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Gewinn- und Verlustrechnung


Begriff und rechtliche Grundlagen der Gewinn- und Verlustrechnung

Die Gewinn- und Verlustrechnung (kurz: GuV) zählt zu den zentralen Bestandteilen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses und dient der systematischen Gegenüberstellung von Aufwendungen und Erträgen eines Unternehmens innerhalb eines Geschäftsjahres. Ihr Ergebnis – der Periodenerfolg – wird maßgeblich für die handels- und steuerrechtliche Ergebnisermittlung herangezogen. Die rechtlichen Vorgaben zur Gewinn- und Verlustrechnung sind insbesondere im Handelsgesetzbuch (HGB) geregelt, daneben finden sich steuerrechtliche Regelungen insbesondere im Einkommensteuergesetz (EStG) und im Körperschaftsteuergesetz (KStG).

Gesetzliche Anforderungen an die Gewinn- und Verlustrechnung

Handelsrechtliche Vorschriften gemäß HGB

Die Pflicht zur Erstellung einer Gewinn- und Verlustrechnung ergibt sich für Kaufleute und bestimmte Gesellschaftsformen aus § 242 Abs. 2 HGB. Gemäß § 242 HGB hat jeder Kaufmann am Ende eines Geschäftsjahres einen Jahresabschluss bestehend aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung aufzustellen.

Gliederungsvorschriften:
Die inhaltliche und formale Gliederung der GuV ist in § 275 HGB normiert. Das Gesetz unterscheidet zwei zulässige Darstellungsformen:

  • Das Gesamtkostenverfahren (§ 275 Abs. 2 HGB)
  • Das Umsatzkostenverfahren (§ 275 Abs. 3 HGB)

Kapitalgesellschaften und bestimmte Personenhandelsgesellschaften, bei denen keine natürliche Person haftet, sind nach § 264a HGB zur GuV-Erstellung verpflichtet, wobei je nach Unternehmensgröße Erleichterungen oder zusätzliche Angaben verlangt werden können.

Weitere Einzelvorschriften:
Zusätzlich konkretisieren §§ 276 bis 279 HGB die detaillierte Offenlegung und Erläuterungspflicht bestimmter Positionen sowie Ausweis- und Anhangsangaben.

Steuerrechtliche Anforderungen

Im Steuerrecht ist der Begriff der Gewinn- und Verlustrechnung weniger verbreitet; vielmehr wird zwischen Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG) und Einnahmen-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) differenziert. Für bilanzierende Unternehmen bildet die nach HGB erstellte GuV meist die Grundlage für die steuerliche Gewinnermittlung, jedoch sind steuerliche Vorschriften – insbesondere das Maßgeblichkeitsprinzip (§ 5 Abs. 1 EStG) – und steuerliche Korrekturposten zu beachten.

Besondere steuerrechtliche Regelungen:

  • Ermessensspielräume bei Wertansätzen
  • Abweichende Periodenabgrenzungen
  • Steuerliche Nichtabzugsfähigkeit bestimmter Aufwendungen (z. B. nach § 4 Abs. 5 EStG)

Publizitätsgesetz und andere Sondergesetze

Gemäß PublG kann die Pflicht zur GuV-Aufstellung auch für Unternehmen bestehen, die keiner handelsrechtlichen Pflicht unterliegen, wenn bestimmte Größenkriterien erreicht werden. Spezialregelungen existieren für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen (§§ 340 ff. HGB), die ergänzende oder abweichende GuV-Vorschriften einhalten müssen.

Struktur und Inhalte der Gewinn- und Verlustrechnung

Darstellung nach Gesamtkosten- und Umsatzkostenverfahren

Die Gewinn- und Verlustrechnung wird nach einem der beiden zulässigen Verfahren gegliedert.

Gesamtkostenverfahren

Im Gesamtkostenverfahren werden sämtliche im Geschäftsjahr angefallenen Aufwendungen den gesamten Erträgen gegenübergestellt. Betriebsbedingte Veränderungen von Beständen und aktivierte Eigenleistungen werden entsprechend gesondert ausgewiesen.

Umsatzkostenverfahren

Das Umsatzkostenverfahren stellt den Umsatzerlösen die den jeweiligen Umsätzen zuzuordnenden Kosten der abgesetzten Produkte und Dienstleistungen entgegen; Aufwendungen werden nach Funktionsbereichen (Herstellung, Vertrieb, Verwaltung) gegliedert.

Wesentliche Positionen der GuV nach HGB

  • Umsatzerlöse (§ 277 Abs. 1 HGB)
  • Sonstige betriebliche Erträge
  • Materialaufwand
  • Personalaufwand
  • Abschreibungen
  • Sonstige betriebliche Aufwendungen
  • Finanzergebnis (Erträge/Aufwendungen aus Beteiligungen, Wertpapiere, Zinsen)
  • Steuern vom Einkommen und vom Ertrag
  • Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag

Ergänzend sind im Anhang (§ 284 HGB) weitere Erläuterungen zu wesentlichen GuV-Posten verpflichtend.

Ziele, Bedeutung und Funktionen der Gewinn- und Verlustrechnung

Die GuV hat eine zentrale Informationsfunktion für interne und externe Adressaten (z. B. Gesellschafter, Gläubiger, Investoren, Fiskus). Darüber hinaus dient sie als Grundlage für die Gewinnverwendung, die Besteuerung (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer) sowie die Ausschüttungsbemessung.

Prüfungs- und Veröffentlichungspflichten:

  • Kapitalgesellschaften unterliegen gemäß § 316 HGB der Pflicht zur Abschlussprüfung durch einen Wirtschaftsprüfer (Prüfungspflicht)
  • Veröffentlichungspflicht je nach Rechtsform und Größenklasse (§ 325 HGB), exakte Darstellung im Bundesanzeiger

Sanktionen und Rechtsfolgen bei Verstößen

Folgen fehlerhafter Gewinn- und Verlustrechnung

Verstöße gegen die gesetzlichen Vorgaben zur Erstellung oder Gliederung der GuV können erhebliche Rechtsfolgen haben, darunter:

  • Ordnungsgelder nach §§ 335 ff. HGB bei Verletzung der Offenlegungspflicht
  • Strafbarkeit wegen unrichtiger Darstellung (§ 331 HGB) oder Insolvenzverschleppung
  • Nachteilige steuerrechtliche Konsequenzen wie Schätzungen durch die Finanzbehörden (§ 162 AO)

Korrektur- und Nachbesserungspflichten

Festgestellte Fehler in der GuV müssen nach den Vorgaben des HGB (§§ 256 ff. HGB) bzw. der AO berichtigt werden. Dies umfasst gegebenenfalls Nachtrags- oder Ergänzungsbilanzen sowie die Information der betroffenen Adressaten.

Besondere Vorschriften und branchenspezifische Besonderheiten

Für Finanzdienstleistungsinstitute, Versicherungsunternehmen und andere Branchen gelten abweichende oder ergänzende Regelungen, die in den jeweiligen Spezialgesetzen (z. B. KWG, VAG) und in den §§ 340 ff. HGB niedergelegt sind. Hinzu kommen Vorgaben aus internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS/IAS), beispielsweise bei kapitalmarktorientierten Unternehmen.

Zusammenfassung

Die Gewinn- und Verlustrechnung ist als gesetzlich geregeltes, zentrales Instrument der Rechnungslegung ein unverzichtbares Element betrieblicher Rechenschaft und Grundlage für unternehmerische Entscheidungen, steuerliche Gewinnermittlung sowie Publizitätspflichten. Ihre rechtlichen Anforderungen sind umfangreich geregelt, vielfältigen Prüfungen und Korrekturen unterworfen und bei Verletzung der Vorschriften mit teils gravierenden Rechtsfolgen verbunden. Die Beachtung der handels- und steuerrechtlichen Vorgaben zur Erstellung, Gliederung und Veröffentlichung der GuV stellt ein wesentliches Element ordnungsgemäßer Unternehmensführung dar.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist zur Erstellung einer Gewinn- und Verlustrechnung gesetzlich verpflichtet?

Gemäß § 242 HGB (Handelsgesetzbuch) ist jeder Kaufmann verpflichtet, zu Beginn seines Handelsgewerbes und für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres eine Eröffnungsbilanz sowie eine Jahresbilanz einschließlich einer Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) aufzustellen. Kapitalgesellschaften wie GmbH und AG sind unabhängig von Umsatz- oder Gewinnhöhen verpflichtend zur Erstellung der GuV verpflichtet. Für Einzelkaufleute und Personengesellschaften aufgrund einer Umsatz- oder Gewinngrenze nach § 241a HGB unterliegen bestimmte Erleichterungen, sodass Einzelkaufleute mit einem Jahresumsatz unter 600.000 Euro und einem Jahresgewinn unter 60.000 Euro im vorherigen Geschäftsjahr von der Buchführungspflicht – und damit auch der Pflicht zur GuV – befreit sein können. Freiberufler sind hingegen von der gesetzlichen Pflicht zur Erstellung einer GuV nach HGB nicht betroffen, sie müssen lediglich eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) nach § 4 Abs. 3 EStG führen.

Welche gesetzlichen Vorschriften regeln den Aufbau der Gewinn- und Verlustrechnung?

Der Aufbau der GuV für Kapitalgesellschaften wird insbesondere durch § 275 HGB geregelt. Es existieren zwei Darstellungsformen: das Gesamtkostenverfahren (§ 275 Abs. 2 HGB) und das Umsatzkostenverfahren (§ 275 Abs. 3 HGB). Im Gesetz ist genau vorgeschrieben, welche Positionen jeweils auszuweisen sind, in welcher Reihenfolge sie zu erfolgen haben und wie die einzelnen Posten abzugrenzen sind. Zudem sind bestimmte Vorschriften, wie das Saldierungsverbot (§ 246 Abs. 2 HGB), zu beachten, wonach keine Verrechnung zwischen Aufwendungen und Erträgen erlaubt ist. Neben den handelsrechtlichen Regelungen können für bestimmte Branchen weitere Vorschriften, etwa aus dem Publizitätsgesetz (PublG), ergänzend relevant sein.

Welche Fristen gelten für die Aufstellung und Offenlegung der Gewinn- und Verlustrechnung?

Die GuV ist Bestandteil des Jahresabschlusses, der unter § 243 HGB einer Frist zur Aufstellung unterliegt. Kaufleute müssen den Jahresabschluss, einschließlich der GuV, in der Regel innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres aufstellen. Kapitalgesellschaften müssen darüber hinaus gemäß § 325 HGB den Jahresabschluss mit der GuV unverzüglich nach Feststellung, spätestens jedoch zwölf Monate nach dem Abschlussstichtag, beim Betreiber des Bundesanzeigers elektronisch einreichen und veröffentlichen. Verletzungen dieser Fristen können als Ordnungswidrigkeit geahndet werden und empfindliche Bußgelder nach sich ziehen.

Wie sind die Anforderungen an die Prüfungs- und Feststellungspflicht der Gewinn- und Verlustrechnung?

Kapitalgesellschaften unterliegen nach § 316 HGB der Pflicht, ihren Jahresabschluss einschließlich der GuV durch einen Abschlussprüfer prüfen zu lassen, sofern sie nicht als kleine Gesellschaften § 267 Abs. 1 HGB davon befreit sind. Nach erfolgreicher Prüfung ist die Feststellung durch das zuständige Organ (bei der GmbH die Gesellschafterversammlung, bei der AG der Aufsichtsrat und Vorstand) zu dokumentieren. Die Feststellung ist Voraussetzung für die Ausschüttung von Gewinnen und die weitere Verwendung des Jahresergebnisses.

Welche gesetzlichen Strafen drohen bei fehlerhafter oder unterlassener Gewinn- und Verlustrechnung?

Fehlerhafte oder unterlassene Erstellung bzw. Offenlegung einer GuV kann gemäß § 334 HGB als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden und wird mit Bußgeldern von bis zu 25.000 Euro geahndet, im Wiederholungsfall oder bei Vorsatz kann das Bußgeld nach oben variieren. Darüber hinaus können steuerrechtliche Konsequenzen folgen, insbesondere dann, wenn Verstöße gegen die steuerliche Buchführungspflicht oder das Steuerrecht nachgewiesen werden. In schweren Fällen mit betrügerischer Absicht kann auch eine strafrechtliche Verfolgung nach § 370 AO (Abgabenordnung, Steuerhinterziehung) drohen.

Wie ist die Gewinn- und Verlustrechnung im Konzernabschluss rechtlich zu behandeln?

Im Rahmen eines Konzernabschlusses ist gemäß §§ 297 ff. HGB eine Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung zu erstellen. Hier gelten weitgehend die gleichen Gliederungs- und Ansatzvorschriften wie für Einzelabschlüsse, jedoch ist die GuV der Muttergesellschaft um die jeweiligen Positionen der einbezogenen Tochterunternehmen zu konsolidieren. Dies erfolgt nach den Grundsätzen der Vollkonsolidierung und unter Beachtung spezieller Konsolidierungsvorschriften, wie etwa der Eliminierung konzerninterner Umsätze und Ergebnisse gemäß § 300 HGB.

Gibt es Ausnahmen von der Veröffentlichungspflicht der Gewinn- und Verlustrechnung?

Ja, das HGB sieht für kleine Kapitalgesellschaften nach § 326 HGB und für bestimmte haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften nach § 264a HGB Erleichterungen vor. Kleine Kapitalgesellschaften sind beispielsweise von der Pflicht zur Offenlegung der vollständigen GuV befreit und müssen lediglich eine Bilanz und einen Anhang offenlegen. Mittelgroße Gesellschaften haben die Möglichkeit, eine verkürzte GuV offenzulegen. Diese Befreiungen dienen dem Schutz sensibler Unternehmensdaten und der Wahrung berechtigter Interessen kleinerer Betriebe.

Welche Besonderheiten gelten für die Gewinn- und Verlustrechnung bei Unternehmensumwandlungen?

Im Umwandlungsrecht (UmwG) gibt es für die GuV im Rahmen von Verschmelzungen, Spaltungen oder Formwechseln besondere Vorschriften. Nach §§ 17, 125 UmwG ist für den maßgeblichen Stichtag ein Vermögensstatus zu erstellen, zu dem regelmäßig auch eine GuV zu fertigen ist. Die einzureichenden Dokumente unterliegen strengeren Prüfungspflichten und dienen der Transparenz sowie dem Schutz der Gläubigerinteressen. Beim Formwechsel und im Fall der steuerlichen Rückwirkung sind zusätzlich die steuerlichen Bestimmungen gemäß Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) zu beachten.