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Gesellschaftsvermögen


Gesellschaftsvermögen – Rechtliche Definition und Einordnung

Das Gesellschaftsvermögen ist ein zentraler Begriff im deutschen Gesellschaftsrecht und bezeichnet die Gesamtheit der Vermögensgegenstände, Rechte und Pflichten, die einer Gesellschaft als rechtlich selbstständigem Verband oder Personenvereinigung zugeordnet sind. Die rechtliche Einordnung des Gesellschaftsvermögens hängt entscheidend von der jeweiligen Gesellschaftsform ab und bestimmt maßgeblich die Haftungsverhältnisse, den Gläubigerschutz sowie die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis innerhalb der Gesellschaft.


Begriff und Rechtsnatur des Gesellschaftsvermögens

Definition

Unter Gesellschaftsvermögen versteht man sämtliche Vermögenswerte, die im Rahmen einer Gesellschaft für gemeinschaftliche Zwecke zusammengebracht und verwendet werden. Es umfasst sowohl Aktiva (wie Eigentum an Sachen, Forderungen, Rechte) als auch Passiva (insbesondere Verbindlichkeiten), soweit diese nicht unmittelbar den einzelnen Gesellschaftern, sondern der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit zuzuordnen sind.

Abgrenzung zum Privatvermögen

Das Gesellschaftsvermögen ist strikt von den privaten Vermögensmassen der Gesellschafter zu unterscheiden. Während Privatvermögen der Gesellschafter deren eigenen, persönlichen Zwecken dient, ist das Gesellschaftsvermögen ausschließlich für die Verfolgung des Gesellschaftszwecks bestimmt und unterliegt einer eigenen Haftungsordnung.


Gesellschaftsvermögen bei verschiedenen Gesellschaftsformen

Personenhandelsgesellschaften

Offene Handelsgesellschaft (OHG) und Kommanditgesellschaft (KG)

Bei der OHG (§§ 105 ff. HGB) und der KG (§§ 161 ff. HGB) ist das Gesellschaftsvermögen gesamthänderisch gebunden. Das bedeutet, dass die Gesellschafter gemeinsam Eigentümer am vorhandenen Vermögen sind, ohne dass sie über konkrete Anteile am Vermögen verfügen. Das Vermögen dient ausschließlich Gesellschaftszwecken, Gläubiger der Gesellschaft haben auf diese Vermögensmasse Zugriff.

Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)

Das Gesellschaftsvermögen einer GbR (§§ 705 ff. BGB) ist ebenfalls gesamthänderisch gebunden (§ 718 BGB). Auch hier kann kein Gesellschafter über seinen Anteil am Vermögen separat verfügen. Rechtsbeziehungen bestehen vorrangig zwischen der GbR und Dritten; die Gesellschafter haften jedoch gesamtschuldnerisch mit ihrem Privatvermögen.

Kapitalgesellschaften

Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)

Bei der GmbH (§§ 13 ff. GmbHG) ist das Gesellschaftsvermögen strikt vom Privatvermögen der Gesellschafter getrennt. Die GmbH ist selbstständige juristische Person, Eigentümerin ihres Vermögens und alleinige Trägerin von Rechten und Pflichten. Gläubiger der Gesellschaft können ausschließlich auf das Gesellschaftsvermögen zugreifen.

Aktiengesellschaft (AG)

Die Vermögenssphären der Aktiengesellschaft (§§ 1 ff. AktG) und ihrer Aktionäre sind klar getrennt. Das Gesellschaftsvermögen ist das haftende Kapital der AG, zu dessen Gunsten die Gläubiger einen gesetzlichen Mindestschutz genießen (insbesondere das Grundkapital gemäß § 7 AktG).

Sonderformen

Bei speziellen Gesellschaftsformen, wie als Partnerschaftsgesellschaft (PartG) oder eingetragene Genossenschaften, gelten jeweils eigene Regelungen zur Bildung und Haftung des Gesellschaftsvermögens, die den vorgenannten Strukturen ähneln.


Funktionen und Bedeutung des Gesellschaftsvermögens

Haftungsmasse im Außenverhältnis

Die wichtigste Funktion des Gesellschaftsvermögens ist seine Stellung als Haftungsmasse gegenüber Gesellschaftsgläubigern. Im Insolvenzfall oder bei Verbindlichkeiten haftet primär das Gesellschaftsvermögen. Je nach Gesellschaftsform ist die Durchgriffshaftung auf das Privatvermögen der Gesellschafter möglich oder ausgeschlossen.

Gläubigerschutz und Kapitalerhaltung

Insbesondere bei Kapitalgesellschaften ist die Erhaltung des Gesellschaftsvermögens ein zentrales Anliegen des Gesetzgebers. Maßnahmen zum Gläubigerschutz umfassen u. a. das Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 30 GmbHG, § 57 AktG), Vorschriften zu Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung sowie zur Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit.

Verfügung und Verwaltung

Das Gesellschaftsvermögen wird durch Organe bzw. vertretungsberechtigte Personen der Gesellschaft verwaltet. Verfügungsbefugnisse sind gesetzlich geregelt und können durch Gesellschaftsvertrag oder Satzung modifiziert werden.


Erwerb und Verwendung des Gesellschaftsvermögens

Beitragspflichten der Gesellschafter

Das Gesellschaftsvermögen entsteht durch Einbringung von Beiträgen (Bar- oder Sacheinlagen) der Gesellschafter. Die Pflicht zur Erbringung dieser Beiträge ist regelmäßig im Gesellschaftsvertrag geregelt und deren Erfüllung Voraussetzung für die rechtmäßige Aufnahme der Geschäftstätigkeit.

Verwendungszwecke

Die Verwendung des Gesellschaftsvermögens ist ausschließlich durch den Gesellschaftszweck begrenzt. Eine Verwendung zugunsten einzelner Gesellschafter außerhalb des Gesellschaftszwecks ist in der Regel unzulässig und kann Rückzahlungs- und Schadenersatzansprüche auslösen.


Beendigung der Gesellschaft und Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens

Auflösung und Liquidation

Mit Beendigung der Gesellschaft wird das Gesellschaftsvermögen im Rahmen der Liquidation gemäß den gesetzlichen Vorschriften und den Bestimmungen des Gesellschafts- oder Gesellschaftsvertrags verwertet. Nach Begleichung aller Verbindlichkeiten erfolgt die Verteilung eines etwaigen Restvermögens an die Gesellschafter entsprechend ihrer Beteiligungsquoten.

Insolvenz

Im Insolvenzfalle unterliegt das Gesellschaftsvermögen dem Zugriff der Insolvenzgläubiger. Die Führung des Insolvenzverfahrens richtet sich nach der jeweiligen Rechtsform der Gesellschaft und den Bestimmungen der Insolvenzordnung.


Gesellschaftsvermögen im Steuerrecht

Im Steuerrecht ist die Zuordnung von Vermögensgegenständen und Schulden zum Gesellschaftsvermögen von zentraler Bedeutung für die Ermittlung der steuerlichen Einkünfte sowie für die Bewertung im Rahmen von Bilanzierung und Besteuerung. Unterschiede ergeben sich vor allem zwischen den Gewinnermittlungsarten und der steuerlichen Transparenz von Personen- und Kapitalgesellschaften.


Literaturhinweise

  • Baumbach/Hopt: Handelsgesetzbuch
  • Lutter/Hommelhoff: GmbH-Gesetz
  • Münchener Kommentar zum BGB
  • K. Schmidt: Gesellschaftsrecht

Weblinks

Deutsches Handelsgesetzbuch (HGB)
Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG)
* Aktiengesetz (AktG)


Dieser Artikel bietet eine umfassende rechtliche Darstellung des Gesellschaftsvermögens und beleuchtet dessen Relevanz sowie die damit verbundenen Rechte und Pflichten in sämtlichen, für die Praxis bedeutsamen Gesellschaftsformen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Folgen hat die Trennung von Gesellschaftsvermögen und Privatvermögen der Gesellschafter?

Die Trennung von Gesellschaftsvermögen und Privatvermögen der Gesellschafter ist ein zentrales Prinzip im Gesellschaftsrecht. Aus rechtlicher Sicht bedeutet dies, dass das Vermögen, das zur Erreichung des Gesellschaftszwecks eingebracht und erworben wird, rechtlich der Gesellschaft als Sondervermögen zugeordnet wird und nicht mehr Bestandteil des Privatvermögens der Gesellschafter ist. Dies hat wesentliche Folgen im Hinblick auf die Haftung: Im Falle von Verbindlichkeiten haftet primär das Gesellschaftsvermögen; die Gesellschafter haften nur dann persönlich, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist – etwa bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder Offenen Handelsgesellschaft (OHG). Außerdem können Gläubiger eines Gesellschafters grundsätzlich nicht auf das Gesellschaftsvermögen zugreifen, sondern lediglich auf den Anteil des betreffenden Gesellschafters an der Gesellschaft und etwaige Gewinnausschüttungen. Weiterhin ist die Trennung maßgeblich für steuerliche Fragen, da Erträge und Verluste dem Gesellschaftsvermögen zuzurechnen sind und nicht dem Privatvermögen der Gesellschafter.

Wie erfolgt die Übertragung von Vermögensgegenständen in das Gesellschaftsvermögen?

Die Einbringung von Vermögensgegenständen ist nach deutschem Recht ein komplexer Rechtsakt, der sowohl schuldrechtliche als auch sachenrechtliche Komponenten beinhaltet. Zunächst muss ein gültiger Gesellschaftsvertrag vorliegen, der Art und Umfang der einzubringenden Gegenstände sowie die Bedingungen regelt. Die Übertragung selbst erfolgt entsprechend der für den jeweiligen Gegenstand vorgeschriebenen Formvorschriften, beispielsweise durch Einigung und Übergabe bei beweglichen Sachen oder durch Auflassung und Eintragung ins Grundbuch bei Immobilien. Im Falle von Forderungen ist gemäß § 398 BGB eine Abtretung erforderlich. Steuerlich kann die Einbringung zu einer Entnahmebesteuerung beim Einbringenden führen, sofern stille Reserven vorhanden sind. Gesellschaftsrechtlich wird das eingebrachte Gut Teil des haftenden Gesellschaftsvermögens.

Welche Auswirkungen hat die Insolvenz der Gesellschaft auf das Gesellschaftsvermögen?

Tritt die Insolvenz der Gesellschaft ein, wird gemäß § 35 InsO das gesamte Gesellschaftsvermögen der Insolvenzmasse zugeführt und steht damit primär den Gläubigern der Gesellschaft zur Verfügung. Das Gesellschaftsvermögen bleibt als solches erhalten und wird durch den Insolvenzverwalter verwaltet und verwertet. Gesellschafter können im Regelfall nicht ohne weiteres auf Einzelgegenstände zugreifen; ihre Ansprüche beschränken sich auf das, was nach Beendigung des Insolvenzverfahrens gegebenenfalls aus einem etwaigen Überschuss resultiert. Bei Personengesellschaften besteht häufig eine Nachschusspflicht der Gesellschafter, das heißt, sie müssen im Insolvenzfall gegebenenfalls zusätzlich eigenes Vermögen in die Gesellschaft einbringen, um die offenen Verbindlichkeiten zu bedienen. Bei Kapitalgesellschaften (z.B. GmbH, AG) ist die Haftung der Gesellschafter grundsätzlich auf die Einlage beschränkt.

Welche Bedeutung hat das Gesellschaftsvermögen im Rahmen der Haftung gegenüber Dritten?

Das Gesellschaftsvermögen ist das primäre Haftungssubstrat im Außenverhältnis der Gesellschaft gegenüber ihren Gläubigern. Dies bedeutet, dass Ansprüche Dritter – etwa aus Verträgen, unerlaubter Handlung oder Steuerschulden – zunächst gegen das Gesellschaftsvermögen durchgesetzt werden. Die genaue Haftungslage richtet sich nach der Rechtsform der Gesellschaft: Bei der GbR und OHG haften die Gesellschafter daneben persönlich und gesamtschuldnerisch mit ihrem Privatvermögen für die Gesellschaftsschulden, bei Kapitalgesellschaften in der Regel nur das Gesellschaftsvermögen. Erst wenn dieses nicht ausreicht und gesetzliche Bestimmungen dies vorsehen, kann auf das Privatvermögen der Gesellschafter oder auf Nachschüsse zugegriffen werden.

Welche rechtlichen Besonderheiten bestehen bei der Nutzung von Gesellschaftsvermögen?

Gesellschaftsvermögen ist gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter, das ausschließlich dem Gesellschaftszweck dient. Jegliche Nutzung von Gesellschaftsvermögen durch die Gesellschafter ist an enge rechtliche Voraussetzungen gebunden. Entnahmen oder Gebrauch muss regelmäßig gesellschaftsvertraglich geregelt oder durch Beschluss aller Gesellschafter legitimiert sein. Eine eigenmächtige Nutzung von Gesellschaftsvermögen durch einen Gesellschafter ohne entsprechenden Beschluss kann eine Pflichtverletzung darstellen und Schadensersatzansprüche auslösen. Weiterhin unterliegt die Nutzung den Vorgaben der ordnungsgemäßen Geschäftsführung gemäß §§ 705 ff. BGB bzw. spezialgesetzlicher Regelungen bei Kapitalgesellschaften.

Wie werden Gewinne und Verluste aus dem Gesellschaftsvermögen verteilt?

Die Verteilung von Gewinnen und Verlusten erfolgt nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags oder, falls keine abweichende Regelung getroffen wurde, nach den gesetzlichen Vorschriften. Grundsätzlich steht der erwirtschaftete Gewinn vor Verteilung im Gesellschaftsvermögen. Erst ein durch Gesellschafterbeschluss festgelegter Gewinnverteilungsanspruch begründet eine Forderung gegenüber dem Gesellschaftsvermögen. Verluste werden entsprechend auf das Gesellschaftsvermögen übernommen und können über Kapitalrücklagen, Gewinnvorträge oder Nachschüsse der Gesellschafter ausgeglichen werden. Steuergesetzlich sind die Gewinne und Verluste der jeweiligen Gesellschaft zugeordnet und unterliegen unter Umständen der Gesellschafterbesteuerung (Transparenzprinzip bei Personengesellschaften) oder der Körperschaftsteuer.

Wie wird das Gesellschaftsvermögen bei Beendigung der Gesellschaft behandelt?

Bei Auflösung oder Beendigung der Gesellschaft erfolgt eine Auseinandersetzung gemäß den gesetzlichen Vorgaben und den Regelungen des Gesellschaftsvertrags. Das Gesellschaftsvermögen wird in diesem Rahmen liquidiert, das heißt, es werden sämtliche Verbindlichkeiten getilgt, offene Forderungen eingezogen und das verbleibende Vermögen unter den Gesellschaftern verteilt. Dabei ist das Prinzip der Gleichbehandlung aller Gesellschafter zu beachten, sofern nicht anderweitige gesellschaftsvertragliche Regelungen bestehen. Die Verteilung erfolgt grundsätzlich im Verhältnis der Beteiligung an der Gesellschaft. Rechte Dritter und gesetzliche Rangfolgen der Gläubigerbefriedigung sind einzuhalten. Soweit stille Reserven realisiert werden, sind die entsprechenden steuerlichen Konsequenzen zu beachten.