben würdigen. Dabei können Faktoren wie Persönlichkeitsprofil, Vorstrafen, Motivlagen, aber auch äußere Widersprüche in den Aussagen Berücksichtigung finden.
Welche Beweismittel sind zur Glaubhaftmachung im Zivilprozess zugelassen?
Im Zivilprozess sind zur Glaubhaftmachung grundsätzlich sämtliche Beweismittel zugelassen, die auch beim Beweis zulässig wären, wobei insbesondere der Urkundsbeweis und die eidesstattliche Versicherung eine große Rolle spielen. Daneben kann auch das Zeugnis Dritter, parteiliche Angaben oder sachverständige Äußerungen herangezogen werden. Im Unterschied zur strengen Beweisaufnahme genügt für die Glaubhaftmachung regelmäßig eine weniger formalisierte Darlegung, sodass beispielsweise auch Kopien oder summarische Erklärungen Berücksichtigung finden können. Das Gericht entscheidet im Rahmen des freien Beweiswerts, ob die zur Verfügung gestellten Mittel geeignet sind, die behaupteten Tatsachen als glaubhaft erscheinen zu lassen.
Welche Anforderungen werden an eine eidesstattliche Versicherung zur Glaubhaftmachung gestellt?
Eine eidesstattliche Versicherung, die zur Glaubhaftmachung herangezogen wird, muss inhaltlich nachvollziehbar und konkret gefasst sein; pauschale oder unsubstantiierte Behauptungen reichen nicht aus. Die Versicherung muss eigenhändig unterzeichnet und die Erklärung ausdrücklich in der Form einer eidesstattlichen Versicherung abgegeben werden. Der Erklärende muss dabei persönlich angeben, dass er die geschilderten Tatsachen nach bestem Wissen und Gewissen für wahr hält. Das Gericht kann die Glaubhaftigkeit der Versicherung eigenständig würdigen und ist nicht verpflichtet, dieser ohne weitere Prüfung zu folgen, insbesondere wenn Anhaltspunkte für Zweifel bestehen.
Wann ist die Glaubhaftmachung statt des Vollbeweises ausreichend?
Die Glaubhaftmachung reicht im rechtlichen Kontext immer dann aus, wenn das Gesetz nicht ausdrücklich den strengen Vollbeweis verlangt, sondern es zur Feststellung eines bestimmten Umstands genügt, diesen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darzutun. Dies ist vor allem bei vorläufigen Rechtsschutzverfahren wie der einstweiligen Verfügung, dem Arrest oder in einigen Fällen im Mahnverfahren der Fall. Auch einzelne prozessuale Zulässigkeitsvoraussetzungen (z.B. bei Prozesskostenhilfeanträgen) können durch Glaubhaftmachung nachgewiesen werden. Der Gesetzgeber sieht die Herabsetzung des Beweismaßes vor, um einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, wenn schnelles Handeln erforderlich ist.
Welche Rechtsfolgen kann eine falsche Glaubhaftmachung haben?
Die Angabe falscher Tatsachen im Rahmen einer Glaubhaftmachung, insbesondere im Zusammenhang mit einer eidesstattlichen Versicherung, kann erhebliche strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Nach § 156 StGB macht sich strafbar, wer vor einer zur Abnahme von eidesstattlichen Versicherungen zuständigen Stelle eine solche Versicherung abgibt und bewusst falsch aussagt. Daneben kann die vorsätzliche oder grob fahrlässige Angabe falscher Tatsachen prozessuale Konsequenzen wie Schadenersatzpflichten, Ablehnung von Verfügungsanträgen oder Anordnung von Ordnungsmitteln nach sich ziehen. Ferner leidet die Glaubwürdigkeit der Partei in nachfolgenden Verfahren erheblich.