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Gesetzliches Vermächtnis


Gesetzliches Vermächtnis: Definition und rechtliche Grundlagen

Das gesetzliche Vermächtnis ist ein im Erbrecht verankerter Anspruch, durch den einer Person aufgrund gesetzlicher Vorschriften bestimmte Vermögensvorteile aus einer Erbschaft zugewendet werden, ohne dass diese Person als Erbe berufen ist. Es unterscheidet sich vom testamentarischen Vermächtnis, das auf einer letztwilligen Verfügung des Erblassers beruht. Das gesetzliche Vermächtnis kann bei verschiedenen gesetzlichen Tatbeständen entstehen und führt zu einem schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben oder die Erbengemeinschaft.

Begriff und Abgrenzung

Das gesetzliche Vermächtnis ist von der Erbeinsetzung und dem testamentarischen Vermächtnis zu unterscheiden. Während der Erbe mit dem Tod des Erblassers Rechtsnachfolger hinsichtlich des gesamten Nachlasses oder einem Teil davon wird, erhält der Vermächtnisnehmer lediglich einen Anspruch auf Herausgabe eines bestimmten Gegenstandes oder einen anderen Vermögensvorteil. Der gesetzliche Vermächtnisanspruch entsteht dabei nicht durch den Willen des Erblassers, sondern unmittelbar kraft Gesetzes.

Rechtliche Normierung

Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) finden sich verschiedene Regelungen, die gesetzliche Vermächtnisse normieren. Die zentrale rechtliche Grundlage bieten §§ 1939 ff., 2147 ff. BGB sowie weitere Spezialvorschriften, unter anderem über das Ausstattungsvermächtnis (§§ 1624, 1625 BGB). Zu unterscheiden sind verschiedene Typen gesetzlicher Vermächtnisse mit jeweils eigenem Anwendungsbereich.

Arten des gesetzlichen Vermächtnisses

Vorausvermächtnis des Ehegatten (§ 1932 BGB)

Einem Ehegatten steht nach § 1932 BGB im Todesfall des anderen Ehegatten ein Vorausvermächtnis zu. Dieses umfasst die sogenannten „Vorausgegenstände“, insbesondere die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände und Hochzeitsgeschenke. Der überlebende Ehegatte kann diese Gegenstände von den Miterben als Vermächtnis verlangen, sofern er Erbe geworden ist. Das Vorausvermächtnis ist kein Teil des gesetzlichen Erbteils, sondern steht zusätzlich zu.

Umfang und Voraussetzungen

Das gesetzliche Vorausvermächtnis setzt voraus, dass der überlebende Ehegatte gesetzlicher Erbe wird. Es umfasst alle zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände – ausgenommen Wertgegenstände, soweit sie nicht dem gemeinsamen Gebrauch dienten -, sowie die Geschenke, die im Zusammenhang mit der Eheschließung gemacht wurden.

Ausstattung (§§ 1624, 1937 BGB)

Unter Ausstattung versteht man nach § 1624 BGB eine den Kindern zum Zweck der Gründung einer eigenen Lebensstellung zugewendete Zuwendung der Eltern. Stirbt ein Elternteil, ohne eine solche Ausstattung testamentarisch zugewendet zu haben, und ist dies auch nicht zu Lebzeiten erfolgt, kann unter bestimmten Voraussetzungen ein gesetzliches Ausstattungsvermächtnis vorliegen.

Nießbrauchsvermächtnis (§ 2133 BGB)

Ein besonderes gesetzliches Vermächtnis entsteht auch in Bezug auf den Nießbrauch. Gemäß § 2133 BGB kann der Ehegatte verlangen, dass ihm am Nachlass ein lebenslanger Nießbrauch bestellt wird, sofern bestimmte im Gesetz genannte Voraussetzungen erfüllt sind.

Rechtsfolgen und Durchsetzung

Schuldrechtlicher Anspruch

Das gesetzliche Vermächtnis begründet einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den oder die Erben. Der Anspruch richtet sich entweder auf Verschaffung des Gegenstandes, eines Rechts oder auf eine sonstige vermögenswerte Leistung, je nach Inhalt und Umfang des gesetzlichen Vermächtnisses. Der Vermächtnisnehmer wird dabei nicht Erbe oder Teil einer Erbengemeinschaft, sondern muss seine Rechte gegen die Erben geltend machen.

Verjährung und Geltendmachung

Der Anspruch aus einem gesetzlichen Vermächtnis unterliegt den allgemeinen Verjährungsvorschriften. Nach § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre ab dem Zeitpunkt, in dem der Vermächtnisnehmer vom Anspruch und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt. Die Geltendmachung kann außergerichtlich oder gerichtlich erfolgen.

Haftung des Erben

Der oder die Erben haften für die Erfüllung des gesetzlichen Vermächtnisses grundsätzlich mit dem Nachlass und – unter bestimmten Voraussetzungen – auch mit dem eigenen Vermögen. Die Haftung kann jedoch durch die Beschränkungsmöglichkeiten des § 1975 BGB (Nachlassinsolvenz) oder durch die Anordnung der Dürftigkeitseinrede begrenzt werden.

Besonderheiten und Abweichungen

Enterbung und Vermächtnisanspruch

Ein gesetzliches Vermächtnis kann dem Berechtigten auch dann zustehen, wenn dieser von der Erbfolge ausgeschlossen wurde, sofern das Gesetz dies ausdrücklich anordnet. So bleibt etwa das Ausstattungsvermächtnis unabhängig von einer Enterbung wirksam.

Verhältnis zur Pflichtteilsberechtigung

Das gesetzliche Vermächtnis ist grundsätzlich vom Pflichtteil zu unterscheiden. Während der Pflichtteilsanspruch ein wertmäßiger Anspruch ist, richtet sich das Vermächtnis auf die konkrete Zuwendung eines Gegenstandes, Rechts oder Geldbetrags. Teilweise können gesetzlich vorgesehene Vermächtnisse jedoch auf den Pflichtteil angerechnet werden.

Internationale Bezüge und Rechtsvergleich

Das gesetzliche Vermächtnis ist in vergleichbarer Form auch in anderen Rechtsordnungen bekannt, variiert jedoch in Ausgestaltung und Anwendungsbereich. Insbesondere im europäischen Raum bestehen unterschiedlich ausgeprägte Regelungen, teils mit weitergehenden oder beschränkteren Vermächtnisansprüchen.

Relevanz in der Praxis

Gesetzliche Vermächtnisse spielen insbesondere in der Nachlassabrechnung, der Vermögensauseinandersetzung zwischen Erben und Dritten sowie bei der Testamentsgestaltung eine wichtige Rolle. Sie sichern in bestimmten Fällen die wirtschaftliche Versorgung bestimmter Personengruppen unabhängig von einer Erbenstellung.

Fazit

Das gesetzliche Vermächtnis stellt einen wichtigen Bestandteil des deutschen Erbrechts dar. Es regelt in gesetzlich definierten Fällen einen schuldrechtlichen Anspruch bestimmter Personen auf Zuwendung von Nachlassgegenständen oder sonstigen vermögenswerten Vorteilen, unabhängig von einer Erbenstellung. Mit seinen unterschiedlichen Ausprägungen sichert das gesetzliche Vermächtnis den Ausgleich familiärer und sozialer Interessen im Erbfall und gewährleistet zugleich Rechtsklarheit und Berechenbarkeit der Vermögensnachfolge.

Häufig gestellte Fragen

Welche Ansprüche hat ein Vermächtnisnehmer aus einem gesetzlichen Vermächtnis gegenüber dem Erben?

Bei einem gesetzlichen Vermächtnis steht dem Vermächtnisnehmer ein sog. schuldrechtlicher Anspruch gegenüber dem Erben oder dem mit dem Vermächtnis belasteten Vermächtnisnehmer zu. Das bedeutet, der Vermächtnisnehmer kann vom Verpflichteten (Erben oder Pflichtteilsberechtigten) die Herausgabe des vermachten Gegenstands, eine Eigentumsübertragung oder die Erbringung der vermachten Leistung verlangen, je nachdem, was durch das Vermächtnis bestimmt wurde. Der Anspruch des Vermächtnisnehmers entsteht automatisch mit dem Erbfall, das heißt mit dem Tod des Erblassers, und ist unabhängig davon, ob das Vermächtnis vom Erben oder von einem Dritten ausgeführt wurde. Solange das Vermächtnis nicht erfüllt ist, kann der Vermächtnisnehmer die Leistung einklagen. Der Erbe wird dabei nicht direkt von seinem Erbe befreit, sondern muss vielmehr das Vermächtnis im Wege der Erfüllung an den Vermächtnisnehmer leisten; der Nachlass wird dadurch entsprechend gemindert.

Wie unterscheidet sich das gesetzliche Vermächtnis vom testamentarischen Vermächtnis?

Das gesetzliche Vermächtnis (auch Grundvermächtnis genannt) ergibt sich direkt aus den gesetzlichen Vorschriften, meist als besondere Schutz- oder Ausgleichsregelung im BGB, beispielsweise bei bestimmten Konstellationen im Ehegatten- oder Erbrecht. Im Gegensatz dazu gründet sich das testamentarische Vermächtnis direkt auf den letzten Willen des Erblassers und wird durch Testament oder Erbvertrag angeordnet. Während das gesetzliche Vermächtnis automatisch bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen entsteht, ist das testamentarische Vermächtnis nur wirksam, wenn eine formgültige letztwillige Verfügung existiert. Beide Arten von Vermächtnissen führen jedoch zu einem schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben oder einen Dritten.

Welche Fristen sind bei der Geltendmachung eines gesetzlichen Vermächtnisses zu beachten?

Der Anspruch aus einem gesetzlichen Vermächtnis unterliegt grundsätzlich der regelmäßigen Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB, die drei Jahre beträgt. Die Frist beginnt nach § 199 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Vermächtnisnehmer von den für den Anspruch maßgeblichen Umständen sowie der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. In der Praxis bedeutet das, dass nach dem Tod des Erblassers und Kenntnis vom Vermächtnisanspruch der Vermächtnisnehmer die Frist im Blick behalten muss. Wird die Frist versäumt, erlischt der Anspruch dauerhaft. Weitere Fristen können sich ergeben, wenn es um die Durchsetzung oder Anmeldung des Vermächtnisses beim Nachlassgericht oder gegenüber den Erben geht.

Welche Rechte und Pflichten ergeben sich für den Erben durch das gesetzliche Vermächtnis?

Der Erbe ist verpflichtet, das Vermächtnis zu erfüllen, also dem Vermächtnisnehmer den vermachten Gegenstand zu verschaffen oder die im gesetzlichen Vermächtnis festgelegte Handlung vorzunehmen. Diese Pflicht trifft ihn unabhängig davon, ob der Nachlass ausreichend ist; in Extremfällen kann der Erbe die Erfüllung jedoch nach den Regeln über die Nachlassinsolvenz verweigern. Der Erbe muss außerdem dem Vermächtnisnehmer Auskunft über den Bestand des Nachlasses geben, soweit dies für die Geltendmachung des Vermächtnisses erforderlich ist. Andererseits kann der Erbe verlangen, dass der Vermächtnisnehmer seine Rechte eindeutig geltend macht und gegebenenfalls Nachweise erbringt, dass die Voraussetzungen des gesetzlichen Vermächtnisses erfüllt sind.

Können gesetzliche Vermächtnisse auch rückwirkend entzogen oder eingeschränkt werden?

Gesetzliche Vermächtnisse sind, da sie auf gesetzlichen Anordnung beruhen und nicht testamentarisch durch den Erblasser bestellt wurden, grundsätzlich nicht rückwirkend entziehbar. Nur wenn nachweislich die Voraussetzungen für das Entstehen des gesetzlichen Vermächtnisses nie vorlagen oder die gesetzliche Regelung aufgehoben oder rückwirkend geändert wird, kann der Anspruch entfallen. Eine Einschränkung oder der Entzug durch den Erblasser persönlich ist nicht möglich, es sei denn, das Gesetz selbst sieht Ausnahmen oder Ausschlussgründe ausdrücklich vor.

Wie erfolgt die Vollstreckung eines gesetzlichen Vermächtnisses, wenn der Erbe nicht freiwillig leistet?

Kommt der Erbe seiner Verpflichtung zur Erfüllung des gesetzlichen Vermächtnisses nicht freiwillig nach, kann der Vermächtnisnehmer auf Erfüllung klagen. Nach rechtskräftigem Urteil kann der Anspruch im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden. Dies kann – je nach Art des Vermächtnisses – beispielsweise durch Übertragung des Eigentums an einer Immobilie, Herausgabe von Wertgegenständen oder Zahlung eines Geldbetrags geschehen. Sollte der Erbe nicht leistungsfähig oder der Nachlass überschuldet sein, ist das Vermächtnis nur anteilig oder gar nicht erfüllbar, womit eine Nachlassinsolvenz zu prüfen wäre.

Welche steuerlichen Konsequenzen können sich aus dem Bezug eines gesetzlichen Vermächtnisses ergeben?

Der Bezug eines gesetzlichen Vermächtnisses ist aus erbschaftsteuerlicher Sicht dem Erwerb durch Erbschaft gleichgestellt. Das bedeutet, dass der Vermächtnisnehmer regelmäßig Erbschaftsteuer entrichten muss, abhängig vom Wert des Vermächtnisses und seinem persönlichen Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser. Die Steuerpflicht entsteht mit dem Tod des Erblassers; der Wert des Vermächtnisses unterliegt den aktuellen gesetzlichen Freibeträgen und Steuersätzen nach dem Erbschaftsteuergesetz (ErbStG). Der Erbe, der zur Erfüllung verpflichtet ist, kann unter Umständen beim Finanzamt beantragen, dass die Steuerschuld des Vermächtnisnehmers angerechnet wird, sofern er das Vermächtnis direkt zur Ablösung verwendet.