Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Steuerrecht»Gewinnfeststellung

Gewinnfeststellung


Begriff der Gewinnfeststellung

Die Gewinnfeststellung ist ein zentraler Begriff im deutschen Steuerrecht. Sie bezeichnet den formalisierten Prozess zur Ermittlung und Feststellung des steuerlichen Gewinns bei bestimmten Personenzusammenschlüssen wie etwa Personengesellschaften oder Gemeinschaften, die keine eigenen Steuersubjekte sind. Im Fokus steht dabei die Feststellung des Gewinns gemäß den geltenden Vorschriften, dessen Ergebnis Grundlage für die Besteuerung der beteiligten Mitunternehmer oder Gesellschafter ist. Die Gewinnfeststellung ist eng mit der Feststellungserklärung und dem Feststellungsbescheid verbunden und unterliegt spezifischen rechtlichen Anforderungen.


Gesetzliche Grundlagen der Gewinnfeststellung

Abgrenzung gegenüber anderen Gewinnermittlungsarten

Im Steuerrecht gilt es, zwischen der Gewinnermittlung bei Einzelunternehmen und Kapitalgesellschaften einerseits sowie der Gewinnfeststellung bei Personengesellschaften und Gemeinschaften andererseits zu unterscheiden. Während bei Einzelunternehmen und Kapitalgesellschaften der jeweilige Steuerschuldner direkt den zu versteuernden Gewinn ermittelt, stellt bei Personenunternehmen die Gewinnfeststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO (Abgabenordnung) ein besonderes Verfahren dar.

Relevante Gesetzesnormen

  • § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO: Regelung der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung, insbesondere bei mehreren Beteiligten.
  • § 179 AO: Grundnorm für Feststellungsbescheide.
  • § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (Einkommensteuergesetz): Definition der Mitunternehmerschaften.
  • §§ 180 ff. AO: Normen zur Feststellung von Besteuerungsgrundlagen.

Anwendungsbereich der Gewinnfeststellung

Zweck der Gewinnfeststellung

Die Gewinnfeststellung dient dazu, die Einkünfte, insbesondere den Gewinn, einer Personengesellschaft (wie einer OHG, KG oder GbR) einheitlich und gesondert festzustellen. Hintergrund ist, dass die Gesellschaft selbst nicht Subjekt der Einkommensteuer ist, sondern die Beteiligten jeweils ihren Anteil am Gewinn versteuern. Durch die gesonderte und einheitliche Feststellung wird sichergestellt, dass einheitliche Besteuerungsgrundlagen für alle Gesellschafter geschaffen werden.

Beteiligte Steuersubjekte

Zu den häufig betroffenen Gesellschaftsformen zählen:

  • Offene Handelsgesellschaft (OHG)
  • Kommanditgesellschaft (KG)
  • Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
  • Partnerschaftsgesellschaft
  • Erbengemeinschaften und andere Gemeinschaften

Verfahren der Gewinnfeststellung

Gewinnermittlungsarten

Die Gewinnermittlung erfolgt grundsätzlich nach den Vorschriften des Einkommensteuerrechts:

  • Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG) bei buchführungspflichtigen Mitunternehmerschaften.
  • Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) bei nicht-buchführungspflichtigen Mitunternehmerschaften.

Ablauf des Gewinnfeststellungsverfahrens

Feststellungserklärung

Die Gesellschaft oder Gemeinschaft ist verpflichtet, jährlich eine Feststellungserklärung beim zuständigen Finanzamt einzureichen. Diese Erklärung enthält die relevanten Besteuerungsgrundlagen, insbesondere die Ermittlung des Gesamtgewinns sowie dessen Verteilung auf die einzelnen Beteiligten.

Feststellungsbescheid

Basierend auf der Feststellungserklärung bzw. der eigenen Ermittlung erlässt das Finanzamt einen Feststellungsbescheid (§ 179 AO). Dieser Bescheid enthält:

  • Die festgestellten Einkünfte der Gesellschaft/des Gemeinschaftsvermögens
  • Die Verteilung der Einkünfte auf die einzelnen Beteiligten
  • Eventuelle Hinzurechnungen, Kürzungen oder Sonderfälle

Rechtsbehelfe

Gegen den Feststellungsbescheid ist ein Einspruch möglich (§ 355 AO). Insbesondere ist darauf zu achten, dass der Bescheid sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch allen Beteiligten wirkt, sog. „gesamtverbindlicher Verwaltungsakt“.


Rechtswirkungen der Gewinnfeststellung

Die gewinnfeststellenden Feststellungsbescheide haben Bindungswirkung für alle Folgebescheide, insbesondere für die Einkommensteuerbescheide der Beteiligten. Damit entfalten diese Bescheide eine Tatbestandswirkung, der die Finanzämter in den nachfolgenden Steuerverfahren nicht mehr abweichen dürfen (§ 182 AO).

Neben- und Sonderfeststellungen

Im Rahmen der Gewinnfeststellung können weitere Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden, etwa:

  • Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben
  • Sondervergütungen
  • Ergänzungsbilanzen bei abweichendem Steuerbilanzansatz von einzelnen Gesellschaftern

Abgrenzung zur Feststellung anderer Besteuerungsgrundlagen

Nicht jede Feststellung betrifft unmittelbar den Gewinn. Es existieren weitere Feststellungsverfahren, etwa zur gesonderten Feststellung von Werbungskostenüberschüssen bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Die Gewinnfeststellung im engeren Sinne ist jedoch auf unternehmerische oder betriebliche Personenzusammenschlüsse beschränkt.


Bedeutung in der steuerlichen Praxis

Die Gewinnfeststellung ist von erheblicher Bedeutung für die sichere und einheitliche Anwendung der Steuergesetze bei multipersonalen Rechtsverhältnissen. Sie sorgt für Rechtssicherheit und Verfahrensökonomie und verhindert divergierende Entscheidungen für verschiedene Beteiligte.

Sowohl die Gesellschaft als auch die einzelnen Beteiligten müssen festgestellte Werte ihren Steuererklärungen zugrunde legen. Selbst Fehler im Feststellungsbescheid können zumeist nur im Rahmen der Anfechtung dieses Bescheids und nicht isoliert beim Einkommensteuerbescheid korrigiert werden („Abgeleitete Steuerfestsetzung“).


Verjährung und Korrektur von Gewinnfeststellungen

Feststellungsverjährung

Für die Feststellung von Einkünften gilt die sogenannte Feststellungsverjährung (§§ 169, 181 AO). Die Fristen sind an die allgemeinen steuerlichen Verjährungsfristen gekoppelt.

Änderung und Berichtigung

Der Feststellungsbescheid kann nach allgemeinen Regeln berichtigt oder geändert werden (§§ 172 ff. AO), insbesondere bei nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen oder Fehlern in der Ursprungsfeststellung.


Internationale Besonderheiten

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten wird die Gewinnfeststellung ebenfalls angewandt, sofern deutsche Besteuerungsrechte bestehen. In Fällen der internationalen Mitunternehmerschaften gelten besondere Regelungen im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen und internationaler Amtshilfe.


Literatur und weiterführende Hinweise

  • Einkommensteuergesetz (EStG)
  • Abgabenordnung (AO)
  • BMF-Schreiben zur Gewinnfeststellung und zum Feststellungsverfahren

Die Gewinnfeststellung ist ein komplexes und zentrales Verfahren im deutschen Steuerrecht und stellt sicher, dass die Besteuerung von Personengemeinschaften korrekt, einheitlich und transparent abgewickelt werden kann. Sie ist unerlässlich für die gerechte Verteilung der steuerlichen Lasten und die Einhaltung steuerlicher Pflichten durch sämtliche Beteiligten.

Häufig gestellte Fragen

Wann ist eine Gewinnfeststellung erforderlich?

Die Gewinnfeststellung ist erforderlich, wenn mehrere Personen gemeinschaftlich Einkünfte erzielen und der Gewinn einheitlich und gesondert festgestellt werden muss. Dies betrifft insbesondere Personengesellschaften wie die GbR, OHG oder KG, aber auch bestimmte Gemeinschaften wie Erbengemeinschaften oder atypisch stille Gesellschaften. Die Notwendigkeit ergibt sich aus § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO (Abgabenordnung), wonach eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen vorzunehmen ist, wenn mehrere Personen an Einkünften beteiligt sind und diese Besteuerungsgrundlagen für die Besteuerung der Beteiligten von Bedeutung sind. Die Gewinnfeststellung dient der rechtsverbindlichen Zuordnung von Einkünften zu den einzelnen Beteiligten und verhindert, dass der Gesamtgewinn mehrfach ermittelt oder unterschiedlichen Personen in verschiedenen Veranlagungsverfahren zugeordnet wird. Die Verpflichtung entsteht unabhängig davon, ob die Gesellschaft selbst steuerpflichtig ist oder nicht, da Personengesellschaften und Gemeinschaften in der Regel transparent besteuert werden und die Besteuerung auf Ebene der Gesellschafter erfolgt.

Wer ist zur Abgabe der Erklärung zur Gewinnfeststellung verpflichtet?

Zur Abgabe der Erklärung zur Gewinnfeststellung sind grundsätzlich die Geschäftsführer, bei der OHG beispielsweise die geschäftsführenden Gesellschafter oder bei einer KG die Komplementäre, verpflichtet. Bei einer Erbengemeinschaft sind dies regelmäßig die Miterben als Gesamthandsgemeinschaft. Maßgeblich ist, dass die zur Geschäftsführung berufenen Personen oder deren Vertreter die Erklärung abzugeben haben, wie sich aus § 34 Abs. 1 AO i.V.m. § 180 Abs. 1 AO ergibt. Bei fehlender Geschäftsführungspflicht kann das Finanzamt unter bestimmten Voraussetzungen auch andere Beteiligte zur Abgabe der Erklärung heranziehen, insbesondere, wenn eine ordnungsgemäße Feststellung der Besteuerungsgrundlagen anderweitig nicht gewährleistet werden kann. Die Erklärungsverpflichtung bleibt auch bestehen, wenn sich die Beteiligten uneinig sind – hier greifen ggf. Mitwirkungspflichten und Zwangsmittel gemäß AO.

Welche Fristen gelten für die Gewinnfeststellung und welche Konsequenzen hat eine Fristversäumnis?

Die Fristen richten sich im Regelfall nach den Vorschriften über die Einkommensteuererklärung (§ 149 AO). Das heißt, die Erklärung zur Gewinnfeststellung ist grundsätzlich bis zum 31. Juli des Folgejahres einzureichen, sofern kein Steuerberater involviert ist – dann verlängert sich die Frist in der Regel bis zum letzten Februartag des übernächsten Jahres. Bei Versäumung dieser Frist drohen Verspätungszuschläge nach § 152 AO. Außerdem kann das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen schätzen (§ 162 AO), was regelmäßig zu steuerlichen Nachteilen für die Beteiligten führt. In besonders schweren Fällen kann auch eine Ordnungswidrigkeit nach § 379 AO vorliegen, und der Erlass eines Zwangsgeldes (§ 328 AO) ist möglich, um die Mitwirkung zu erzwingen.

Welche Auswirkungen hat der Feststellungsbescheid der Gewinnfeststellung?

Der Feststellungsbescheid nach § 180 AO bindet sowohl das Finanzamt als auch die Beteiligten hinsichtlich der darin festgestellten Besteuerungsgrundlagen. Dies bedeutet, dass die festgestellten Gewinne oder Verluste, Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben sowie etwaige Sondervergütungen den Einkünften der einzelnen Gesellschafter zwingend zugerechnet werden. Der Bescheid entfaltet sogenannte Bindungswirkung für nachfolgende Steuerfestsetzungen (insbesondere Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerbescheide der Gesellschafter bzw. Beteiligten). Einwendungen gegen die Höhe des Gewinns oder gegen die Verteilung der Anteile können nicht mehr im Rahmen des persönlichen Steuerbescheids, sondern nur im Verfahren gegen den Feststellungsbescheid vorgebracht werden.

Wer ist am Gewinn feststellungsverfahren beteiligt und welche Rechte stehen den Beteiligten zu?

Am Gewinnfeststellungsverfahren sind alle im maßgeblichen Feststellungszeitraum beteiligten Personen als Inhaltsadressaten beteiligt. Dies umfasst auch Sonderbeteiligte wie den stillen Gesellschafter oder atypisch beteiligte Dritte. Beteiligte haben das Recht auf Anhörung (§ 91 AO), Akteneinsicht (§ 32c AO) und können gegen den Feststellungsbescheid rechtsmittelfähig Einspruch einlegen (§ 347 AO). Im Regelfall haben sie Anspruch auf Bekanntgabe des Feststellungsbescheids (§ 183 AO), wodurch ihnen sowohl Rechtsschutzmöglichkeiten eröffnet als auch eigene steuerliche Positionen gesichert werden.

Wie erfolgt die Zurechnung von Sonderbetriebsausgaben und Sonderbetriebseinnahmen im Rahmen der Gewinnfeststellung?

Sonderbetriebsausgaben und Sonderbetriebseinnahmen sind Aufwendungen und Erträge, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Beteiligung am Betriebsvermögen stehen, aber nicht unmittelbar in der Gesamthandsbilanz erfasst werden, sondern gesondert in der Gewinnfeststellung zu berücksichtigen sind. Beispiele hierfür sind Darlehenszinsen eines Gesellschafters für ein an die Gesellschaft gewährtes Darlehen oder eigene Betriebsausgaben im Zusammenhang mit der Gesellschaftsbeteiligung. Nach dem Transparenzprinzip der Personengesellschaften sind diese Sonderposten für jeden Gesellschafter einzeln im Feststellungsbescheid auszuweisen und erhöhen oder mindern dessen Anteil am Gesamtgewinn, um eine zutreffende Besteuerung auf Ebene der einzelnen Beteiligten sicherzustellen.

Welche Rechtsmittel können gegen eine Gewinnfeststellung eingelegt werden?

Gegen den Feststellungsbescheid kann jeder Beteiligte innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Einspruch beim zuständigen Finanzamt einlegen (§ 355 AO). Der Einspruch wirkt für und gegen alle Beteiligten, da es sich um einen einheitlichen Verwaltungsakt handelt. In besonderen Fällen besteht zudem die Möglichkeit eines Antrags auf Anpassung oder Änderung nach § 173 AO, etwa wenn neue Tatsachen bekannt werden. Sollte der Einspruch erfolglos bleiben, ist der Weg zum Finanzgericht im Rahmen einer Anfechtungsklage (§ 40, § 42 FGO) eröffnet, wobei alle Beteiligten klageberechtigt sind und das Gericht umfassend prüft, ob die Gewinnfeststellung rechtmäßig erfolgte.