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Gewinnverwendungsbeschluss


Begriff und rechtliche Einordnung des Gewinnverwendungsbeschlusses

Der Gewinnverwendungsbeschluss bezeichnet eine zentrale Entscheidung im Gesellschaftsrecht, insbesondere im Aktienrecht und im GmbH-Recht, durch welche die Gesellschafter beziehungsweise die Hauptversammlung einer Kapitalgesellschaft die Verwendung des im abgelaufenen Geschäftsjahr erwirtschafteten Bilanzgewinns bestimmen. Die rechtlichen Grundlagen sowie die Modalitäten dieser Beschlussfassung und ihre Konsequenzen sind im deutschen Recht umfassend geregelt und stellen ein wesentliches Element der Unternehmensführung und der Rechte der Anteilseigner dar.


Rechtliche Grundlagen des Gewinnverwendungsbeschlusses

Aktiengesellschaft (AG): § 174 AktG

Bei der Aktiengesellschaft gehört der Gewinnverwendungsbeschluss zu den originären Aufgaben der Hauptversammlung gemäß § 174 Aktiengesetz (AktG). Nach Vorlage des festgestellten Jahresabschlusses durch den Vorstand (ggf. nach Prüfung durch den Aufsichtsrat gemäß §§ 170 ff. AktG) entscheidet die Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinns.

Inhalt und Umfang des Gewinnverwendungsbeschlusses bei der AG

Der Beschluss umfasst insbesondere die Entscheidung über die Ausschüttung einer Dividende an die Aktionäre, die Einstellung von Beträgen in Gewinnrücklagen (§ 58 AktG) sowie einen etwaigen Vortrag des Gewinns auf neue Rechnung oder eine vollständige Nichtausschüttung (Thesaurierung).

Der Umfang des Dispositionsrechts der Hauptversammlung kann durch Beschränkungen im Gesellschaftsvertrag sowie durch gebotene Mindestzuweisungen zu gesetzlichen oder satzungsmäßigen Rücklagen beeinflusst werden. Vorgaben zur Mindesthöhe der Kapitalausstattung und zur Verlustabdeckung sind gesondert zu beachten.

Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH): § 29 GmbHG

Auch bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist der Gewinnverwendungsbeschluss im Rahmen der Gesellschafterversammlung zu fassen, gestützt auf § 29 GmbH-Gesetz (GmbHG). Die Gesellschafter entscheiden nach Feststellung des Jahresabschlusses über die Gewinnverwendung, wobei auch hier Möglichkeiten der Ausschüttung, Einstellung in Rücklagen oder Vortrag auf neue Rechnung bestehen.

Eine abweichende Regelung im Gesellschaftsvertrag ist zulässig, so dass der konkrete Ablauf und die Anforderungen an die Beschlussfassung variieren können.


Ablauf der Beschlussfassung

Feststellung des Jahresabschlusses

Voraussetzung für den Gewinnverwendungsbeschluss ist in der Regel die vorherige Feststellung des Jahresabschlusses; bei der AG erfolgt dies durch den Aufsichtsrat (oder die Hauptversammlung bei bestimmten Konstellationen), bei der GmbH meist durch die Gesellschafterversammlung.

Einberufung und Durchführung der Haupt-, bzw. Gesellschafterversammlung

Der Gewinnverwendungsbeschluss wird im Rahmen der ordentlichen Haupt- oder Gesellschafterversammlung als Tagesordnungspunkt behandelt. Die Einberufung muss unter Einhaltung der gesetzlichen und ggf. satzungsmäßig festgelegten Fristen und Formalien erfolgen.

Stimmrechte und Mehrheiten

  • AG: Die Beschlussfassung zum Gewinnverwendungsbeschluss erfolgt grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen, sofern die Satzung keine höhere Mehrheit oder weitere Voraussetzungen vorsieht.
  • GmbH: Hier gilt grundsätzlich die einfache Mehrheit, wobei eine abweichende Regelung zulässig ist.

Inhalte und Auswirkungen des Gewinnverwendungsbeschlusses

Möglichkeiten der Gewinnverwendung

  • Ausschüttung als Dividende (AG) bzw. als Gewinnanteil (GmbH)
  • Einstellung in Gewinnrücklagen
  • Vortrag auf neue Rechnung
  • Teilweise Auszahlung, teilweise Einstellung in Rücklagen

Die beschlossene Form der Gewinnverwendung ist für die Gesellschaft verbindlich und verpflichtet zur Auszahlung des Gewinnanteils an die berechtigten Anteilseigner, sofern diese Anspruch haben.

Bindungswirkung und Anfechtung

Der Gewinnverwendungsbeschluss ist verbindlich und begründet grundsätzlich einen Anspruch auf Auszahlung des Gewinnanteils. Die Beschlüsse unterliegen jedoch, wie andere Gesellschafterbeschlüsse, der Möglichkeit der Anfechtung oder Nichtigkeit bei Verletzung gesetzlicher Bestimmungen, der Satzung oder bei Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Steuerliche Konsequenzen

Die gewählte Gewinnverwendung kann unterschiedliche steuerliche Konsequenzen für die Gesellschaft und die Anteilseigner haben, etwa im Hinblick auf die Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer oder die Abgeltungsteuer bei den Empfängern einer Dividende.


Sonderaspekte und Grenzen des Gewinnverwendungsbeschlusses

Mindestzuweisungen und Sperrbestimmungen

Gesetzliche Vorschriften, wie etwa § 150 AktG zur Bildung einer gesetzlichen Rücklage, begrenzen das Ausschüttungsvolumen. Gleiches gilt für satzungsmäßige Rücklagen und den Kapitalerhaltungsgrundsatz (§§ 57 ff. AktG, §§ 30, 31 GmbHG).

Ausschüttungssperren

Auch der Insolvenzschutzgedanke gebietet Beschränkungen für die Ausschüttung, etwa wenn im Jahresabschluss nicht ausreichend freie Rücklagen bestehen oder eine Überschuldung droht. Die Beachtung der Kapitalerhaltungsvorschriften ist zwingend.


Literatur und weiterführende Hinweise

Für eine vertiefte Auseinandersetzung empfiehlt sich die Konsultation einschlägiger Kommentierungen zum Aktiengesetz und GmbH-Gesetz sowie wissenschaftlicher Literatur zum Kapitalgesellschaftsrecht. Erläuterungen durch die Industrie- und Handelskammern sowie weiterführende Rechtsprechung bieten ergänzende Hilfestellungen zur praktischen Handhabung und Auslegung von Gewinnverwendungsbeschlüssen.


Diese umfassende Darstellung des Gewinnverwendungsbeschlusses verdeutlicht die Vielschichtigkeit und rechtliche Tragweite einer ordentlichen und gesetzeskonformen Gewinnverwendung in Kapitalgesellschaften. Das Thema ist von zentraler Bedeutung für Anteilseigner und für die Corporate Governance einer Gesellschaft.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist für den Gewinnverwendungsbeschluss in einer Aktiengesellschaft zuständig?

In einer Aktiengesellschaft (AG) ist der Gewinnverwendungsbeschluss grundsätzlich Aufgabe der Hauptversammlung. Das Aktiengesetz (§ 174 AktG) regelt, dass der Vorstand gemeinsam mit dem Aufsichtsrat einen Vorschlag zur Verwendung des Bilanzgewinns unterbreitet. Die Hauptversammlung prüft diesen Vorschlag und trifft daraufhin einen verbindlichen Beschluss über die endgültige Gewinnverwendung. Allerdings ist die Entscheidungsbefugnis der Hauptversammlung durch das Gesetz und die Satzung begrenzt, beispielsweise muss sie bestimmte gesetzliche Rücklagen gemäß § 150 AktG berücksichtigen und darf den Ausschüttungsrahmen nicht überschreiten, der sich aus dem festgestellten Bilanzgewinn ergibt. Darüber hinaus ist sie grundsätzlich nicht berechtigt, über den Bilanzgewinn hinauszugehen oder andere Gewinnverwendungswege zu beschließen, die nicht im Einklang mit gesetzlichen oder satzungsmäßigen Vorgaben stehen. Für Sonderformen wie die KGaA oder bei Vorhandensein stimmrechtsloser Aktien können abweichende Regelungen gelten.

Welche rechtlichen Vorgaben und Fristen sind beim Gewinnverwendungsbeschluss zu beachten?

Für den Gewinnverwendungsbeschluss gelten spezifische gesetzliche Vorgaben nach dem Aktiengesetz sowie Fristen, die eingehalten werden müssen. Die Hauptversammlung muss innerhalb der ersten acht Monate des Geschäftsjahres stattfinden (§ 175 Abs. 1 Satz 2 AktG), wobei die Einladung mindestens 30 Tage vor dem geplanten Versammlungstermin erfolgen muss (§ 123 Abs. 1 AktG). Der Gewinnverwendungsbeschluss darf sich nur auf den nach den Vorschriften des HGB testierten und festgestellten Jahresabschluss bzw. den Bilanzgewinn beziehen. Außerdem muss bei der Gewinnverwendung die Bildung gesetzlicher und satzungsmäßiger Rücklagen in entsprechendem Umfang berücksichtigt werden. Der Beschluss muss protokolliert und notariell beurkundet werden (§ 130 AktG), da dies für die Wirksamkeit erforderlich ist. Wird der Gewinnverwendungsbeschluss nicht, zu spät oder fehlerhaft gefasst, kann dies zivilrechtliche und ggf. strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Besteht eine Anfechtungsmöglichkeit gegen den Gewinnverwendungsbeschluss, und wenn ja, in welchen Fällen?

Der Gewinnverwendungsbeschluss kann von Aktionären mittels einer sogenannten Anfechtungsklage nach § 243 AktG angefochten werden. Die Anfechtung ist dann zulässig, wenn der Beschluss gegen Gesetz oder Satzung verstößt. Typische Anfechtungsgründe sind Formfehler bei der Einberufung oder Durchführung der Hauptversammlung, Missachtung der gesetzlichen oder satzungsmäßigen Rücklagenbildung, Überschreitung der Beschlusskompetenz der Hauptversammlung oder Verletzung von Aktionärsrechten, beispielsweise durch ungleiche Behandlung. Die Klage muss innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben werden (§ 246 Abs. 1 AktG). Wird der Gewinnverwendungsbeschluss erfolgreich angefochten, ist er nichtig und muss neu gefasst werden.

Welche rechtlichen Folgen hat ein fehlerhafter oder unterlassener Gewinnverwendungsbeschluss?

Ein fehlerhafter Gewinnverwendungsbeschluss – etwa aufgrund von Gesetzes- oder Satzungsverstößen oder formellen Fehlern – ist anfechtbar oder sogar nichtig. In einem solchen Fall kann keine rechtswirksame Ausschüttung an die Aktionäre erfolgen, und bereits erfolgte Ausschüttungen können rückabgewickelt werden. Ein unterlassener Gewinnverwendungsbeschluss hat zur Folge, dass der Bilanzgewinn im Unternehmen verbleibt („Vortrag auf neue Rechnung“) und nicht verteilt werden darf. Die Pflicht zur Gewinnverwendung bleibt jedoch bestehen, sodass in der nächsten Hauptversammlung zwingend ein entsprechender Beschluss gefasst werden muss. Bei fortgesetztem Unterlassen drohen rechtliche Schritte gegen Organe der Gesellschaft, insbesondere gegen Vorstand und Aufsichtsrat, da diese zur rechtmäßigen Durchführung der Hauptversammlung verpflichtet sind.

Inwiefern sind Minderheitsaktionäre beim Gewinnverwendungsbeschluss rechtlich geschützt?

Das Aktiengesetz sieht zahlreiche Minderheitenschutzregelungen vor. Minderheitsaktionäre haben insbesondere das Recht, die Beschlussanfechtung zu betreiben, wenn sie sich in ihren Rechten verletzt fühlen. Darüber hinaus besteht ein Auskunftsrecht in der Hauptversammlung nach § 131 AktG, sodass Minderheitsaktionäre vom Vorstand detaillierte Informationen zur vorgesehenen Gewinnverwendung verlangen können. Es existiert zudem eine Pflicht zur Gleichbehandlung aller Aktionäre im Hinblick auf den Bezug von Dividenden (§ 53a AktG), sodass Benachteiligungen einzelner Aktionäre unzulässig sind. Unter bestimmten Voraussetzungen können Minderheiten mit einem Anteil von mindestens 5 % des Grundkapitals auch eine Ergänzung der Tagesordnung der Hauptversammlung verlangen (§ 122 Abs. 2 AktG), um etwa einen alternativen Gewinnverwendungsvorschlag einzubringen.

Wie unterscheidet sich der Gewinnverwendungsbeschluss in einer GmbH rechtlich von dem in einer Aktiengesellschaft?

Im Gegensatz zur AG ist bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) die Gesellschafterversammlung für den Gewinnverwendungsbeschluss zuständig (§ 29 GmbHG). Es besteht keine gesetzliche Vorgabe zur Mindesthöhe der Rücklagenbildung, weshalb die Gestaltungsspielräume grundsätzlich größer sind. Die Vorschriften über die Einberufung, Protokollierung und Durchführung der Gesellschafterversammlung sind weniger formalisiert als bei der AG, wenngleich eine ordnungsgemäße Einladung und Dokumentation ebenso zwingend erforderlich ist. Eine Prüfung durch einen Aufsichtsrat ist in der GmbH nur dann erforderlich, wenn dieser satzungsmäßig bestellt wurde. Der Gewinnverwendungsbeschluss in der GmbH ist ebenfalls nach gesetzlichen oder satzungsgemäßen Grundsätzen zu treffen und richtet sich nach dem festgestellten Jahresüberschuss, abzüglich eventueller Verlustvorträge.

Welche Rolle spielt die Satzung beim Gewinnverwendungsbeschluss?

Die Satzung kann Regelungen enthalten, die den gesetzlichen Rahmen für den Gewinnverwendungsbeschluss konkretisieren oder ergänzen. Insbesondere kann die Satzung detailliert vorschreiben, wie der Bilanzgewinn zu verwenden ist, etwa indem sie bestimmte Rücklagen oder Zweckbindungen vorsieht. Sie kann zudem Verteilungsmodalitäten, etwa Mindestausschüttungen oder Ausschluss einzelner Aktionärsgruppen von der Gewinnausschüttung, festlegen, soweit diese nicht gegen zwingendes Aktienrecht oder das Gleichbehandlungsgebot verstoßen. Änderungen an den satzungsmäßigen Bestimmungen zur Gewinnverwendung bedürfen eines qualifizierten Mehrheitsbeschlusses der Hauptversammlung und sind in das Handelsregister einzutragen. Auch Sonderrechte einzelner Aktionäre oder Aktionärsgruppen können in der Satzung geregelt sein, was den Gewinnverwendungsbeschluss entsprechend beeinflussen kann.