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Gesetzmäßigkeit der Verwaltung


Gesetzmäßigkeit der Verwaltung

Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bildet einen zentralen Grundsatz des deutschen Verfassungsrechts und stellt sicher, dass die gesamte vollziehende Gewalt an das Recht und Gesetz gebunden ist. Sie dient dem Schutz des Einzelnen vor willkürlicher oder rechtswidriger Ausübung staatlicher Macht und ist maßgeblich für die Legitimation, Kontrolle und Begrenzung der Verwaltungstätigkeit. Der Rechtsgrundsatz findet sich in Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) und entfaltet vielfältige Wirkungen im gesamten Verwaltungsrecht.

Grundsatz und Rechtsgrundlagen

Verankerung im Grundgesetz

Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist ausdrücklich in Art. 20 Abs. 3 GG geregelt:

„Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“

Dieser Normbefehl verlangt, dass die Verwaltung sämtliche Handlungen – gleich, ob es sich um hoheitliche oder schlichte Verwaltungstätigkeit handelt – nur im Rahmen und aufgrund des geltenden Rechts ausübt.

Ziel und Bedeutung

Der Grundsatz dient dem Schutz von Rechtsstaatlichkeit, der Kontrolle der Verwaltung durch die Gesetzgebung sowie dem Prinzip der Gewaltenteilung. Dadurch wird die Verwaltung zu gesetzestreuem, berechenbarem und nicht willkürlichem Handeln verpflichtet.

Elemente der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung

Vorrang des Gesetzes

Der Vorrang des Gesetzes bedeutet, dass das Handeln der Verwaltung niemals gegen geltendes Recht verstoßen darf. Verwaltungsakte, die gegen ein Gesetz verstoßen, sind rechtswidrig und können durch die Gerichte aufgehoben werden. Der Vorrang gilt für alle Handlungen der Verwaltung, unabhängig davon, ob es sich um Eingriffe in Grundrechte oder um begünstigende Verwaltungsakte handelt.

Vorbehalt des Gesetzes

Der Vorbehalt des Gesetzes verpflichtet die Verwaltung, im Bereich der Eingriffsverwaltung grundsätzlich nur dann zu handeln, wenn eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage besteht. Insbesondere für Verwaltungsmaßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, ist eine ausreichend bestimmte gesetzliche Grundlage erforderlich. Dieses Prinzip leitet sich ebenso aus dem Grundgesetz ab und dient dem Schutz der Grundrechte.

Unterschied zwischen Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes
  • Vorrang des Gesetzes: Die Verwaltung darf nicht gegen Gesetze verstoßen.
  • Vorbehalt des Gesetzes: Für bestimmte Maßnahmen, insbesondere bei Eingriffen, ist eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage notwendig.

Bindung an Recht und Gesetz

Die Verwaltung ist nicht nur an das Gesetz im formellen Sinn gebunden, sondern auch an das gesamte geltende Recht. Dies umfasst Verordnungen, Satzungen, Verwaltungsrichtlinien, die Grundrechte sowie das Europarecht und völkerrechtliche Verträge, sofern sie innerstaatlich wirken.

Auswirkungen auf das Verwaltungshandeln

Rechtsstaatliche Kontrolle

Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gewährleistet die Überprüfbarkeit administrativer Handlungen durch Gerichte. Betroffene Personen können sich im Falle einer Verletzung dieses Grundsatzes an die Verwaltungsgerichte wenden und Rechtschutz gegen rechtswidrige Verwaltungsakte suchen.

Verwaltung als Organ der Gesetzesausführung

Die Verwaltung ist nicht frei, eigene politische Entscheidungen zu treffen, sondern vollzieht die vom Gesetzgeber getroffenen Entscheidungen. Sie darf keine vom Recht abweichenden oder unabhängigen Regelungen treffen.

Bindung an höherrangiges Recht

Verwaltungsorgane sind gehalten, stets die Hierarchie der Normen zu beachten: Gesetze gehen untergesetzlichen Normen wie Verordnungen und Satzungen vor. Europarecht und das Grundgesetz stellen die höchsten innerstaatlichen Rechtsquellen dar.

Gesetzmäßigkeit der Verwaltung im europäischen und internationalen Kontext

Auswirkungen des Europarechts

Durch die Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union unterliegt die Verwaltung auch dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts. Die Verwaltung ist verpflichtet, europäisches Recht vollumfänglich zu beachten und anzuwenden, selbst wenn nationales Recht entgegensteht.

Völkerrechtliche Bindung

Mit Inkrafttreten völkerrechtlicher Verträge, denen die Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist, besteht für die Verwaltung ebenfalls eine Bindung, sofern die Rechtsakte innerstaatlich wirksam sind.

Durchsetzung und Kontrolle

Überwachung durch Gerichte

Die Verwaltungsgerichte sind zuständig für die Kontrolle, ob Verwaltungshandeln dem gesetzlichen Rahmen entspricht. Wesentliche Rechtsbehelfe sind die Anfechtungsklage, Verpflichtungsklage und Untätigkeitsklage nach der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Kontrolle durch Rechnungshöfe und andere Institutionen

Neben der gerichtlichen Kontrolle findet eine Überwachung der Verwaltung auch durch Rechnungshöfe sowie parlamentarische Kontrollorgane statt, welche die Gesetzestreue der Verwaltung in finanziellen und organisatorischen Angelegenheiten prüfen.

Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in verschiedenen Handlungsformen

Eingriffsverwaltung

Bei normativen oder individuellen Maßnahmen, die in Rechte von Bürgern eingreifen, muss immer eine hinreichende gesetzliche Ermächtigung vorliegen. Dies betrifft insbesondere Polizeirecht, Ordnungswidrigkeitenrecht oder das Sozialrecht.

Leistungsverwaltung und fiskalisches Handeln

Auch bei der Leistungsverwaltung und bei fiskalischem Handeln, wie etwa Subventionsvergaben oder öffentlich-rechtlichen Verträgen, ist die Gesetzmäßigkeit zu wahren, jedoch sind die Anforderungen an eine gesetzliche Grundlage in der Regel geringer als im Bereich der Eingriffsverwaltung.

Ausnahmefälle und Grenzen

Verwaltungsermessen und Richtlinien

Zwar ist der Verwaltung teilweise Ermessen eingeräumt (sog. Ermessenstatbestände), dennoch darf dieses Ermessen nicht willkürlich ausgeübt werden. Das Verwaltungsermessen ist stets nach gesetzlichen Vorgaben und unter Beachtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit auszuüben.

Staatliche Notstände

In Ausnahmesituationen können gesetzliche Grundlagen besondere Formen des Verwaltungshandelns regeln (beispielsweise im Katastrophenschutz). Auch in diesen Fällen ist die Bindung an Gesetze jedoch nicht aufgehoben, sondern folgt speziellen gesetzlichen Grundlagen.

Bedeutung für die Bürger

Rechtssicherheit und Vertrauensschutz

Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bietet den Bürgerinnen und Bürgern Rechtssicherheit und die Garantie, dass staatliches Handeln nachvollziehbar und kontrollierbar bleibt. Verstöße können gerichtlich überprüft und gegebenenfalls sanktioniert werden.

Klagerecht

Jede Person, die von einem rechtswidrigen Handeln der Verwaltung betroffen ist, kann im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbarkeit Rechtsschutz suchen.

Literatur und weiterführende Informationen

  • BVerfGE 20, 162 (Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Gesetzmäßigkeit der Verwaltung)
  • Pieroth/Schlink/Kniesel: Grundrechte. Staatsrecht II. 32. Aufl., Mohr Siebeck, Tübingen
  • Maurer/Waldhoff: Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl., München

Dieser Artikel bietet eine umfassende, präzise Übersicht über den Rechtsgrundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, seine Grundlagen, Anwendungsbereiche und seine Bedeutung im deutschen und europäischen Rechtssystem.

Häufig gestellte Fragen

Wann kommt das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zur Anwendung?

Das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung findet immer dann Anwendung, wenn Verwaltungshandeln durch Organe oder Behörden des öffentlichen Rechts erfolgt. Es besagt, dass jegliches Handeln der Verwaltung nur im Rahmen und auf Grundlage der geltenden Gesetze stattfinden darf (Vorbehalt des Gesetzes) und zudem die Verwaltung an bestehende Gesetze gebunden ist (Vorrang des Gesetzes). Dies bedeutet, dass Verwaltungsakte, Realakte, Rechtsverordnungen und sonstige Handlungen der Verwaltung stets eine gesetzliche Grundlage brauchen oder zumindest nicht gegen bestehendes Recht verstoßen dürfen. Besonders relevant ist dieses Prinzip im Bereich des Eingriffsverwaltung, also dann, wenn durch staatliches Handeln in Grundrechte oder rechtliche Positionen von Betroffenen eingegriffen wird. Auch die Leistungsverwaltung, also Maßnahmen der Verwaltung zur Gewährung von Leistungen, muss sich an dieses Prinzip halten. Das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung berührt somit die gesamte öffentliche Verwaltung und stellt ein zentrales rechtsstaatliches Prinzip dar, das als elementare Ausprägung des Grundsatzes der Gewaltenteilung verstanden wird.

Welcher Unterschied besteht zwischen dem Vorrang und dem Vorbehalt des Gesetzes?

Der Vorrang des Gesetzes bedeutet, dass Verwaltungshandeln niemals gegen geltende Gesetze verstoßen darf. Bestehende Gesetze binden die Verwaltung vollständig, sodass widerrechtliches Handeln oder gar ein Unterlaufen gesetzlicher Vorschriften unzulässig sind. Der Vorbehalt des Gesetzes hingegen verpflichtet die Verwaltung in bestimmten Fällen, insbesondere bei belastenden Maßnahmen oder Grundrechtseingriffen, nur auf Grundlage einer formellen gesetzlichen Ermächtigung zu handeln. Während der Vorrang des Gesetzes somit ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt darstellt, ist der Vorbehalt des Gesetzes als Handlungsverbot ohne gesetzliche Grundlage zu verstehen. Diese Differenzierung ist essentiell, da sie darüber entscheidet, wann eine gesetzliche Grundlage zwingend erforderlich ist und wann das Verwaltungshandeln lediglich an bestehende Gesetze gebunden ist.

Welche Bedeutung hat die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung für den Rechtsschutz der Bürger?

Das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist die grundlegende Voraussetzung für einen effektiven Rechtsschutz gegenüber staatlichem Verwaltungshandeln. Da die Verwaltung streng an Gesetz und Recht gebunden ist, können Bürger bei Rechtsverstößen der Verwaltung die Gerichte anrufen. Durch die Überprüfung der Verwaltung auf Gesetzeskonformität (Rechtskontrolle) wird die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien gesichert und Willkür vermieden. Ohne das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wären gerichtliche Kontrollen faktisch wirkungslos, da Verwaltungshandeln dann nicht auf seine Rechtmäßigkeit, sondern allenfalls auf seine Zweckmäßigkeit überprüfbar wäre. Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung begründet so zugleich die Bindung der Verwaltung und die Klagerechte der Bürger.

Gilt die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auch für Selbstverwaltungskörper?

Ja, das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gilt auch für Selbstverwaltungskörperschaften wie Gemeinden, Universitäten oder berufsständische Kammern. Diese sind trotz ihrer Selbstständigkeit und organisatorischen Unabhängigkeit Teil der öffentlichen Verwaltung und daher uneingeschränkt an Gesetz und Recht gebunden. Das betrifft sowohl den eigenen Wirkungskreis (den Bereich, in dem sie eigenverantwortlich handeln) als auch den übertragenen Wirkungskreis, in welchem sie Aufgaben aufgrund gesetzlicher Vorgaben wahrnehmen. Insbesondere die erlassene Satzungen, ordnungsrechtliche Maßnahmen und Verwaltungsakte müssen daher stets gesetzeskonform gestaltet sein.

Welche Rolle spielt das Grundgesetz in Bezug auf die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung?

Das Grundgesetz (GG) ist als Verfassung des Bundes die oberste Rechtsquelle in Deutschland und bildet das Fundament für das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. In Art. 20 Abs. 3 GG wird ausdrücklich geregelt, dass die vollziehende Gewalt „an Gesetz und Recht gebunden“ ist. Auch spezielle Verfassungsgrundsätze wie das Demokratieprinzip, das Rechtsstaatsprinzip sowie insbesondere die Grundrechte verpflichten die Verwaltung, ihr Handeln an den Vorgaben des Grundgesetzes auszurichten. Daraus ergibt sich zum einen, dass Verwaltungshandeln niemals gegen die Verfassung verstoßen darf (Vorrang der Verfassung), zum anderen, dass für grundrechtsrelevante Handlungen eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage im Gesetz bestehen muss (Vorbehalt des Gesetzes).

Wie wird die Einhaltung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung kontrolliert?

Die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung erfolgt in Deutschland primär durch die Verwaltungsgerichte. Bürger und juristische Personen können sich im Wege des Verwaltungsrechtsschutzes gegen rechtswidriges Verwaltungshandeln wehren. In bestimmten Fällen besteht auch die Möglichkeit der Fachaufsicht oder der Legalaufsicht über Verwaltungsbehörden oder Selbstverwaltungskörperschaften durch übergeordnete Behörden. Weiterhin unterliegen auch ministerielle Erlasse, Verwaltungsvorschriften und andere rechtserhebliche Akte einer Überprüfung hinsichtlich ihrer Gesetzmäßigkeit, beispielsweise durch die jeweiligen Landesrechnungshöfe oder den Bundesrechnungshof in finanziellen Angelegenheiten. Auch parlamentarische Kontrolle durch Untersuchungsausschüsse kann die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns betreffen.

Wie wird die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung im Unionsrecht und bei internationalem Einfluss gewährleistet?

Auch im Rahmen des europäischen Unionsrechts und bei Einflüssen durch völkerrechtliche Vorgaben muss die Verwaltung das Prinzip der Gesetzmäßigkeit beachten. Das bedeutet, dass nationales Verwaltungshandeln auch dann nur auf Grundlage und im Rahmen der geltenden Gesetze erfolgen darf, wenn dieses durch Unionsrecht, unmittelbar geltende EU-Verordnungen oder völkerrechtliche Verträge geprägt ist. Dabei ist zu beachten, dass das Unionsrecht im Kollisionsfall dem nationalen Recht vorgeht (Anwendungsvorrang), jedoch grundsätzlich eine Umsetzung durch nationale Normen erfordert. Die Verwaltung hat daher die Pflicht, sowohl die nationalen Gesetze als auch vorrangige unionsrechtliche und völkerrechtliche Vorgaben rechtstreu umzusetzen und anzuwenden.